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Das Naherrecht Einstandsrecht Losungsrecht Losungsrecht 1 Retraktrecht oder Zugrecht war eine Art Vorkaufsrecht Es war das Recht des besser Berechtigten Verwandten Dorfgenossen Burgers usw eine verausserte Sache innerhalb einer bestimmten Frist gegen Erstattung des Kaufpreises und der aufgelaufenen Kosten an den Minderberechtigten Auswartigen usw an sich zu ziehen 2 Sein Gebrauch kann im suddeutsch osterreichisch schweizerischen Raum fur das 15 19 Jahrhundert nachgewiesen werden Sind die Begunstigten aus einer vorher bestimmten Familie dann wird das Recht auch als Familieneinstandsrecht bezeichnet Inhaltsverzeichnis 1 Terminologie 2 Zweck 3 Objekte 4 Loser 5 Losungsvertrag 6 Fristen 7 Geschichte 7 1 Schweiz 7 2 Osterreich 8 Literatur 9 EinzelnachweiseTerminologie BearbeitenFur das Naherrecht waren verschiedene Begriffe ublich Haufig sind die Bezeichnungen Einstandsrecht und Anstandsrecht oder Anfallrecht 3 in der Schweiz Zugrecht oder Zug 4 Im Deutschen Rechtsworterbuch erscheint das Naherrecht unter anderem auch unter Beispruch Losung Losung und Retrakt 5 In allen Fallen ist der gleiche Vorgang gemeint Wenn ein Objekt den Besitzer wechselte dann durfte ein Dritter naher Berechtiger anschliessend in den Handel Kauf oder Tausch 6 einstehen und das Gut gegen Erstattung des Kaufpreises an sich losen Er wird deshalb haufig als Loser oder Einstander bezeichnet In der Schweiz ist das ubliche Verb fur den Vorgang ziehen da ein Grundstuck von jemandem an sich gezogen wird die Person die das Zugrecht wahrnimmt ist der Zuger 7 Zweck BearbeitenDas Naherrecht bezweckte die Familien und Genossenschaftsvermogen zusammenzuhalten Fremde vom Gutererwerb auszuschliessen und bestehende Herrschaftsverhaltnisse zu bekraftigen 2 Aus solchen Familienverbanden gingen spater grossere Ortsgemeinschaften hervor Auch ihr gemeinsamer Besitz Allmenden und Alpen durfte keinen Substanzverlust erleiden Deshalb stand das Naherrecht nicht nur den Blutsverwandten sondern auch jedem anderen Pfarrs und Gemeindsmann 8 zu Es wurde beispielsweise in Pfronten als ein Teil der Pfarrsgerechtigkeit 9 angesehen 10 Objekte BearbeitenDas Naherrecht konnte im Hochstiftischen Amtmannamt Pfronten nur ausgeubt werden beim Verkauf von Grundstucken und Hausern 11 In anderen schwabischen Territorien wurde es auch bei beweglichen Gegenstanden angewandt Namentlich erwahnt werden im Furststift Kempten Brenn und Bauholz Pferde und Hornvieh Fruchte Garn und Dung 12 Loser BearbeitenNach einer Furstlich Kemptischen Verordnung vom 17 September 1792 stand das Naherrecht zu zunachst den Blutsverwandten bis zum 4 Grad wobei Manner den Vorzug hatten 13 und danach einer Gemeinde bzw Mitgliedern der Gemeinde als Gemeinhaber die in Gesellschaft und Gemeinschaft mit einander gestanden sind 14 Erst nach diesem Personenkreis hatten auch Auswartige das Recht zur Losung 15 Jedoch waren bei Grundstucken die Anlieger oder bei Hausern die Inhaber von Miteigentumsrechten bevorzugt 16 In der Herrschaft Trauchburg dagegen stand das Losungsrecht keinem Fremden zu 17 In den Statuten einiger schwabischer Gebiete z B in Wangen war auch festgelegt dass der Gult oder Zinsherr ein Gut ablosen durfte 18 Laut Vertrag von 1389 hatte der Abt von St Ulrich in Augsburg schon damals beim Verkauf dortiger Zinslehen das Einstandsrecht 19 Wenn in Lindau gleich zwei Gleichberechtigte ihr Naherrecht geltend machen wollten galt die Vorschrift dass derjenige zum Zuge kam der sich zuerst meldete Stellten beide ihre Forderung gleichzeitig dann musste das Los entscheiden 20 Losungsvertrag BearbeitenEine Ablosung konnte nur in der Form eines rechtlich bindenden Protokolls stattfinden Dabei mussten einem Loser alle ursprunglichen Kaufbedingungen mitgeteilt werden die er sodann dem Kaufer gegenuber zu erfullen hatte Dazu gehorten auch die Erstattung der Kosten fur den sogenannten Leykauf dessen Bezahlung einen Kauf erst rechtsgultig machte 21 Er wurde von beiden Vertragspartnern verzehrt und musste in der Regel vom Kaufer beglichen werden Auch Verbesserungen die ein Kaufer an einem Kaufobjekt vorgenommen hatte Kultivierung von Feldern Reparaturen an Behausungen mussten ihm vergutet werden Ein Loser dagegen war auf Verlangen des Kaufers zu einer eidlichen Versicherung verpflichtet dass er das Losungsrecht nicht fur andere ausube und dass er das eingeloste Gut nicht vor Ablauf einer bestimmten Frist Kempten ein bis zwei Jahre weitergeben werde Um eine Losung zu erschweren wurde bisweilen der Kaufpreis hoher angegeben als tatsachlich fur das Gut zu zahlen war 22 In diesem Fall war schon der Kauf ungultig und eine Losung konnte deshalb nicht stattfinden Fristen BearbeitenDie Frist innerhalb derer das Naherrecht ausgeubt werden konnte war unterschiedlich Verbreitet galt in der Regel der Zeitraum von vier Wochen 23 bisweilen auch vier Wochen und drei Tage 24 Im Amtmannamt Pfronten wurde aber zwischen Behausungen und Grundstucken unterschieden Erstere mussten in der Vier Wochen Frist abgelost werden wahrend das Recht bei letzteren noch nach einem Jahr und einem Tag geltend gemacht werden konnte 25 Fur Kaufer die von auswarts kamen und hier kein Heimatrecht besassen konnte die Frist sogar auf bis auf 15 Jahre verlangert werden In der Herrschaft Rottenbuch war hier die Jahresfrist ublich 26 Viel weniger Zeit hatte ein Loser dagegen in der Herrschaft Trauchburg Die Vier Wochen Frist galt schon bei Grundstucken wahrend Hauser mit Garten bereits innerhalb 15 Tagen abgelost werden mussten Hauser allein schon innerhalb von drei Tagen In der Schweiz dauerte die Frist zwischen vier Wochen und anderthalb Jahren teilweise je nach Nahe der Berechtigten 4 Bei beweglichen Kaufobjekten dagegen war eine Ablosung immer nur sehr kurzfristig moglich In Rottenbuch musste sie binnen 24 Stunden geschehen und das Lindauer Recht schrieb dafur den Zeitraum vor in dem die Ware noch nicht weggebracht war 27 Geschichte BearbeitenDas Naherrecht trat an die Stelle des alteren Beispruchsrechts und erhielt ab dem 16 Jahrhundert in den zahllosen Stadt und Landrechten eine uberdurchschnittlich detailreiche Ordnung Im Laufe der Rechtsneuordnung der napoleonischen Zeit wurde es flachendeckend aufgehoben und nach 1815 nur in einzelnen Territorien in mehr oder weniger stark eingeschrankter Form wieder eingefuhrt Schweiz Bearbeiten In der Schweiz wurde das Naherrecht durch die sich modernisierende Gesetzgebung beziehungsweise den Erlass kodifizierter kantonaler Zivilgesetzbucher im Laufe des 19 Jahrhunderts endgultig aufgehoben 28 Osterreich Bearbeiten Das Familieneinstandsrecht als eigenes Rechtsinstitut wurde mit dem Inkrafttreten des Allgemeinen burgerlichen Gesetzbuches ABGB 1812 abgeschafft Die vor dem Inkrafttreten des Allgemeinen Burgerlichen Gesetzbuches in Osterreich verwendete Familieneinstandsrechte sind grundsatzlich mit dem Tod des letzten Berechtigten erloschen 445 1079 ABGB 29 30 Solche Vorstellungen sind jedoch recht langlebig Der Oberste Gerichtshof musste noch 2021 ausfuhren dass ein solches Familieneinstandsrecht nach welcher Angehorigen Anverwandten einer bestimmten Familie oder auch noch zu bestimmende Personen eine Liegenschaft an sich losen konnen wenn diese an Dritte ubertragen werden soll wegen des Verstoss gegen 1074 ABGB zum Vorkaufsrecht wirkungslos ist 31 Schon zuvor war in 337 der Allgemeinen Gerichtsordnung 1781 festgelegt dass bei einer Versteigerung weder einem Blutsverwandten noch dem Glaubiger des Schuldners vor einem fremden Kaufer ein Vorzug gebuhrt oder dass der Kaufer nach der Versteigerung sein Eigentum an andere abzugeben hatte 32 Literatur BearbeitenEugen Huber System und Geschichte des schweizerischen Privatrechtes Band 3 Reich Basel 1889 S 265 271 Band 4 Reich Basel 1893 S 717 728 Bertold Polcher Das Losungsrecht in Pfronten In Rund um den Falkenstein Band 4 Heft 10 2012 S 337 Georg Michael von Weber Darstellung der sammtlichen Provinzial und Statutar Rechte des Konigreiches Bayern Band 4 1840 Teil Schwaben und Neuburg 2 Bande Naherrecht In Heidelberger Akademie der Wissenschaften Hrsg Deutsches Rechtsworterbuch Band 9 Heft 9 10 bearbeitet von Heino Speer u a Hermann Bohlaus Nachfolger Weimar 1996 ISBN 3 7400 0983 7 Sp 1338 1339 adw uni heidelberg de Naherrecht In Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Band III Berlin 1984 Sp 827 831 Einstandsrecht In Schwabisches Worterbuch Band II Tubingen 1904 Sp 651 Zugrecht In Schweizerisches Idiotikon Band VI Frauenfeld 1909 Sp 307 f Digitalisat Zug In Band XVII Basel 2015 ff Sp 485 487 Bed 10b Digitalisat Zuger In Band XVII Basel 2015 ff Sp 609 f Bed 4a Digitalisat ziehen In Band XVII Basel 2015 ff Sp 877 946 Bed E2 Digitalisat ausstehend Einzelnachweise Bearbeiten Tiroler Landesordnung von 1573 Buch V Titel 3 a b Naherrecht In Handworterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Band III Sp 827 Reinhard Riepl Worterbuch zur Familien und Heimatforschung in Bayern und Osterreich 3 Auflage 2009 ISBN 978 3 00 028274 4 S 116 a b Zugrecht In Schweizerisches Idiotikon Band VI Sp 307 f Digitalisat Zug In Band XVII Sp 485 Bed 10b Digitalisat beide abgerufen am 7 August 2019 Naherrecht In Heidelberger Akademie der Wissenschaften Hrsg Deutsches Rechtsworterbuch Band 9 Heft 9 10 bearbeitet von Heino Speer u a Hermann Bohlaus Nachfolger Weimar 1996 ISBN 3 7400 0983 7 Sp 1338 1339 adw uni heidelberg de Weber Kempten S 122 Zuger ziehen In Schweizerisches Idiotikon Band XVII Spalte 609 f Digitalisat sowie Spalte 229 931 Digitalisat ausstehend Briefprotokolle 1778 625 1 Privilegien der Pfarrgenossen Rechtler Briefprotokolle 1730 121 2 StAA Augsburger Pflegamter Nr 249 259 Briefprotokolle des Amtmannamtes Pfronten 1724 1792 Briefprotokolle Weber Kempten S 129 Weber Wangen S 849 Weber Kempten S 124 Weber Roggenburg S 1408 Weber Lindau S 754 Weber Trauchburg S 892 Weber Wangen S 849 Hermann Fischer Schwabisches Worterbuch Band II Spalte 651 Weber Lindau S 750 Riepl S 253 z B Briefprotokolle 1786 037 1 Weber Mindelheim S 872 Weber Dirlewang S 877 Briefprotokolle 1785 742 1 Weber Rottenbuch S 885 Weber Lindau S 757 Eugen Huber System und Geschichte des schweizerischen Privatrechtes Band 4 Reich Basel 1893 S 717 728 1 Abs 2 Gesetz vom 28 Marz 1875 RGBl Nr 37 Gesetz uber die Beseitigung des Familieneinstandsrechtes Siehe auch Erlauterungen in Gerichts Zeitung Band 26 Ausgabe vom 2 Februar 1875 Manz Verlag 1875 S 37 Moriz von Stubenrauch Commentar zum osterreichischen allgemeinen burgerlichen Gesetzbuche Band 2 S 303 google books 8 Ob 57 21x vom 25 Juni 2021 Siehe auch Patent vom 22 Juli 1784 Nr 318 JGG Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Naherrecht amp oldid 238915286