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Die Victoria Versicherung ist ein denkmalgeschutztes Bauwerk der gleichnamigen Versicherungsgesellschaft heute Ergo Group in der Lindenstrasse im Berliner Ortsteil Kreuzberg Ehemaliges Victoria Gebaude in der Lindenstrasse 20 25 in Berlin Kreuzberg Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte und Funktion des Gebaudes 2 Architektur des Gebaudes 3 Sonstiges 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichte und Funktion des Gebaudes BearbeitenDas Gebaude wurde im Zeitraum von 1893 bis 1913 vom Bauingenieur Karl Bernhard nach Planen des Architekten Wilhelm Walther im Neobarock Stil gebaut Damit endete fur das Unternehmen eine Phase von rund 50 Jahren die durch mehrfache Umzuge innerhalb des Berliner Stadtgebietes gepragt waren So ist uberliefert dass sich die Versicherung 1860 zunachst in ein Gebaude in der Franzosischen Strasse 42 einmietete um sieben Jahre spater in der Markgrafenstrasse 63 ein eigenes Grundstuck zu erwerben 1875 zog man in die Mohrenstrasse 45 doch auch hier reichte der Platz bald nicht mehr aus Durch steigende Vertragsabschlusse in der Unfallversicherung und in der Volksversicherung wuchs auch die Anzahl der Beschaftigten Arbeiteten im Jahr 1888 rund 100 Angestellte fur die Victoria so waren es 1896 bereits 500 und im Jahr 1903 uber 1000 Menschen 1 Daher suchte man erneut ein grosseres Gebaude und wurde in der sudlichen Friedrichstadt schliesslich fundig nbsp Victoria Gebaude um 1900Im Jahr 1892 erwarb man die Grundstucke der Lindenstrasse 20 und 21 sowie Alte Jakobstrasse 131 im Mai 1893 das Haus Lindenstrasse 22 Hierauf wurden von 1893 bis 1895 das Hauptgebaude errichtet Der Einzug erfolgte am 30 Januar 1895 1896 kaufte man die Grundstucke Alte Jakobstrasse 130 und 132 und erweiterte damit bis 1897 das bestehende Gebaude 1904 wurden die Grundstucke Lindenstrasse 23 24 und 25 ebenfalls erworben Zum 50 Jubilaum der Versicherung konnte der komplette Neubau schliesslich eingeweiht werden der in den Folgejahren bis 1913 mehrfach erweitert wurde Eine fur diese Zeit vergleichsweise fortschrittliche Einrichtung war eine Zentralheizung die das gesamte Gebaude mit Warme versorgte Weiterhin gab es hydraulische und elektrische Aufzuge mit denen Akten transportiert wurden Neu war fur diese Zeit auch eine durchgangige Beleuchtung mit Gluhlampen Es gab eine Registratur in der uber 23 Millionen Namen verzeichnet waren Taglich wurden rund 250 kg Post verschickt die teilweise in der hauseigenen Druckerei erstellt und frankiert wurde 1908 errichtete man im vierten Stockwerk der Lindenstrasse 24 25 ein Kasino fur die Mitarbeiter um vorzugsweise den unverheirateten Beamten bei Bureauschluss die Moglichkeit zu geben fur massiges Geld ein frisches einfaches aber kraftiges Essen bestehend aus Suppe Fleisch reichlich Gemuse und Kartoffeln einzunehmen 1 Zur Zeit der Novemberrevolution 1918 1919 wurde die Kantine geschlossen da der Generaldirektor der Versicherung Richard Utech daruber verstimmt war dass seine Angestellten durch Streikposten am Betreten des Gebaudes gehindert wurden Bis 1935 beherbergte das Haus die Sowjetische Handelsvertretung 2 Zu dieser Zeit bewahrte der Vorsitzende des Aufsichtsrates Otto Gerstenberg 1848 1935 aus Platzgrunden einen Teil seiner privaten Kunstsammlung in dem Gebaude auf Diese Entscheidung sollte sich als fatal erweisen denn im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebaude bei einem alliierten Luftangriff am 3 Februar 1945 schwer beschadigt die Sammlung wurde ein Opfer der Flammen Berichten zufolge waren die Brande so heftig dass die Feuerwehr in der Lindenstrasse vier Tage im Einsatz war 3 Durch die Kriegseinwirkungen wurden eine Vielzahl weiterer Wohnhauser und Betriebe des grafischen Gewerbes zerstort die sich hier im einstigen Zeitungsviertel angesiedelt hatten 4 In den 1950er Jahren wurde das Gebaude vorubergehend von der Sowjetischen Militaradministration genutzt um dort die erforderlichen Dokumente fur den Export von Maschinen und Anlagen in die Sowjetunion zu bearbeiten 5 Mit dem Mauerbau versank dieser Teil Berlins in einen Dornroschenschlaf die Versicherung verlegte die neue Hauptverwaltung nach Dusseldorf Zuvor hatte man bereits 1923 dort zwei Gesellschaften gegrundet weil man befurchtete als Berliner Unternehmen von der Geschaftstatigkeit im seinerzeit franzosisch besetzten Westdeutschland abgeschnitten zu werden 6 1979 wurde das Gebaude endgultig verkauft 7 Neue Impulse in diesem Gebiet gab es erst im Zuge der Internationalen Bauausstellung in den 1980er Jahren So hatte im Oktober 1977 eine Freie Planungsgruppe Berlin einige Leitlinien fur die Entwicklung des Tiergartenviertels sowie der sudlichen Friedrichstadt herausgegeben Fur Strassen die in Ost West Richtung liegen wie beispielsweise die benachbarte Ritterstrasse sollte demnach ein niedriger Strassenrand von drei bis vier Geschossen vorgesehen sein wahrend an der Lindenstrasse bis zu sechs Geschosse geplant wurden um an die alten Traufhohen u a des Victoria Gebaudes anzuschliessen 8 Nordlich des Gebaudes schliesst sich daher auch ein Neubau an der von den Architekten Gruppe 67 im Zuge des Projektes Experiment Wohnen Konzepta Ritterstrasse entstand 8 Im sudlichen Bereich entstand in dieser Zeit der Wohnpark Am Berlin Museum von Hans Kollhoff und Arthur Ovaska als Sieger eines Architektenwettbewerbs Geplant war mittels einer geschlossenen Blockrandbebauung die Lucke zwischen dem Berlin Museum heute Judisches Museum und der Victoria Versicherung zu schliessen Schlussendlich entstanden zwischen 1984 und 1986 in der Strasse Am Berlin Museum eine Reihe einzelner Bauten die als Stadtvillen bezeichnet werden 9 Damit sollte eine stadtebauliche Neuordnung des Ostrandes der Sudlichen Friedrichstrasse im Spannungsfeld zwischen den wilhelminischen Gebaudeteilen der ehemaligen Victoria Versicherung dem barocken Berlin Museum und der Lagerhalle der Glasergenossenschaft 10 gezeigt werden Heute sind in dem Gebaude unter anderem eine Medienhochschule der Landesverband von Bundnis 90 Die Grunen 11 die Spastikerhilfe Berlin und die Stiftung Erinnerung Verantwortung und Zukunft anzutreffen Architektur des Gebaudes Bearbeiten nbsp Eingangsportal zur Versicherung mit MittelrisalitDas Gebaude weist in seinem Endausbau im Jahr 1913 eine Fassadenlange von 129 24 Metern aus Die Gesamtflache des Grundstucks betragt 16 223 m die bebaute Flache 10 671 66 m Die Tiefe des Grundstucks von der Lindenstrasse zur Alten Jakobstrasse belauft sich auf 180 Meter Durch diesen Grundriss entstanden insgesamt zwolf Innenhofe von denen der Hof I der Grosste ist Er ist von der Lindenstrasse aus durch ein Tor begehbar 12 Das Erdgeschoss sowie das erste Stockwerk sind mit einem Bossenwerk ausgestaltet Die weiteren Stockwerke sind mit Ausnahme des Staffelgeschosses mit bayerischem Muschelkalkstein verkleidet die mit Elementen aus der Renaissance verziert wurde Das Eingangsportal wird von je zwei machtigen Pilastern sowie einem grossen Mittelrisalit verziert auf dem der Name der Versicherung eingemeisselt wurde Daruber befindet sich ein Balkon der von den Pilastern umrahmt wird die sich bis in das funfte Geschoss ziehen und die Fassade so optisch vertikal gliedern Die einzelnen Stockwerke sind mit einem Gesims horizontal voneinander abgegrenzt Der Eingang zum Hof I dem flachenmassig grossten der insgesamt zwolf Innenhofe fallt durch ein schmiedeeisernes Gitter auf uber dem vier symbolhafte Figuren angebracht sind Industria Commercium Artes und Scienta Sie erinnern an das Zusammenwirken von Wirtschaft und Wissenschaft sowie Kommerz und Kunst in der Fruhen Neuzeit Beide verbinden sich miteinander und verhelfen sich wechselseitig zu einer neuen Qualitat verstarken die je ihnen innewohnende Dynamik und erreichen zuvor ungewohnte Dimensionen 13 Daruber finden sich weitere barocke Elemente in floraler Ornamentik Die Innenhofe sind uberwiegend mit rotem Sandstein verkleidet Auffallig ist hier insbesondere der bereits beschriebene Durchgang von der Lindenstrasse in den Hof I Im Erdgeschoss fallen vier Karyatiden auf die in jeweils einem Kapitell enden auf dem wiederum vier Knaben stehen Sie wiederum umrahmen eine astronomische Uhr die jedoch nicht mehr funktionstuchtig ist Sonstiges Bearbeiten nbsp Astronomische Uhr im Hof IDie grosse Mitarbeiteranzahl stellte die Verwaltung der Victoria Versicherung vor neue Herausforderungen Man erliess daher eine Hausordnung und stellte fur die Einhaltung der so aufgestellten Regeln eigens Mitarbeiter ab sogenannte Hausinspektoren Uberliefert ist beispielsweise aus dem Jahr 1902 ein Vergehen eines Mitarbeiters das wie folgt dokumentiert wurde Herr K schlief gestern nachmittag an seinem Arbeitsplatz Ich habe das schon sehr haufig wahrnehmen mussen glaubte aber Herr K wurde sich das abgewohnen 1 Auch waren die Mitarbeiter angewiesen ein bestimmtes zuvor festgelegtes Eingangstor zu nutzen um das Gebaude zu betreten So konnte festgestellt werden ob jemand zu spat zur Arbeit kam Zu diesem Zweck wurde im Hof I eine grosse Uhr angebracht die der Ulmer Rathausuhr nachempfunden war Eine weitere Regelung wurde 1911 in Kraft gesetzt und legte fest wann ein Mitarbeiter heiraten durfte Wir behalten uns das Recht vor bei Verheiratung eines Beamten dessen Gehalt noch nicht ausreicht eine Familie zu ernahren die Fortsetzung des Vertragsverhaltnisses von dem Nachweis eines ausreichenden Einkommens abhangig zu machen 1 Neben diesen heutzutage eher ungewohnlich anmutenden Regeln war die Versicherung auch am Wohlergehen der Mitarbeiter interessiert So wurde in dem Gebaude eigens ein Lebensmittelgeschaft eingerichtet in dem sie sich zum Einkaufspreis mit Waren des taglichen Bedarfs versorgen konnten nbsp Haupteingang zur ehemaligen Victoria Versicherung nbsp Durchgang Hof I zur Lindenstrasse nbsp Seiteneingang mit Victoria Figur nbsp Seitenflugel im Hof I nbsp Verzierungen an der Fassade LindenstrasseLiteratur BearbeitenArno Surminski Im Zug der Zeiten 150 Jahre VICTORIA 1853 2003 Victoria Versicherungs Gesellschaften Dusseldorf 1 Aufl 2003 ISBN 3 00 011767 9 Arnt Cobbers Architekturfuhrer Die 100 wichtigsten Berliner Bauwerke Jaron Verlag Berlin 5 Aufl April 2006 ISBN 978 3 89773 135 6 Bauausstellung Berlin GmbH Internationale Bauausstellung Berlin 1987 Projektubersicht Berlin 1 Aufl 1987 Senator fur Bau und Wohnungswesen und Konzepta Unternehmensgruppe Berlin Hrsg Experiment Wohnen Konzepta Ritterstrasse Berlin 1981 ISBN 3 88531 105 4 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Victoria Versicherung Berlin Kreuzberg Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Eintrag 09031191 in der Berliner LandesdenkmallisteEinzelnachweise Bearbeiten a b c d Arno Surminski Im Zug der Zeiten 150 Jahre VICTORIA 1853 2003 Victoria Versicherungs Gesellschaften Dusseldorf 2003 Karl Schlogel Das Russische Berlin Munchen 2007 S 155 Zur Geschichte Lindenstrasse auf dem Bildungsserver Berlin Brandenburg abgerufen am 28 November 2011 Faltblatt PDF 345 kB Initiative Historisches Zeitungsviertel abgerufen am 26 November 2011 Osthandel Wo das Geschaft aufhort In Der Spiegel Nr 39 1950 online VICTORIA Versicherungsgesellschaften feiern heute ihr 150 jahriges Jubilaum Memento vom 10 Januar 2012 im Internet Archive auf definance de abgerufen am 30 November 2011 Hinweise Memento vom 12 Februar 2009 im Internet Archive auf dm aktie de abgerufen am 8 Oktober 2010 a b Experiment Wohnen Konzepta Ritterstrasse Senator fur Bau und Wohnungswesen und Konzepta Unternehmensgruppe Berlin Wohnpark am Berlin Museum Memento vom 23 Marz 2011 im Internet Archive auf berlin de abgerufen am 24 November 2011 Internationale Bauausstellung Berlin 1987 Projektubersicht 1 Auflage Bauausstellung Berlin GmbH Berlin 1987 S 178 Website des Landesverbands Bundnis 90 Die Grunen Memento vom 26 September 2010 im Internet Archive abgerufen am 8 Oktober 2010 Das Geschafts Gebaude der Victoria zu Berlin Allgemeine Versicherungs Actien Gesellschaft im Massstab 1 350 Johannes Fried Kunst und Kommerz Uber das Zusammenwirken von Wissenschaft und Wirtschaft im Mittelalter vornehmlich am Beispiel der Kaufleute und Handelsmessen PDF 1 35 MB In Schriften des Historischen Kollegs Vortrag Nummer 32 Munchen 199352 503945 13 396411 Koordinaten 52 30 14 2 N 13 23 47 1 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Victoria Versicherung Berlin Kreuzberg amp oldid 235175585