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Charlotte Lotte Hedwig Hahm 23 Mai 1890 in Dresden 17 August 1967 in West Berlin war eine deutsche prominente Aktivistin der Lesbenbewegung in Berlin zur Zeit der Weimarer Republik des Nationalsozialismus und nach 1949 in der Bundesrepublik Hahm setzte sich fur die Organisierung lesbischer Frauen und die Verbesserung ihrer sozialen Lage ein Besonders bekannt war sie fur ihre veranstalterische Tatigkeit Gemeinsam mit Kathe Reinhardt betrieb sie in den 1920er Jahren die grossten lesbischen Klubs der Zeit mit bis zu 2000 Mitgliedern und 500 Teilnehmerinnen sowie verschiedene Lokale Daneben verfasste sie Artikel veranstaltete Vortrage Lesungen und Ausfluge und unterstutzte die Grundung lesbischer Netzwerke in anderen Stadten Sowohl im Nationalsozialismus wie in der jungen Bundesrepublik Deutschland blieb sie bestandig als Veranstalterin und Aktivistin aktiv Inhaltsverzeichnis 1 Kindheit und Jugend 2 Weimarer Republik 3 Nationalsozialismus 4 Nachkriegszeit 5 Rezeption 6 Ehrungen 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseKindheit und Jugend BearbeitenHahm wurde am 23 Mai 1890 in Dresden als Kind von Alwine Wagner und dem Kaufmann Carl Hahm geboren Sie hatte drei Geschwister ihre jungste Schwester die 1897 als Agnes Hahm geboren wurde wurde 1916 gerichtlich als nicht weiblichen sondern mannlichen Geschlechts beurkundet und trug seither den Namen Joachim Karl Hahm Genauere Informationen zu den Hintergrunden dieser Entscheidung liegen nicht vor Nach einer Ausbildung im Buro machte sich Lotte Hahm dann um 1920 als Inhaberin einer Versandbuchhandlung selbststandig 1 Weimarer Republik BearbeitenIn der ersten Halfte der 1920er Jahre kam Hahm nach Berlin wo sie ab 1926 als lesbische Aktivistin in Erscheinung trat Von besonderer Bedeutung fur die lesbische Szene der Stadt war ihre Grundung des Damenklubs Violetta der mit bis zu rund 400 Teilnehmerinnen einer der grossten lesbischen Klubs der Stadt war 2 Der Klub war assoziiert mit dem Deutschen Freundschaftsverband einer der grossen Homosexuellenorganisationen der Zeit 3 Der Klub war von ihr nicht als reine Vergnugung intendiert sondern als Grundlage fur eine aktivistische Tatigkeit Auf Basis der Mitgliederkartei grundete sie einen Korrespondenz Zirkel der sich bald deutschlandweit erstreckte und reiste umher um Neugrundungen durch Direktiven fur die Organisation und den Ausbau unserer Frauenbewegung zu unterstutzen und damit ein Fundament fur eine deutschlandweite Organisation zu legen Dazu schrieb sie Nicht nur Tanz und gesellige Veranstaltungen konnen euch Gleichberechtigung bringen sondern auch Kampf ist notig wenn ihr Ansehen und Achtung haben wollt Kampfeslust muss eure Herzen erfullen und aus euren Augen leuchten Darum organisiert euch im Bund fur ideale Frauenfreundschaft 4 Im Jahr 1929 vereinigte Hahm den Klub Violetta mit Kathe Reinhardts Klub Monbijou im Zuge dessen wechselten Hahm und Reinhardt zur grosseren Konkurrenzorganisation dem Bund fur Menschenrecht Der Zusammenschluss der beiden grossen Klubs und der Wechsel erregten grosses Aufsehen in der lesbischen Szene der Zeit in der Frauenliebe und dem DFV war von Verrat und Intrige die Rede Zur Begrundung schrieb Hahm dass es als grotesk empfunden worden ware dass ein heterosexueller Mann ausgerechnet der Fuhrer der homosexuellen Frauen sein sollte und zum anderen von finanziellen Unregelmassigkeiten bei Bergmann Sie resumierte dass es endlich an der Zeit sei dass Karl Bergmann der den Damenklub Monbijou nur zur Ausnutzung fur seine personlichen Zwecke gegrundet hat verschwindet 3 Erhaltene Werbefotos von Hahm zeigen sie als Tragerin von Mannerkleidung in lassiger Position 5 Es wird vermutet dass sie Inhaberin eines sogenannten Transvestitenscheins war trotzdem wird eine Identitat Lotte Hahms als Frau angenommen 5 Daneben war Hahm an der Organisation lesbischer Gruppen beteiligt so war sie seit 1928 Leiterin der Damengruppe des Bundes fur Menschenrecht und rief 1930 erfolglos zur Grundung eines deutschlandweiten Bundes fur ideale Frauenfreundschaft auf 6 Zwischen 1926 und 1929 lernte Hahm die zehn Jahre jungere Kathe Fleischmann kennen ihre langjahrige Lebenspartnerin Die Gastronomin und Lokalinhaberin verheiratet und Mutter zweier Sohne liess sich 1929 scheiden und unterstutzte Hahm dabei die beiden lesbischen Lokale Monokel Diele und Manuela Bar zu eroffnen und zu betreiben 5 Nationalsozialismus BearbeitenAls Judin erfuhr Fleischmann bereits ab Herbst 1932 wiederholt Storungen ihrer Lokale durch die SA die im Rahmen antisemitischer Entrechtung durch den Staat in letzter Konsequenz dazu fuhrten dass Fleischmann ihre Lokale zu einem Schleuderpreis abgeben musste 1933 wurden dann alle lesbischen Lokale durch die Nationalsozialisten geschlossen Zeitschriften verboten offene Veranstaltungen wie bisher waren nicht mehr moglich sodass auch Hahm nicht mehr arbeiten konnte 5 Trotz der damit verbundenen Risiken bemuhte Hahm sich nun gemeinsam mit Fleischmann weiter Orte lesbischer Subkultur anzubieten Den Damenklub Violetta tauften sie verschleiernd in Sportclub Sonne um dessen Veranstaltungen bis zum Dezember 1934 im Logenhaus in der Joachimsthaler Strasse 13 und nach dessen Verkauf an die Judische Gemeinde 1935 heute ist dort die Zentrale Orthodoxe Synagoge Berlin in der Berliner Strasse 53 stattfanden Nach einer Denunziation 5 beobachteten am 17 Juli 1935 Beamte der Polizei und der Reichsmusikkammer dort rund 65 Frauen bei der nachfolgenden Razzia am 24 Juli wurden 54 Frauen namentlich erfasst weitere Veranstaltungen des Clubs wurden verboten 3 Hahm wurde bei dieser Veranstaltung nicht angetroffen da sie sich laut Aussage ihrer Vertreterin auf Hiddensee aufhielt laut Aktennotiz bekannt als Treffpunkt homos Frauen 3 Dort eroffnete sie eine Pension wahrscheinlich fur lesbische Frauen 5 Ihr weiterer Lebenslauf im Nationalsozialismus ist nur schlecht dokumentiert und teils widerspruchlich Moglicherweise geriet Hahm 1933 erstmals ins Blickfeld der Nationalsozialisten laut dem Bericht einer Zeitzeugin wurde sie verhaftet als sie vom Vater einer Freundin wegen der Verfuhrung Minderjahriger angezeigt wurde 3 Gesichert ist dass sie Anfang 1935 in das Konzentrationslager Moringen eingeliefert wurde Akten von dort existieren jedoch nicht mehr Mitgefangenen berichtete sie dass sie ein Unbekannter am Alexanderplatz bat auf seinen Koffer aufzupassen Die Gestapo habe den Koffer durchsucht kommunistisches Material darin gefunden und sie daraufhin verhaftet Im Lager hat sich Hahm einer kommunistischen Gruppe angeschlossen vermutlich wurde sie gefoltert Uber ihre Erlebnisse im KZ hat Hahm auch nach dem Zweiten Weltkrieg geschwiegen 2 Spatestens 1937 war Hahm dann wieder frei und arbeitete im Grossraum Berlin als Textilhandlerin Ihr Erfolg war gering aus Geldmangel prellte sie ihren Fahrer um seinen Lohn der sie wegen Betrugs verklagte Hahm wurde zu einer Geld und Haftstrafe verurteilt letztere musste sie vermutlich nicht antreten 5 Mindestens 1939 knupfte Hahm wieder an ihre fruheren Aktivitaten an und grundete am Alexanderplatz im ersten Stock des Lehrervereinshauses 6 erneut einen lesbischen Treffpunkt der allerdings nur von kurzer Dauer war 2 Fleischmann blieb im Verborgenen als Gastronomin aktiv trotz der lebensgefahrlichen Situation fur sie 1938 wurde sie zu Zwangsarbeit verurteilt 1941 konnte sie fliehen und uberlebte in wechselnden Verstecken unterstutzt von Hahm 5 Nachkriegszeit BearbeitenUnmittelbar nach Kriegsende begann Hahm 1945 wieder gemeinsam mit Kathe Reinhardt aktiv zu werden In der Zauberflote versuchten sie Balle zu veranstalten spater wichen sie in die Oranienstrasse 162 aus 3 Im selben Jahr eroffneten Hahm und Reinhardt ein Lokal fur lesbische Frauen am Spittelmarkt 7 das Lokal existierte von 1945 bis 1947 fur rund eineinhalb Jahre und war damit das erste Lesben Lokal Ost Berlins 8 Da das Lokal im sowjetischen Sektor jedoch nicht wohlgelitten war zogen sie um in den westlichen Teil Berlins und eroffneten es dort neu unter dem Namen Max und Moritz das Lokal war bis in die 60er Jahre unter lesbischen Frauen popular 7 In den 1950er Jahren lebte Hahm in der Potsdamer Strasse 181 9 1958 war Hahm an der Neugrundung des Bundes fur Menschenrecht beteiligt die jedoch scheiterte 2 Spatestens Ende der 1950er Jahre trennten sich Hahm und Fleischmann In den 1960er Jahren wurde Fleischmann gefragt ob sie einer offiziellen Ehrung Lotte Hahms fur ihre Unterstutzung wahrend der NS Zeit zustimme Fleischmann verneinte mit der Begrundung dass sie sich im Stich gelassen fuhle 1967 starb Fleischmann in Berlin Schoneberg Hahm im August desselben Jahres in Berlin Wannsee 5 Rezeption BearbeitenSchon zeitgenossisch wurde Lotte Hahms Arbeit sehr geschatzt Bereits zum ersten Jubilaum des Klub Violetta erschienen zwei Gedichte in der Frauenliebe eines von einer Kathe in dem die Autorin schrieb So wie Du fuhrst starkt sich Deine Macht wie ich Dich kenne bist Du drauf bedacht den Klub zur vollsten Grosse durchzubringen So wird der Klub stets bluhen und gedeihn und Du Geliebte sollst der Fuhrer sein 10 Zum selben Anlass schrieb Selli Engler Du die durch edlen ernsten Fleiss ein Heim uns hast bereitet und die mit stolzer freier Stirn kraftvoll nur vorwarts schreitet Du sollst uns weiter Fuhrer sein Dir wollen wir vertrauen Drum Fuhrer weise uns den Weg zum Guten und zum Glucke und bau mit uns zu aller Welt nun eine feste Brucke 11 1928 wurde Hahm in der Zeitschrift Neue Freundschaft als eine unserer bekanntesten und popularsten Fuhrerinnen in der Berliner homoerotischen Frauenbewegung beschrieben 12 Franz Scott sah Hahm im Ruckblick Anfang der 1930er Jahre neben Selli Engler und der nur pseudonym bekannten Charly als eine wichtige Personlichkeit der ersten Lesbenbewegung 6 Hahm wird heute fur ihre aktivistische Tatigkeit als eine der wichtigsten Aktivistinnen der homosexuellen Subkultur insbesondere in Berlin und eine bedeutsame Vorkampferin fur die Organisierung homosexueller Frauen und Transvestiten wahrend der Weimarer Republik gewurdigt Hervorgehoben wird dabei ihr organisatorisches Geschick unermudliche Energie und viel Mut 9 Ehrungen Bearbeiten nbsp Gedenkstele fur Lotte Hahm in Berlin KreuzbergAm 13 September 2023 wurde vor dem ehemaligen Damenklub Violetta in der Hasenheide 52 53 in Berlin Kreuzberg eine Gedenkstele fur Lotte Hahm eingeweiht 13 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Lotte Hahm Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Biografie auf Lesbengeschichte org Lotte Charlotte Hahm 1890 1967 Einzelnachweise Bearbeiten Ingeborg Boxhammer Christiane Leidinger Offensiv strategisch frauen emanzipiert Spuren der Berliner Subkulturaktivistin Lotte Hahm 1890 1967 In GENDER Zeitschrift fur Geschlecht Kultur und Gesellschaft Band 13 Nr 1 Barbara Budrich Verlag Leverkusen Opladen Berlin 2021 S 91 108 a b c d Claudia Schoppmann Nationalsozialistische Sexualpolitik und weibliche Homosexualitat 2 Auflage 1997 ISBN 3 86226 853 5 a b c d e f Jens Dobler Von anderen Ufern Geschichte der Berliner Lesben und Schwulen in Kreuzberg und Friedrichshain Bruno Gmunder Verlag Berlin 2003 ISBN 978 3 86187 298 6 S 104 115 Ingeborg Boxhammer Christiane Leidinger Lotte Charlotte Hahm 1890 1967 In Online Projekt Lesbengeschichte Boxhammer Ingeborg Leidinger Christiane 2021 abgerufen am 6 August 2023 a b c d e f g h i Ingeborg Boxhammer Christiane Leidinger Die Szenegrosse und Aktivistin Lotte Hahm In Stella Hindemith Christiane Leidinger Heike Radvan Julia Rosshart Hrsg Wir hier Lesbisch schwul und trans zwischen Hiddensee und Ludwigslust Ein Lesebuch zu Geschichte Gegenwart und Region Lola fur Demokratie in Mecklenburg Vorpommern e V Berlin 2019 S 57 59 amadeu antonio stiftung de PDF a b c Heike Schader Virile Vamps und wilde Veilchen Sexualitat Begehren und Erotik in den Zeitschriften homosexueller Frauen im Berlin der 1920er Jahre Helmer Konigstein im Taunus 2004 ISBN 3 89741 157 1 S 74 ff a b Ilse Kokula Lesbisch leben in den Funfziger Jahren In Projekt Offene Frauenhochschule Hrsg Frauen Untereinander Dokumentation der Offenen Frauenhochschule in Wuppertal Wuppertal 1989 S 117 Christiane Leidinger Lesbische Existenz 1945 1969 Aspekte der Erforschung gesellschaftlicher Ausgrenzung und Diskriminierung lesbischer Frauen mit Schwerpunkt auf Lebenssituationen Diskriminierungs und Emanzipationserfahrungen in der fruhen Bundesrepublik Senatsverwaltung fur Integration Arbeit und Soziales Hrsg Veroffentlichungen des Fachbereichs fur die Belange von Lesben Schwulen Bisexuellen trans und intergeschlechtlichen Menschen LSBTI Band 34 Berlin 2015 ISBN 978 3 9816391 5 5 S 45 a b Jens Dobler Christiane Leidinger Andreas Pretzel Personlichkeiten in Berlin 1825 2006 Erinnerungen an Lesben Schwule Bisexuelle trans und intergeschlechtliche Menschen Hrsg Senatsverwaltung fur Integration Arbeit und Soziales Berlin 2015 ISBN 978 3 9816391 3 1 S 36 37 Kathe Lotte In Frauenliebe Band 2 Nr 51 Karl Bergmann Verlag Berlin 1927 S 8 Selli Engler An meine liebe Charlotte Hahm zum 1 Stiftungsfest des Damenklubs Violetta In Frauenliebe Band 2 Nr 51 Karl Bergmann Verlag Berlin 1927 S 8 Anonymus Rundschau In Neue Freundschaft Nr 21 Verlag Neue Freundschaft Berlin Juni 1928 S 4 Ingeborg Boxhammer amp Christiane Leidinger Gedenktafel fur lesbische Vorkampferin Lotte Hahm In Siegessaule Berlin 11 September 2023 siegessaeule de Normdaten Person Wikipedia Personensuche Kein GND Personendatensatz Letzte Uberprufung 17 August 2020 PersonendatenNAME Hahm LotteALTERNATIVNAMEN Hahm Charlotte Hedwig Hahm Lotte Hedwig Spitzname KURZBESCHREIBUNG deutsche Aktivistin der ersten LesbenbewegungGEBURTSDATUM 23 Mai 1890GEBURTSORT DresdenSTERBEDATUM 17 August 1967STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lotte Hahm amp oldid 239320175