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Alexander Pavlovich Gerschenkron geboren 1 Oktober 1904 in Odessa Russisches Kaiserreich gestorben 26 Oktober 1978 in Cambridge Massachusetts war Okonom und Wirtschaftshistoriker Er war rund 25 Jahre lang Professor fur Volkswirtschaftslehre Wirtschaftsgeschichte an der Harvard University Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werk 3 Schriften 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenGerschenkron wurde 1904 in Odessa als Sohn von Pavel Paul Gerschenkron 1879 1974 und seiner Frau Sophie geborene Kardon geboren Er hatte zwei jungere Geschwister Der 1912 geborene Bruder Anatol Tolia starb 1938 kurz nach der Ankunft im Pariser Exil an einer Lungenerkrankung Seine Schwester Lydia wurde 1917 geboren Die Familie war judischen Ursprungs Alexander Gerschenkron wuchs aber christlich auf Spater liess er von Religion ab Paul Gerschenkron war Direktor einer fur damalige Verhaltnisse grossen Fabrik in Odessa die verstaatlicht wurde als die Bolschewiken im Gefolge der Russischen Oktoberrevolution in die Stadt kamen Als die Bolschewiken die Stadt verliessen wurde die Fabrik reprivatisiert Als die Bolschewiken zuruckkehrten und feststellten dass das Unternehmen Dividenden ausgeschuttet hatte sahen sie das als Verrat an Paul Gerschenkron wurde daraufhin von der Tscheka ins Visier genommen und die Familie beschloss zu fliehen Zunachst machte sich Paul Gerschenkron mit Alexander auf den Weg Die Mutter und die beiden anderen Kinder sollten spater folgen Sie wollten uber Osterreich nach Frankreich reisen doch dieser Plan wurde aufgegeben als Paul innerhalb weniger Wochen eine Stelle als Direktor der Turbinenfabrik Heid in der Gemeinde Stockerau nordlich von Wien angeboten wurde wo sich die Familie niederliess Nach dem Besuch des Gymnasiums in der Wiener Albertgasse studierte er ab 1924 Staatswissenschaft ein Studiengang der Wirtschafts und Politikwissenschaften umfasste an der Universitat Wien Er promovierte 1928 unter Adolf Menzel mit der Arbeit Die Krise der Demokratie und die politischen Parteien In ihr erachtete er eine marxistische Demokratie als osterreichische Zukunftslosung In losem Zusammenhang sei erwahnt dass jener Zeit Gebiet der Volkswirtschaft von einer kulturell philosophischen und historischen Wissenschaft zu einem mathematisch determinierten Studienfeld mutierte Etwas was die Wiener Universitaten jener Zeit ignorierten Paul Samuelson befand dass die im Wien der 1920er und 1930er Jahre gelehrte Wirtschaftswissenschaft unglaublich primitiv gewesen sei Kurz darauf heiratete Erika Matschnigg nach der Ubersiedlung in die USA Erica geschrieben die bereits auf dem Gymnasium seine Banknachbarin war in einer standesamtlichen Zeremonie Erika war zu diesem Zeitpunkt bereits mit der 1929 geborenen Tochter Susanna Susi schwanger 1937 folgte mit Renate die allseits nur Heidi genannt wurde eine weitere Tochter Sie war die Stieftochter von Michael Schacherl ein Arzt der als SDAP Politiker unter anderem Mitglied des Reichsrates und der Konstituierenden Nationalversammlung und von 1921 bis 1934 auch Chefredakteur des Lokalteils der Wiener Arbeiter Zeitung war Diese Verbindung war ursachlich dass sich Gerschenkron sozialistisch sozialisierte und spater auch selbst der Sozialdemokratischen Partei beitrat Danach ubernahm er die Vertretung fur Osterreich und den Balkan fur einen belgischen Motorradhersteller Ab 1931 widmete er sich den osterreichischen Sozialdemokraten Er arbeitete fur diese unter anderem als Buchhalter Zimmermannsgehilfe und schrieb Artikel fur Der Kampf und die Arbeiter Zeitung Zeitweise schrieb er als Alex eine Wirtschaftskolumne viele schrieben in jener Zeit nicht mehr unter ihrem vollen Namen Das Einkommen war schlecht Er lebte fur seine Ideen und Vorstellungen wie es ein Weggefahrte formulierte Beim Februaraufstand 1934 verursacht durch die Folgen der Weltwirtschaftskrise fur das ohnehin nach dem Ersten Weltkrieg verarmte Osterreich zog er sich leichte Verletzungen zu bis zu 1000 Arbeiter starben Die Sozialdemokratie wurde verboten Spatestens seit diesem Zeitpunkt war Antisemitismus auch hervorgerufen dadurch dass die wirtschaftlichen Eliten stark uberproportional judisch waren nicht mehr nur unterschwellig sondern fand immer mehr steten offentlichen Ausdruck Seine Eltern und seine Schwester Lydia gingen nach England Nach der Zerschlagung der SDAP schloss sich Gerschenkron wie viele weitere Mitglieder des linken Flugels der Partei der Kommunistischen Partei Osterreichs an wie er dem im Exil in Brunn befindlichen Otto Bauer einem fuhrenden Theoretiker der osterreichischen Sozialdemokratie und Begrunder des Austromarxismus 1935 in einem Brief mitteilte Notizen von Joseph Buttinger einem der fuhrenden Akteure der illegalen Sozialdemokratie bestatigen das Alexander Gerschenkron der spater seinen sozialistischen Hintergrund im Verborgenen hielt lebte fortan schlecht von Gelegenheitsarbeiten Manchmal hielt er Vortrage an der Volksuniversitat Schliesslich erhielt er von seinem Vater mit dem er sich einige Zeit vorher politisch uberworfen hatte eine durchaus ansehnliche Apanage 1937 schloss sich Gerschenkron dem von Friedrich von Hayek und Ludwig von Mises gegrundeten Osterreichischen Institut fur Konjunkturforschung an Dort wurde er Anfang 1937 von einem Mitarbeiter der Universitatsbibliothek daruber informiert dass der Wirtschaftsprofessor Charles A Gulick 1886 1984 von der University of California einen Zuarbeiter fur sein Werk Austria from Habsburg to Hitler suchte Nach einem Treffen in Wien bekam er den Job Spatestens 1938 wurde es klar dass er und seine Familie Osterreich verlassen mussten was ihm und seiner heimatverbundenen Frau schwer fiel Nachdem sich die Ausreisegenehmigung immer mehr hinauszog blieb nur noch die Flucht uber die Schweiz Erika reiste mit einem gefalschten Pass fur die altere Tochter Susi per Zug nach Zurich wo sie von Verwandten der Gerschenkron Familie aufgenommen wurde Die jungere Tochter wurde vom Mann einer hollandischen Geistlichen per Zug nach Rotterdam verbracht der dazu den Pass seiner eigenen etwa gleichaltrigen Tochter verwendete Mit Hilfe von Schweizer Arbeitern eines an der Grenze gelegenen Salzbergwerks gelangte er mit diesen bei abendlichen Pendeln zuruck uber einen Grenzfluss in Schweiz Die Familie wurde in Letchworth wo sich Alexander Gerschenkron niedergelassen haben wiedervereint Dort erhielt er von Charles Gulick nach Berkeley eine formelle Einladung und ein Affidavit of Support was bedeutete dass Gulick fur ihn haften wurde sollte er ohne Einkommen sein Im folgenden Jahr lebte er im Gastezimmer Gulicks und arbeitete an Austria from Habsburg to Hitler Diese Buch mit insgesamt 1900 Seiten in zwei Banden wurde 1948 unter Lobpreisungen veroffentlicht und Gerschenkron der als Forschungsassistent kreditiert wird wird von vielen als der eigentliche Hauptautor des Werks angesehen Dem Wirtschaftshistoriker Albert Hirschman soll er Anfang der 1970er Jahre anvertraut haben dass er in der Tat zum grossen Teil Verfasser des Buches sei Ein Buch fur einen US Pass war ein guter Handel soll er spater einmal gesagt haben Dennoch auch Gulick war voll des Lobes uber seinen Beitrag Er arbeitete oft 20 Stunden am Stuck Er half mir in einer Weise die man nicht hoch genug einschatzen kann Lediglich bei der Darstellung der Sozialdemokratie ubertrieb er gelegentlich Den Rest seiner Zeit in Berkeley verbrachte er meist nebst weiteren Schicksalsgenossen hinter schweren Metalltischen in der in der Doe Library der Universitat wo sie als research associates bei sparlichem Gehalt die Professoren der Wirtschaftsfakultat bei der Abfassung ihrer Bucher unterstutzten Eine Aufgabe die ansonsten eher von spatsemestrigen Studenten wahrgenommen wird Dort lernte er auch Hirschman kennen Es sollte sich zwar keine tiefe Freundschaft entwickeln Gerschenkrons Abneigung die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen oder gar zu thematisieren stand dem wohl entgegen Doch viele ahnliche Erfahrungen und Einsichten liessen die beiden zeitlebens in Verbindung bleiben Von 1944 bis 1948 arbeitete er in der Statistik und Forschungsabteilung des Federal Reserve System in Washington DC 1945 wurde er amerikanischer Staatsburger 1948 wurde er an die Harvard University berufen zunachst als associate professor 1951 als ordentlicher Professor In den Folgejahren erhielt er zahlreiche Ehrenmitgliedschaften und Ehrenamter unter anderem war er Prasident der Economic History Association 1963 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences und 1970 in die American Philosophical Society gewahlt 1 2 Seit 1969 war er korrespondierendes Mitglied der British Academy 3 Werk BearbeitenGerschenkron beschaftigte sich vor allem mit dem Prozess der Industrialisierung mit seinen Bedingungen Verlaufen und der statistischen Messung okonomischer Grossen fur das 19 Jahrhundert Uber die Grenzen der Wirtschaftsgeschichte hinaus bekannt wurde Gerschenkron durch zwei nach ihm benannte Phanomene die er erstmals beschrieb Der Gerschenkron Effekt bezeichnet die Tatsache dass die Wachstumsrate einer Zeitreihe durch das Verschieben des Basisjahres verandert werden kann In seinem Fruhwerk beschaftigte sich Gerschenkron mehrmals mit derartigen statistischen Gesetzmassigkeiten Der Hintergrund war ein politischer Beispielsweise machte sich die Sowjetunion derartige Phanomene regelmassig zunutze um das Funktionieren der sozialistischen Wirtschaftsordnung nach aussen zu dokumentieren Ebenfalls nach Gerschenkron benannt ist die Theorie der Vorteilhaftigkeit der Ruckstandigkeit In seinem Werk Economic Backwardness in Historical Perspective zeigte er 1962 auf inwiefern eine moderate Ruckstandigkeit im Vergleich zu anderen Nationen die rasche okonomische Entwicklung eines Landes begunstigen kann Schriften BearbeitenBread and Democracy in Germany University of California Press Berkeley CA u a 1943 Economic Relations with the U S S R Papers submitted to the Committee on International Economic Policy by its Advisory Committee on Economics Bd 5 ZDB ID 1159910 8 Committee on International Economic Policy in cooperation with the Carnegie Endowment for International Peace New York NY 1945 Economic Backwardness in Historical Perspective A Book of Essays Belknap Press Cambridge MA 1962 Continuity in History and Other Essays Belknap Press Cambridge MA 1968 Europe in the Russian Mirror Four Lectures in Economic History Cambridge University Press Cambridge MA 1970 ISBN 0 521 07721 4 An Economic Spurt that Failed Four Lectures in Austrian History Princeton University Press Princeton NJ 1977 ISBN 0 691 04216 0 Literatur BearbeitenNicholas Dawidoff The Fly Swatter How My Grandfather Made His Way in the World Pantheon Books New York u a 2002 ISBN 0 375 40027 3 Henry Rosovsky Alexander Gerschenkron A Personal and Fond Recollection In The Journal of Economic History Bd 39 Heft 4 Dezember 1979 ISSN 0022 0507 S 1009 1013 doi 10 1017 S0022050700098727 Henry Rosovsky Hrsg Industrialization in Two Systems Essays in Honor of Alexander Gerschenkron Wiley New York NY u a 1966 Richard H Tilly Gerschenkron Alexander In Harald Hagemann Claus Dieter Krohn Hrsg Biographisches Handbuch der deutschsprachigen wirtschaftswissenschaftlichen Emigration nach 1933 Band 1 Adler Lehmann Saur Munchen 1999 ISBN 3 598 11284 X S 185 187 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Alexander Gerschenkron im Katalog der Deutschen NationalbibliothekEinzelnachweise Bearbeiten Alexander Pavlovich Gerschenkron American Academy of Arts and Sciences abgerufen am 9 April 2023 englisch APS Member History Alexander Gerschenkron American Philosophical Society abgerufen am 9 April 2023 englisch Deceased Fellows British Academy abgerufen am 9 April 2023 englisch Normdaten Person GND 119416360 lobid OGND AKS LCCN n50016504 NDL 00995479 VIAF 39470658 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Gerschenkron AlexanderALTERNATIVNAMEN Gerschenkron Alexander PavlovichKURZBESCHREIBUNG Okonom und WirtschaftshistorikerGEBURTSDATUM 1 Oktober 1904GEBURTSORT OdessaSTERBEDATUM 26 Oktober 1978STERBEORT Cambridge Massachusetts Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Alexander Gerschenkron amp oldid 237341926