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Strukturenrealismus SR ist eine Bezeichnung fur eine Vielzahl an wissenschaftstheoretischen Positionen die sich in der These einen dass wissenschaftliche Theorien keinen gegenstandlichen sondern einen strukturalen Zugang zur Welt ermoglichen Hierbei wird zwischen einem epistemischen SR ESR und einer ontologischen Variante des SR OSR unterschieden Der ESR besagt dass wissenschaftliche Theorien Strukturen in der Welt referieren wobei die den Strukturen zugrundeliegenden Objekte epistemisch unzuganglich sind Die ontische Variante teilt die Position vom strukturalen Zugang zur Welt behauptet aber im Gegensatz zum ESR dass es lediglich Strukturen gibt eliminativer OSR bzw bis auf Relationen charakterisierte Objekte die moderate Version des OSR und verneint gleichzeitig die Existenz von Objekten als Trager von Strukturen Der SR stellt somit eine spezielle Variante des wissenschaftlichen Realismus dar dem zufolge die besten und reifsten Theorien der Wissenschaft naherungsweise wahr sind und die in jenen Theorien enthaltenen Terme existierende jedoch nicht direkt beobachtbare Objekte oder wie im Fall des SR existierende Strukturen abbilden Inhaltsverzeichnis 1 Was ist eine Struktur 2 Neuere Debatte uber den Strukturenrealismus 2 1 Argumente gegen den wissenschaftlichen Realismus 2 2 Das Argument der pessimistischen Meta induktion PMI 2 3 Das Argument der Theorienunterbestimmtheit 3 Der Strukturenrealismus The best of both worlds 3 1 Epistemischer Strukturenrealismus 3 2 Ontologischer Strukturenrealismus 4 Literatur 5 EinzelnachweiseWas ist eine Struktur Bearbeiten nbsp Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen beispielsweise Einzelnachweisen ausgestattet Angaben ohne ausreichenden Beleg konnten demnachst entfernt werden Bitte hilf Wikipedia indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfugst Es ist nicht auf Anhieb klar geworden aus welcher Quelle die neueren Fakten stammen In einer rein formalen Auffassung lassen sich Strukturen folgendermassen erklaren Gegeben ist eine unstrukturierte Menge a a1 a2 an von n Objekten Gegenstanden ai und eine Menge R von Relationen R1 R2 R3 zwischen diesen Objekten wobei die n Objekte in Relationen Rj zueinander stehen Das Tupel T a R a ist dann eine Struktur Die Objekte ai konnen dabei nur uber die Relationen R a individuiert werden In einem weiteren Sinne ist eine Struktur ein Netz physikalischer Relationen zwischen Objekten Neuere Debatte uber den Strukturenrealismus BearbeitenArgumente gegen den wissenschaftlichen Realismus Bearbeiten Der wissenschaftliche Realismus behauptet zum einen die Existenz einer im erkenntnistheoretischen Sinne unabhangigen Aussenwelt daruber hinaus wird zum anderen die zentrale These vertreten dass die besten und reifsten wissenschaftlichen Theorien die Beschaffenheit jener Aussenwelt zutreffend beschreiben und dass die theoretischen Terme die charakteristischen Merkmale jener Welt wesentlich referieren Das gegenwartig starkste Argument fur den wissenschaftlichen Realismus ist das sogenannte no miracle Argument dem zufolge der wissenschaftliche Realismus die beste Erklarung fur den Vorhersageerfolg der Wissenschaften bietet Putnam 1975 Der Vorhersageerfolg ist eben dadurch gewahrleistet weil wissenschaftliche Theorien die Leistung vollbringen naherungsweise wahre Beschreibungen von der Welt und ihre Beschaffenheit zu liefern Dies bedeutet dass theoretische Terme tatsachliche Gegebenheiten der Welt referieren ansonsten wurde der Vorhersageerfolg einem Wunder gleichen Gegen den wissenschaftlichen Realismus spricht zum einen das Argument der pessimistischen Meta Induktion PMI zum anderen das Argument der Unterbestimmtheit von Theorien TUB Die Diskussion um den SR in der jungeren Wissenschaftstheorie geht auf einen Aufsatz von John Worrall 1989 zuruck Worrall formuliert in seiner Arbeit eine Moglichkeit einen wissenschaftlichen Realismus zu vertreten der zum einen den Vorhersageerfolg wissenschaftlicher Theorien plausibel zu erklaren versucht ohne dabei den gelaufigen Einwanden zu erliegen wie zum einen das Argument der Unterbestimmtheit von Theorien TUB und zum anderen das Argument der pessimistischen Meta Induktion PMI Diese Einwande stimmen darin uberein dass sie den in einer bestimmten Theorie formulierten Realstatus der nicht unmittelbar beobachtbaren Entitaten in Frage stellen und damit auch die einer Theorie zugrundeliegende Ontologie als wahre Referenz zur Welt anzweifeln Das Argument der pessimistischen Meta induktion PMI Bearbeiten Das Argument der PMI besagt im Wesentlichen dass die in den jeweils akzeptierten wissenschaftlichen Theorien postulierten Auffassungen uber die ontologische Beschaffenheit von Entitaten sich im Laufe der Zeit wandeln In der Vergangenheit habe es eine Vielzahl von in ihrer Zeit akzeptierten und reifen Theorien gegeben die sich im weiteren Verlauf der Wissenschaftsentwicklung als grundsatzlich falsch erwiesen haben Die in diesen Theorien postulierten Terme referierten demnach auf Objekte die tatsachlich jedoch nicht existierten und jene Terme sich somit in ihrer Bedeutung als leer erwiesen Phlogiston oder Athertheorien werden als beispielhafte Falle angefuhrt So folgt per Meta Induktionschluss dass es fur die heutigen besten Theorien keine Gewahr fur ihre Referenz tatsachlicher Entitaten gibt die Theorien daruber hinaus nichts enthalten was als Annaherung an eine Wahrheit absolut interpretierbar ist Dazu Lyre 2004 amp 2006 Das Argument der Theorienunterbestimmtheit Bearbeiten Ein weiteres verbreitetes Argument gegen den wissenschaftlichen Realismus ist das Argument der TUB Es besagt dass selbst eine Fulle von Datenmaterial die darauf gestutzte Theorie prinzipiell unterbestimmt lasst Zu jeder moglichen Theorie gabe und konne es demnach empirisch aquivalente Konkurrenz Theorien geben wobei sich die Konkurrenz daraus ergibt dass die gleichen Daten auf unterschiedliche und miteinander unvereinbare theoretische Annahmen zuruckfuhrbar sind und somit verschiedene Ontologien aufweisen konnen Diese These ist in dieser Form starker als der nach Quine und Duhem auch Duhem Quine These genannte Bestatigungsholismus demzufolge nicht einzelne Satze sondern nur umfassende Satz Systeme empirisch gepruft werden konnen Quine fuhrt diesen Gedanken in verscharfter Form fort indem er behauptet dass jede Anomalie in einer Beobachtung in jede beliebige Theorie durch Anderungen moglicher anderer Teile der Theorie in diese eingebettet werden kann In einer solchen Theorie formuliert als Satzsystem bleibt stets ein unbestimmter Raum der fur methodische und pragmatische Kriterien reserviert ist Lyre 2004 amp 2006 Der Strukturenrealismus The best of both worlds BearbeitenEpistemischer Strukturenrealismus Bearbeiten Das Problem des wissenschaftlichen Realismus liegt Worrall folgend darin dass alle antirealistischen Einwande zutreffend sind insofern man im wissenschaftlichen Realismus weiterhin an einer Ontologie festhalt die Existenzbehauptungen von Entitaten gegenstandlicher Natur formuliert Der Strukturenrealismus dagegen besagt dass die besten Theorien strukturale und nicht gegenstandliche Entitaten referieren Worrall versteht Strukturen als Netze von Relationen zwischen physikalischen Objekten Dabei geht er davon aus dass die Objekte durch intrinsische Eigenschaften individuiert sind sodass diese zugleich auch die Relationen und damit auch den darauf aufgepragten Strukturen zugrunde liegen Jedoch konnen wir so Worrall jene intrinsischen Eigenschaften nicht erkennen So enthalt jener Strukturenrealismus eine erkenntnistheoretische These Alles was wir erfassen konnen sind die von den Objekten ausgehenden Relationen und die darauf aufgepragte Struktur Uber die den Strukturen zugrunde liegende Ontologie werden nur vage Vorstellungen formuliert So werden den Objekten zwar intrinsische Eigenschaften zugesprochen jedoch sind diese jenseits jeder Erkenntnismoglichkeit Wie etwas das epistemisch versperrt ist zugleich als ontologischer Trager vorausgesetzt werden kann daruber schweigt Worrall Doch ist dieser Umstand fur seinen Strukturenrealismus zunachst einmal kein Problem Denn gewiss ist es moglich zum Beispiel ein Fischernetz als Netz zu erkennen ohne gleichzeitig etwas uber die materielle Beschaffenheit eines einzelnen Knotenpunktes wissen zu mussen Fur das Erkennen einer Struktur spielt also die dieser zugrundeliegende Ontologie zunachst keine Rolle Eine strukturenrealistische Betrachtungsweise ermoglicht daruber hinaus auch den Einwanden von TUB und PMI zu entgehen So mogen zwar wie im Einwand der TUB formuliert konkurrierende Theorien sich durch eine unterschiedliche Ontologie auszeichnen jedoch besteht diese ontologische Differenz nur in Bezug auf die behaupteten gegenstandsartigen Entitaten nicht aber im Hinblick auf ihre Struktur Die Wissenschaftsgeschichte verdeutlicht zwar dass Theorien sich im Laufe der Zeit wandeln Bruche und Inkommensurabilitaten aufweisen doch zeigen sich diese in erster Linie in Bezug auf die signifikanten Gegenstande jedoch weniger deutlich im Hinblick auf ihre strukturelle Beschaffenheit Eine strukturenrealistische Betrachtung ermoglicht daher eine schlussigere Rekonstruktion einer bestandigen und kumulativen Wissenschaftsentwicklung wenn man die Vorstellung einer Wissenschaftsentwicklung als Geschichte des Fortschritts wissenschaftlicher Erkenntnis verteidigen mochte Der Strukturenrealismus stellt somit nach Worrall the best of both worlds in Aussicht Zum einen wird die Erklarungsleistung des no miracle Arguments betont und damit die Referens zwischen theoretischem Term und Welt als tatsachlich gegeben postuliert Zum anderen erliegt der Strukturenrealismus nicht den Einwanden von TUB und PMI siehe dazu Worrall 1989 Ontologischer Strukturenrealismus Bearbeiten Die Diskussion um den Strukturenrealismus erhielt durch einen Aufsatz von James Ladyman 1998 einen neuen Impuls Ladyman unterscheidet darin zwischen einer epistemischen Variante ESR und einer ontischen Variante OSR des Strukturenrealismus Wahrend ESR Vertreter wie Worrall annehmen dass sowohl die Relationen zwischen den Objekten und die darauf aufgepragte Struktur einerseits als auch die den Objekten zugrundeliegenden intrinsischen Eigenschaften andererseits existieren wir aber zu diesen epistemisch keinen Zugang haben behaupten dagegen OSR Vertreter dass es solche Objekte als Trager einer Struktur gar nicht gibt In einem eliminativen Sinne existieren demnach ausschliesslich Strukturen und zwar Strukturen als physikalische Relationen jedoch keine Objekte die als Relata in den Relationen fungieren und durch ihre intrinsischen Eigenschaften die Relationen und damit die zwischen ihnen bestehenden strukturellen Beziehungen begrunden Ladyman 1998 Gegenuber dieser eliminativen Auffassung hat sich unter den OSR Vertretern eine nicht eliminative Sichtweise auf die Existenz von Objekten herausgebildet Demnach existieren jene Objekte von denen die eliminative Variante ausgeht dass sie nicht existieren hier als individuierte Relata in einer Relation Objekte sind demnach eine Stelle in einer Struktur Jene Objekte sind durch ihre relationalen Eigenschaften konstituiert Sie existieren dennoch nicht eigenstandig und besitzen keine intrinsischen Eigenschaften sondern sind durch ihre Rolle im relationalen Gefuge bedingt Diese Auffassung ist zugleich auch eine Kritik an der eliminativen Variante des OSR Chakravartty 1998 399 sagt dazu One cannot intelligibly subscribe to the reality of relations unless one is also committed to the fact that some things are related Eine Analogie Wie kann man in sinnvoller Weise von Gruppen sprechen wenn man die Existenz der einzelnen Gruppenmitglieder verneint Siehe dazu Esfeld und Lam 2008 Lyre 2004 und Stachel 2006 Ladyman versucht die Plausibilitat seines Ansatzes der Unterscheidung zwischen ESR und OSR an einem Beispiel aus dem Problemkreis der Individualitat in der Quantentheorie in Anlehnung an Arbeiten von Steven French zu verdeutlichen French Ladyman 2003 Dazu Lyre 2006 Nach gangiger Auffassung verletzt die Quantenstatistik ununterscheidbarer Teilchen das Leibniz Prinzip der Identitat des Ununterscheidbaren In Ermangelung eines alternativen Individuationsprinzips spricht man daher von der Nicht Individualitat von Quantenobjekten Insbesondere French hat demgegenuber hervorgehoben dass die Quantentheorie durchaus mit einer Ontologie von Individuen kompatibel sei insofern man an der metaphysischen Annahme einer Haecceitas der Objekte festhalten kann wenngleich die an ihnen operational feststellbaren Eigenschaften keinerlei Unterscheidung gestatten Nach French besteht hier vielmehr eine elementare metaphysische Unterbestimmtheit im Gegensatz zur gewohnlichen TUB insofern die fundamentalen Bausteine sogar hinsichtlich ihres Individuencharakters im Unklaren lassen Dies so French und Ladyman ist als direkter Beleg fur OSR zu werten da eine Unterbestimmtheit der Gegenstandontologie in diesem Sinne einer Auflosung des Gegenstandskonzepts gleichkommt 1 Literatur BearbeitenMartin Carrier Realismus wissenschaftlicher in Jurgen Mittelstrass Hrsg Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie 2 Auflage Band 7 Re Te Stuttgart Metzler 2018 ISBN 978 3 476 02106 9 S 13 15 ausfuhrliche Literaturnachweise A Chakravartty Semirealism In Studies in History and Philosophy of Modern Science 29 1 S 391 408 A Chakravartty The Structuralist Conception of Objects In Philosophy of Science 70 S 867 878 A Chakravartty Structuralism as a Form of Scientific Realism In International Studies in Philosophy of Science 18 S 151 171 M Esfeld V Lam Moderate structural realism about space time In Synthese 160 S 27 46 M Dorato Substantivalism relationism and structural spacetime realism In Foundations of Physics 30 10 S 1605 1628 St French James Ladyman Remodelling Structural Realism Quantum Physics and the Metaphysics of Structure In Synthese 136 1 2003 S 31 56 James Ladyman What is Structural Realism In Studies in History and Philosophy of Science 29 3 S 409 424 James Ladyman Eintrag Structural Realism in der SEP mit Bibliographie H Lyre Lokale Symmetrien und Wirklichkeit mentis Paderborn 2004 H Lyre Strukturenrealismus PDF 98 kB D Papineau Hrsg The Philosophy of Science Oxford University Press Oxford 1996 Eine Sammlung von Klassikeraufsatzen zum wissenschaftlichen Realismus inklusive Worrall 1989 H Putnam Mathematics Matter and Method Cambridge 1975 S Saunders Structural realism again In Synthese 136 S 127 133 B C Van Fraassen Structure Its shadow and substance In The British Journal for the Philosophy of Science 57 S 275 307 B C Van Fraassen Structuralism s About Science Some Common Problems In Proceedings of the Aristotelian Society LXXXI S 45 61 I Votsis Is Structure Not Enough In Philosophy of Science 70 S 879 890 I Votsis The upward path to structural realism In Philosophy of Science 72 S 1361 1372 J Worrall Structural realism The best of both worlds In Dialectica 43 S 99 124 Neu aufgelegt und gedruckt in D Papineau 1996 s o Einzelnachweise Bearbeiten Holger Lyre Strukturenrealismus In Information Philosophie Information Philosophie Band 4 2006 S 32 37 online Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Strukturenrealismus amp oldid 227414682