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Das Abri IX ist ein archaologischer Fundplatz an einem Felsuberhang am Bettenroder Berg bei Reinhausen in der Gemeinde Gleichen unweit von Gottingen Das Abri IX am Bettenroder BergBlick in den durch den Uberhang geschutzten Innenraum des Abri IXEs wurde zwischen 1988 und 1990 umfassend archaologisch untersucht Das Abri IX nimmt zum einen durch seine intensive menschliche Nutzung zum anderen durch die dort gemachten chronologischen und naturhistorischen Beobachtungen eine Sonderrolle unter den altsteinzeitlichen Fundplatzen Deutschlands ein Das Abri ist etwa 11 5 m breit und etwa 3 m tief die Hohe betragt ca 6 5 m Der Innenraum hat etwa 30 m Flache Insgesamt erbrachte die Grabung etwa 8 000 Steingerate und knapp 20 000 Tierknochen Es konnten mehrere Nutzungshorizonte zwischen Mittelpalaolithikum und Spatmesolithikum nachgewiesen werden Inhaltsverzeichnis 1 Archaologische Besonderheiten 2 Forschungsgeschichte 3 Begehungshorizonte 3 1 Mittelpalaolithikum 3 2 Jungpalaolithikum 3 3 Spatpalaolithikum 3 4 Fruhmesolithikum 3 5 Spatmesolithikum 4 Einzelnachweise 5 Literatur 6 WeblinksArchaologische Besonderheiten BearbeitenWie die Hohlen so gehoren auch die Abris zu den Orten die seit der mittleren Altsteinzeit immer wieder von Menschen aufgesucht wurden Hinzu kommen die aussergewohnlich guten archaologischen Bedingungen unter den Abris Knochen erhalten sich haufig durch den hohen Kalkgehalt der abwitternden Gesteinsbrocken auch in kalkarmen Boden hervorragend Zudem findet sich unter vielen niedersachsischen Abris eine genau datierbare Ablagerung von Flugasche Tephra Diese Asche stammt vom Laacher See Vulkanausbruch Forschungsgeschichte BearbeitenBereits um das Jahr 1900 gab es im Leinetal bei Gottingen eine Reihe von Zufallsfunden von Tierknochen und Steingeraten die offensichtlich mit nahegelegenen Abris in Verbindung standen 1935 gab es eine erste Ausgrabung unter einem Abri im Klustal durch Dr H Kruger vom Stadtischen Museum Gottingen In den Jahren 1966 und 1970 wurden die bisher bekannten Fundstellen und Objekte durch Sickenberg und Raddatz publiziert wobei auch erstmals auf eine Abri Problematik und moglichen zukunftigen Forschungsschwerpunkt hingewiesen wurde Ab 1979 entwickelte sich unter Leitung von Klaus Grote von der Kreisdenkmalpflege Gottingen ein facherubergreifendes Forschungsprojekt zu den Abris im Leinetal Bis 1992 wurden so rund 1500 Abris erfasst davon konnten bisher uber Sondagen und Probegrabungen 103 positiv archaologisch belegt werden Besonders in der regionalen Forschungsgeschichte konnte durch das gesamte Projekt zur Abriforschung eine bestehende Lucke geschlossen werden Begehungshorizonte BearbeitenMittelpalaolithikum Bearbeiten Am Bettenroder Berg gelang es erstmals unter einem Buntsandsteinabri eine mittelpalaolithische Begehung nachzuweisen Dies ist insofern besonders als die Entstehung der Abris aufgrund ihrer geologischen Kurzlebigkeit zumeist in die letzte Kaltzeit datiert wird Damit konnte im Leinebergland zumindest theoretisch mit dem Vorhandensein weiterer Altabris zu rechnen sein In der Fundschicht lagen elf geschlagene Artefakte aus Kieselschiefer Das Material stammte wohl aus Flussschottern des westlichen Harzvorlands oder der Oberweser Der westliche Teil des Abri barg einige Knochen vom Wildpferd Eine zugehorige Herd oder Feuerstelle konnte nicht gefunden werden Uber Vergleiche des Inventars mit dem der nordhessischen Fundplatzen Buhlen und Fritzlar wird diese Besiedlungsphase ins altweichselzeitliche Micoquien datiert Jungpalaolithikum Bearbeiten Nach einer etwas langeren Periode der Nichtbegehung findet sich ein wohl am ehesten ins Magdalenien IV V zu datierender jungpalaolithischer Fundhorizont In dieser Phase wurde der Innenraum auf einer Flache von etwa 4 m2 mit ortsfremden Sandsteinplatten ausgelegt Die Platten sind zwischen 6 und 30 cm gross und stammen wohl aus dem nahegelegenen Wendebach Sie wurden dem anstehenden Buntsandstein wohl vorgezogen weil sie nicht mehr aussandeten sondern durch den Aufenthalt im Wasser kernhart waren Die Platten wurden wohl als Sitzgelegenheiten Arbeitsunterlagen und Kochplatten benutzt Dies legt auch eine Reihe von Kratzspuren auf den Steinen nahe die wohl am ehesten als Arbeitsspuren angesprochen werden mussen Als Jagdbeute dienten wohl vor allem Ren Wildrind Wildschwein Hase und in grosserer Anzahl Schneehuhner Rund 7 der Knochen zeigten die Einwirkung von Feuer was auf das Kochen der Nahrung hindeutet Daruber hinaus weist die Anhaufung von Knochenfunden die Herdstelle zusatzlich als zentralen Bezugsort aus Das Abri wurde wohl im Jungpalaolithikum noch mindestens weitere zwei Male aufgesucht Allerdings handelte es sich wohl nur um kurzzeitige Begehungen die keine grosseren Fundansammlungen zuruckliessen Spatpalaolithikum Bearbeiten Direkt unterhalb des Laacher Tuffs findet sich eine spatpalaolithische Begehungsphase Der Innenraum wird erneut zumindest teilweise mit einem Steinpflaster versehen Diesmal dominiert allerdings Gesteinsbruch vom Berg selbst Auch hier findet sich eine Feuerstelle Das Jagdwild orientiert sich mit Rothirsch Wildschwein und Reh eher an waldgebundene Arten Einige wenige verkohlte Haselnussschalen konnen als mogliche Beweise von Sammeltatigkeiten gedeutet werden An diesem veranderten Nahrungsangebot zeigt sich sehr deutlich der ablaufende Klimawechsel Unter den Steinartefakten dominiert nun nordischer Flint mit 41 Stucken Zwei dieser Artefakte lassen sich eindeutig als Federmesser ansprechen womit eine Begehung durch die Federmessergruppe wahrscheinlich wird Fruhmesolithikum Bearbeiten Bereits die erste Begehungsphase uber dem Laacher Tuff enthalt ein deutlich mesolithisches Inventar Uber die gefundenen Schalen der damaligen Schneckenfauna lasst sich diese erste Begehung noch ins Praboreal datieren Im folgenden Boreal wurde das Abri in kurzeren Abstanden haufiger aufgesucht Innerhalb der daraus resultierenden Schichtenpackung findet sich eine ganze Reihe von Feuerstellen Das Sammeln von Nussen und Fruchten wird nun wichtiger zumindest finden sich grossere Mengen verkohlter unbestimmbarer Fruchtreste und vor allem Haselnussschalen Zu diesen Funden passt auch ein als Nussknacker gedeutetes Gerat mit einer gepickten Mulde auf der Oberseite offenbar ein Unterlegstein zum Aufschlagen der Schalen Oberhalb einer dunnen fast fundfreien Schicht findet sich der ausgedehnteste mesolithische Wohnplatzhorizont Neben den bereits genannten Nahrungsquellen finden sich hier auch Susswassermuscheln teils zu Schmuck verarbeitet Es gibt erneut eine zentrale Herdstelle Die Besonderheit dieses Siedlungshorizontes sind aber die zwei Kinderbestattungen die nahe der westlichen Ruckwand entdeckt wurden Es handelte sich um einen etwa anderthalb Jahre alten Jungen und um ein etwa zweieinhalb bis drei Jahre altes Madchen Bei beiden handelte es sich um die zum Auffindungszeitpunkt einzigen gesicherten mesolithischen Bestattungen in Niedersachsen Direkte AMS Datierungen der Menschenreste konnten allerdings inzwischen einen eisenzeitlichen Zusammenhang der Kinderbestattungen nachweisen Grab I ca 460 v Chr Grab II ca 800 v Chr 1 Spatmesolithikum Bearbeiten Aus dem Spatmesolithikum liegen noch einmal zwei Siedlungsphasen vor Aus diesem Horizont liegt ein reichhaltiges Fundmaterial vor das erneut vor allem Knochen und Steingerate beinhaltet Erstmals liegen auch fruhe Zeugnisse eines langsamen Uberganges zur neolithischen Wirtschaftsweise vor Es fanden sich wenige verkohlte Getreidereste von Gerste und Emmer Unter den Tierknochen gibt es Hinweise auf Ziege und Schaf Unter den Steingeraten finden sich ebenfalls auffallige Stucke zwei klingenformige Flintabschlage mit Sichelglanz die in ihrer Form den altneolithisch Bandkeramischen Erntemessern sehr nahestehen Dies legt fur diese spatmesolithischen Bewohner einen zumindest entfernten Kontakt zu einer fruhen Bauernkultur nahe Einzelnachweise Bearbeiten K Grote und T Terberger Die prahistorischen Kinderbestattungen vom Abri Bettenroder Berg IX im Reinhauser Wald bei Gottingen Archaologisches Korrespondenzblatt 41 2011 189 195 doi 10 11588 ak 2011 2 51837 Literatur BearbeitenKlaus Grote H D Freese Die Felsschutzdacher im sudniedersachsischen Bergland In Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 51 1982 ISSN 0342 1406 S 17 70 Klaus Grote Die Abris im sudlichen Leinebergland bei Gottingen Archaologische Befunde zum Leben unter Felsschutzdachern in urgeschichtlicher Zeit Band 1 2 3 Teile Isensee Oldenburg 1994 ISBN 3 89442 172 X Veroffentlichungen der Urgeschichtlichen Sammlungen des Landesmuseums zu Hannover 43 Klaus Grote Urgeschichtlich besiedelte Felsdacher Abris In 10 Jahre Kreisarchaologie Gottingen Braunschweigisches Landesmuseum Braunschweig 1989 Veroffentlichungen des Braunschweigischen Landesmuseums 55 ZDB ID 1198674 8 S 8 11 Klaus Grote Als die Asche vom Himmel fiel In Archaologie in Niedersachsen Band 6 2003 Isensee Oldenburg S 17 21 Klaus Grote Die Buntsandsteinabris im sudniedersachsischen Bergland In Die Kunde N F 39 1988 ISSN 0342 0736 S 1 43 Klaus Grote Zum Leben unter Felsschutzdachern Jager und Sammler in Sudniedersachsen am Ende der letzten Eiszeit In Manfred Boetzkes Hrsg EisZeit Das grosse Abenteuer der Naturbeherrschung Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung Thorbecke u a Stuttgart 1999 ISBN 3 7995 3663 9 S 223 239 Hartmut Thieme Alt und Mittelsteinzeit In Hans Jurgen Hassler Hrsg Ur und Fruhgeschichte in Niedersachsen Theiss Stuttgart 1991 ISBN 3 8062 0495 0 S 97 99 Klaus Grote Das Abri Bettenroder Berg IX im Reinhauser Wald bei Gottingen In Mamoun Fansa Frank Both Henning Hassmann Herausgeber Archaologie Land Niedersachsen 400 000 Jahre Geschichte Landesmuseum fur Natur und Mensch Oldenburg 2004 Seite 227 230 Weblinks BearbeitenWeiterfuhrende Informationen zu den Abris im Leinebergland51 465277777778 10 010555555556 Koordinaten 51 27 55 N 10 0 38 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Abri IX amp oldid 237595231