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Der Zahnwurm ist heute ein medizinischer Aberglaube Das Fabeltier das in den Zahnen lebt galt lange Zeit als Ursache fur Zahnschmerzen und Zahnkaries sowie auch Parodontitis und Kopfschmerzen Ob der Glaube daran auf einem nur angenommenen nagenden Wurm als hypothetische Erklarung fur die Symptome auf Beobachtungen von abgekapselten Granulomen oder dem entzundlich veranderten Zahnmark Pulpa dentis beruht ist unklar 1 Zahnwurm Abbildung aus einem zahnarztlichen Lehrbuch des 18 Jahrhunderts aus dem Osmanischen ReichZahnwurm Skulptur Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenIn einem sumerischen Text von Suddick und Harris 1990 falschlicherweise auf etwa 5000 v Chr datiert wird erstmals als Ursache fur die Zahnkaries der Zahnwurm beschrieben 2 Bei der Datierung missdeuteten Suddick und Harris allerdings eine Publikation von Hermann Prinz aus dem Jahr 1945 3 Folgt man der Dissertation von Astrid Hubmann dann zeigt sich dass vier Quellen deren alteste aus der Zeit um 1800 v Chr stammt den Glauben an den Zahnwurm belegen Es handelt sich um eine Tafel aus Nippur 4 Eine Tafel die bei Assur entdeckt wurde deutet darauf hin dass Zahnwurm und Zahnschmerz verschieden behandelt wurden was auf eine Auffassung als verschiedene Krankheiten hindeuten konnte Aus der Bibliothek des Assyrerkonigs Assurbanipal 669 631 27 v Chr stammt das Werk eines Nabunadinirbu das den Titel Wenn ein Mensch Zahnschmerzen hat tragt 5 Moglicherweise handelt es sich um eine Abschrift eines erheblich alteren babylonischen Textes in dem neben der Beschreibung einer Behandlung vor allem eine rituelle Beschworung von Bedeutung ist Darin lehnt der Wurm wohl ein Damon oder boser Geist vor dem hochsten Gott Anu dessen Gaben namlich reife Feigen Aprikosen und Apfelsaft ab und bevorzugt das Blut der Zahne Zur Behandlung sollen Emmer Mischbier gebrochenes Malz und Sesamol vermengt und auf den betroffenen Zahn aufgetragen werden Grundsatzlich nahm man an dass uberall im Korper aus verdorbenen Saften Wurmer hervorgehen konnten 6 Auch im alten Indien um 650 Agypten verschiedene Wurmer galten im Alten Agypten als Verursacher verschiedener Leiden 7 hier ist es der Papyrus Anastasi IV 13 7 um 1400 oder um 1200 1100 v Chr Japan und China dort war ein kranker Zahn ein Wurmzahn aber auch bei den Azteken dort wurde beispielsweise Tabak in die Kavitat gesteckt und den Maya wurden Hinweise gefunden wonach der Zahnwurm fur die Karies ursachlich sei Die Legende vom Zahnwurm findet man ebenso in den Schriften von Homer und noch im 14 Jahrhundert war der Chirurg Guy de Chauliac der Uberzeugung dass Wurmer die Karies verursachen Der als kopfschmerzverursachend gedachte Hauptwurm lateinisch emigraneus galt als synonym oder verwandt mit dem zuweilen auch in verschiedene z B rote blaue und graue Arten unterteilten 8 Zahnwurm 9 Starken Einfluss hatten in der Alten Welt die Compositiones medicamentorum des Scribonius Largus des Leibarztes von Kaiser Claudius Zur Behandlung empfahl er Raucherungen und Spulungen aber auch Einlagen und Kaumittel sowie die Raucherung mit Bilsenkrautsamen die aus diesem Grunde als herba dentaria bezeichnet wurden Dabei deutet er an dass bisweilen einige Wurmchen bei der Behandlung ausgespien werden Da die mit Wasserdampf bei Raucherungen in dem Mund gelangten Bilsenkrautsamen zu keimen beginnen konnten die dabei zu sehenden mit einem schwarzen Kopf versehenen weissen Faden taschenspielerisch als Zahnwurmer gezeigt werden 10 Man glaubte also weiterhin an den Wurm versuchte aber auch durch Auflegen von Wurmern das Ausfallen von kranken Zahnen zu beschleunigen Plinius der Altere hingegen glaubte nicht an die Existenz des Zahnwurmes jedoch an eine ahnliche Heilwirkung Im arabischen Raum glaubte man unter Ruckgriff auf altere Traditionen an Zahnwurmer wie das Werk des Abu Bakr Muhammad ibn Zakariya ar Razi der das Verhaltnis von Leib und Seele als von der Seele bestimmt ansah ebenso zeigt wie die Werke Avicennas oder Albucasis Umar ad Dimasqi der um 1200 in Damaskus lehrte lehnte hingegen in seinem Buch des Auserlesenen uber die Enthullung der Geheimnisse und das Zerreissen der Schleier den Zahnwurm und vor allem die Scharlatanerie die mit Wurmern getrieben wurde ab 11 Im Mittelalter 12 hing auch Hildegard von Bingen dem Wurmglauben an erkannte in ihrem Werk Causae et curae aber mangelnde Hygiene als Ursache Durch Spulen mit Wasser sollte der Livor eine Ablagerung vermieden werden die sich um den Zahn legen und die gefurchteten Wurmer hervorbringen konnte Sie empfahl Aloe und Myrrhe sowie Kohlerauch Constantinus Africanus der aus Tunesien nach Salerno kam machte im fruhen 11 Jahrhundert die dortige Medizinische Universitat beruhmt Er brachte antike Kenntnisse und auch die Saftelehre in den Norden bestatigte aber auch den Zahnwurm Ab der Zeit der Aufklarung wurde die Zahnwurmtheorie von der akademischen Medizin weitgehend dem Bereich des Aberglaubens zugeordnet Pierre Fauchard war 1728 in Le Chirurgien dentiste einer der ersten Zahnheilkundigen die den Zahnwurm nicht als Ursache der Karies ansahen 13 Erst im 19 Jahrhundert wurden verschiedene wissenschaftliche Theorien zur Entstehung von Karies entwickelt Gemass der chemoparasitaren Theorie nach Willoughby D Miller 1890 wurden schliesslich Milchsaurebakterien bis in die 1960er Jahre als Ursache angesehen 14 In der Folge entwickelte sich die spezifische Plaquehypothese gefolgt von einem Paradigmenwechsel der zur okologischen Plaquehypothese gefuhrt hat 15 Auf Grund mehrerer pathogener Faktoren kommt es zur Zerstorung der Zahnhartgewebe in mehreren Stufen Der Glaube an den Zahnwurm wie auch an nicht auf die Zahne bezogene und als Wurm 16 gedachte Krankheitsursachen 17 hielt sich in der Volksmedizin bis ins 20 Jahrhundert 18 Bis Ende des 20 Jahrhunderts hat sich der Glaube an den Zahnwurm als Schmerzverursacher in landlichen Gegenden Chinas erhalten und wurde von so manchem Quacksalber ausgenutzt Drei dieser Betrugereien aus den Jahren 1985 1987 und 1993 werden aus Taiwan berichtet 19 Literatur BearbeitenLiselotte Buchheim Der alteste Zahnwurmtext in babylonischer Keilschrift In Zahnarztliche Mitteilungen Band 54 1964 S 1014 1018 Werner E Gerabek Der Zahnwurm Geschichte eines volksmedizinischen Glaubens In Zahnarztliche Praxis Band 44 1993 Nr 5 7 S 162 165 210 213 und 258 261 B R Townend The story of the tooth worm In Bulletin of the History of Medicine Band 15 1944 S 37 58 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Zahnwurm Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Der Zahnwurm Geschichte des volksheilkundlichen Glaubens Dissertation PDF 3 MB The Worm and the Toothache Translated by E A Speiser Ancient Near Eastern Texts Related to the Old Testament edited by J B Pritchard Princeton Princeton University Press 1969 100 101 engl Zahnwurm 3D Modell im Kulturportal bavarikonEinzelnachweise Bearbeiten Werner E Gerabek Zahnwurm In Werner E Gerabek Bernhard D Haage Gundolf Keil Wolfgang Wegner Hrsg Enzyklopadie Medizingeschichte De Gruyter Berlin New York 2005 ISBN 3 11 015714 4 S 1524 Richard P Suddick Norman O Harris Historical perspectives of oral biology a series In Critical reviews in oral biology and medicine Band 1 Nummer 2 1990 S 135 151 hier S 142 ISSN 1045 4411 PMID 2129621 online Abgerufen am 20 September 2014 Hermann Prinz Dental Chronology A Record of the More Important Historic Events in the Evolution of Dentistry Lea amp Febiger Philadelphia 1945 S 7 Astrid Hubmann Der Zahnwurm Die Geschichte eines volksheilkundlichen Glaubens Dissertation 2008 S 17 Es soll sich unter der Signatur Tablet 55547 im British Museum in London befinden Arthur Bulleid The Microbe Hunters In Proceedings of the Royal Society of Medicine Section of Odontology Band 47 1953 S 37 40 hier S 39 Astrid Hubmann Der Zahnwurm Die Geschichte eines volksheilkundlichen Glaubens Dissertation 2008 S 14 Carl Hans Sasse Geschichte der Augenheilkunde in kurzer Zusammenfassung mit mehreren Abbildung und einer Geschichtstabelle Bucherei des Augenarztes Heft 18 Ferdinand Enke Stuttgart 1947 S 12 Werner E Gerabek Zahnwurm In Werner E Gerabek u a Hrsg Enzyklopadie Medizingeschichte 2005 S 1524 Jorg Riecke Die Fruhgeschichte der mittelalterlichen medizinischen Fachsprache im Deutschen Band 2 Worterbuch De Gruyter Berlin New York S 532 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Werner E Gerabek Zahnwurm 2005 S 1524a Astrid Hubmann Der Zahnwurm Die Geschichte eines volksheilkundlichen Glaubens Dissertation 2008 S 26 Abgerufen am 18 November 2014 Vgl auch Gerhard Eis Zu dem Wurmzauber des Utrechter Arzneibuches In Korrespondenzblatt des Vereins fur niederdeutsches Sprachforschung Band 60 1953 S 56 f und Adolf Fonah Orm og ormmidler i nordiske medicinske skrifter fra middelalderen Oslo 1905 Videnskabs selskabets skrifter math naturv Kl 1905 Band 6 Werner E Gerabek Zahnwurm In Enzyklopadie Medizingeschichte Hrsg von Werner E Gerabek Bernhard D Haage Gundolf Keil und Wolfgang Wegner Walter de Gruyter Berlin und New York 2005 S 1524 W D Miller 1853 1907 The Micro Organisms of the Human Mouth unveranderter Nachdruck des 1890 in Philadelphia gedruckten Werkes S Karger In Zeitschrift fur allgemeine Mikrobiologie 14 1974 S 84 84 doi 10 1002 jobm 19740140117 P D Marsh Dental diseases are these examples of ecological catastrophes In International journal of dental hygiene Band 4 Suppl 1 September 2006 S 3 10 ISSN 1601 5029 doi 10 1111 j 1601 5037 2006 00195 x PMID 16965527 Elfriede Grabner Der Wurm als Krankheitsursache Suddeutsche und Sudosteuropaische Beitrage zur Allgemeinen Volksmedizin In Zeitschrift fur deutsche Philologie Band 81 1962 S 224 240 Vgl auch Gundolf Keil Die Bekampfung des Ohrwurms nach Anweisungen spatmittelalterlicher und fruhneuzeitlicher deutscher Arzneibucher In Zeitschrift fur deutsche Philologie Band 79 1960 S 176 200 Helmut Kobusch Der Zahnwurmglaube in der deutschen Volksmedizin der letzten zwei Jahrhunderte Philosophische Dissertation Frankfurt am Main 1955 T L Hsu M E Ring Driving out the toothworm in today s China In Journal of the history of dentistry Band 46 Nummer 3 November 1998 S 111 115 ISSN 1089 6287 PMID 10388453 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zahnwurm amp oldid 229110361