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In der Mathematik ist eine schwache Losung einer gewohnlichen oder partiellen Differentialgleichung auch verallgemeinerte Losung genannt eine Funktion fur die zwar moglicherweise nicht alle Ableitungen existieren die aber dennoch in einem prazisen Sinn als Losung der Gleichung angesehen werden kann Es gibt viele verschiedene Definitionen schwacher Losungen die jeweils fur verschiedene Klassen von Gleichungen geeignet sind eine der wichtigsten baut auf dem Begriff der Distribution auf Um die Sprache der Distributionen zu vermeiden schreibt man eine Differentialgleichung derart um dass keine Ableitungen der Losungsfunktion mehr vorkommen Diese neue Form der Gleichung nennt man die schwache Formulierung und ihre Losungen heissen schwache Losungen Uberraschenderweise kann eine Differentialgleichung auf diese Weise eine nicht differenzierbare Losung haben mittels der schwachen Formulierung konnen diese gefunden werden Schwache Losungen sind wichtig weil Modellierungen von Problemen der realen Welt oft zu Differentialgleichungen ohne hinreichend glatte Losungen fuhren der einzige Losungsansatz besteht dann in der schwachen Formulierung Selbst in Situationen in denen eine Gleichung differenzierbare Losungen besitzt ist es oft vorteilhaft zunachst die Existenz schwacher Losungen zu beweisen und dann zu einem spateren Zeitpunkt zu zeigen dass die Losungen ausreichend glatt sind Inhaltsverzeichnis 1 Ein konkretes Beispiel 2 Der allgemeine Fall 3 Distributionslosungen 4 Andere Typen schwacher Losungen 5 Literatur 6 EinzelnachweiseEin konkretes Beispiel BearbeitenZur Veranschaulichung betrachten wir folgende Wellengleichung erster Ordnung u t u x 0 1 displaystyle frac partial u partial t frac partial u partial x 0 quad quad 1 nbsp siehe Partielle Ableitung fur die verwendete Bezeichnung wobei u u t x displaystyle u u t x nbsp eine Funktion von zwei reellen Variablen ist Nimmt man nun an dass u displaystyle u nbsp in der euklidischen Ebene R 2 displaystyle mathbb R 2 nbsp stetig differenzierbar ist multipliziert die Gleichung 1 mit einer glatten Funktion f displaystyle varphi nbsp mit kompaktem Trager und integriert so erhalt man u t x t f t x d t d x u t x x f t x d t d x 0 displaystyle int infty infty int infty infty frac partial u t x partial t varphi t x mathrm d t mathrm d x int infty infty int infty infty frac partial u t x partial x varphi t x mathrm d t mathrm d x 0 nbsp Mit dem Satz von Fubini der es erlaubt die Integrationsreihenfolge zu andern und mittels partieller Integration bzgl t displaystyle t nbsp im ersten Term und bzgl x displaystyle x nbsp im zweiten Term erhalt man daraus u t x f t x t d t d x u t x f t x x d t d x 0 2 displaystyle int infty infty int infty infty u t x frac partial varphi t x partial t mathrm d t mathrm d x int infty infty int infty infty u t x frac partial varphi t x partial x mathrm d t mathrm d x 0 quad quad 2 nbsp Hinweis Beachte dass obwohl die Integration von displaystyle infty nbsp nach displaystyle infty nbsp geht die Integration eigentlich nur uber einem endlichen Rechteck verlauft da f displaystyle varphi nbsp einen kompakten Trager hat und dass aus diesem Grunde die partielle Integration auch keine Randterme liefert Wir haben gezeigt dass Gleichung 2 aus Gleichung 1 folgt wenn u displaystyle u nbsp stetig differenzierbar ist Die Idee der schwachen Losung besteht nun darin dass es Funktionen u displaystyle u nbsp gibt die Gleichung 2 fur jedes f displaystyle varphi nbsp erfullen die aber nicht differenzierbar sind und daher nicht Gleichung 1 losen konnen Ein einfaches Beispiel einer solchen Funktion ist u t x t x displaystyle u t x t x nbsp Dass u displaystyle u nbsp tatsachlich Gleichung 2 erfullt zeigt man leicht durch partielle Integration jeweils in den Gebieten unter und oberhalb der Geraden x t displaystyle x t nbsp Eine Losung der Gleichung 2 heisst schwache Losung der Gleichung 1 Der allgemeine Fall BearbeitenDie allgemeine Idee besteht wie in obigem Beispiel darin die zu losende Differentialgleichung mit gesuchter Funktion u displaystyle u nbsp mit sogenannten Testfunktionen f displaystyle varphi nbsp zu multiplizieren und samtliche auftretenden Ableitungen von u displaystyle u nbsp mittels partieller Integration auf f displaystyle varphi nbsp uberzuwalzen Die so erhaltene Gleichung kann dann auch nicht differenzierbare Losungen haben Der oben skizzierte Ansatz funktioniert auch fur allgemeinere Gleichungen Betrachte dazu den linearen Differentialoperator P C k W C 0 W P u x Def a k a a x D a u x displaystyle P C k W to C 0 W P u x overset text Def sum vert alpha vert leq k a alpha x D alpha u x nbsp auf einer offenen Teilmenge W R n displaystyle W subset mathbb R n nbsp wobei a a 1 a n N n displaystyle alpha alpha 1 ldots alpha n in mathbb N n nbsp ein Multiindex ist und die Koeffizientenfunktionen a a displaystyle a alpha nbsp hinreichend glatt seien Zudem bezeichnet D a u a 1 x 1 a 1 a 2 x 2 a 2 a n x n a n u displaystyle D alpha u frac partial alpha 1 partial x 1 alpha 1 frac partial alpha 2 partial x 2 alpha 2 dots frac partial alpha n partial x n alpha n u nbsp die a displaystyle alpha nbsp te partielle Ableitung von u displaystyle u nbsp Die Differentialgleichung P u x 0 displaystyle P u x 0 nbsp kann nun nach Multiplikation mit einer glatten Testfunktion mit kompaktem Trager in W displaystyle W nbsp und nach partieller Integration in eine Gleichung W u x Q f x d x 0 displaystyle int W u x Q varphi x mathrm d x 0 nbsp uberfuhrt werden wobei der Differentialoperator Q f x displaystyle Q varphi x nbsp wie folgt definiert ist Q f x a k 1 a D a a a x f x displaystyle Q varphi x sum vert alpha vert leq k 1 vert alpha vert D alpha left a alpha x varphi x right nbsp Der Faktor 1 a displaystyle 1 vert alpha vert nbsp tritt hier auf da fur das Hinuberwalzen aller partiellen Ableitung von u displaystyle u nbsp insgesamt a displaystyle vert alpha vert nbsp partielle Integrationen benotigt werden was jedes Mal eine Multiplikation mit 1 zur Folge hat Der Differentialoperator Q displaystyle Q nbsp heisst der formal adjungierte Operator zu P displaystyle P nbsp Zusammenfassend besteht das ursprungliche starke Problem darin eine auf W displaystyle W nbsp definierte a displaystyle alpha nbsp mal differenzierbare Funktion mit P u x 0 fur alle x W displaystyle P u x 0 qquad text fur alle x in W nbsp zu finden eine sogenannte starke Losung Stattdessen sucht man nun nach einer integrierbaren Funktion u displaystyle u nbsp die W u x Q f x d x 0 displaystyle int W u x Q varphi x mathrm d x 0 nbsp fur jede glatte Funktion f displaystyle varphi nbsp mit kompaktem Trager in W displaystyle W nbsp erfullt eine sogenannte schwache Losung Distributionslosungen BearbeitenEine wesentliche Erweiterung erfahrt der schwache Losungsbegriff durch die Beobachtung dass die schwache Formulierung linear von den Funktionen f displaystyle varphi nbsp abhangt was letztlich an der Linearitat des Integrals liegt Ist u displaystyle u nbsp eine integrierbare Funktion auf W displaystyle W nbsp und ist D W displaystyle mathcal D W nbsp der Vektorraum aller Testfunktionen das heisst unendlich oft differenzierbarer Funktionen mit kompaktem Trager in W displaystyle W nbsp so hangt W u x f x d x displaystyle textstyle int W u x varphi x mathrm d x nbsp linear von f displaystyle varphi nbsp ab das heisst u displaystyle u nbsp kann als ein lineares Funktional T u D W R T u f W u x f x d x displaystyle T u colon mathcal D W rightarrow mathbb R quad T u varphi int W u x varphi x mathrm d x nbsp auf dem Vektorraum D W displaystyle mathcal D W nbsp aufgefasst werden Wir wollen den Raum der moglichen Losungen auf alle linearen Funktionale auf T D W R displaystyle T colon mathcal D W rightarrow mathbb R nbsp ausdehnen Dazu mussen wir solche Funktionale ableiten und mit Funktionen multiplizieren konnen denn das haben wir ja auch mit u displaystyle u nbsp getan Die Idee besteht darin die gewunschten Operationen wieder auf die Testfunktionen hinuberzuwalzen Betrachten wir eine Ableitung i u displaystyle partial i u nbsp so ist T i u f W i u x f x d x W u x i f x d x T u i f displaystyle T partial i u varphi int W partial i u x varphi x mathrm d x int W u x partial i varphi x mathrm d x T u partial i varphi nbsp Daher definieren wir die partielle Ableitung i T displaystyle partial i T nbsp eines T D W R displaystyle T colon mathcal D W rightarrow mathbb R nbsp durch die Formel i T f T i f displaystyle partial i T varphi T partial i varphi nbsp Das ist zunachst wohldefiniert da i f displaystyle partial i varphi nbsp wieder eine Testfunktion ist das heisst die rechte Seite obiger Definition kann gebildet werden und die vorangegangene Rechnung zeigt i T u T i u displaystyle partial i T u T partial i u nbsp so dass es sich wegen des der partiellen Integration geschuldeten Minuszeichens tatsachlich um eine Erweiterung des Ableitungsbegriffs fur Funktionen handelt Ganz analog definieren wir wie T displaystyle T nbsp mit einer beliebig oft differenzierbaren Funktion a W R displaystyle a colon W rightarrow mathbb R nbsp zu multiplizieren ist Hier ist die Situation viel einfacher wir setzen a T f T a f displaystyle aT varphi T a varphi nbsp und bemerken zur Wohldefiniertheit dass a f displaystyle a varphi nbsp wieder eine Testfunktion ist Gehen wir mit diesen Definitionen in obige Formel fur den formal adjungierten Operator Q displaystyle Q nbsp so erhalten wir W u x Q f x d x W u x a k 1 a D a a a x f x d x a k 1 a W u x D a a a x f x d x a k 1 a T u D a a a 1 a n f a k D a T u a a f a k a a D a T u f displaystyle begin aligned int W u x Q varphi x mathrm d x amp int W u x sum vert alpha vert leq k 1 vert alpha vert D alpha left a alpha x varphi x right mathrm d x amp sum vert alpha vert leq k 1 vert alpha vert int W u x D alpha left a alpha x varphi x right mathrm d x amp sum vert alpha vert leq k 1 vert alpha vert T u D alpha left a alpha 1 dots alpha n varphi right amp sum vert alpha vert leq k D alpha T u a alpha varphi amp sum vert alpha vert leq k a alpha D alpha T u varphi end aligned nbsp Daher liegt es nahe nach linearen Funktionalen T D W R displaystyle T colon mathcal D W rightarrow mathbb R nbsp zu suchen die a k a a D a T f 0 displaystyle sum vert alpha vert leq k a alpha D alpha T varphi 0 nbsp fur alle f displaystyle varphi nbsp erfullen Eine nahere Betrachtung zeigt dass man sich auf solche Funktionale beschranken sollte die einer gewissen Stetigkeitsbedingung genugen Solche Funktionale nennt man dann Distributionen und eine Distribution die obige Gleichung erfullt heisst Distributionslosung oder schwache Losung der Differentialgleichung 1 Es ist nun moglich eine Losungstheorie fur schwache Losungen aufzustellen Diese wird dann von Satzen flankiert die Bedingungen dafur angeben wann schwache Losungen Distributionen T u displaystyle T u nbsp sind die von starken Losungen u displaystyle u nbsp herkommen Das fuhrt schliesslich zu den ursprunglich gesuchten Losungen der Differentialgleichung Andere Typen schwacher Losungen BearbeitenDer auf Distributionen basierende Begriff der schwachen Losung ist nicht immer zufriedenstellend Im Falle hyperbolischer Systeme fehlen Eindeutigkeitsaussagen Es ist daher notig die Problemstellung durch Entropiebedingungen oder andere Auswahlkriterien zu erganzen Bei nicht linearen partiellen Differentialgleichungen wie der Hamilton Jacobi Differentialgleichung gibt es einen etwas anderen Begriff der schwachen Losung die sogenannte Viskositatslosung 2 Literatur BearbeitenL C Evans Partial Differential Equations American Mathematical Society Providence 1998 ISBN 0 8218 0772 2Einzelnachweise Bearbeiten G Folland Introduction to Partial Differential Equations Princeton University Press 1976 Kapitel 1 A Basic Concepts Christof Eck Harald Garcke Peter Knabner Mathematische Modellierung Springer Verlag 2011 ISBN 978 3 540 74967 7 Kapitel 6 3 Seite 396 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schwache Losung amp oldid 229157199