Die Wertanalyse (englisch value analysis) ist in der Betriebswirtschaftslehre und im Value Management eine Methodik, den durch Produktqualität/Dienstleistungsqualität ausgedrückten Wert von Produkten oder Dienstleistungen gezielt zu verbessern.
Allgemeines Bearbeiten
Die Wertanalyse wurde 1947 bei General Electric durch deren Chefeinkäufer Lawrence D. Miles (1904–1985) ins Leben gerufen und strebte die Senkung der Materialkosten ohne Verschlechterung der Produktqualität an. Nächste Entwicklungsstufe war die Overhead-Value-Analysis (OVA). McKinsey & Company entwickelte aus der OVA die – an die europäischen Gegebenheiten angepasste – Gemeinkostenwertanalyse (GWA), die 1975 in Deutschland eingeführt wurde. Die OVA wird in der deutschsprachigen Fachliteratur als GWA, Gemeinkosten-Systems-Engineering oder administrative Wertanalyse bezeichnet. Im Jahre 1999 definierte die deutsche Fachliteratur die Wertanalyse „als eine vom Produkt unabhängige, systematische Methode zur Problemerkennung und -lösung, um den vom Kunden bzw. Anwender gewünschten Nutzen mit den geringstmöglichen Kosten zu realisieren, ohne dabei Qualität, Zuverlässigkeit und Marktfähigkeit negativ zu beeinflussen“.
In der DIN EN 1325-1 wird die Wertanalyse als ein organisierter und kreativer Ansatz definiert, der einen funktionenorientierten und wirtschaftlichen Gestaltungsprozess mit dem Ziel der Wertsteigerung eines WA-Objektes zur Anwendung bringt. In der jüngeren Vergangenheit wurde die Wertanalyse zum Value Management weiterentwickelt.
Inhalt Bearbeiten
Die Wertanalyse dient der Entwicklung und Verbesserung von Produkten, technischen Abläufen und anderen Vorgängen in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Durch die Anwendung der Wertanalyse wird in der Regel eine Verbesserung und Wertsteigerung der bearbeiteten Objekte erreicht, die gleichzeitig mit einer Kostensenkung gegenüber der ursprünglichen Situation verbunden sind. Die Wertanalyse wird grundsätzlich als Projekt und in kleinen interdisziplinären Teams durchgeführt.
Zur Wertanalyse gehören das Zusammenwirken der Systemelemente Methodik, Verhaltensweisen und Management unter Einbeziehung des Umfeldes zu einer ganzheitlichen Lösungsfindung. Kennzeichnend für die Methodik ist die grundsätzlich systematische Vorgehensweise in einzelnen Arbeitsschritten, das Denken in Wirkungen und Funktionen sowie die Trennung der kreativen Phase bei der Lösungssuche von der Bewertung der verschiedenen ermittelten Lösungsalternativen und der endgültigen Entscheidung für eine Lösung.
Der zentrale Maßstab aller Entscheidungen bei der Wertanalyse ist der Begriff Wert, der allgemein durch das Verhältnis von Nutzen und Aufwand definiert ist, grundsätzlich > 1 sein muss und durch Einsatz der Wertanalyse weiter gesteigert werden soll.
Der Begriff Wertanalyse wird im Deutschen gleichbedeutend mit den englischen Begriffen Value Engineering und Value Analysis verwendet. Alternativ gibt es weiterführende Meinungen, dass Value Analysis die Anwendung von Wertanalyse zur Optimierung von bestehenden Produkten und Value Engineering die Anwendung der Methode Wertanalyse im Entwicklungsbereich ist.
Ziele der Wertanalyse Bearbeiten
Wichtigstes Ziel der Wertanalyse ist die Optimierung der Ertragskraft durch beispielsweise einen höheren Gewinn. Dies wird durch kostengünstigere Produkte sowie verbesserte Prozesse und Dienstleistungen erreicht. Wird die Wertanalyse bei der Planung von neuen Produkten oder Produktionsprogrammen angewendet, spricht man von Wertplanung. Wertgestaltung wird die Anwendung von Wertanalyse in der Konzeptphase genannt. Bei bereits bestehenden Produkten hingegen spricht man von Wertverbesserung.
Sowohl durch die beschriebenen Grundelemente als auch durch ihre „ganzheitliche Betrachtungsweise“ setzt sich die Methodik deutlich positiv von anderen Methoden ab. Die Anwendung der Wertanalyse bietet die Möglichkeit einer Erweiterung der zu berücksichtigenden Rahmenbedingungen. Interessen und Restriktionen aller betroffenen Bereiche sowie des Umfeldes werden hierbei bedacht. Neben der Befriedigung von Nutzerbedürfnissen sind auch ökonomische und ökologische Reglementierungen durch den Staat, das Unternehmen oder allgemein geltende Normen und Werte eingeschlossen.
Die Wertanalyse beschäftigt sich mit den Wirkungen eines Produkts, eines Ablaufes, die in Funktionen formuliert werden. Es wird überprüft:
- welche Wirkungen das Produkt oder der untersuchte Prozess überhaupt entwickeln soll,
- ob alle Wirkungen, die ein Objekt entfaltet, gewünscht oder notwendig sind,
- ob sich die gewünschten Wirkungen mit anderen Lösungen kostengünstiger und besser realisieren lassen,
- welchen Preis ein Kunde bereit ist, für die Wirkung zu bezahlen.
Die Wertanalyse wird nicht nur bei bestehenden Produkten zur Wertverbesserung und Kostensenkung eingesetzt, sondern auch bei Produkten, die sich erst in der Entwicklung befinden (Wertgestaltung).
Ursprünglich wurde die Wertanalyse in DIN 69910 beschrieben. Durch die mit Unterstützung der Europäischen Union erfolgte Weiterentwicklung zum Value Management findet man sie nun in den Normen DIN 1325-1 und DIN 12973 verteilt. Um das Verfahren als einzelnes zu erhalten, hat der VDI sie in seine Richtlinien VDI 2800 bis 2806 übernommen.
Die Unternehmensberatung McKinsey propagierte lange die Gemeinkostenwertanalyse hauptsächlich zur Personalkostensenkung.
Mit der Methodik der Wertanalyse werden Ziele erreicht, wie zum Beispiel:
- Entwicklung und Verbesserung von Produkten und Prozessen,
- Zeitersparnis durch planmäßiges und zielgerichtetes Bearbeiten der Problemstellung,
- Motivationssteigerung bei Mitarbeitern durch Einbeziehen der Betroffenen in die Problemlösung,
- Stimulation von Kreativität durch den Einsatz entsprechender Methoden (Brainstorming etc.)
- Aufbau von Mitarbeiter-Netzwerken im Unternehmen,
- reibungslosere, weil verständnisvollere Zusammenarbeit in der Folge der Projekte,
- Know-how-Steigerungen bei allen Teammitgliedern,
- Teamorientiertes Arbeiten nach den Regeln des Konsensprinzips und
- Qualitätssteigerungen und Kosteneinsparungen von mindestens 10 %, in der Regel aber deutlich darüber (30 bis 50 %).
Organisation der Wertanalyse Bearbeiten
Die Wertanalyse enthält folgende vier Systemelemente:
Das Zusammenwirken dieser Systemelemente sowie deren gleichzeitige gegenseitige Beeinflussung bestimmen, inwieweit das Ziel einer Optimierung des Ergebnisses erreicht werden kann.
Ablauf der Wertanalyse Bearbeiten
Nach den früheren Beschreibungen in DIN 69910 und VDI 2800 enthielt die Wertanalyse sechs Arbeitsschritte. Nach den neuen Beschreibungen in DIN EN 12973 sowie VDI 2800 von 2010 besteht der Ablauf der Wertanalyse aus zehn Schritten:
0 Vorbereitung des Projektes;
1 Projektdefinition;
2 Planung;
3 Umfassende Daten über die Studie sammeln;
4 Funktionenanalyse, Kostenanalyse, Detailziele;
5 Sammeln und Finden von Lösungsideen;
6 Bewertung der Lösungsideen;
7 Entwicklung ganzheitlicher Vorschläge;
8 Präsentation der Vorschläge;
9 Realisierung.
Nachfolgend der alte Wertanalysearbeitsplan der VDI 2800 von 2000
- Projekt vorbereiten
- Objektsituation analysieren
- Soll-Zustand beschreiben
- Lösungsideen entwickeln
- Lösungen festlegen
- Lösungen verwirklichen und kontrollieren
Beurteilung der Wertanalyse Bearbeiten
Durch die Wertanalyse lassen sich Kostensenkungen und Leistungsverbesserungen von bis zu 50 % erreichen. Die Wertanalyse hat sich über Jahrzehnte (seit 1947) in der Praxis bewährt. Das Ersparnispotenzial ist zumeist hoch, da überflüssige Funktionen (bzw. Funktionserfüllung) eines Produkts korrigiert, neue Lösungen gefunden und somit „unnötige Kosten“ eliminiert werden.
Besonderheiten der Funktionenanalyse der Wertanalyse Bearbeiten
Bei der Funktionenanalyse ist es wichtig, einen dem Untersuchungsobjekt und den Zielen angepassten Abstraktionsgrad zu erzielen. Ein zu geringer Grad verfehlt eventuelle Innovationsmöglichkeiten. Ein zu hoher Grad bringt keine oder schwierig zu realisierende Ideen hervor und ist zudem sehr kosten- und zeitintensiv. Ein Beispiel ist hierfür eine Benzinpumpe. Die Funktion hierzu könnte "Benzin pumpen" lauten. Hierbei ist der Abstraktionsgrad jedoch etwas zu gering, besser wäre "Flüssigkeit fördern". Auf diesem Weg wird ein breiteres Suchfeld erschlossen.
Organisatorische Verankerung der Wertanalyse in Europa Bearbeiten
Für die Weiterentwicklung der Wertanalyse bzw. Value Management in Europa ist der EGB (European Governing Board of the Value Management Training and Certification System) zuständig. Dieser hat derzeit elf Mitgliedsländer in Europa. Pro europäischem Land sorgt eine NVO (National Value Organisation) für die nationalen Anliegen zum Thema Wertanalyse/ Value Management. Seit über 60 Jahren wird die Wertanalyse in Deutschland weiterentwickelt. Dies spiegelt sich in einer intensiven Richtlinienarbeit wider.
Ausbildung / Qualifikation Wertanalytiker VDI Bearbeiten
Die Ausbildung zum Wertanalytiker VDI erfolgt in drei Modulen. Ausgangspunkt ist das Basismodul 1, in welchem die Grundlagen des Value Managements und die unterstützenden Methoden und Werkzeuge geschult werden. In Modul 2 und 3 werden die Inhalte vermittelt, die bei der Planung und Durchführung der Value Management Projekte benötigt werden. Unterschiedliche Seminaranbieter bieten eine international EGB zertifizierte Ausbildung hierzu an.
Literatur Bearbeiten
- DIN EN 12973: Value Management. Deutsche Fassung EN 12973: 2000 rev. (2000)
- DIN EN 1325: Value Management – Wörterbuch. Berlin: Beuth-Verlag, 2011.
- DIN EN 16271: Value Management – Funktionale Beschreibung der Bedürfnisse und funktionale Leistungsbeschreibung. Berlin: Beuth-Verlag, 2013.
- VDI 2800: Wertanalyse. Berlin: Beuth-Verlag, 2010.
- VDI 2801: Wertanalytiker/Value-Manager/Wertanalytikerin/Value-Managerin – Berufsbild. Berlin: Beuth-Verlag, 2007.
- VDI 2804: Wertorientierte Unternehmensführung. Berlin: Beuth-Verlag, 2012.
- VDI 2805: Methodengestützte Projektarbeit in der Wertanalyse. Berlin: Beuth-Verlag, 2004.
- VDI 2807: Teamarbeit – Anwendungen in Wertanalyse-/Value-Management-Projekten. Berlin: Beuth Verlag, 2013.
- VDI-Gesellschaft Produkt- und Prozessges. (2011): „Wertanalyse – das Tool im Value Management“ (VDI-Buch), ISBN 978-3-540-79516-2
- VDI-Gesellschaft Systementwicklung und Projektgestaltung (1995): Wertanalyse, VDI-Verlag
- Miles (1961): Technique of Value Analysis and Engineering, New York
- Marchthaler (2016): Wertanalyse, Value Management, Wertorientierte Unternehmensführung: Entwicklungen und Methoden. Verlag Methodisches Wissen
- Götz (2007): Integrierte Produktentwicklung durch Value Management, Shaker Verlag
- Bronner/Herr (2003): Vereinfachte Wertanalyse, Springer-Verlag
- Gärtner (1992): Wertanalyse in der Gebrauchs- und Konsumgüterindustrie, Lang-Verlag
- VDI-Bericht (2006): Wertanalyse Praxis 2006 – Standort sichern mit Wertanalyse, Düsseldorf: VDI-Verlag
- Wertanalyse-Literatursammlung: deutsch und überwiegend englisch
Weblinks Bearbeiten
Einzelnachweise Bearbeiten
- Gerhard Mensch, Kosten-Controlling, 1998, S. 170
- Marianne Heiß, Strategisches Kostenmanagement in der Praxis, 2004, S. 46
- Hermann Witte, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 2000, S. 213
- Hans Jung, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 1996, S. 1297 ff.; ISBN 978-3-486-59211-5
- Gerd F. Kamiske/Jörg-Peter Bauer, Qualitätsmanagement von A bis Z, 1999, S. 191; ISBN 978-3-446-41273-6
- DIN EN 1325-1: Value Management – Wörterbuch. Beuth Verlag, Berlin 2014.
- ↑ Jörg Marchthaler/Tobias Wigger/Rainer Lohe/Sigurd Jönsson/Michael Hein: Wertanalyse, Value Management, Wertorientierte Unternehmensführung: Entwicklungen und Methoden. Verlag Methodisches Wissen, 2016, ISBN 978-3-9817983-0-2.
- VDI 2800: Wertanalyse. Beuth Verlag, 2010.
- Weitere Details zur Qualifizierung bietet der VDI: Qualifikation zum Wertanalytiker VDI