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In der Kolner Narrenrevolte des Jahres 1935 widersetzte sich der organisierte Kolner Karneval der Gleichschaltung der Karnevalsfeierlichkeiten die durch die Angliederung an die NS Organisation Kraft durch Freude KdF geplant war Entgegen fruhen Darstellungen wird die Narrenrevolte heute kaum noch als Akt des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus sondern lediglich als Verteidigung der traditionellen den Karnevalsvereinen zugeordneten Organisationsform des Karnevalsfestes gewertet Inhaltsverzeichnis 1 Ablauf 2 Hintergrund 3 Interpretationen 4 Quellen 5 EinzelnachweiseAblauf BearbeitenAm 22 Mai 1935 proklamierte der NS Beigeordnete Wilhelm Ebel in den Kolner Tageszeitungen die Grundung des Vereins Kolner Karneval e V Dieser bestand aus Vertretern der Stadtverwaltung der NSDAP der Polizei und der KdF Ziel war das Aufraumen mit Missstanden im Kolner Karneval auch hinsichtlich der schwierigen wirtschaftlichen Situation der Festorganisierer denen Ebel zudem Eigennutz und Unfahigkeit vorwarf nbsp Thomas Liessem mit Begleitung vor dem Triumphbogen in Paris am 8 Januar 1941Der amtierende Prasident der Prinzengarde Thomas Liessem selbst seit 1932 Mitglied der NSDAP 1 konzipierte sofort eine Gegenschrift die von allen grossen Karnevalsgesellschaften unterstutzt und gemeinsam veroffentlicht wurde Sie forderten die Rucknahme der Verleumdungen Ebels und drohten andernfalls damit ihre Aktivitaten fur das Karnevalsfest vollstandig einzustellen Auch die Kolner Presse mit Ausnahme des NS Organs Westdeutscher Beobachter unterstutzte diese Forderungen Als es am 27 Mai 1935 zu einer grossen gemeinsamen Versammlung aller Karnevalsgesellschaften und vieler Kolner Burger in Anwesenheit der Polizei und von Parteivertretern kam wurde noch vor der Eroffnung durch Liessem bekannt dass Gauleiter Josef Grohe sich von Ebels Plan distanziert und ihn aufgefordert hatte den vorgesehenen Verein aufzulosen und alle karnevalistischen Angelegenheiten in den Handen der Karnevalsgesellschaften zu belassen Die Karnevalisten grundeten daraufhin ihrerseits einen Festausschuss Kolner Karneval unter dem Vorsitz von Liessem Nach diesem als Narrenrevolte bezeichneten Geschehen kam es im Kolner Karneval formal zu keinen weiteren Gleichschaltungs und Ubernahmeversuchen durch die KdF Organisation Hintergrund BearbeitenDie NSDAP plante bereits fruh die organisatorische politische wirtschaftliche und weltanschauliche Einordnung des rheinischen Karnevals in ihre totalitare Idee Im November 1933 wies sie an den Karneval als deutsches Volksgut im Zusammenhang mit der damonischen Vasenacht herauszustellen die kirchlichen Beziehungen zum Fest dagegen zu leugnen Politische Witze und Kritik wurden den Karnevalisten verboten Der Kolner Rosenmontagszug wurde bereits nicht mehr von den Karnevalsgesellschaften sondern vom Burgerausschuss fur den Kolner Karneval unter dem Vorsitz des Beigeordneten Ebel zentral organisiert Zwei SA Manner waren fur seine Leitung verantwortlich Die den Karneval politisch und historisch vereinnahmenden Massnahmen der NSDAP wurden von den Vertretern vieler grosser Karnevalsvereine zunachst positiv aufgenommen Schon vor Hitlers Machtergreifung war die negative Einstellung vieler Menschen zum Mehrparteiensystem der Weimarer Republik zum Friedensvertrag von Versailles oder die Skepsis gegenuber den Friedensabsichten des Volkerbundes vom Karneval aufgegriffen worden 2 Auch Reformansatze die den Karneval wieder zu einer Volkstumlichkeit zuruckfuhren wollten gab es vor 1933 bereits Der erste antisemitische Karnevalswagen fuhr im Jahre 1934 im Rosenmontagszug mit Aus einem Veedelszoch ubernommen stellte er eine Gruppe orthodoxer Juden dar die unter der Uberschrift Die letzten ziehen ab nur ein kleines Ausflugche nach Liechtenstein und Jaffa machten eine eindeutige Anspielung auf Vertreibung und freiwillige Auswanderung der judischen Bevolkerung Regelmassige antisemitische Darstellungen folgten in den nachsten Jahren ohne dass sich fuhrende Karnevalisten davon distanzierten Auch die Anpassung des Kolner Karnevals an homophobe Elemente ihrer Ideologie gelang den Nationalsozialisten ohne grosse Muhe Die traditionell von Mannern dargestellten Tanzmariechen sowie die ebenfalls mannliche Kolner Jungfrau wurden 1938 und 1939 durch Darstellerinnen ersetzt Nach dem Krieg wurde dies nur bei der Jungfrau revidiert die weiblichen Tanzmariechen blieben Nachdem die Ubernahme des Karnevals durch die KdF formal gescheitert war arrangierten sich die Mitglieder des Festausschusses im Detail mit der Organisation Kraft durch Freude spendete fur den Rosenmontagszug organisierte den Tribunenbau und weite Teile der touristischen Vermarktung des Rosenmontagszuges Mitglieder des Festausschusses moderierten KdF Karnevalssitzungen und verliehen Karnevalsorden an lokale NS Grossen Inhaltlichen karnevalistischen Widerstand gegen die NS Ideologie gab es in Einzelfallen Der Buttenredner Karl Kupper als D r Verdotschte Kolsch fur Der Verruckte im Sitzungskarneval unterwegs positionierte sich offen gegen die Nationalsozialisten und machte sich trotz Bedrohung und Redeverbots auf der Buhne uber sie lustig Auch eine subversiv publizierte Satire auf die offizielle Kolner Rosenmontagszeitung ubte im Jahre 1938 beissende Kritik am NS System Sie stellte Joseph Goebbels auf dem Titelblatt als Seine Tollitat Juppche I dar Interpretationen BearbeitenIn der Nachkriegszeit wurde das Verhalten des Festausschusses unter seinem Prasidenten Thomas Liessem als geschicktes Taktieren und standhaftes Auftreten gegenuber dem Druck der NSDAP den Kolner Karneval zu vereinnahmen interpretiert 3 Erste Versuche die Legende von der Narrenrevolte kritisch aufzuarbeiten scheiterten am Widerstand in der Kolner Politik und im Festkomitee Kolner Karneval In der zweiten Halfte des 20 Jahrhunderts wurde der Widerstand des Kolner Karnevals gegen den Nationalsozialismus geschichtswissenschaftlich relativiert und auch vom Festkomitee Kolner Karneval etwa im Kolner Karnevalsmuseum realistisch dargestellt Quellen BearbeitenHildegard Brog Was auch passiert D r Zoch kutt Die Geschichte des rheinischen Karnevals Campus Verlag Frankfurt 2000 ISBN 3 593 36387 9 S 219 247 ZEITGESCHICHTE Heil Hitler und Alaaf In Der Spiegel Nr 9 1998 online 23 Februar 1998 Jurgen Meyer De Nazis nit op d r Schlips getrodde In Die Tageszeitung 7 Februar 2005 online abgerufen am 13 April 2008 Jurgen Meyer Organisierter Karneval und Narrenrevolte im Nationalsozialismus In Geschichte in Koln GiK Nr 42 Koln 1997 S 69 86 Einzelnachweise Bearbeiten WDR Dokumentation Heil Hitler und alaaf Karneval in der NS Zeit 20 15 Uhr am 16 Januar 2008 Michael Euler Schmidt Marcus Leitfeld Der Kolner Rosenmontagszug 1823 1948 Hrsg Festkomitee des Kolner Karnevals von 1823 e V 1 Auflage Bachem Verlag Koln 2007 ISBN 978 3 7616 2062 5 S 174 178 Etwa vom Karnevalshistoriker Joseph Klersch zitiert in Hildegard Brog S 219 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Narrenrevolte amp oldid 225685550