Der Wunderhirsch ist ein Fabeltier im hunnischen und ungarischen Sagenkreis.
In der Forschung konnten Parallelen der weit verbreiteten Motivgruppe im Osten und Westen nachgewiesen werden. Der Wunderhirsch ist auch seit alten Zeiten ein Himmelszeichen bei vielen eurasischen Völkern und einigen nordamerikanischen Stämmen.
Er kommt auch im ungarischen Neuheidentum bzw. in der (ggf. völkisch missbrauchten) Folklore als csodaszarvas vor und gilt als nationales Symbol. Die Geschichte vom Wunderhirsch ist eigentlich ein jahrhundertealtes "Gute-Nacht-Märchen" für Kinder über die Herkunft ihres Volkes. Es ist zu vermuten, dass die Ungarn zur Zeit der Landnahme die aus östlichen Kulturen stammende Sage mit sich brachten. Später vermischte sie sich mit den christlichen Legenden von Eustachius und Hubertus.
Hunnisch-ungarischer Sagenkreis Bearbeiten
Im Werk Gesta Hunnorum et Hungarorum des mittelalterlichen Chronisten Simon Kézai blieb die Sage erhalten. Die Söhne von Ménrót und Eneth, Hunor und Magor, von denen der Legende nach die Hunnen und Magyaren abstammen, wurden in der Sage vom Wunderhirsch in ein neues Siedlungsgebiet geführt.
Originalzitat:
Freie Übersetzung:
Auch in der Ungarischen Bilderchronik ist die Sage vom Wunderhirsch zu finden.
Mittelalter Bearbeiten
Der Wunderhirsch spielt auch in den Gesta Hungarorum im Kapitel über den Stammesführer Bars und der Gründung seiner Burg eine Rolle als den Weg weisendes Tier.
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In ungarischen und polnischen Chroniken des Mittelalters ist es ein mehrmals wiederkehrendes Motiv, dass der Wunderhirsch zeigt, wo Kirchen und Kloster gebaut werden sollen. So wies er dem heiligen Gellért den Ort des Klosters Bakonybél an, und in der Gründungslegende der Kirche von Vác zeigte er Ladislaus dem Heiligen, wo er den Dom errichten soll. Polnischen Chroniken zufolge gab der Hirsch dem heiligen Emmerich kund, wo die Polen Kloster bauen sollten.
Ungarische Volkstradition Bearbeiten
Der in den alten Balladen vorkommende Hirsch ist immer ein männliches Tier, er wird auch csodafiúszarvas genannt (fiú bedeutet „Junge“, „Knabe“, „Sohn“). In einer Variante aus Bucsu im Komitat Vas aus der Zeit der Jahrtausendwende hat er tausend Hörner mit tausend brennenden Kerzen an deren Spitzen. Bei den Nieren befinden sich zwei goldene Kreuze. In einer anderen Variante aus Dozmat trägt der Hirsch eine helle aufsteigende Sonne an der Stirn, an der Seite den Mond und Sterne an der rechten Niere. In einer wieder anderen Version aus Transdanubien hat sein Geweih tausend Verästelungen und trägt tausend Messkerzen: „sie brennen unangezündet, schlafen ungelöscht“ („gyújtatlan gyulladék, oltatlan aludék“).
Der Wunderhirsch grast auf einer kleinen runden Weide oder erscheint auf einer schwarzen Wolke.
Moderne Kultur Bearbeiten
- Eine der berühmtesten Aufarbeitungen der Sage vom Wunderhirsch ist János Aranys Rege a csodaszarvasról, das sechste Lied in seinem Werk Buda halála („Der Tod Budas“).
- Der Wunderhirsch war im Jahr 1933 Logo des 4. Cserkész Világdzsembori („4th World Scout Jamboree“) in Gödöllő.
- The White Stag. Kinderbuch über den Wunderhirsch geschrieben und illustriert von Kate Seredy, USA, 1937.
- Er erschien in Marcell Jankovics’ Zeichentrickfilm Ének a csodaszarvasról („Lied vom Wunderhirsch“) aus dem Jahr 2002.
Quellen Bearbeiten
- Bukta, Susanne: Die Urreligion und Mythologie der Ungarn. 18. September 2002, abgerufen am 4. Dezember 2008 (deutsch).
- „Wunderhirsch“ (ungarisch: Csodaszarvas). (Nicht mehr online verfügbar.) Das andere Ungarn, ehemals im ; abgerufen am 4. Dezember 2008 (deutsch). (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven.)
- Mussak, Sigurd: (pdf) 5. Mai 2008, archiviert vom 30. September 2007; abgerufen am 4. Dezember 2008 (deutsch). am
- Die Legende des Zauberhirsches Teil II. Abgerufen am 4. Dezember 2008 (deutsch).
- Arany, János: Hatodik ének. Magyar elektronikus könyvtár, abgerufen am 4. Dezember 2008 (ungarisch, „Ungarische elektronische Bibliothek“).
- Csodaszarvas. Magyar elektronikus könyvtár, abgerufen am 4. Dezember 2008 (ungarisch, „Ungarische elektronische Bibliothek“).