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Der Begriff pyroklastischer Dichtestrom engl pyroclastic density current wird in der Vulkanologie bzw der Geologie als Oberbegriff zur Bezeichnung eines Gas Flussigkeits Partikel Gemisches verwendet das bei der explosiven Eruption eines Vulkans entstehen und durch seine Dichte am Boden fliessen kann Er beinhaltet das gesamte Spektrum von partikelarmen bis partikelreichen Gemischen heissen und relativ kuhlen z T auch wasserhaltigen Stromen die sich mit relativ geringen oder mit hohen Geschwindigkeiten turbulent oder uber Korn Korn Kontakt bewegen Der Begriff ist umfassender als der altere und bekanntere aber auch vieldeutige Begriff pyroklastischer Strom der nur einen Teil des Phanomens beschreibt und heute meist auch nur in einem stark eingeengten Sinn verwendet wird pyroklastischer Strom i e S Beide Begriffe beschreiben einen Transport und Ablagerungsprozess in der Vulkanologie nicht die Ablagerung selbst Pyroklastische Dichtestrome konnen betrachtliche Geschwindigkeiten bis uber 1000 km h erreichen und sehr heiss sein bis etwa 800 C Anmerkung 1 Die sog Glutwolken und Glutlawinen die in der Menschheitsgeschichte fur einige verheerende Katastrophen bei Vulkanausbruchen verantwortlich sind sind besondere Formen pyroklastischer Dichtestrome Pyroklastischer Dichtestrom am Vulkan Mayon Philippinen Inhaltsverzeichnis 1 Voraussetzungen 2 Geschichte 3 Definition 4 Unterteilung 5 Entstehung 6 Anderung wahrend des Transports 7 Ablagerungen aus pyroklastischen Dichtestromen 8 Gefahren durch pyroklastische Dichtestrome 9 Einige bemerkenswerte pyroklastische Dichtestrome der jungsten Vergangenheit 10 Quellen 10 1 Literatur 10 2 Einzelnachweise 11 AnmerkungVoraussetzungen BearbeitenPyroklastische Dichtestrome enthalten zu mehr als 75 Pyroklasten d h juveniles Material aus der Magma aber auch feines Gesteinsmaterial vulkanischen Ursprungs lithisches Material oder lithischer Tuff das beim Ausbruch pulverisiert wurde bzw beim Abbruch eines Lavadoms durch die innere Reibung in einem Dichtestrom entsteht Weitere pyroklastische Komponenten sind feine Kristalle Kristalltuff Bims und Glasfragmente vitrisches Material oder vitrischer Tuff Im Ubergangsbereich zu den Surges werden haufig noch die von phreatischen Explosionen erzeugten Dichtestrome mit einbezogen obwohl diese nach der Definition einer phreatischen Explosion nur zertrummertes Altgestein enthalten Reine phreatische Explosionen ohne Pyroklasten sind jedoch selten bzw werden in der Regel rasch von phreatomagmatischen Explosionen gefolgt die dann auch pyroklastisches Material enthalten Geschichte BearbeitenDie Begriffe fur diesen Transport und Ablagerungsprozess die Definitionen dieser Begriffe und die weitere Untergliederung differieren in der Literatur z T erheblich bisher gibt es kaum Konsens In der alteren Literatur wird fur diesen Transport und Ablagerungsprozess sehr haufig der Begriff pyroklastischer Strom verwendet Dieser wird dabei von manchen Autoren sehr eng gefasst entspricht hier dem pyroklastischen Strom s str andere Autoren haben ihn dagegen relativ weit ausgelegt entspricht dann fast dem Begriff pyroklastischer Dichtestrom Er schliesst jedoch in der weitesten Fassung nicht die nassen und niedrigtemperierten pyroklastischen Surges mit ein In jedem Fall beschreibt dieser Begriff nur Teilaspekte und nicht das gesamte Spektrum der pyroklastischen Dichtestrome Die Grunde fur die sehr unterschiedlichen Auffassungen liegen vor allem darin dass pyroklastische Dichtestrome noch relativ wenig untersucht sind Die Vorgange im Inneren eines Stroms zum Beispiel Dichte Temperatur Fliessregime entziehen sich einer direkten Beobachtung Die Fliessgeschwindigkeit kann zum Beispiel mit Hilfe von Fotoserien berechnet werden sofern Beobachter einer vulkanischen Eruption zur Stelle waren Das ist bei abgelegenen Vulkanen selten der Fall Definition BearbeitenBei der explosiven Eruption eines Vulkans konnen sich Gas Flussigkeit Festpartikel Gemische bilden die schwerer als Luft sind Sie fliessen daher meist am Boden entlang bis ihre kinetische Energie aufgebraucht ist und die Partikel sich sukzessive abgesetzt haben Die Geschwindigkeit der Strome der Wasserdampfgehalt die Korngrosse das Fliessregime die Dichte die chemische Zusammensetzung der Gase und die Temperatur spielen zunachst keine Rolle massgeblich ist das Gas Flussigkeits Festpartikel Gemisch wobei die Festpartikel zu mehr als 75 aus Pyroklasten bestehen In der englischsprachigen Literatur hat sich fur diesen Transport und Ablagerungsprozess der Uberbegriff pyroklastischer Dichtestrom engl pyroclastic density current eingeburgert der das gesamte Spektrum dieses Transport und Ablagerungsprozesses umfasst vgl zum Beispiel 1 Er schliesst explizit auch das verdunnte Ende d h ein Gas Flussigkeits Partikel Gemisch mit relativ geringer Partikeldichte und ev niedriger Temperatur aber haufig mit hoher Geschwindigkeit mit ein In diesem Bereich uberschneiden sich die Definitionen von pyroklastischem Dichtestrom und den Surges Auch am anderen dichten Ende der pyroklastischen Dichtestrome gibt es einen Ubergangsbereich zu den vulkanischen aber kalten Trummerlawinen engl debris avalanches Unterteilung BearbeitenPyroklastische Dichtestrome werden nach ihren Endgliedern relativ partikelreichen hoch konzentrierten Stromen und relativ partikelarmen niedrig konzentrierten Stromen in pyroklastische Strome i e S relativ partikelreich hoch konzentriert pyroklastische Surges relativ partikelarm niedrig konzentriert nass und trocken unterteilt Die Grenzen zwischen beiden Typen von Massentransporten sind allerdings nicht definiert Wahrend pyroklastische Surges in der Regel weniger als 1 festes Material enthalten kann es bei pyroklastischen Stromen einige Zehner festes Material sein Die Geschwindigkeit kann bei beiden Typen von Dichtestromen gleich sein zwischen einigen Zehnermeter pro Sekunde bis zu etwa 300 m s Pyroklastische Surges konnen aber zumindest theoretisch hohere Geschwindigkeiten erreichen als pyroklastische Strome i e S In der Literatur wird betont dass es kein Kontinuum zwischen den Endgliedern gibt dies wird auch als Argument fur die Ausscheidung der zwei Klassen vorgebracht Zwischen den hochkonzentrierten bzw dichten und den niedrigkonzentrierten verdunnten Dichtestromen bestehen neben der Dichte zwei weitere deutliche Unterschiede die Geschwindigkeit fluktuiert bei den niedrigkonzentrierten Stromen stark sie ist viel konstanter stetiger bei den hochkonzentrierten Stromen bei niedrigkonzentrierten Stromen ist die Turbulenz der Haupttransportmechanismus bei den hochkonzentrierten die Korn Korn Kollision Daher werden von den einen Autoren die genannten Unterschiede betont die anderen Autoren weisen darauf hin dass pyroklastische Strome in pyroklastische Surges ubergehen konnen und in Fliessablagerungen sehr haufig wechsellagern Entstehung BearbeitenPyroklastische Dichtestrome entstehen hauptsachlich an Vulkanen die saure kieselsaurehaltige und gasreiche Laven fordern Die saure Lava ist zahflussig und kann den Vulkanschlot verstopfen Dadurch kann sich der Druck im Inneren des Vulkans stark erhohen und es kann zu einer starken Explosion kommen Sie sind jedoch nicht auf die Vulkane mit saurer Lava beschrankt sondern treten auch bei Vulkanen die basisches Magma fordern auf Als eigentliche Ursachen fur pyroklastische Dichtestrome werden in der Literatur genannt Kollaps einer Eruptionswolke direkter Ausbruch aus dem Krater Abbruch eines Teils des Lavadoms Komponenten zerbrechen explosionsartig durch den Abbruch einer Trummerlawine an den Flanken eines Vulkans wird ein Magmareservoir frei gelegt seitliche Eruption bei verstopftem Schlot rasche Dekompression einer zunachst hochkomprimierten Mischung aus Gas und pyroklastischem Material Explosion an der Front eines Lavastroms Interaktion von aufsteigendem Magma mit hydrothermal veranderten Gesteinen 1 Interaktion eines pyroklastischen Stroms mit Wasser kann einen sekundaren Dichtestrom auslosen der eine vollig andere Richtung haben kann als der auslosende Strom 2 phreatomagmatische ExplosionenIn aller Regel entstehen durch diese Ereignisse zunachst pyroklastische Strome i e S die sich haufig rasch verandern Pyroklastische Surges entstehen vor allem durch seitliche detonationsahnliche Ausbruche und durch phreatomagmatische Explosionen Die pyroklastischen Surges konnen Geschwindigkeiten von uber 1000 km h erreichen Die beobachteten Dichtestrome am Mt St Helens zum Beispiel hatten zunachst Geschwindigkeiten von etwa 350 km h spater erhohten sie sich aber schnell auf etwa 1080 km h Zumindest theoretisch sind noch deutlich hohere Geschwindigkeiten moglich Anderung wahrend des Transports BearbeitenPyroklastische Dichtestrome verandern sich haufig wahrend des Transports oft schon kurz nach der Entstehung Sie konnen sich trennen in eine dichte Unterwolke pyroklastischer Strom s str und eine weniger dichte Oberwolke pyroklastische Surge Die Transportrichtung von beiden Stromen kann sich bei Hindernissen trennen Beim Ausbruch des Mont Pelee folgte der pyroklastische Strom s str einem Bachlauf wahrend die pyroklastische Surge das Tal verliess und die Stadt St Pierre verwustete Durch Aufnahme von Luft kann aus einem Dichtestrom eine sekundare Konvektionswolke aufsteigen sog Phoenix Wolke Diese Wolke kann durch den Wind verdriftet werden und wiederum pyroklastische Fall Ablagerungen meist nur Asche produzieren co ignimbrite ash fall deposits Pyroklastische Strome s str konnen sich auch submarin weiter bewegen da sich rings um den Strom ein Luftpolster bildet Allerdings ist auch daran zu denken dass zumindest im flachen Wasser das Wasser verdrangt wird Kleinere Gewasser wie Seen konnen nahezu komplett verdampfen und weitere Wasserdampfexplosionen auslosen wie beim Ausbruch des Mount St Helens 1980 Pyroklastische Surges bewegen sich bedingt durch ihre relativ geringe Dichte oft Zehnerkilometer an der Oberflache von Wasser Ablagerungen aus pyroklastischen Dichtestromen BearbeitenDie Ablagerungen aus pyroklastischen Dichtestromen werden ganz allgemein pyroklastische Fliessablagerungen genannt Sie konnen analog den pyroklastischen Fallablagerungen nach der Korngrosse und den Komponenten weiter unterteilt werden Allerdings kommt bei den pyroklastischen Fliessablagerungen der Faktor Temperatur hinzu Sie konnen sehr heiss sein z T konnen sich die Strome wahrend des Transport weiter aufheizen Reibung Verbrennung brennbarer Gase Die Klasten konnen bereits wahrend des Transports ganz oder teilweise schmelzen oder auch erst nach der Ablagerung schmelzen teilweise schmelzen oder plastisch werden Jeder Dichtestrom produziert eine Fliesseinheit flow unit bei Ausbruchen erfolgen meist mehrere Dichtestrome die mehrere Fliesseinheiten produzieren Da die Zeit zwischen den einzelnen Dichtestromen sehr unterschiedlich ist ist auch die Abkuhlung der einzelnen Strome sehr unterschiedlich Gefahren durch pyroklastische Dichtestrome BearbeitenEin pyroklastischer Dichtestrom zerstort nahezu alles was auf seinem Weg liegt Die transportierten Komponenten von Block bis Aschengrosse bewegen sich typischerweise mit Geschwindigkeiten uber 80 km h Sie werfen nieder zerschmettern begraben oder reissen nahezu alle Objekte mit sich die sich auf ihrem Weg talwarts befinden Die meist hohen Temperaturen zwischen etwa 200 C und 700 C im Strom entzunden alles brennbare Material Menschen und Tiere an den Randern der Dichtestrome konnen durch die heissen Gase ersticken oder schwer verbrannt werden Pyroklastische Dichtestrome folgen meist Talern oder uberfluten niedrig gelegene Gegenden die Fliessreichweite hangt naturlich vom Volumen und der Zusammensetzung bzw Dichte des Stromes ab Sie konnen Taler mit bis zu 200 m machtigen Ablagerungen zuschutten oder aber niedrig gelegene Gegenden grossflachig mit gering machtigen Ablagerungen im Meterbereich bedecken Dabei konnen grosse Flachen Agrarland zerstort werden Sind die Ablagerungen kuhler als etwa 500 C und verschmelzen daher nicht konnen diese Lockerablagerungen bei Starkregen zu Laharen fuhren Sie konnen zum Beispiel Flusse blockieren und zur Aufstauung eines Sees hinter dem Damm fuhren Bricht dieser Damm kann ein Lahar i w S ausgelost werden Heisse pyroklastische Strome konnen auch direkt Lahare auslosen bzw in Lahare transformieren Dies geschieht durch das Schmelzen von Eis und Schnee auf den Flanken eines Vulkans und anschliessender Durchmischung und Erosion weiterer vulkanischer Lockermassen zum Beispiel 1985 am Nevado del Ruiz Kolumbien Einige bemerkenswerte pyroklastische Dichtestrome der jungsten Vergangenheit BearbeitenVor 6350 Jahren entstand beim Ausbruch des Vulkans Kikai in Japan ein pyroklastischer Dichtestrom dessen Oberwolke eine Meeresflache von 40 km uberquerte und anschliessend noch 60 km auf einer benachbarten Insel weiter floss Bei der Eruption eines Vulkans im Long Valley im US Bundesstaat Kalifornien vor 760000 Jahren entstand ein pyroklastischer Dichtestrom der einen 1000 m hohen Gebirgszug der Sierra Nevada uberquerte Quellen BearbeitenLiteratur Bearbeiten Alain Burgisser George W Bargantz Reconciling Pyroclastic Flow and Surge the Multiphase Physics of Pyroclastic Density Currents In Earth and Planetary Science Letters 202 2 2002 S 405 418 doi 10 1016 S0012 821X 02 00789 6 Haraldur Sigurdsson Hrsg Encyclopedia of Volcanoes Academic Press San Diego CA u a 2000 ISBN 0 12 643140 X Elisabeth A Parfitt Lionel Wilson Fundamentals of Physical Volcanology Blackwell Publishing Malden MA u a 2008 ISBN 978 0 632 05443 5 Hans Pichler Thomas Pichler Vulkangebiete der Erde Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2007 ISBN 978 3 8274 1475 5 Gerd Simper Vulkanismus verstehen und erleben Feuerland Verlag Stuttgart 2005 ISBN 3 00 015117 6 Einzelnachweise Bearbeiten a b B Behncke S Calvari S Giammanco M Neri H Pinkerton Pyroclastic density currents resulting from the interaction of basaltic magma with hydrothermally altered rock an example from the 2006 summit eruptions of Mount Etna Italy In Bulletin of Volcanology 70 S 1249 1268 Berlin Heidelberg 2008 doi 10 1007 s00445 008 0200 7 M Edmonds R A Herd Inland directed base surge generated by the explosive interaction of pyroclastic flows and seawater at Soufriere Hills volcano Montserrat In Geology 33 S 245 248 Boulder Col doi 10 1130 G21166 1 Anmerkung Bearbeiten Die in der Literatur angegebenen Temperaturen von uber 1000 C scheinen zu hoch gegriffen zu sein Sehr haufig wird dabei das Beispiel Mt Pelee angefuhrt Doch damals stand die Untersuchung der Dichtestrome ganz am Anfang und eine genaue Temperaturbestimmung war und ist auch heute noch nicht moglich Heute werden Temperaturen bis etwa 800 C genannt zum Beispiel Pichler und Pichler 2007 Dies schliesst aber nicht aus dass hohere Temperaturen theoretisch moglich sind Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pyroklastischer Dichtestrom amp oldid 201989701