www.wikidata.de-de.nina.az
Die Mutzenbacher Entscheidung ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1990 in der das Gericht seine Auslegung der Kunstfreiheitsgarantie des Grundgesetzes des Artikel 5 Abs 3 Grundgesetz GG verstetigte und feststellte dass auch Pornografie Kunst sein konne Beschluss des Ersten Senats vom 27 November 1990 Az 1 BvR 402 87 veroffentlicht in der amtlichen Sammlung BVerfGE 83 130 Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 3 Spatere Reaktion der Bundesprufstelle fur jugendgefahrdende Medien 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenJosefine Mutzenbacher oder Die Geschichte einer Wienerischen Dirne von ihr selbst erzahlt ist ein 1906 im Privatdruck in Wien erschienener Roman der in den 1960er Jahren von der Bundesprufstelle fur jugendgefahrdende Schriften in den Ausgaben zweier kleiner Verlage in die Liste der jugendgefahrdenden Schriften aufgenommen worden war nachdem zwei Strafgerichte ihn wegen seines pornografischen Inhalts fur unzuchtig erklart hatten Ende 1978 nahm der Rowohlt Verlag das Werk in sein Programm auf fugte dem Roman ein Vorwort und im Abspann ein Glossar zur wienerischen Dirnensprache hinzu und beantragte weil er das Buch ungehindert vertreiben wollte im Januar 1979 bei der Bundesprufstelle die Streichung der indizierten Fassungen aus der Liste der jugendgefahrdenden Schriften mit der Begrundung der Roman sei nach heutiger Auffassung ein Kunstwerk Nachdem zwei von der Bundesprufstelle eingeholte Kunstgutachten zu dem Ergebnis kamen dass es sich nicht um Kunst handele lehnte das 12er Gremium der Bundesprufstelle den Antrag auf Listenstreichung ab und nahm die Ausgabe des Rowohlt Verlags wegen der wesentlichen Inhaltsgleichheit mit den bereits indizierten Ausgaben ebenfalls in die Liste auf In der Begrundung hiess es der Roman sei schwer jugendgefahrdend weil er unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezuge die sexuellen Vorgange um die Titelheldin in grob aufdringlicher Weise in den Vordergrund stelle Kinderprostitution und Promiskuitat wurden positiv beurteilt und daruber hinaus sogar verharmlost und verherrlicht Der Roman sei nichts weiter als eine pornographische Stellensammlung und Strichliste uber die sexuellen Aktivitaten der Titelheldin Probleme von Pornografie und Inzest wurden nicht kunstlerisch verarbeitet sondern allein zur Verscharfung des Reizes eingesetzt Gegen diese Entscheidung klagte der Rowohlt Verlag und unterlag in allen verwaltungsgerichtlichen Instanzen Daraufhin erhob er Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung seiner Kunstfreiheit Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BearbeitenDas Bundesverfassungsgericht knupfte zunachst an seine bisherige Rechtsprechung zum Kunstbegriff Vorlaufer waren Mephisto Entscheidung und Anachronistischer Zug an Kunst sei Ergebnis freier schopferischer Gestaltung in der Eindrucke Erfahrungen und Phantasien des Kunstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden Diese Merkmale weise auch der verfahrensgegenstandliche Roman auf Dass der Roman zugleich Pornografie sei schliesse seine Kunsteigenschaft nicht aus Die Anerkennung als Kunst durfe nicht von einer staatlichen Stil Niveau und Inhaltskontrolle abhangig gemacht werden Zwar sei die Kunstfreiheit in Art 5 Abs 3 GG vorbehaltslos gewahrleistet doch sind ihr durch die Grundrechte anderer sowie durch mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsguter Grenzen gezogen Eine Indizierung aus Grunden des Jugendschutzes sei deshalb nicht grundsatzlich ausgeschlossen Nach wiederholter Rechtsprechung des BVerfG sei der Schutz der Jugend vor Gefahrdungen nach einer vom Grundgesetz selbst getroffenen Wertung ein Ziel von bedeutsamem Rang und ein wichtiges Gemeinschaftsanliegen Die Schranken der Kunstfreiheit konnen sich einmal aus Art 2 Abs 1 GG ergeben dem gesicherten Recht von Kindern und Jugendlichen auf eine ungestorte von Jugendgefahrdungen unbeeintrachtigte Entwicklung ihrer Personlichkeit Aber auch das Recht der Eltern gemass Art 6 Abs 1 GG ihre Kinder in ihrem Sinn erziehen und von schadlichen Einflussen bewahren zu durfen kommt als Schranke der Kunstfreiheit in Betracht Das Bundesverfassungsgericht hob somit die Entscheidung der Bundesprufstelle auf und stellte der Behorde anheim unter Beachtung seiner Rechtsprechung erneut uber eine Listenaufnahme zu befinden Spatere Reaktion der Bundesprufstelle fur jugendgefahrdende Medien BearbeitenAufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts setzte die Bundesprufstelle den Roman 1992 nochmals auf den Index diesmal mit der Begrundung es handele sich um besonders gefahrliche Kinderpornografie 1 2 Mit Entscheidung vom 9 November 2017 strich die Bundesprufstelle den Roman von der Liste jugendgefahrdender Medien 3 Weblinks BearbeitenMutzenbacher Entscheidung im WortlautEinzelnachweise Bearbeiten Johann Holzner Literatur als Skandal Falle Funktionen Folgen Vandenhoeck amp Ruprecht 2007 S 141 Peter Brockmeier Gerhard R Kaiser Zensur und Selbstzensur in der Literatur Konigshausen amp Neumann 1996 S 305ff Freiheit fur Josefine Mutzenbacher In PORNOANWALT pornoanwalt de abgerufen am 6 Dezember 2017 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mutzenbacher Entscheidung amp oldid 226390101