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1851 schlug Johann Wilhelm Schwedler durch seine unabhangig von Karl Culmann 1821 1881 Squire Whipple 1804 1888 und Dmitri Iwanowitsch Schurawski 1821 1891 entwickelte Fachwerktheorie ein neues Kapitel der Baustatik auf Die Fachwerktheorie beschrankte sich bis Ende des 19 Jahrhunderts auf ebene Systeme Raumliche Tragsysteme von Bauwerken wie etwa Industriehallen Bahnhofe und Brucken besassen eine orthogonale Struktur sodass eine Zerlegung in ebene Systeme ausreichte Hinzu kam dass das raumliche Ingenieurdenken seit Beginn des 19 Jahrhunderts durch das die Darstellende Geometrie beherrschende Verfahren der orthogonalen Projektion in Form der technischen Zeichnung geschult war Als Erster uberwand Schwedler dieses Problem der zeichnerischen Zweidimensionalitat mit der brillanten Kraft und Klarheit seiner raumlichen Anschauung der stereometrischen Phantasie wie er diese Gabe zu nennen pflegte Bild 1Bild 2Bild 3Bild 4 Entwurf der Schwedlerkuppel uber dem Gasbehalter der stadtischen Gasanstalt in der Fichtestrasse Berlin KreuzbergAuch bei Kuppelbauten fand die raumliche Lastabtragung zunachst keine Berucksichtigung da die radial angeordneten Binder mit Hilfe der ebenen Statik analysiert wurden Eine solche Kuppel uber dem Gasbehalter der Imperial Continental Gas Association in Berlin Hellweg Nr 8 heute Gitschiner Strasse 19 sturzte 1860 wahrend der Montage ein Schwedler verbesserte die ein Jahr spater wiedererrichtete Kuppelkonstruktion beschritt aber den konventionellen Weg Fur denselben Auftraggeber vollzog er mit der 1863 fertiggestellten Kuppel uber dem Gasbehalter in der Holzmarktstrasse 28 in Berlin als erster Ingenieur den Ubergang zur raumlich wirkenden Kuppel die als Schwedler Kuppel in die Fachliteratur eingehen sollte In der Versammlung des Berliner Architekten Vereins am 31 Januar 1863 hielt Schwedler einen Vortrag uber die Theorie der Kuppelgewolbe die seiner statischen Berechnung zugrunde lag am 23 Mai 1863 berichtete er dort uber seine neuartige Kuppelkonstruktion und forderte den Architekten Verein zur Besichtigung auf Bild 1 zeigt die Entwicklungsgeschichte von weitgespannten Dachern uber polygonalem Grundriss beginnend mit durch schmiedeeisernen Zugstangen unterspannten Holzbindern sodann Ersatz der Holzbinder durch eiserne Binder Bild 2 und schliesslich das nach einem kubischen Rotationsparaboloid geformte eiserne Raumfachwerk Schwedlers Bild 3 Zur Uberspannung des Behalterdurchmessers von 30 38 m benotigt Schwedler nur 20 6 t Eisen das sind 28 4 kg m 1866 berichtete Schwedler uber sein erstes Raumfachwerk und funf weitere Schwedler Kuppeln und schuf nicht nur ihre Theorie sondern gab ein vereinfachtes baustatisches Rechenverfahren an Schwedler entwickelte die Membrantheorie fur axialsymmetrisch geformte und belastete Schalen und rechnete die Membrankrafte auf die Langen und Breitenkreise um Er verwandelte sein hochgradig statisch unbestimmtes Raumfachwerk in ein berechenbares baustatisches Modell indem er das Stabwerk zu einer statisch bestimmten rotationssymmetrischen Membranschale verschmierte welche allein mit den Gleichgewichtsbedingungen beschrieben werden kann Was berechenbar ist wird gebaut Seit 1863 erfreuten sich Schwedler Kuppeln einiger Beliebtheit und bildeten bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts einen Gegenstand baustatischer Theoriebildung Schwedler selbst realisierte zahlreiche Dacher mit seinem Kuppelsystem Hier seien nur zwei Schwedler Kuppeln erwahnt die noch heute bewundert werden konnen die 1863 entstandene Kuppel der Neuen Synagoge Berlin Mitte Oranienburger Strasse 28 30 Bild 5 und das 1875 fertiggestellte Dach der stadtischen Gasanstalt in der Fichtestrasse Gasometer Fichtestrasse in Berlin Kreuzberg Bild 6 Die letztgenannte Kuppel besitzt einen Durchmesser von 54 9 m und einen Stich von 12 2 m Dafur benotigte Schwedler nur 68 t Eisen also 28 7 kg m 1 So lassen diese sonderbaren Gespinste aus Raum und Zeit das ferne Licht der Geschichte aufscheinen Walter Benjamin In der Meisterschaft des strukturalen Komponierens von eisernen Tragwerken blieb Schwedler zu seinen Lebzeiten unubertroffen Wesentliches Moment dieses Kompositionsprozesses ist seine konstruktionsorientierte Baustatik in deren Mitte Schwedler statisch bestimmte Systeme stellt In ihrem Buch Vom Eisenbau zum Stahlbau uberschrieb Ines Prokop den Abschnitt uber die Etablierungsphase der Baustatik und des Eisenbaus 1850 1875 d h der konstruktionsorientierten Baustatik treffend mit Statisch bestimmt bestimmt das Tragwerk Schon in den fruhen 1860er Jahren avancierte Schwedler zum Protagonist dieser Entwicklungsphase Die von Schwedler zu einer rotationssymmetrischen Membranschale modellierte Kuppel ist ein statisch bestimmtes System ein fur die Baupraxis noch Wichtigeres ist das Dreigelenksystem dessen historisch logische Entfaltung im 19 Jahrhundert Werner Lorenz herausschalte 2 Bild 5 Bild 6Literatur BearbeitenAugust Hertwig Johann Wilhelm Schwedler Sein Leben und sein Werk Wilhelm Ernst amp Sohn Berlin 1930 Karl Eugen Kurrer The History of the Theory of Structures Searching for Equilibrium Ernst amp Sohn Berlin 2018 S 641ff Ines Prokop Vom Eisenbau zum Stahlbau Tragwerke und ihre Protagonisten in Berlin 1850 1925 Berlin 2012 S 61ff Karl Eugen Kurrer Das Fachwerk erobert die dritte Dimension 150 Jahre Schwedler Kuppel Momentum MagazinEinzelnachweise Bearbeiten Martin Hoffman Gerhard Drexel Initiative Fichtebunker Berlin Wird der Denkmalschutz des Fichtebunkers investorenfreundlich abgeschliffen Das offene PR Portal 16 April 2007 abgerufen am 7 Februar 2020 Werner Lorenz Die Entwicklung des Dreigelenksystems im 19 Jahrhundert In Stahlbau 59 Jg 1990 H 1 S 1 10 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schwedlerkuppel amp oldid 231868985