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Atmospheres ist ein Orchesterwerk von Gyorgy Ligeti aus dem Jahre 1961 Es entstand zwischen Februar und Juli des Jahres und wurde am 22 Oktober 1961 bei den Donaueschinger Musiktagen uraufgefuhrt Das Werk gilt als Schlusselwerk innerhalb der Neuen Musik und wurde vor allem durch die Verwendung im Film 2001 Odyssee im Weltraum beruhmt Die Gesamtdauer betragt ungefahr neun Minuten Inhaltsverzeichnis 1 Musik 2 Semantisch assoziative Aspekte 3 Rezeption 4 Einzelnachweise 5 LiteraturMusik BearbeitenBesetzung 4 Floten alle auch Piccolo 4 Oboen 4 Klarinetten auch kleine Klarinette in Es 3 Fagotte Kontrafagott 6 Horner 4 Trompeten 4 Posaunen Tuba Klavier im Saitenraum gespielt von 2 Schlagzeugern Streicher 1 Violine 14 Stimmen 2 Violine 14 Stimmen Viola 10 Stimmen Violoncello 10 Stimmen Kontrabasse 8 Stimmen Atmospheres ist nach Apparitions aus dem Jahre 1959 Gyorgy Ligetis zweites Orchesterwerk das er nach seiner Emigration aus Ungarn komponierte Der erste Entwurf entstand noch in Ungarn und trug den Titel Viziok Visionen wohl wissend dass ein solches Werk damals keine Chance auf eine Auffuhrung in seinem Heimatland hatte 1 Charakteristisch fur das Werk ist die ausdifferenzierte mikropolyphone Anlage Dabei verschmelzen die 87 Instrumentalstimmen zu einem grossen nicht mehr trennbaren Gesamtklang der quasi oszilliert und sich standig wandelt Der 4 4 Takt ist als Pulsgeber fur das Stuck nicht ausschlaggebend sondern dient allein der Synchronisation der Einzelstimmen sowie der zeitlichen Gliederung Ligeti strebte mit Atmospheres die Abkehr von einer strukturell gedachten Kompositionsweise an So heisst es im Programmheft der Urauffuhrung In Atmospheres versuchte ich das strukturelle kompositorische Denken das das motivisch thematisch abloste zu uberwinden und dadurch eine neue Formvorstellung zu verwirklichen In dieser musikalischen Form gibt es keine Ereignisse sondern nur Zustande keine Konturen und Gestalten sondern nur den unbevolkerten imaginaren musikalischen Raum und die Klangfarben die eigentlichen Trager der Form werden von den musikalischen Gestalten gelost zu Eigenwerten Gyorgy Ligeti Programmheft Donaueschinger Musiktage 1961 S 14 2 Immer wieder folgen an und abschwellende lang ausgehaltene sich teils wandelnde Riesencluster direkt aufeinander die damit Assoziationen an eine Weltraumszenerie hervorrufen Bald schraubt sich ein Cluster in immer hohere Lagen bis er von einem tiefen Kontrabasstosen urplotzlich abgelost wird Wieder mischen sich helle Nuancen in den Gesamtklang ein der sich schliesslich vom tiefen Brummen befreit dann immer wieder wehenartig stockt bald schwirrender wird bis Blaser die Oberhand gewinnen und ein tutend berstendes Klangbild bieten Das Geschehen beruhigt sich gegen Ende des Stucks fuhren die Instrumente nur noch leichte beinahe schon melodiose Schwingungen aus Nach einem letzten kleinen Anschwellen verschwindet der Klang gleichsam im Nichts Der Komponist wies in einem Interview auf drei Vorbilder fur das Werk hin die Vorspiele zu Wagners Rheingold und zu Bartoks Der holzgeschnitzte Prinz sowie Schonbergs Farben ein Werk das er vor 1956 nicht kannte 1 Atmospheres stellt auch eine erste Beschaftigung Ligetis mit ostasiatischer Musik dar Er radikalisiert in ihm statische Wirkungen wie sie in aussereuropaischen Musikkulturen durch die Gleichformigkeit des zeitlichen Ablaufs durch strenge Metrisierung diverse Rhythmik und vor allem extrem langsame Tempi erzeugt werden 3 Semantisch assoziative Aspekte BearbeitenIn einem Kommentar zu den Atmospheres unter der Uberschrift Strukturen im Strukturlosen 4 meint Harald Kaufmann es sei bei einem so prononciert auf den Materialaspekt hin komponierten Stuck uberraschend 4 dass in der musikalischen Struktur eine unterschwellige Bedeutungsebene angetont 4 werde Ligeti habe die Partitur dem Andenken Matyas Seibers gewidmet und tatsachlich wahrend der Komposition an die Darstellung einer Totenmesse innerhalb der Materialsphare gedacht 4 Ligeti wolle das so aufgefasst wissen dass gleichsam im Keller ganz in der Ferne im Unterschwelligen ein Requiem vor sich geht 4 Die stoffliche Textur sei so gestaltet dass sie Assoziationen zulasse die mit den Assoziationen nach der alten Requiemsequenz Beruhrungspunkte haben 4 In der Tat war eines der nachstfolgenden Werke Ligetis sein Requiem komponiert in den Jahren 1963 bis 1965 Eine in semantischer Hinsicht bedeutende Schlusselstelle ist das bereits oben erwahnte ungefahr in der Mitte des Stucks erfolgende Abkippen aus den hochsten Hohen der Violinen und Piccolofloten in die Tiefe der Kontrabasse Ligeti gibt zu hier an einen Sturz in tartaro gedacht zu haben 4 Ein anschliessender 56 stimmiger Kanon mundet uber eine schrittweise Verengung des Frequenzbandes in einer Art Trichter 4 Dies ist der Augenblick an den Beginn eines Dies irae zu denken Nach Durchschreiten der engen Pforte nach einer kurzen scheinbaren Ruhepause erklingt die Tuba mirum spargens sonum die Posaune die einen wundersamen Klang erklingen lasst Diese Assoziation entsteht aus der Zusammenballung aller Blechblaser Besonders duster und unheilvoll ist die Klangmischung von vier Trompeten in tiefster Lage Bald darauf verdunnt sich in der Textur der chromatische Cluster zum diatonischen Cluster Es ist dies der Materialaspekt des Versohnlichen nach dem Schrecken Agnus Dei dona eis requiem 4 Rezeption BearbeitenDie Premiere bei der das Sinfonieorchester des Sudwestfunks unter der Leitung von Hans Rosbaud spielte fuhrte beim Publikum zu so grossem Anklang dass eine sofortige Wiederholung gefordert wurde Als besonders sensationell galt Ligetis Ansatz deshalb weil die Orchesterwerke Apparitions 1959 und Atmospheres durch die beabsichtigte Strukturlosigkeit mit der Uberstruktur der seriellen Musik brachen Zu grosserer Popularitat fuhrte die Verwendung der Atmospheres in Stanley Kubricks Science Fiction Film 2001 Odyssee im Weltraum Obwohl Ligeti den Einsatz seiner Musik an ihrer konkreten Stelle und auch den Film an sich sehr schatzte missfiel ihm die Tatsache vorher weder gefragt noch bezahlt worden zu sein Erst nach einigen rechtlichen Schritten kam es zu einer Zahlung an Ligeti Im Gesprach mit dem WELT Redakteur Sven Ahnert ausserte Ligeti er hatte wahrend der Kompositionsarbeiten nicht an kosmische Dinge gedacht 5 In einem Interview mit Balint Andras Varga konkretisierte er zudem dass Atmospheres den Kontrast von Atmosphare zu Luft verdeutlichen sollte Er betrachtete dieses Stuck wie auch seine Apparitions nicht als Programmmusik da er in keinem von beiden das Gefuhl des Fliegens habe vertonen wollen Dennoch habe das Fliegen einen Einfluss in Form einer schwebenden Musik im Sinne einer laufenden Verwandlung musikalischer Formen gehabt 6 Einzelnachweise Bearbeiten a b Universal Edition Gyorgy Ligeti Atmospheres abgerufen am 2 Marz 2023 Zitiert nach Hintergrundtexte zum Kalten Krieg In Kalter Krieg BRD gegen DDR Avantgarde gegen Sozialistischen Realismus In Peter Schleuning und Wolfgang Martin Stroh Eine politische Geschichte der Musik Auf der Website von Wolfgang Martin Stroh abgerufen am 13 Februar 2013 Wolfgang Burde Gyorgy Ligeti Eine Monographie Atlantis Musikbuch Verlag AG Zurich 1993 S 121 a b c d e f g h i Harald Kaufmann Strukturen im Strukturlosen in der Beilage zur Wergo LP WER 60022 Der Aufsatz Strukturen im Strukturlosen ist abgedruckt in Harald Kaufmann Spurlinien Analytische Aufsatze uber Sprache und Musik Lafite Wien 1969 S 107 117 Zur Entstehung und Interpretation des Werks siehe auch den Briefwechsel zwischen Ligeti und Kaufmann in Harald Kaufmann Von innen und aussen Schriften uber Musik Musikleben und Asthetik hrsg von Werner Grunzweig und Gottfried Krieger Wolke Hofheim 1993 S 199ff Ligeti im Streit mit Kubrick Fur 3 000 Dollar 2001 Atmosphare Interview mit Gyorgy Ligeti in der WELT vom 1 Marz 2001 Balint Andras Varga Gyorgy Ligeti In Drei Fragen an 73 Komponisten ConBrio Regensburg 2014 ISBN 978 3 940768 42 1 S 211 217 Literatur BearbeitenHarenberg Kulturfuhrer Konzert Meyers Lexikonverlag Mannheim 2006 ISBN 978 3 411 76161 6 Booklet der CD Gyorgy Ligeti Atmospheres Deutsche Grammophon 00289 479 0567 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Atmospheres amp oldid 234421621