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Die biographisch narrative Gesprachsfuhrung ist eine Methode die an die empirischen Forschungsverfahren des narrativen Interviews anschliesst 1 Das Verfahren hat der deutsche Soziologe Fritz Schutze im Rahmen einer Studie uber lokalpolitische Machtverhaltnisse um 1975 an der Universitat Bielefeld entwickelt Diese Verfahrensprinzipien werden aus dem ursprunglichen wissenschaftlichen Zusammenhang herausgelost und zum Beispiel auf die professionelle Praxis der Erwachsenenbildung der Laufbahnberatung und der Sozialen Arbeit ubertragen Inhaltsverzeichnis 1 Narrative Interviewtechnik 2 Konzeptionen 2 1 Konzeption nach Rosenthal 2 2 Konzeption nach Volzke 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseNarrative Interviewtechnik BearbeitenDie von Fritz Schutze vorgeschlagene Technik der Interviewfuhrung grundet auf Erkenntnissen aus der Sprachsoziologie Linguistik Erzahltheorie Ethnographie und Volkskunde Im Zentrum seiner Uberlegungen steht die zentrale Bedeutung des Narrativen in der alltaglicher Kommunikation und in empirischen Forschungsprozessen Hierzu gibt es drei Vorgehensweisen Interviewpartner werden zu einer umfassenden und detaillierten Stegreiferzahlung personlicher Erlebnisse in einem vorgegebenen Themenbereich gebeten Dabei werden die Personen nicht mit standardisierten Fragen konfrontiert Im freien Erzahlen uber selbsterlebte Ereignisse ergeben sich subjektive Bedeutungsstrukturen die sich einem systematischen Befragen im Interview eher verschliessen wurden Auch im Alltag spielen Erzahlungen eine herausragende Rolle Denn sie dienen der Verarbeitung Bilanzierung und Bewertung von Erfahrungen ubergreifende Handlungszusammenhange werden sichtbar ein subjektiver Sinn kann rekonstruiert werden Konzeptionen BearbeitenDie Bezeichnung biografisch narrative Gesprachsfuhrung geht zuruck auf unabhangig voneinander entstandene Arbeiten von Gabriele Rosenthal und Mitarbeiterinnen sowie Reinhard Volzke Beide Ansatze transferieren die Forschungsmethode des narrativen Interviews auf die Praxis der padagogischen beraterischen und sozialen Arbeit Den Konzeptionen ist gemeinsam dass die Adressaten padagogischen Handelns die Gelegenheit haben eigene Erlebnisse und Erfahrungen narrativ in einer selbstgesteuerten Form zu rekonstruieren und zu prasentieren Lernende Beratungssuchende und andere Klienten werden darin unterstutzt eigene Deutungen ihrer Erlebnisse zu finden vorhandene Bewertungen zu uberprufen ihr Selbstbild zu relativieren und aktuellen Gegebenheiten anzupassen Narrative Kommunikation ist eine spezifische Form der Selbstreflexion Biografisch narrative Gesprachsfuhrung begleitet den autobiografischen Erinnerungsprozess um die erzahlende Person in der Bewusstwerdung ihrer personlichen und sozialen Identitat zu unterstutzen Gleichzeitig zielt diese Art der Gesprachsfuhrung auf die Erhohung des Fremdverstehens durch die zuhorende Person Konzeption nach Rosenthal Bearbeiten Die Konzeption von Gabriele Rosenthal 2 orientiert sich eng am dreiphasigen Aufbau der narrativen Interviewtechnik nach Fritz Schutze Die zu beratende Person wird zu Beginn durch Eingangsimpulse zur narrativen Exploration einer biografischen Haupterzahlung angeregt Der Erzahler breitet in einer selbstgesteuerten Form die eigene Lebensgeschichte vor dem Zuhorer aus Gefordert wird der Erzahlprozess durch eine betont zuruckhaltende Haltung der zuhorenden Person die durch keinerlei Interventionen Einfluss auf die prasentierten Inhalte die Vollstandigkeit oder Konsistenz der Erzahlung nimmt In der zweiten Gesprachsphase werden durch die zuhorende Person gezielte Fragen nach Themen oder Ereignissen gestellt die in der Haupterzahlung bereits erwahnt wurden Die erzahlende Person wird auf diese Weise gebeten einzelne Aspekte der Lebensgeschichte ausfuhrlicher darzustellen In der dritten Phase werden von der zuhorenden Person gezielt jene Themen angesprochen die bisher noch nicht erwahnt wurden die aus Sicht der zuhorenden Person aber von Interesse sein konnten Weil ein in dieser Weise angeleiteter Erzahlprozess mehrere Stunden dauern kann besteht ein vollstandiges biografisch narratives Gesprach haufig aus zwei bis drei Sitzungen Konzeption nach Volzke Bearbeiten Die zweite Konzeption der biografisch narrativen Gesprachsfuhrung stammt von Reinhard Volzke 3 der sich auf entsprechende Vorarbeiten von Michael Schibilsky beruft Dieser Ansatz schliesst ebenfalls an das auf Fritz Schutze zuruckgehende biographisch narrative Interview an Es ubertragt die Interviewtechnik aber bestimmter als beim Rosenthal Konzept auf unterschiedliche padagogische Settings in denen teilweise nur wenig Zeit zur Verfugung steht Beim Einsatz dieser Technik werden folgende aktuelle Gegebenheiten unterschieden Tur und Angel Situationen Zusammenhang mit Veranstaltungen und dezidiert narrative Settings Teilnehmende Personen eines Weiterbildungsseminars Klienten einer sozialen Beratung oder andere Adressaten padagogischen Handelns werden durch erzahlgenerierende Impulse angeleitet das in der aktuellen Situation angesprochene Thema oder Ereignis durch das Erzahlen einer selbsterlebten Geschichte zu konkretisieren Zentrale Gesprachstechniken sind dabei Absenken der Erzahlschwelle anknupfendes Nachfragen Zuruckhalten eigener Bewertungen und Meiden bewertender Fragen Biographisch narrative Gesprachsfuhrung versteht sich nicht als eine Gesprachstechnik im engeren Sinne Das Konzept wird nicht durch das exakte Befolgen von Gesprachsregeln und Fragetechniken realisiert Vielmehr erhalt in einer grundlegenden Haltung der jeweilige Adressat in der aktuellen Interaktion einen Erzahlraum Voraussetzung hierfur sind Neugier und authentisches Interesse an den erzahlten Darstellungen Siehe auch BearbeitenBiografiearbeit Biografieforschung Erzahlcafe Erzahlforschung Narratives InterviewLiteratur BearbeitenGabriele Rosenthal Erlebte und erzahlte Lebensgeschichte Gestalt und Struktur biographischer Selbstbeschreibungen Campus Frankfurt am Main New York 1995 ISBN 3 593 35291 5 Gabriele Rosenthal Michaela Kottig Nicole Witte Anne Blezinger Biographisch narrative Gesprache mit Jugendlichen Chancen fur das Selbst und Fremdverstehen Leverkusen 2006 Fritz Schutze Zur Hervorlockung und Analyse von Erzahlungen thematisch relevanter Geschichten im Rahmen soziologischer Feldforschung dargestellt an einem Projekt zur Erforschung von kommunalen Machtstrukturen In Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen Kommunikative Sozialforschung Munchen 1976 S 159 260 Fritz Schutze Ethnographie und sozialwissenschaftliche Methoden der Feldforschung Eine mogliche methodische Orientierung in der Ausbildung und Praxis der Sozialen Arbeit In Norbert Groddeck Michael Schumann Modernisierung Sozialer Arbeit durch Methodenentwicklung und reflexion Freiburg im Breisgau 1994 S 189 297 Fritz Schutze Verlaufskurven des Erleidens als Forschungsgegenstand in der interpretativen Soziologie In Heinz Hermann Kruger Winfried Marotzki Hrsg Erziehungswissenschaftliche Biographieforschung Opladen 1995 S 116 157 Reinhard Volzke Die Methode des Biographischen Gesprachs in der Sozialpadagogik Schriftenreihe der Evangelischen Fachhochschule Rheinland Westfalen Lippe Bochum 1990 ISBN 3 92601312 5 Reinhard Volzke Biografisch narrative Beratung im Lebenslangen Lernen In Wiltrud Giesecke Dieter Nittel Hrsg Handbuch padagogische Beratung uber die Lebensspanne Weinheim Basel Beltz Verlag 2016 457 467 ISBN 978 3 7799 3128 7 P M Wiedemann Erzahlte Wirklichkeit Zur Theorie und Auswertung narrativer Interviews Psychologie Verlag Weinheim 1986Weblinks BearbeitenReinhard Volzke Erzahlen Bruckenschlag zwischen Leben und Lernen 2005 PDF 151 kB Reinhard Volzke Das biographische Gesprach in der Bildungsarbeit 1995 PDF 2 9 MB Patrick Heiser Datenerhebung mittels narrativer Interviews Fernuniversitat Hagen 29 November 2016 1 Eine Pilger Studie die als Erhebungsmethode das narrativen Interview Stegreiferzahlungen gebraucht Patrick Heiser Datenauswertung mit der Narrationsanalyse Fernuniversitat Hagen 29 November 2016 2 Patrick Heiser Datenerhebung mittels narrativer Interviews Erzahltheorie Methodisches Vorgehen Forschungsbeispiel Fernuniversitat Hagen 3 auf fernuni hagen de Patrick Heiser Datenauswertung mit der Narrationsanalyse nach Fritz Schutze Fernuniversitat Hagen 4 auf fernuni hagen de Einzelnachweise Bearbeiten Gisela Jakob Das narrative Interview in der Biographieforschung In Barbara Friebertshauser Annedore Prengel Hrsg Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft Juventa Weinheim Munchen 1997 S 445 458 Gabriele Rosenthal Biographisch narrative Gesprachsfuhrung Zu den Bedingungen heilsamen Erzahlens im Forschungs und Beratungskontext In Psychotherapie und Sozialwissenschaften Heft 4 2002 S 204 227 Arbeitsblatt von Michaela Kottig und Reinhard Volzke PDF 77 kB Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Biographisch narrative Gesprachsfuhrung amp oldid 206894712