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Als Schlegelberger Konferenz wird die von Franz Schlegelberger fur den 23 und 24 April 1941 im Haus der Flieger in Berlin einberufene Tagung bezeichnet deren Ziel es war die Spitzenbeamten der Justiz uber die bereits seit Januar 1940 stattfindenden Gasmorde bei der so genannten Aktion T4 zu informieren Die Beamten wurden angewiesen Anzeigen und Eingaben mit Bezug auf die Euthanasie Morde nicht bearbeiten zu lassen Inhaltsverzeichnis 1 Fehlende Rechtsgrundlage 2 Konferenz vom 23 und 24 April 1941 3 Deutungen 4 Literatur 5 EinzelnachweiseFehlende Rechtsgrundlage BearbeitenDas Reichsjustizministerium war uber die NS Krankenmorde nicht informiert worden und wurde erst im Juli 1940 durch Berichte von untergeordneten Dienststellen oder auch unmittelbar durch Briefe uber die laufenden Vorgange in Kenntnis gesetzt 1 So teilte der Vormundschaftsrichter Lothar Kreyssig am 8 Juli 1940 dem Minister der Justiz mit dass Geisteskranke ohne Gewahr eines geordneten Rechtsganges und ohne gesetzliche Grundlage zu Tode gebracht wurden 2 Nachdem Hans Heinrich Lammers am 23 Juli 1940 Franz Gurtner mitgeteilt hatte Hitler habe bereits fruher eine gesetzliche Regelung der Euthanasie abgelehnt meinte Gurtner die heimliche Totung von Geisteskranken musse dann sofort eingestellt werden 3 Gurtner gab jedoch seinen Widerstand auf als ihm am 27 August 1940 das auf den 1 September 1939 datierte Ermachtigungsschreibens Hitlers an Philipp Bouhler und Brandt gezeigt wurde 4 Auch andere Mitarbeiter der Zentraldienststelle T4 waren bestrebt ein Gesetz zu erhalten das sie vor einer denkbaren Strafverfolgung zuverlassig schutzen wurde Bouhler legte schliesslich im Herbst 1940 einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf vor der jedoch von Hitler abgelehnt wurde 5 Die Justiz wurde bei ihrer praktischen Tatigkeit vor allem in zwei Bereichen gestort namlich bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit und bei der Strafgerichtsbarkeit Vormundschaftsgerichte mussten uber Aufenthalt und Schicksal der geisteskranken Mundel informiert werden um vermogensrechtliche Angelegenheiten der Vormund und Pflegschaften erledigen zu konnen Das Ansehen dieser Gerichte litt darunter dass sie auf Anfragen keine Antwort geben konnten 6 Bei der Strafgerichtsbarkeit konnten manche eingeleitete Verfahren nicht abgeschlossen werden da in eine Heilanstalt eingewiesene Tater oder Zeugen durch Verlegung unauffindbar oder getotet worden waren Nach dem Legalitatsprinzip war die Staatsanwaltschaft eigentlich verpflichtet wegen aller gerichtlich strafbaren und verfolgbaren Handlungen einzuschreiten sie geriet in Erklarungsnote wenn Anzeigen nicht nachgegangen wurde 7 Konferenz vom 23 und 24 April 1941 BearbeitenDas damalige Versammlungsgebaude war 1934 und 1935 Sitz des Volksgerichtshofs Danach diente das Gebaude Ecke Leipziger Platz Prinz Albrecht Strasse fur Festlichkeiten des von Hermann Goring gegrundeten Reichsaeroklubs und wird heute als Berliner Abgeordnetenhaus in der Niederkirchnerstrasse genutzt Unter den mehr als 90 Teilnehmern befanden sich alle 34 Oberlandesgerichtsprasidenten sowie die 34 Generalstaatsanwalte Staatssekretar Roland Freisler Reichsgerichtsprasident Erwin Bumke und der Prasident des Volksgerichtshofes Otto Thierack Auf der Tagesordnung standen fur den ersten Vormittag Vortrage uber eine fur die Justiz besonders wichtige Frage 8 Diesen Teil leitete Schlegelberger ein der die Zuhorer mit allen Entschliessungen des Fuhrers vertraut machte die fur deren Amtsfuhrung von Bedeutung seien Ansonsten sei es unabwendbar dass Richter und Staatsanwalte sich zum schweren Schaden der Justiz und des Staates gegen Massnahmen wenden die sie gutglaubig aber irrtumlich fur illegal halten und sich schuldlos mit dem Willen des Fuhrers in Widerspruch setzen 9 Anschliessend kommentierten und rechtfertigten Viktor Brack und Werner Heyde das Totungsprogramm wobei eine Kopie des Fuhrerbefehls herumgereicht wurde Die Teilnehmer nahmen die Informationen widerspruchslos entgegen wie auch die schriftliche Rundverfugung solche Sachen in denen die Frage der Vernichtung lebensunwerten Lebens eine Bedeutung haben konne nicht weiter zu bearbeiten sondern an das Innenministerium weiterzuleiten Einschlagige Angelegenheiten sollten zur Vortragssache erklart werden um sie unteren Instanzen zu entziehen 10 Nach der Tagung wurden alle den Krankenmord betreffenden Verfahren niedergeschlagen neue Ermittlungsverfahren wurden nicht mehr eingeleitet 11 Der stenographisch aufgenommene Teil zur Euthanasie wurde vom Gesamtprotokoll entfernt und ist verschollen in dem in der Deutschen Justiz 1941 veroffentlichten Tagungsbericht ist dieser Tagesordnungspunkt nicht erwahnt 12 Erhalten davon sind jedoch Notizen eines Teilnehmers des Kolner Oberlandesgerichtsprasidenten Alexander Bergmann 13 Deutungen BearbeitenDer Historiker Lothar Gruchmann raumt ein die Justiz hatte im konkreten Einzelfall die Euthanasiemorde durch eine Verfolgung der Tater nicht verhindern konnen Sie hatte sich damit offen gegen den Befehl des einzigen Inhabers der Staatsgewalt gestellt ein in der damaligen Situation aussichtsloses und nur die eigene Existenz gefahrdendes Unterfangen Die Justiz habe aber durch die dauernden Hinweise auf die Storung ihrer normativ geregelten Tatigkeit durch die Euthanasiemassnahmen namlich die Weiterleitung der Beschwerden uber Lammers an den Fuhrer dazu beigetragen dass die Euthanasie eingedammt wurde 14 Helmut Kramer urteilt selbst nach nationalsozialistischer Staatsrechtsdoktrin konne ein solcher im Reichsgesetzblatt nicht verkundeter Fuhrerbefehl keine Rechtsgrundlage fur die damals so genannte Vernichtung lebensunwerten Lebens abgeben Die Geheimhaltung sei ein untrugliches Kennzeichen fur die Rechtswidrigkeit der Aktion 15 Durch die widerspruchslose Entgegennahme der Stillhalte Weisung sei Beihilfe zum Mord geleistet worden 16 Wolfram Wette bezeichnet die Konferenz als ausserordentliches Exempel der Rechtszerstorung der Justiz Die Oberlandesgerichtsprasidenten und Generalstaatsanwalte hatten sich dazu verpflichten lassen die strafrechtliche Garantie des Rechts auf Leben ausser Kraft zu setzen und Klagen niederzuschlagen So sei die Justizelite zum Komplizen der rechtswidrigen Totung von mehr als 70 000 Menschen geworden 17 Literatur BearbeitenLothar Gruchmann Euthanasie und Justiz im Dritten Reich In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 30 1972 Heft 3 S 236 279 Ernst Klee Dokumente zur Euthanasie Frankfurt M 1985 ISBN 3 596 24327 0 Helmut Kramer Oberlandesgerichtsprasidenten und Generalstaatsanwalte als Gehilfen der NS Euthanasie In Kritische Justiz Heft 1 1984 S 25 43 im Internet Christoph Schneider Diener des Rechts und der Vernichtung Das Verfahren gegen die Teilnehmer der Konferenz von 1941 Campus Verlag Frankfurt am Main 2017 ISBN 978 3 593 50689 0 nicht eingesehen Einzelnachweise Bearbeiten Lothar Gruchmann Euthanasie und Justiz im Dritten Reich In Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 30 1972 Heft 3 S 245 Brief abgedruckt in Ernst Klee Dokumente zur Euthanasie Frankfurt M 1985 ISBN 3 596 24327 0 S 201 204 Lothar Gruchmann Euthanasie und Justiz im Dritten Reich In VfZ 30 1972 Heft 3 S 248 Lothar Gruchmann Euthanasie und Justiz im Dritten Reich In VfZ 30 1972 Heft 3 S 254 Lothar Gruchmann Euthanasie und Justiz im Dritten Reich In VfZ 30 1972 Heft 3 S 250 Lothar Gruchmann Euthanasie und Justiz im Dritten Reich In VfZ 30 1972 Heft 3 S 256 Lothar Gruchmann Euthanasie und Justiz im Dritten Reich In VfZ 30 1972 Heft 3 S 258 261 Helmut Kramer Oberlandesgerichtsprasidenten und Generalstaatsanwalte als Gehilfen der NS Euthanasie In Kritische Justiz 17 1984 Heft 1 S 29 Ernst Klee Dokumente zur Euthanasie Frankfurt M 1985 ISBN 3 596 24327 0 Zitat S 218 Ernst Klee Euthanasie im Dritten Reich vollst uberarb Neuausgabe Frankfurt M 2010 ISBN 978 3 596 18674 7 S 253 Ingo Muller Furchtbare Juristen Munchen 1987 ISBN 3 463 40038 3 S 135 Ernst Klee Euthanasie im Dritten Reich vollst uberarb Neuausgabe Frankfurt M 2010 ISBN 978 3 596 18674 7 S 255 Helmut Kramer Oberlandesgerichtsprasidenten und Generalstaatsanwalte als Gehilfen der NS Euthanasie In Kritische Justiz 17 1984 Heft 1 S 29 mit Anm 36 Abgedruckt in Ernst Klee Dokumente zur Euthanasie Frankfurt M 1985 ISBN 3 596 24327 0 S 219 220 Lothar Gruchmann Euthanasie und Justiz im Dritten Reich In VfZ 30 1972 Heft 3 S 278 Helmut Kramer Oberlandesgerichtsprasidenten und Generalstaatsanwalte als Gehilfen der NS Euthanasie In Kritische Justiz 17 1984 Heft 1 S 27 Helmut Kramer Oberlandesgerichtsprasidenten und Generalstaatsanwalte als Gehilfen der NS Euthanasie In Kritische Justiz 17 1984 Heft 1 S 38 Wolfram Wette Joachim Perels Mit reinem Gewissen Wehrmachtrichter in der Bundesrepublik und ihre Opfer Berlin Aufbau Digital 2011 ISBN 9783841203632 Einleitung III mit Anm 17 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schlegelberger Konferenz amp oldid 226783637