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Jorn Lange 8 November 1903 in Salzwedel 21 Januar 1946 in Wien war ein deutscher Chemiker Physikalische Chemie und Hochschullehrer an der Universitat Wien Lange war Nationalsozialist Als er kurz vor der Eroberung Wiens durch sowjetische Truppen wertvolles Gerat an der Universitat zerstoren wollte damit sie nicht den sowjetischen Truppen in die Hande fielen erschoss er zwei Kollegen die ihn daran hindern wollten Er wurde deshalb 1945 in Wien zum Tode verurteilt und starb kurz vor der Hinrichtung durch Suizid Inhaltsverzeichnis 1 Karriere 2 Mordfall am Chemischen Institut in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs 3 Schriften 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseKarriere BearbeitenLange war der Sohn eines Rechtsanwalts und studierte Chemie an der Humboldt Universitat zu Berlin an der er 1928 promoviert wurde Studien zum thermodynamischen Verhalten starker Elektrolyte Als Post Doktorand war er mit einem Stipendium der Liebig Gesellschaft und spater der Deutschen Forschungsgemeinschaft bei Johannes Ludwig Ebert zwei Jahre an der Universitat Wurzburg wo er an der Kryoskopie stark verdunnter wassriger Losungen forschte In den 1930er Jahren war er mit einem Rockefeller Stipendium an der Columbia University und der Landwirtschaftlichen Hochschule in Kopenhagen Nach Wurzburg zuruckgekehrt leistete er freiwillig Wehrdienst Flakhelfer und trat 1933 der NSDAP bei 1934 bis 1940 war er erster Assistent in der Abteilung physikalische Chemie an der Universitat Jena an der er sich 1934 habilitierte Zur physikalischen Charakterisierung geloster Ionen Ab Juli 1940 war er wieder bei Ebert als Dozent in der Abteilung physikalische Chemie des 1 Chemischen Labors der Universitat Wien Das Labor wurde seit 1940 von Ebert geleitet Im Fruhjahr 1942 wurde er planmassiger ausserordentlicher Professor und Stellvertreter von Ebert am 1 Chemischen Institut Er richtete ab 1940 ein Praktikum fur Fortgeschrittene in physikalischer Chemie ein mit Schwerpunkt in optischen Methoden und veroffentlichte 1942 ein Lehrbuch uber physikalische Chemie 1 Mordfall am Chemischen Institut in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs BearbeitenIm Zweiten Weltkrieg diente der sogenannte tiefe Keller der chemischen Institute in der Wahringerstrasse der nicht benutzt wurde und als Beluftungssystem diente als Versteck fur Dissidenten untergetauchte Juden Deserteure und ahnliche Verfolgte Aktiv war hier die Widerstandsgruppe Tomsk Einer der dort Versteckten war der Schriftsteller Johannes Mario Simmel der Lange in seinem Roman uber diese Zeit Wir heissen euch hoffen als uberzeugten Nationalsozialisten schilderte 2 Kurz vor der Eroberung Wiens durch die Rote Armee gab der Prorektor der Universitat Wien Viktor Christian aufgrund eines verschlusselten Signals im Rundfunk den Befehl alle kriegswichtigen Gerate an der Universitat Wien zu zerstoren ARLZ Befehl oder Rechts der Donau Befehl was er wenig spater in Unbrauchbarmachung zur Verhinderung von Abtransport durch die Russen anderte Der Direktor des 2 Chemischen Instituts Friedrich Wessely gab den Befehl an Lange weiter der sich daran machte ihn in seinem Zustandigkeitsbereich am 1 Chemischen Institut auszufuhren wobei die Einzelheiten ihm uberlassen wurden Ebert hatte sich zuvor mit einer Reihe von Geraten und Assistenten in den Westen abgesetzt so dass Lange als Leiter verblieb Insbesondere wollte er das damals dort installierte sehr wertvolle Elektronenmikroskop zerstoren hergestellt von der Firma Siemens mit 40 000facher Vergrosserung und wichtig in der Virusforschung Es gab in Wien nur zwei derartige Elektronenmikroskope das andere war an der Technischen Hochschule Die Widerstandsgruppe Tomsk bekam dies mit und einige ihrer Mitglieder stellten sich Lange am 5 April 1945 entgegen als dieser zur Zerstorung des Elektronenmikroskops schreiten wollte Die Gruppe war vom spateren Biochemie Professor Otto Hoffmann Ostenhof und dem Assistenten am 1 Chemischen Institut Kurt Horeischy 25 Marz 1913 der Leiter des mikrochemischen Labors war gegrundet worden und ihr gehorten rund 15 Institutsangehorige an die Radios bauten Verfolgte im Keller versteckten und Flugblatter druckten Horeischy war schon seit den 1930er Jahren Mitglied der Roten Studenten gewesen und nach dem Uberfall auf Polen wegen eines Lungenleidens aus der Armee entlassen worden Sie hatten Kontakt zur Widerstandsgruppe O5 3 Horeischy Langes Assistent Hans Vollmar 8 Juni 1915 der zwar nicht zur Widerstandsgruppe gehorte sondern Nationalsozialist war aber fur die Teilnahme an dieser Aktion gewonnen werden konnte der desertierte Polizist Maximilian Slama und die chemische Assistentin Ingeborg Dreher 3 versuchten Lange an der Zerstorung zu hindern 4 Horeischy war nervos und bedrohte Lange mit einer Pistole 5 Als er einen Augenblick unaufmerksam war zog Lange seine eigene Pistole und erschoss ihn ohne Vorwarnung Nach einer Aktennotiz beim Volksgericht Wien 6 lud Lange nach einem langeren Wortwechsel zunachst ein das weitere Vorgehen in seinem Arbeitszimmer zu diskutieren und eroffnete dort angekommen das Feuer auf die Gruppe Als sich der aufgebrachte nicht bewaffnete 3 Hans Vollmar der mit Lange sogar befreundet war daraufhin auf Lange sturzte loste sich im Handgemenge ein Schuss und auch Vollmar starb noch im Institut wo die Leiche funf Tage an Ort und Stelle liegen blieb 3 Horeischy starb wenig spater im Hospital wie Vollmar an inneren Blutungen Die anderen Beteiligten flohen Lange zerstorte das Elektronenmikroskop und wurde bald darauf von der Polizei verhaftet Da er sich auf Befehlsnotstand berief kam er zwar zunachst wieder frei und setzte seine Zerstorungsarbeit fort 7 Er wurde aber spater nach der Besetzung durch die Sowjetunion vom NKWD verhort 6 Im August 1945 wurde Lange von der Staatsanwaltschaft angeklagt versuchter und vollendeter Mord und Beschadigung vom Staatseigentum und nach funf Prozesstagen am 15 September 1945 vom Volksgericht Wien wegen Mordes zum Tode durch den Strang verurteilt Im Prozess gab Lange an Horeischy aus Notwehr erschossen zu haben Vollmar aber nicht erschossen zu haben Unterstutzung erhielt er spater von seiner Ehefrau und vom Gefangnisgeistlichen der sogar einen Justizirrtum vermutete und deshalb entlassen wurde Das Gericht sah in ihm dagegen einen verstockten Fanatiker und glaubte ihm nicht 8 Eine am 31 Januar 1946 beantragte Begnadigung wurde abgelehnt Lange hatte aber noch einen Wiederaufnahmeantrag gestellt datiert vom 21 Januar Einen Tag vor Vollstreckung des Urteils beging er Suizid mit einer Zyankali Phiole 1947 wurde am Chemischen Institut eine Gedenktafel fur Horeischy und Vollmar angebracht Eingang in der Wahringer Strasse 42 Die Inschrift lautet 9 Am 5 April 1945 fielen in diesem Institut die Assistenten Dr Kurt Horeischy und Dr Hans Vollmar bei dem Versuch wertvolle Instrumente vor der Zerstorung durch die Nationalsozialisten zu retten Nach Horeischy ist die Horeischygasse in Hietzing benannt Schriften BearbeitenEinfuhrung in die physikalische Chemie Springer Verlag 1942Literatur BearbeitenStephanie Carla de la Barra Das Verbrechen ohne Rechtfertigung der Volksgerichtsprozess gegen Dr Jorn Lange und der Umgang der Universitat Wien mit den Opfern Dr Kurt Horeischy und Dr Hans Vollmar Master Arbeit Universitat Wien 2016 Veroffentlicht als Das Verbrechen ohne Rechtfertigung Mord an Uni Assistenten Der Strafprozess gegen Jorn Lange im September 1945 und die Erinnerungspolitik der Universitat Wien Mandelbaum Verlag 2018 ISBN 9783854768234 Mathias Luger Die Entwicklung der chemischen Institute der Universitat Wien im 20 Jahrhundert Diplomarbeit Universitat Wien 2011 Online Wolfgang Reiter Reinhard Schurawitzki Uber Bruche hinweg Kontinuitat Physik und Chemie an der Universitat Wien nach 1945 eine erste Annaherung in Margarete Grandner Gernot Heiss Oliver Rathkolb Zukunft mit Altlasten Die Universitat Wien 1945 1955 Innsbruck 2005 S 236 259 Personliches JORN LANGE In Physik Journal 4 1948 S 72 doi 10 1002 phbl 19480040207 Weblinks BearbeitenProzess gegen Dr Jorg Lange 1945 DoW LG Wien Vg 1a Vr 720 45Einzelnachweise Bearbeiten Lebens und Karrieredaten von Lange nach Mathias Luger Die Entwicklung der chemischen Institute der Universitat Wien im 20 Jahrhundert Diplomarbeit Universitat Wien 2011 S 79ff Luger Diplomarbeit Universitat Wien 2011 S 76 mit Fotos des tiefen Kellers und Auszug aus dem Roman von Simmel a b c d Zu den Geschehnissen am 5 April 1945 PDF 591 kB Universitat Wien abgerufen am 28 Januar 2020 Hoffmann Ostenhof war nicht anwesend da er bei seiner Frau im Hospital war wo sie ein Kind zur Welt brachte Widerstand am Chemischen Institut Wien 2018 PDF 138 kB Luger Diplomarbeit 2011 S 79 a b LG Wien Vg 1a Vr 720 45 Luger Diplomarbeit 2011 S 78 Dort abgebildeter Zeitungsausschnitt Personliches Jorn Lange Physikalische Blatter Februar 1948 Der Prozess gegen Dr Jorn Lange 1945 Dokumentationsarchiv des Osterreichischen Widerstandes DoWNormdaten Person GND 1224704150 lobid OGND AKS VIAF 4018161030924623920002 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Lange JornKURZBESCHREIBUNG deutscher ChemikerGEBURTSDATUM 8 November 1903GEBURTSORT SalzwedelSTERBEDATUM 21 Januar 1946STERBEORT Wien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Jorn Lange amp oldid 237942284