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Knut Borchardt 2 Juni 1929 in Berlin 5 Februar 2023 in Munchen war ein deutscher Okonom und Wirtschaftshistoriker Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Werk 2 Die Borchardt Hypothese und die anschliessende Kontroverse 3 Schriften Auswahl 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenLeben und Werk BearbeitenKnut Borchardt wurde 1929 als Sohn des Betriebsingenieurs Hans Borchardt und dessen Frau Hildegard geb Frommholz in Berlin geboren Nach dem Volksschulbesuch in Berlin Siemensstadt Sagan Schlesien und Weidenhof im Landkreis Breslau arbeitete Borchardt bis 1946 auf einem Bauernhof im oberschwabischen Durmentingen Nach der Ruckkehr nach Berlin legte er 1948 an der Freiherr vom Stein Schule in Berlin Spandau das Abitur ab Anschliessend studierte er Germanistik und Geschichte an der Humboldt Universitat zu Berlin und war 1949 50 als Assistent am Goethe und Schiller Archiv in Weimar tatig Von 1951 an studierte Borchardt nach einem Wechsel des Studienfachs Betriebswirtschaftslehre an der Universitat Munchen sowie an der Freien Universitat Berlin und bestand 1954 in Munchen die Diplomprufung fur Kaufleute Anschliessend arbeitete er als Assistent am Volkswirtschaftlichen Institut der Universitat Munchen wo er 1956 bei Friedrich Lutge mit einer Arbeit uber Das Argument des grossen Binnenmarktes zum Dr oec publ promoviert wurde Bis 1961 war er weiterhin als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Volkswirtschaftlichen Institut der LMU Munchen beschaftigt Nach der Habilitation 1961 ubernahm er die Vertretung des Lehrstuhls fur Wirtschafts und Sozialgeschichte an der Universitat Tubingen 1962 erfolgte die Berufung zum Professor fur Wirtschaftsgeschichte und Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftshochschule bzw Universitat Mannheim wo er 1966 1967 das Amt des Rektors bekleidete 1 1969 wechselte er an die LMU Munchen an welcher er bis zur Emeritierung 1991 Ordinarius fur Wirtschaftsgeschichte und Volkswirtschaftslehre war 1987 erhielt er den Leibniz Preis und 1999 den Bayerischen Maximiliansorden fur Wissenschaft und Kunst 1989 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz 1 Klasse verliehen 2 Borchardt erhielt Ehrendoktorate der Universitaten Innsbruck 1990 und Mannheim 1994 3 Seine Forschungsschwerpunkte bilden unter anderem die Wirtschaftsgeschichte der Zeit zwischen den Weltkriegen die Person Max Weber als Nationalokonom bzw dessen Fruhwerk und Lehrtatigkeit 4 sowie spezielle Aspekte der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung im 19 und 20 Jahrhundert 1974 wurde Borchardt zum ordentlichen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gewahlt Dort gehorte er als Vertreter der Philosophisch historischen Klasse der Haushaltskommission an und war Vorsitzender der Kommission fur Wirtschafts und Sozialgeschichte 5 sowie stellvertretender Vorsitzender der Kommission fur kulturanthropologische Studien 6 Er war Mitglied im Wirtschaftshistorischen Ausschuss des Vereins fur Socialpolitik und seit 1970 des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium fur Wirtschaft 1981 2007 gehorte er als Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften an Zusammen mit weiteren Personlichkeiten wie Alfred E Ott und Heinrich Strecker gab er im Zeitraum von 1968 bis 1982 die Jahrbucher fur Nationalokonomie und Statistik heraus Von 1980 bis 2007 war er Mitherausgeber der Historischen Zeitschrift In den vergangenen Jahren befasste sich Borchardt auch mit wirtschafts und sozialpolitischen Aspekten der Globalisierung 7 Zu seinen Schulern zahlen Werner Abelshauser Christoph Buchheim Dietmar Petzina und Albrecht Ritschl Am 5 Februar 2023 starb Borchardt in Munchen 8 Die Borchardt Hypothese und die anschliessende Kontroverse BearbeitenBorchardts Thesen zur Wirtschaftspolitik in der Endphase der Weimarer Republik wurden in den 1980er Jahren Gegenstand einer wissenschaftlichen Kontroverse 1979 griff Borchardt die vorherrschende Auffassung an die Deflationspolitik des Kabinetts Heinrich Bruning 1930 1932 habe die Hauptschuld an der Schwere der Weltwirtschaftskrise in Deutschland getragen 9 Borchardt argumentierte Bruning habe angesichts der Uberschuldung der offentlichen Haushalte welche in der Weltwirtschaftskrise vom Kredit abgeschnitten gewesen seien keine andere Wahl gehabt Dieses Schuldenproblem sei zumindest zum Teil die Folge einer zu grosszugigen Lohn und Sozialpolitik in der Weimarer Republik vor 1929 gewesen In der Folgezeit entzundete sich eine umfangreiche und oft leidenschaftlich gefuhrte Debatte um diese Hypothese an der fuhrende Wirtschaftshistoriker in Deutschland wie im Ausland teilnahmen Besonders dezidiert attackierte der Berliner Wirtschaftshistoriker Carl Ludwig Holtfrerich Borchardts These zu hoher Lohne in der Weimarer Republik 10 Holtfrerichs Gegenargumente wurden spater allerdings selbst in Zweifel gezogen 11 In jungerer Zeit hat der Borchardt Schuler Albrecht Ritschl Borchardts Hypothese weiter ausgebaut 12 Ritschl argumentiert Deutschland sei 1930 in eine Zahlungsbilanzkrise geraten die durch hohe Auslandsschulden und die Verscharfung des Reparationsregimes durch den Young Plan verursacht worden war und in der eine Politik der Konjunkturstimulierung unmoglich gewesen sei Die Debatte um Borchardts Thesen die bis heute zu keinem Abschluss gekommen ist sate in jedem Falle Zweifel an der einst gangigen Sichtweise der zufolge eine expansive keynesianische Fiskal und Geldpolitik die Wirtschaftskrise in Deutschland fruher und mit geringerem Schaden hatte beenden konnen Schriften Auswahl BearbeitenDie Industrielle Revolution in Deutschland Piper Munchen 1972 ISBN 3 492 00340 0 Vademecum fur den Volkswirt Fuhrer zu volkswirtschaftlicher Literatur Quellen und Materialien UTB Bd 137 Fischer Stuttgart 1973 ISBN 3 437 50162 3 Wachstum Krisen Handlungsspielraume der Wirtschaftspolitik Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1982 ISBN 3 5253 5708 7 engl 1991 Grundriss der deutschen Wirtschaftsgeschichte Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1978 ISBN 3 5253 3421 4 unveranderte Auflage 1985 Hrsg mit Hans Otto Schotz Wirtschaftspolitik in der Krise Die Geheim Konferenz der Friedrich List Gesellschaft im September 1931 uber Moglichkeiten und Folgen einer Kreditausweitung Nomos Baden Baden 1991 ISBN 3 7890 2116 4 Max Webers Borsenschriften Ratsel um ein ubersehenes Werk Munchen 2000 ISBN 3 7696 1610 3 Globalisierung in historischer Perspektive Munchen 2001 ISBN 3 7696 1614 6 mit Carlo M Cipolla Hrsg Europaische Wirtschaftsgeschichte 4 Bande I Das Mittelalter UTB 1998 II Sechzehntes und siebzehntes Jahrhundert Gustav Fischer Verlag Stuttgart 1979 auch UTB Nr 1268 III Die industrielle Revolution UTB 1997 ISBN 3 8252 1315 3 IV Die Entwicklung der industriellen Gesellschaften UTB 1985 ISBN 3 8252 1316 1 Literatur BearbeitenChristoph Buchheim Michael Hutter Harold James Hrsg Zerrissene Zwischenkriegszeit Wirtschaftshistorische Beitrage Knut Borchardt zum 65 Geburtstag Nomos Baden Baden 1994 ISBN 3 7890 3367 7 Harold James Menschen und Wirtschaft Knut Borchardt In Frankfurter Allgemeine Zeitung 8 Februar 2023 Nr 33 S 20 Werner Plumpe Knut Borchardt 1929 2023 In Historische Zeitschrift 317 2023 S 129 136 Werner Plumpe Der Prazisionsarbeiter Zum Neunzigsten des Munchner Wirtschaftshistorikers Knut Borchardt In Frankfurter Allgemeine Zeitung 1 Juni 2019 Nr 126 S 12 Albrecht Ritschl Knut Borchardts Interpretation der Weimarer Wirtschaft Zur Geschichte und Wirkung einer wirtschaftsgeschichtlichen Kontroverse In Jurgen Elvert Susanne Krauss Hrsg Historische Debatten und Kontroversen im 19 und 20 Jahrhundert Historische Mitteilungen Beiheft Band 46 Steiner Stuttgart 2001 ISBN 3 515 08253 0 S 234 244 Albrecht Ritschl Knut Borchardt Brecht Schuler Skeptiker Krisenhistoriker In Perspektiven der Wirtschaftspolitik 24 2023 S 145 150 Albrecht Ritschl Nachruf Knut Borchardt 1929 2023 In Vierteljahrschrift fur Sozial und Wirtschaftsgeschichte Bd 110 2023 Heft 2 S 149 151 Michael C Schneider Nachruf Prof Dr Knut Borchardt In Zeitschrift fur Unternehmensgeschichte 68 2023 S 113 115 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Knut Borchardt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek PublikationslisteAnmerkungen Bearbeiten Trauer um Prof Dr Dr h c mult Knut Borchardt Universitat Mannheim 14 Februar 2023 abgerufen am 15 Februar 2023 Knut Borchardt In Who s Who Abgerufen am 13 April 2020 Reinhard Spree Hrsg Geschichte der deutschen Wirtschaft im 20 Jahrhundert Munchen 2001 S 230 Siehe auch Paul Erker Knut Borchardt Hrsg Max Weber Gesamtausgabe Abt 1 Borsenwesen Schriften und Reden 1893 1898 Band 5 1 und 2 In Zusammenarbeit mit Cornelia Meyer Stoll In H Soz Kult 14 Dezember 2001 Kommission fur Sozial und Wirtschaftsgeschichte Memento vom 10 Februar 2012 im Internet Archive Kommission fur kulturanthropologische Studien Memento vom 10 Februar 2012 im Internet Archive vgl Bayerische Akademie der Wissenschaften Knut Borchardt Verzeichnis der wissenschaftlichen Veroffentlichungen Harold James Knut Borchardt Nachruf auf Borchardt In faz net 8 Februar 2023 Knut Borchardt Zwangslagen und Handlungsspielraume in der grossen Weltwirtschaftskrise der fruhen dreissiger Jahre Zur Revision des uberlieferten Geschichtsbildes In Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1979 S 85 132 Carl Ludwig Holtfrerich Zu hohe Lohne in der Weimarer Republik Bemerkungen zur Borchardt These In Geschichte und Gesellschaft Zeitschrift fur historische Sozialwissenschaft 10 1984 S 122 141 Siehe unter anderem Mark Spoerer German Net Investment and the Cumulative Real Wage Position 1925 1929 On a Premature Burial of the Borchardt Debate In Historical Social Research 19 1994 S 26 41 Albrecht Ritschl Knut Borchardts Interpretation der Weimarer Wirtschaft Zur Geschichte und Wirkung einer wirtschaftsgeschichtlichen Kontroverse Vortrag gehalten auf der 2001 Jahrestagung der Ranke Gesellschaft Normdaten Person GND 119182963 lobid OGND AKS LCCN n81010295 NDL 00463520 VIAF 163796603 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Borchardt KnutKURZBESCHREIBUNG deutscher WirtschaftshistorikerGEBURTSDATUM 2 Juni 1929GEBURTSORT BerlinSTERBEDATUM 5 Februar 2023STERBEORT Munchen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Knut Borchardt amp oldid 237483011