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Das sogenannte Kollerschlager Dokument korrekte Bezeichnung Befehl Nr 10 der SA Obergruppe XI ist ein Schriftstuck das genaue Anweisungen fur das Vorgehen der Nationalsozialisten fur den Fall eines Umsturzes in Osterreich enthalt wie er im Jahr 1934 mit dem Juliputsch dann tatsachlich realisiert werden sollte Die lange Zeit gangige Meinung uber die Bedeutung des Dokuments und seine Einordnung in die Ereignisse des Juliputsches wurden in letzter Zeit durch neue Forschungsergebnisse generell in Frage gestellt und in Teilbereichen eindeutig falsifiziert Kollerschlag 2010 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Bisherige Annahmen 1 2 Inhalt 1 3 Neue Deutung 2 Wirkung und tatsachliche Bezeichnung 3 Der Kurier Franz Hiebl 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenBisherige Annahmen Bearbeiten Am 26 Juli 1934 wurde um 3 Uhr morgens von dem Schutzkorps Angehorigen Leopold Reisetbauer und dem Zollwachrevisor Johann Fischer am Rand des Ortes Kollerschlag ein aus dem Deutschen Reich kommender Mann gestellt der sich spater als nationalsozialistischer Kurier herausstellte Diesem wurde eine Pistole und Munition abgenommen und er wurde zum Gendarmerieposten Kollerschlag gebracht Der Mann hatte keinen Ausweis bei sich und verweigerte auch jede Aussage Deshalb wurde er zu weiteren Vernehmungen nach Linz gebracht wo er zuerst wieder ergebnislos verhort und genauer durchsucht wurde 1 In seiner Krawatte fand man eingenaht nach anderen Darstellungen in den Schuhen das sogenannte Kollerschlager Dokument einen schreibmaschinengeschriebenen Aufstandsplan der SA fur einen geplanten Umsturz der Nationalsozialisten sowie einen handschriftlich verfassten Chiffrenschlussel 2 Der unter dem Hemd getragene Chiffrenschlussel war fur telegraphische Meldungen gedacht wobei die Chiffren in Bezug auf Engelbert Dollfuss lauteten Alte Besteckmuster eingetroffen Dollfuss ist tot Alte Besteckmuster nicht eingetroffen Dollfuss ist frei Alte Besteckmuster unterwegs Dollfuss ist gefangen Der Kurier hatte die Papiere von Hans Kirchbach dem Stabschef der osterreichischen SA Fuhrung in Munchen erhalten und sollte sie an den Industriellen Fritz Hamburger der wiederum ein enger Vertrauter des Fuhrers der SA Brigade in Wien und Niederosterreich Oskar Turk war weiterleiten 3 Allerdings war dieser schon seit mehr als eine Woche uber den Inhalt des Putschplanes informiert Lange nahm man auch an dass der Inhalt des Dokuments der gesamten osterreichischen SA Fuhrung seit Langerem bekannt gewesen sein musste da die Aufstande in den osterreichischen Bundeslandern dem darin beschriebenen Muster folgten Es war so die lange gultige Forschungsmeinung also unsinnig in dieser Zeit der intensiven Grenzkontrollen einen Kurier abzuschicken Kirchbach hatte auch eigenmachtig den Uberfall der Osterreichischen Legion auf die Zollamter in Hanging Haselbach und Kriegwald und auf Kollerschlag angeordnet Daruber hinaus konnte man auch nicht schlussig erklaren warum der Kurier zu einem Zeitpunkt losgeschickt wurde zu dem der Putsch in Wien bereits niedergeschlagen war Ferner wurde die Mission Hiebls aufgrund seiner Verhaftung und der Tatsache dass das Kollerschlager Dokument seinen Adressaten nicht erreichte als gescheitert angesehen 4 Inhalt Bearbeiten In dem Kollerschlager Dokument wird davon gesprochen dass unter dem Stichwort Sommerfest unbewaffnete Propagandamarsche der SA veranstaltet werden sollten wobei Waffen aber versteckt mitgenommen oder zumindest bereitgestellt werden sollten Dann sollten offentliche Gebaude besetzt und mit Hakenkreuzfahnen bestuckt werden Bei Widerstand von Seiten der Exekutive sollte das Sommerfest in ein Preisschiessen bzw eine Italienische Nacht umgewandelt werden wobei mit ausserster Entschlossenheit gegen die Exekutive vorzugehen sei in Form eines Kleinkrieges sollte bei grosserem Widerstand der Exekutive gefurchtet wurde vor allem das Bundesheer ausgewichen werden Jedem ortlichen SA Fuhrer wurde aufgetragen bei der Nachricht vom Sturz der Regierung auf diese Weise vorzugehen Interessant ist auch folgender Hinweis in dem Dokument Es kommt darauf an dass die Bewegung scheinbar aus dem Volk kommt sie muss rein innenpolitisch aufgezogen sein und darf keinesfalls irgendwie von aussen her geleitet erscheinen Diese Anweisung wurde von manchen Historikern als Beweis dafur angesehen dass Hitler nachweislich Einfluss auf den Putschistenplan genommen habe und diese verschleiert werden sollte 5 Neue Deutung Bearbeiten Lange Zeit vollig verborgen blieb im Zusammenhang mit den oben geschilderten Vorfallen allerdings die Tatsache dass Kirchbach noch einen zweiten Kurier namlich Hiebls Bruder mit einem Duplikat des Kollerschlager Dokuments ebenfalls nach Wien in Marsch gesetzt hatte Wie Hans Schafranek feststellte erreichte dieser am fruhen Morgen des 26 Juli seinen Adressaten SA Obersturmbannfuhrer Fritz Hamburger und handigte ihm das Dokument aus Schafranek widerlegte damit nicht nur die bisher gultige Meinung dass es nur einen Kurier gegeben habe sondern konnte das Dokument auch schlussig in die bisher bekannten Zusammenhange rund um den Juliputsch einordnen Seiner Meinung nach wurden die beiden Kuriere nicht entsandt um die mittlerweile aussichtslose Sache der SS Putschisten der Standarte 89 zu unterstutzen der in Munchen residierenden SA Fuhrung war bereits seit 16 00 Uhr des 25 Juli 1934 bekannt dass die RAVAG Meldung vom Rucktritt der Regierung Dollfuss nicht der Wahrheit entsprach sondern um dem in der Steiermark mittlerweile ausgebrochenen Aufstand der SA durch weitere SA Erhebungen in den anderen Bundeslandern zu unterstutzen und auf diese Weise doch noch die Macht in Osterreich zu erringen Nach dem Scheitern seiner Widersacher aus den Reihen der SS so das Kalkul Hermann Reschnys des Fuhrers der osterreichischen SA wurde er allein als derjenige dastehen der die Machtubernahme der Nationalsozialisten in Osterreich ermoglicht habe 6 Reschny so Schafranek hatte keine Skrupel bei der Aktion der SS Putschisten im Kanzleramt beiseitezustehen es war aber etwas vollig anderes die wie er annahm spontan erfolgte Erhebung der steirischen als der starksten osterreichischen SA Formation im Stich zu lassen Da uberdies der Funkverkehr zwischen Munchen und Wien nicht funktionierte wurde also entschieden per Kurier Kontakt mit der Wiener SA aufzunehmen Was Reschny allerdings nicht wusste war dass die steirischen SA Brigadefuhrer die aus den Reihen des ehemaligen Steirischen Heimatschutzes stammten mittlerweile gar nicht mehr seinem Kommando folgten sondern sich insgeheim mit der SS und damit Reschnys innerparteilichen Widersachern verbundet hatten Die SA Erhebung in der Steiermark war keine spontane Aktion sondern eine mit den SS Putschisten in Wien abgesprochene direkte Hilfeleistung fur diese 6 Sobald Reschny also Kenntnis von der Erhebung der SA in der Steiermark erhielt versuchte er darauf Einfluss zu nehmen Er entsandte nicht nur die beiden Kuriere nach Wien sondern auch welche nach Salzburg und erteilte beispielsweise der SA in Karnten am 25 Juli 1934 um 22 00 Uhr per Funk den Befehl zum Aufstand Dass diesen Befehlen in den einzelnen Bundeslandern nur hochst ungleichzeitig oder aber gar nicht mehr Folge geleistet wurde lag zum Teil an den mittlerweile angelaufenen Gegenmassnahmen der osterreichischen Sicherheitsbehorden zum Teil auch daran dass auf NS Seite kein Anreiz mehr bestanden haben durfte einen aussichtslos scheinenden Kampf zu beginnen 7 Reschny selbst hatte im Jahr 1934 zwar eine systematische Aufrustung der SA betrieben diese ware aber erst im Herbst 1934 abgeschlossen gewesen weshalb fur ihn eine gewaltsam erzwungene Machtubernahme in Osterreich nicht vor diesem Zeitpunkt in Frage kam Dass seine Widersacher in der NS Bewegung Putschplanen nachgingen war ihm zwar nicht verborgen geblieben er beabsichtigte aber nicht diese ernsthaft zu unterstutzen Mit ziemlicher Sicherheit aber war ihm vollig entgangen dass sich zwischen der SS in Wien und Teilen seiner SA allen voran den steirischen SA Formationen ein geheimes Bundnis herausgebildet hatte dass quasi unter volliger Umgehung des Chefs die Machtergreifung in Osterreich realisieren wollte Wirkung und tatsachliche Bezeichnung BearbeitenFur die osterreichische Regierung war das Dokument der Beleg fur die These dass der Juliputsch auf reichsdeutschem Boden geplant und von dort aus geleitet wurde Das Dokument war auch wichtig fur die Moskauer Erklarung vom 1 November 1943 in der die Regierungen des Vereinigten Konigreiches der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten Osterreich als das erste freie Land bezeichnen das Hitlers Angriffspolitik zum Opfer fiel 8 Diese Formulierung diente nach Kriegsende in Osterreich als Stutze des Opfermythos Das gefundene Kollerschlager Dokument wird auch von Winston Churchill in seinen Kriegserinnerungen erwahnt 9 Wie Schafranek aufgrund von Quellenfunden in Berlin herausfand trug das Kollerschlager Dokument ursprunglich die Bezeichnung Befehl Nr 10 der SA Obergruppe XI Er pladierte daher dafur die Bezeichnung Kollerschlager Dokument fallen zu lassen Der Kurier Franz Hiebl BearbeitenBei der Festnahme wies sich der Kurier als reichsdeutscher Hotelsekretar Franz Heel aus Die Polizeibehorden hatten anfangs nicht durchschaut dass sich hinter dem Namen Heel eine andere Person versteckt namlich der geburtige Tiroler Franz Hiebl 1911 in Innsbruck Unter dem Namen Franz Heel wurde ihm deshalb auch der erste Prozess gemacht Von Seiten der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach wurden gegen Heel dabei im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens eine Arreststrafe von 5 Monaten und eine Geldstrafe von 300 Schilling verhangt 10 Heel wurde sodann in das Gefangenenhaus des Landesgerichts Linz eingeliefert 1935 wurde Hiebl zu lebenslangem Kerker verurteilt 4 vermutlich ist er aber amnestiert worden 1948 wurde er gemass dem osterreichischen Staatspolizeilichen Fahndungsblatt noch gesucht 11 Hiebl ist als Kurier ein paradigmatisches Beispiel fur viele andere Nationalsozialisten oder ihre Helfer die vom Deutschen Reich kommend Propagandamaterial Sprengstoff und Bomben nach Osterreich schmuggelten um das Land und seine Einwohner zu terrorisieren und zu destabilisieren Letztlich sollte damit auch fur Hitler der Vorwand geschaffen werden dass es zum Schutz der Deutschen notig sei in Osterreich einzumarschieren Weblinks BearbeitenDie Moskauer Deklaration von 1943 Erste Seite des Kollerschlager DokumentsEinzelnachweise Bearbeiten Franz Saxinger Schriftleitung Kollerschlag 1934 Eigenverlag Herausgegeben von der Gemeinde Kollerschlag Gerhard Jagschitz Der Putsch Die Nationalsozialisten 1934 in Osterreich Styria Graz 1976 S 141 Kurt Bauer Sozialgeschichtliche Aspekte des nationalsozialistischen Juliputsches 1934 Dissertation Universitat Wien Wien 2001 a b Gerhard Jagschitz Der Putsch Die Nationalsozialisten 1934 in Osterreich Styria Graz 1976 S 143 Gottfried Karl Kindermann Osterreich gegen Hitler Europas erste Abwehrfront 1933 1938 Langen Muller Munchen 2003 S 212 ff a b Vgl Hans Schafranek Sommerfest mit Preisschiessen Die unbekannte Geschichte des NS Putsches im Juli 1934 Czernin Verlag Wien 2006 ISBN 3 7076 0081 5 S 162 167 und 207f Schafranek 2006 S 225 Archivierte Kopie Memento des Originals vom 10 Marz 2010 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www mediathek at Winston Churchill Der Zweite Weltkrieg Scherz Verlag Bern 1954 Schreiben vom 27 Juli 1934 des Sicherheitsdirektors von Oberosterreich Hans Hammerstein an das Bundeskanzleramt Generaldirektion fur die offentliche Sicherheit Harry Slapnicka Oberosterreich Zwischen Burgerkrieg und Anschluss 1927 1938 Oberosterreichischer Landesverlag Linz 1975 S 196 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kollerschlager Dokument amp oldid 236291369