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Tuchplomben sind siegelartige an Tuchen und anderen Textilgeweben vom Mittelalter bis ins 18 Jahrhundert zum Nachweis einer durchgefuhrten Qualitatsprufung angebrachte Warenplomben aus Blei Sie sind vielfach in archaologischem Fundmaterial vertreten und stellen eine wichtige Quelle fur die Erforschung von Produktionsstatten Handelsplatzen und Warenverkehrswegen dar Tuchplombe eines Bremer Farbers nach 1793 Focke Museum Bremen Ungewohnlich grosse Tuchplombe Dm 73 mm Bremen nach 1575 Focke Museum Bremen Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Form und Anbringung 3 Typen 4 Verbreitung 5 Literatur 6 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenSeit dem 13 Jahrhundert sind in Zunftstatuten und obrigkeitlich geregelten Gewerbeordnungen Vorschriften uber die Anbringung von Beschauzeichen enthalten Es lag im Interesse der Kommunen und Zunfte fur einen gewissen Qualitatsstandard Sorge zu tragen Eine Prufung und Kennzeichnung war uberall dort notwendig wo sich zwischen Produzent und Verbraucher der Handel einschaltete Die altesten erhaltenen Tuchplomben sind niederlandischen Ursprungs und stammen aus dem 13 und 14 Jahrhundert Auch viele Funde aus dem Spatmittelalter deuten auf niederlandische Textilzentren wobei eine Verlagerung von den flamischen zu den hollandischen Handelsplatzen zu beobachten ist Die Bedeutung der Tuchplomben wird daran deutlich wie hoch die Strafen bis hin zum Todesurteil waren die in Mittelalter und fruher Neuzeit fur Missbrauch und Falschung von Stempeln vollzogen wurden 1 Den Umfang der Besiegelung verdeutlichen Zahlen aus dem westflandrischen Tuchhandelszentrum Ypern wo im 14 Jahrhundert im Durchschnitt jahrlich uber 61 000 Tuchsiegel und mehr als 13 Stempelzangen verbraucht wurden Im 16 Jahrhundert nehmen auch deutsche Plomben zu wobei zu beachten ist dass die gelegentlich im Markenbild angegebenen Jahreszahlen sich eher auf das Datum einer zugrundeliegenden Verordnung als auf das der Pragung beziehen Der Boom im Tuchmachergewerbe der in den Jahrzehnten um 1600 kulminierte spiegelt sich auch in der Statistik der Tuchplombenfunde die im 17 Jahrhundert einen quantitativen Hohepunkt erreichen Fur das 18 Jahrhundert geht ihre Zahl rapide zuruck Form und Anbringung Bearbeiten nbsp Rohling einer Tuchplombe 19 Jahrhundert Bodenfund aus Bremen Focke Museum Bremen nbsp Am Wollstoff befestigte Tuchplombe Vom Totenlaken des Bremer Fischeramts von 1666 Bremen Focke Museum Tuchplomben in Form sogenannter Scheibenstiftplomben sind eine Erfindung des Mittelalters Der Rohling besteht aus zwei miteinander durch einen Steg verbundenen Scheiben deren eine einen manchmal doppelten Stift aufweist der nachdem er durch den Tuchsaum gesteckt wurde beim Zusammenklappen der Plombe in das Loch der Gegenscheibe passt Nach dem Pragevorgang durch Zange oder Schlagstempel ist der Zusammenhalt dieser Scheiben mit dem dazwischen eingeklemmten Tuch nicht ohne Zerstorung zu losen Das Material der Tuchplomben ist durchweg das weiche und unempfindliche Blei Oft wurden Stoffballen mit mehr als einem Blei besiegelt wenn neben den Wandschneidern auch die Tuchscherer die gewebte Tuche an der Oberflache glatteten oder Farber gepruft hatten Die meisten Plomben haben einen Durchmesser von 2 bis 3 cm die grossten Exemplare uber 6 cm Den Vorgang der irreversiblen Befestigung durch Verplombung geschah durch einen geschmiedeten Pragestempel daher lautet der mittelniederdeutsche Begriff dafur auch stalen 2 und war ein hoheitlicher Akt dessen Missbrauch etwa durch Falschung mit hohen Strafen belegt war Vermutlich ist der Name des Londoner Stalhofs von dieser hier vorgenommenen Markierung abgeleitet Typen BearbeitenDie eingepragten Motive lassen Ruckschlusse auf die Funktion der jeweiligen Plombentypen zu Stadtwappen und bestimmte Begriffe z B stael deuten auf eine Bedeutung der Plombe als Nachweis einer Qualitatskontrolle durch Autoritaten der ortlichen Zunfte Prufer waren Produzenten Tuchmacher Farber oder Handler Wandschneider Gepruft werden konnten Abmessungen Fadendichte Gute und Intensitat der Farbung Hausmarken oder Initialen verweisen in der Regel als Herkunftsnachweis auf den Hersteller seltener als Eigentumsnachweis auf den Handler Die Herstellerkennung war wichtig um den Urheber ermitteln zu konnen Englische Wappen und Profilkopfe englischer Herrscher zeigen entsprechende Steuerplomben 3 die bis 1728 mit britischen Tuchen auch in Handelshafen an der deutschen Nordseekuste kamen Manufaktur und Fabrikzeichen verwenden seit dem 18 Jahrhundert uberwiegend Wortmarken Zusatzliche Kennzeichnungen wie eingepunzte Zahlen oder bestimmte geritzte Strichcodes auf der Ruckseite der Plomben markierten bestimmte Quantitaten uberwiegend Langenangaben Auch Leinen wurde gepruft doch geschah hier der Nachweis nicht durch Tuchplomben sondern vor allem im 18 Jahrhundert durch einen mit holzernen Druckstocken Leggestempeln erzeugten Farbabdruck direkt auf der gewebten Ware Verbreitung BearbeitenDie Verwendung von bleiernen Tuchplomben war in ganz Europa verbreitet doch sind die Fundkomplexe rund um die Nordsee am besten erforscht Die meisten Funde von Tuchplomben wurden naturgemass in Handelsstadten gemacht Doch es gibt auch Einzelfalle auf dem Lande und in Kleinstadten die eine jeweilige Verarbeitung von Ballenware bei Schneidern und anderen Endverbrauchern belegen Unbesiegelte Tuche durften normalerweise in grossen Stadten mit machtigen Zunften nicht gehandelt werden Literatur BearbeitenSven Schutte Tuchplomben als stadtische Zeichen Das Fallbeispiel Gottingen In Anzeiger des Germanischen Nationalmuseum 1993 ISSN 0341 8383 S 135 141 Dieter Hittinger Tuchplomben Warenzeichen des spaten Mittelalters und der Neuzeit aus dem norddeutschen Kustengebiet Shaker Aachen 2008 ISBN 978 3 8322 7826 7 Dissertation Universitat Bamberg 2008 Mit zahlreichen Umzeichnungen und umfassender Literaturliste Dieter Hittinger Auswertung der Tuchplombenfunde der Teerhofgrabung In Dieter Bischop Hrsg Bremer Archlaologische Blatter N F 7 2008 ISSN 0068 0907 S 111 144 Einzelnachweise Bearbeiten Reinhold Kaiser Falschungen von Beschauzeichen als Wirtschaftsdelikte im spatmittelalterlichen Tuchgewerbe in Falschungen im Mittelalter Teil V Monumenta Germaniae Historica Schriften Bd 33 5 Hannover 1988 S 732 752 Karl Schiller und August Lubben Mittelniederdeutsches Worterbuch Bd 4 1878 auch Nachdruck 1969 S 355 357 Zu diesen siehe Alnage in der englischsprachigen Wikipedia en Alnage Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tuchplombe amp oldid 229497102