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Vom Allee Effekt spricht man in der Populationsbiologie und Okologie wenn eine hohere Populationsgrosse und oder Dichte von Artgenossen einen positiven Einfluss auf die Fitness eines Individuums der entsprechenden Art hat Der Effekt ist von dem einflussreichen amerikanischen Okologen Eugene P Odum nach seinem Landsmann Warder Clyde Allee benannt der ihn erstmals beschrieben hat Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Starker und schwacher Allee Effekt 3 Faktoren 4 Mathematische Modellierung 5 Literatur 6 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenIn den okologischen Wissenschaften gilt es als Normalfall dass es fur ein Individuum in der Regel immer nachteilig ist wenn es von vielen anderen Individuen der gleichen Art umgeben ist Dies liegt daran dass Artgenossen sich okologisch sehr ahnlich sind und dementsprechend ahnliche Bedurfnisse haben und Anforderungen an ihren Lebensraum stellen Artgenossen benotigen dieselben Ressourcen wie z B Nahrung oder Nistplatze sind sie von gleichem Geschlecht sind sie auf dieselben Paarungspartner aus Man sagt dazu dass die Individuen sich gegenseitig Konkurrenz machen im Falle von Konkurrenz durch Artgenossen nennt man dies Intraspezifische Konkurrenz In der Populationsokologie gilt der Einfluss der Konkurrenz als ein Schlusselfaktor Er wird mathematisch durch verschiedene Modelle dargestellt deren einfachstes und verbreitetstes die logistische Gleichung ist Als Allee Effekt beschreibt man nun die Ausnahmen von diesem fast allgemeingultigen Zusammenhang In naturlichen oder Laborpopulationen kommt es nicht selten dazu dass die Nachkommenzahl eines Individuums nicht absinkt sondern ansteigt wenn es von einer zunehmenden Zahl von Artgenossen umgeben ist Dafur sind verschiedene Grunde ausgemacht worden die weiter unten beschrieben werden Typischerweise tritt dieser Effekt nur bei kleinen oder sehr kleinen Populationen auf und kehrt sich bei hohen Populationsdichten ins Gegenteil indem hier wieder der Einfluss der Konkurrenz uberwiegt In mathematischen Populationsmodellen kann man den Einfluss des Allee Effekts mit einem Term fassen der dem normalen Populationsmodell als Korrekturterm hinzugefugt wird Das normale Populationsmodell berucksichtigt vor allem den Einfluss der Konkurrenz und kann bei mittleren und hohen Populationsdichten meist die Wirklichkeit recht gut abbilden Der Korrekturterm hingegen wirkt sich vor allem bei sehr niedrigen Populationsdichten aus In unkorrigierten Modellen sinkt die durchschnittliche Nachkommenzahl jedes Individuums oder mit anderen Worten seine Fitness mit steigender Populationsdichte ab und erreicht schliesslich an der Tragfahigkeitsschwelle des Lebensraums d h bei Erreichen der maximal lebensfahigen Population den zum Halten der Populationsgrosse notwendigen minimalen Wert Die Wachstumsrate der Population sinkt also nach und nach auf Null und wird bei noch hoheren Dichten sogar negativ Das bedeutet dass die Dichte der Artgenossen sich ausschliesslich mehr oder weniger stark negativ auf die Wachstumsrate auswirkt wenn man von dem trivialen Fall absieht dass bei getrenntgeschlechtlichen Arten mindestens ein Individuum jedes Geschlechts vorhanden sein muss Ist ein Allee Effekt wirksam kehrt sich dieser Zusammenhang in einem gewissen Parameterbereich um Um den Ausnahmecharakter zu betonen spricht man hier von einem inversen d h umgekehrten Dichteeffekt Starker und schwacher Allee Effekt BearbeitenIn einer Prazisierung von Allees und Odums Ansatz hat eine Gruppe britischer Okologen versucht den Effekt klarer zu definieren 1 Sie unterscheiden einzelne Faktoren oder Komponenten im Leben des jeweils betrachteten Individuums die jeweils fur sich betrachtet einen Vorteil bei hohen bzw bei niedrigen Populationsdichten bewirken Beispielsweise kann es fur ein Huftier wie eine Gazelle gunstig sein von vielen Artgenossen umgeben zu sein wenn es um den Einfluss von Raubern in der Fachsprache Pradatoren genannt geht Viele Gazellen konnen einen sich nahernden Pradator leichter bemerken schlagt dieser trotzdem zu ist die Wahrscheinlichkeit hoher dass es einen anderen erwischt Gleichzeitig ist die hohe Gazellendichte aber auch nachteilig weil alle dasselbe Gras fressen das nun knapp werden kann Fur diejenigen Komponenten bei denen sich eine erhohte Dichte positiv auswirkt wird nun ein Komponenten Allee Effekt berucksichtigt Fur die Nachkommenzahl als Ganzes gibt es zahlreiche Komponenten von denen einige einen Allee Effekt aufweisen andere nicht In der Summe kann der Effekt der Komponenten mit einem Allee Effekt uberwiegen In diesem Fall wird auch die Nachkommenzahl bei hoherer Dichte insgesamt ansteigen Man sagt dazu dass ein demographischer Allee Effekt wirksam ist Ein demographischer Allee Effekt tritt also nicht automatisch auf wenn es erhohte Dichte begunstigende Faktoren gibt sondern nur wenn diese starker sind Die Komponenten die einen demographischen Allee Effekt bewirken konnen konnen abhangig von der jeweiligen Populationsdichte stark unterschiedliche Werte annehmen Es kann so sein dass sich bei geringer Dichte das Wachstum der Population gegenuber hoheren Dichten lediglich etwas verzogert oder vermindert Ist dies der Fall spricht man von einem schwachen Allee Effekt Bei weitem dramatischer sind die Auswirkungen wenn ab einer gewissen minimalen Populationsschwelle das Wachstum auf Null und schliesslich auf negative Werte abfallt In diesem Fall spricht man von einem starken Allee Effekt Die Auswirkungen eines starken Allee Effekts auf eine Population konnen dramatisch sein und intuitiv vollig unerwartete Resultate bewirken Der untere Schwellenwert bei dem das Wachstum gerade Null erreicht ist ein instabiler Gleichgewichtspunkt im Gegensatz zu dem oberen Schwellenwert mit Wachstum Null dem Tragfahigkeitswert dieser ist ein stabiler Gleichgewichtspunkt Das bedeutet Eine Population kann sich auf diesem Punkt nicht dauerhaft halten Bei jeder minimalen Steigerung wird sie unweigerlich ohne weitere Faktoren bis zum oberen Gleichgewichtspunkt ansteigen Bei jedem minimalen Absinken wird sie mit immer starkerer Beschleunigung bis zum Populationswert Null d h dem Aussterben absinken Dies bedeutet Ist ein starker Allee Effekt wirksam ist das Aussterben einer Population unterhalb eines gewissen Schwellenwerts unausweichlich auch wenn noch eine gewisse Restpopulation eine Zeitlang am Leben ist Ihr Aussterben ist bereits besiegelt siehe Wandertaube Aus der anderen Richtung betrachtet Eine Neueinwanderung in einen Lebensraum durch naturliche Kolonisierung oder durch menschliche Verschleppung siehe Neobiota durch die betreffende Art wird fehlschlagen sofern sie durch zu wenige Individuen erfolgt Oberhalb des Schwellenwerts wird dieselbe Art dann den Lebensraum erfolgreich kolonisieren konnen ohne dass sich sonst irgendetwas geandert hatte 2 In gleicher Weise kann die Infektion durch einen Parasiten oder Krankheitserreger moglicherweise ab einem gewissen Dosis oder Schwellenwert der Infektion viel erfolgreicher sein 3 Faktoren BearbeitenDie okologische Forschung hat bei der sorgfaltigen Beobachtung vieler Populationen viele Falle gefunden in denen das Wachstum der entsprechenden Population durch Allee Effekte vermutlich beeinflusst worden ist und wird 4 Die verursachenden Grunde fallen in der Regel in eine der folgenden Kategorien mangelnde Paarungspartner Dies wirkt sich z B bei marinen Arten aus die sich durch Abgabe begeisselter Schwarmer ins freie Wasser befruchten oder bei Pflanzenarten die durch den Wind bestaubt werden Unterhalb einer gewissen Schwelle wird die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung sehr gering Raubersattigung engl predator satiation Dieser Effekt tritt ein wenn sich die Populationsgrosse eines Beuteorganismus viel schneller verandern kann als diejenige eines Raubers z B weil der Rauber viel grosser ist und dadurch eine langere Generationsdauer besitzt Steigt die Beutedichte wird der relative Einfluss der verhaltnismassig wenigen Rauber immer geringer Ausbreitung engl dispersal Ein durch Ausbreitungsvorgange ausgeloster Allee Effekt tritt ein wenn Individuen aus kleinen Populationen wahrscheinlicher ihren Lebensraum verlassen als Individuen aus grossen oder wenn Einwanderer bereits besiedelte Habitate gegenuber leeren bevorzugen In beiden Fallen sinkt die Wahrscheinlichkeit dass sich eine zunachst kleine Grunderpopulation aufbaut und etabliert ab Gleichzeitig konnte aber dadurch die Artbildungsrate in kleinen Lokalpopulationen durch populationsstutzende Einwanderungen langfristig sogar ansteigen 5 Der Effekt wurde vor allem bei Insektenarten nachgewiesen Habitatveranderung Verandert eine Art ihren Lebensraum fur sie selbst gunstig profitieren alle Individuen mit steigender Dichte immer mehr davon fehlende Kooperation Bei sozialen oder in Gruppen bzw Brutkolonien zusammenlebenden Arten sind kleine Volker Kolonien oder Herden gegenuber grossen haufig generell benachteiligt weil die Individuen arbeitsteilig Aufgaben verteilen konnen z B Wache stehen um vor sich nahernden Raubern zu warnen Der gleiche Effekt tritt bei in Gruppen jagenden Raubern auf z B Afrikanischer Wildhund Theoretisch sehr plausibel aber schwerer direkt nachweisbar sind weitere Faktoren deren tatsachlicher Einfluss moglicherweise sogar grosser ist Inzuchtdepression In sehr kleinen Populationen sinkt die Zahl der Allele und der Heterozygotiegrad notwendigerweise ab Damit verliert die Population Plastizitat bei der Anpassung an sich verandernde Umweltbedingungen und wird anfalliger fur Infektionen und Parasiten stochastische Populationseffekte In sehr kleinen Populationen kann durch geringe Zufalle der Anteil der Mannchen oder der Weibchen stark absinken Dadurch konnen weitere nachteilige Effekte z B starkere Belastigung von Weibchen oder heftigere Revierkampfe auftreten Ausserdem sterben kleine Populationen mit hoher Fluktuationsrate generell haufig per Zufall aus wenn durch eine Zufallsschwankung ihre Grosse auf Null absinkt Mathematische Modellierung BearbeitenEin einfaches Modell fur eine Population bei der ein demographischer Allee Effekt wirksam ist konnte so aussehen d N d t r N 1 N K N K 1 displaystyle frac dN dt rN left 1 frac N K right left frac N K 1 right nbsp Hier bedeutet N die Populationsgrosse t die Zeit K die Kapazitat des Lebensraums d h den Tragfahigkeitswert fur die maximal stabile Populationsgrosse r die intrinsische Wachstumsrate der Population K den kritischen unteren Schwellenwert unterhalb dessen das Populationswachstum negativ wird zum Faktor r vgl Artikel Logistische Gleichung Die Gleichung bis zum zweiten Klammerterm ist einfach eine Schreibweise der logistischen Gleichung Die Wachstumsrate der Population pro Kopf d N d t displaystyle tfrac dN dt nbsp ist ohne dichteabhangige Faktoren einfach proportional ihrer biologischen Wachstumsrate r die als konstant angenommen wird Durch den Einfluss der Konkurrenz erreicht sie einen positiven Wert unterhalb der Tragfahigkeitsschwelle K und wird oberhalb davon negativ Eine Population die so beschrieben werden kann wachst pro Kopf betrachtet umso schneller je kleiner sie ist Bei minimaler Populationsgrosse nahert sich der Klammerterm dem Wert Eins hat also keinen Effekt mehr Der zweite Klammerterm fasst den Einfluss des Allee Effekts Wird die Populationsgrosse N kleiner als der untere Schwellenwert K wird der Term negativ Damit sinkt die Populationsgrosse ab Ist die Population viel grosser als K wirkt sich K so gut wie uberhaupt nicht mehr aus Literatur BearbeitenWarder Clyde Allee Animal Aggregations A study in General Sociology University of Chicago Press Chicago Illinois 1931 Digitalisat Franck Courchamp Tim Clutton Brock Bryan T Grenfell 1999 Inverse density dependence and the Allee effect Trends in ecology and evolution 14 10 405 410 Einzelnachweise Bearbeiten P A Stephens W J Sutherland R P Freckleton 1999 What Is the Allee Effect Oikos Vol 87 No 1 185 190 zur Anwendung bei kunstlicher Wiedereinfuhrungen von Arten durch den Menschen Anne Deredec amp Frank Courchamp 2007 Importance of the Allee effect on reintroductions Ecoscience 14 4 440 451 Roland R Regoes Dieter Ebert Sebastian Bonhoeffer 2002 Dose dependent infection rates of parasites produce the Allee effect in epidemiology Proceedings of the Royal Society London Series B269 271 279 doi 10 1098 rspb 2001 1816 eine Ubersicht Andrew M Kramer Brian Dennis Andrew M Liebhold John M Drake 2009 The evidence for Allee effects Population Ecology 51 341 354 doi 10 1007 s10144 009 0152 6 Robert D Holt Tiffany M Knight Michael Barfield 2004 Allee Effects Immigration and the Evolution of Species Niches American Naturalist 163 2 253 262 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Allee Effekt amp oldid 235324753