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Das Integrierte Fernmeldesystem kurz IFS war ein Schweizer Projekt unter der Federfuhrung der Schweizer Post Telefon und Telegrafenbetriebe kurz PTT Es hatte das Ziel eine Technologie fur ein auf der Puls Code Modulation kurz PCM basiertes Schweizer Fernmeldenetz zu entwickeln Das Projekt sollte die Marktfuhrerschaft der Schweiz im Hochtechnologiebereich fordern und der nationalen Fernmeldeindustrie den internationalen Durchbruch ermoglichen Das Projekt wurde bewusst nicht international aufgebaut Nur Schweizer Unternehmen wurden am Projekt beteiligt Die Projektvorbereitungen starteten am 27 November 1967 und das Vorhaben wurde 1983 als beendet erklart 1 Integriertes Fernmeldesystem Versuchsanlage 1982 Die Schweizer PTT war als Kunde federfuhrend im Projekt IFS Das Projekt endete erfolglos Es gelang den Ingenieuren nicht bis 1983 ein marktfahiges System zu entwickeln Es kostete die PTT und deren Partner rund 220 Millionen Franken 2 Ab 1984 beschaffte und verwirklichte die PTT ein alternatives Integriertes Fernmeldesystem unter Mitwirkung der international agierenden Unternehmen Ericsson ITT 3 und Siemens 1969 ware diese Vorgehensweise auf Ablehnung gestossen Eine intensive direkte Zusammenarbeit der PTT mit internationalen Unternehmen fur das helvetische IFS Gesamtvorhaben hatte sich damals fast schon des Verdachts eines Landesverrat ausgesetzt 4 5 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Projektphase I 1970 bis 1976 1 2 Projektphase II 1977 bis 1979 1 3 Projektphase III 1980 bis 1983 2 Grunde fur das Scheitern 3 Folgen des Scheiterns 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten1966 gab die US amerikanische Advanced Research Project Agency das ARPANET in Auftrag welches Computer miteinander verbinden sollte Dieses Arpanet inspirierte ab 1970 den gesamten Datenkommunikationsmarkt und war auch Basis des Internets Allerdings wurde dafur Daten Paketvermittlung gewahlt welche nicht der Leitungsvermittlung damaliger Fernmeldenetze fur Telefonie entsprach 6 Mehrere nationale Projekte fur digitale Fernmeldesysteme in Landern wie den Niederlanden Frankreich Deutschland England Schweden Italien Japan beruhten noch auf PCM fur die Telefonie dem Time Division Multiplexing TDM fur die Ubertragung und auf Leitungsvermittlungtechnik 7 Bis die Paketvermittlungstechnik auch fur die Telefonie verbreitet eingesetzt wurde dauerte es jedoch noch Jahrzehnte Es fehlte an den dafur notwendigen Ubertragungskapazitaten sowohl bezuglich Ubertragungsgeschwindigkeit wie auch Datenvolumen 8 Somit war zur Zeit des IFS das Arpanet und die aufkommende Internettechnik noch keine brauchbare Basis fur ein telefoniebasiertes Telekommunikationssystem Da die Schweizer PTT fruhzeitig an der praktischen Einfuhrung der PCM Technologie arbeitete 9 wurde diese Technologie fur ein landesweites Fernmeldenetz vorgeschlagen Wesentliche Vorarbeiten leisteten die PTT Ingenieure Walter Neu und Albert Kundig in einer Konzeptstudie welche 1968 veroffentlicht wurde Sie sprachen sich fur eine dezentrale Losung fur die neue digitale Leitungsvermittlung aus um getrennt davon die zentrale Systemsteuerung und Kontrolle auf einem kommerziell verfugbaren Computer durchzufuhren Auch machten sie konkrete Vorschlage fur die Synchronisation des Gesamtsystems unter Zuhilfenahme elektronischer Pufferspeicher 10 Am 27 November 1967 traf sich die PTT mit den ausgewahlten Vertretern der Schweizer Fernmeldeindustrie um das Projekt ins Leben zu rufen Beteiligt waren die Hasler Bern spater Teil von Ascom die Standard Telephone und Radio AG als Tochterfirma der amerikanischen ITT und die Siemens Albis Werke als Tochterfirma der deutschen Siemens Es sollte ein Ubertragungs und computergesteuertes Vermittlungssystem mit digitaler Durchschaltung entwickelt werden welches nicht nur einheitlich sondern auch schweizerisch sein sollte Im Sitzungsprotokoll stand Als Fernziel wird ein einheitliches schweizerisches PCM Ubertragungs und digitales Vermittlungssystem angestrebt Eingeladen zu diesem ersten Treffen wurden nur die gewunschten Partner welche eine am nationalen Milizsystem ausgerichtete Organisation schaffen sollten Die Unternehmen schlossen sich zur Arbeitsgemeinschaft Puls Code Modulation zusammen kurz AG PCM Die PTT ubernahmen anfanglich 40 der Entwicklungskosten der Partnerfirmen 11 Der offizielle Beginn des IFS Projektes erfolgte 1970 nach Vertragsunterzeichnung aller Beteiligten 12 Projektphase I 1970 bis 1976 Bearbeiten Als erstes Zwischenziel sollten die Anforderungen an das neue digitale System definiert werden insbesondere auch die Schnittstellen zur herkommlichen Analogtechnik 13 14 wobei Skeptiker innerhalb der PTT Organisation umfassende derartige Forderungen formulierten Im Gegensatz zu den erwahnten PTT Vorstudien wahlte man eine zentralisierte Systemstruktur 15 Um unterbruchsfreien Betrieb zu gewahrleisten wurde die sogenannte Mehrebenentechnik angestrebt 16 Dabei sollten die ubergeordneten Netzebenen in dreifacher Ausfuhrung fur Redundanz und Bewaltigung eines hohen Verkehrsvolumens sorgen Eine einfache Pilotanlage fur die digitale Vermittlung PCM modulierter Gesprache im Transitverkehr zwischen Zentralen sollte bis 1974 entwickelt werden Die gesamten Entwicklungskosten inklusive der spater vorgesehenen weiteren Schritte wurden 1970 auf 20 Millionen Franken veranschlagt Schon 1972 stellte man fest dass man die anstehenden Software Probleme mit der bisherigen Mannschaft alleine nicht meistern konnte Deshalb wurde die britische Softwarefirma Scicon beigezogen die Frist fur die erste Phase um drei Jahre verlangert und das Budget auf 30 Mio Franken erhoht 17 1976 konnte zwischen dem Quartieramt Bern Bollwerk und andern Amtern in der Region Bern mittels einer solchen digitalen Vermittlungszentrale in Bern Mattenhof Telefonverkehr wahrend mehrerer Monate mit beschrankter Kapazitat im Echtzeitbetrieb erfolgreich vermittelt werden Der Anschluss von Teilnehmerleitungen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht realisiert worden 18 Projektphase II 1977 bis 1979 Bearbeiten Auf Grund der Erfahrungen mit dem Pilotvermittler und den Entwicklungstrends im Ausland wurden die Anforderungen ans IFS uberarbeitet und erganzt insbesondere um den Teilnehmeranschluss die Ausbaufahigkeit fur den ISDN Betrieb und zentrale Betriebsfunktionen Dies machte eine Neuentwicklung der Hardwaremodule und der Software notwendig Auch zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen Business Plan welcher die revidierten Kostenschatzungen den Zeitplan und die Marktaussichten gesamthaft dargestellt hatte Die Zusammenarbeitsvertrage wurden verlangert Noch 1979 waren die Anforderungen ans System nicht definitiv festgelegt sodass die Entwicklung durch Berucksichtigung von Anderungswunschen verzogert wurde Externe Beratungsfirmen wurden beigezogen um den erreichten Stand zu beurteilen und Empfehlungen fur das weitere Vorgehen zu geben 19 Projektphase III 1980 bis 1983 Bearbeiten Die Systemkomplexitat und der zusatzlich notwendige Realisierungsaufwand fur eine Erstausfuhrung waren deutlich unterschatzt worden was eine Uberprufung durch Spezialisten der US amerikanischen Firma Computer Sciences Corporation ergab Die Auswirkungen des Mehrebenenkonzepts auf die Softwarekomplexitat des Gesamtsystems wurden erkennbar 20 Als Konsequenz wurde die Entwicklungsmannschaft auf insgesamt rund 280 Mitarbeiter aufgestockt wovon 67 von externen Firmen 21 der Zeitplan fur die Inbetriebnahme von IFS Transitzentralen bis 1986 verlangert das Budget auf 250 Mio Franken erhoht und der Projektleitung mehr Kompetenzen erteilt 22 Der Kostenanteil der PTT erhohte sich ab 1981 auf etwa 85 Prozent 23 Es stellte sich heraus dass die ursprunglich geforderte Ausbaufahigkeit fur einen spateren ISDN Betrieb im Rahmen dieser Projektphase aufgegeben werden musste Anstelle von neuen Digitalkonzentratoren wurden Analogkonzentratoren fur den Anschluss der Teilnehmerleitungen vorgesehen Gegen Ende dieser Phase wurde klar dass die Konkurrenzfahigkeit des IFS gegenuber auslandischen Entwicklungen nicht mehr gegeben war 24 Schon 1981 bestellte die PTT von Siemens ein in Deutschland entwickeltes und 1980 in Betrieb genommenes volldigitales Vermittlungssystem EWSD fur die internationale Zentrale in Zurich Herdern 25 Fur den Entscheid zum Abbruch des IFS Projektes im Sommer 1983 mitentscheidend war dass die erwartete Leistungsfahigkeit in Hinblick auf das wachsende Telefonverkehrsaufkommen wegen Schwachen des verwendeten Zentralrechners T203 der Firma Hasler unzureichend war auf Digitalkonzentratoren vorerst verzichtet wurde und die Exporttauglichkeit aufgegeben werden musste 26 Grunde fur das Scheitern BearbeitenWesentliche Grunde fur das Scheitern waren die markante Unterschatzung der Aufgabe und des Aufwandes die Projektverantwortung unter Leitung der PTT gemeinsam mit den drei Industriepartnern in einer losen Arbeitsgemeinschaft sowie mangelnde Erfahrung und zu wenig Fachleute fur die Entwicklung komplexer Software 27 Allerdings litten auch vergleichbare auslandische Projekte einzelner Grossunternehmen unter massiven Budgetuberschreitungen 28 29 Bei der Definition der Anforderungen und dem System Design gab es Unsicherheiten und Spannungen unter den Partnern Die unterschiedlichen Interessen der Partnerfirmen zeigten sich beim Beharren der Firma Hasler auf die Verwendung des in der Schweiz fur das Telexnetz entwickelten Rechners 30 fur welchen kein geeigneter Compiler fur eine Hohere Programmiersprache sondern nur Programmierung in Assemblersprache zur Verfugung stand und dem im Laufe der Zeit zunehmend von den auslandischen Mutterhausern Siemens und ITT beeinflussten Verhalten ihrer IFS Teams 31 Wahrend der zu langen Projektdauer entwickelte sich die Mikroelektronik rasch 32 sodass Hardwarenachentwicklungen notwendig wurden 33 Behindernd war auch dass funf aufeinander folgende Projektleiter sich ablosten und Fachspezialisten gesucht und integriert werden mussten 34 Der Beizug externer Unternehmen zur Projektbeurteilung und Beratung fuhrten ebenfalls zu Verzogerungen Entscheidend war jedoch das die Wirtschaftlichkeit fur den relativ kleinen Schweizermarkt in Hinblick auf die noch notwendigen Weiterentwicklungen und den Verlust der internationalen Wettbewerbsfahigkeit nicht mehr vorhanden war 35 Viele waren sich in der Beurteilung einig dass das Projekt IFS fur die Schweiz schlicht einen Nummer zu gross war 36 Folgen des Scheiterns BearbeitenEinen Vorteil hatte das Projekt Die beteiligten Unternehmen und die PTT hatten Erfahrungen im Gebiet digitaler Netze gesammelt die sie beim Aufbau eines Netzes bestehend aus Komponenten internationaler Unternehmen verwenden konnten So konnten die Anpassungen der von der PTT nach dem Scheitern des IFS gewahlten auslandischen Systemlosungen Siemens EWSD ITT System 12 und Ericsson AXE an die helvetischen Anforderungen zugig verwirklicht werden 37 Das Siemens System entwickelte sich zum weltweit meistverkauften Festnetz Vermittlungssystem und gilt als Vorreiter fur die Integration von Sprach Text Bild und Datenvermittlung im offentlichen Telefonnetz 38 39 Allerdings dauerte es noch Jahre bis diese drei Systeme voll ISDN tauglich bei der PTT zum Einsatz kamen 40 Bis in die 1980er Jahre mussten sich angehende Elektroingenieure der Eidgenossischen Technischen Hochschule Zurich nur am Rande mit Programmierung beschaftigten 1971 wurde der leitende Ausschuss des IFS Projekts bei der ETH vorstellig und regte an in der Ingenieursausbildung vertiefte Informatikkentnisse zu vermitteln Doch die ETH reagierte vorerst ablehnend obschon bereits einzelne ETH Professoren auf dem Gebiet der Informatik tatig waren wie beispielsweise der Compiler Pionier Heinz Rutishauser Eine formale Berufsausbildung zum Informatiker gab es an der ETH Zurich erst ab 1981 41 Ende der 1970er Jahre wurde an der Universitat Bern eine Professur fur Informatik geschaffen 42 Federfuhrend dabei war die Hasler AG welche besonders am Fehlen geeigneter Softwareentwickler litt Fur das IFS Projekt kam das Umdenken jedoch zu spat Das IFS Projekt setzte aber wichtige Impulse Aufgrund des Projektes wurde von Hansjurg Mey Direktor der Hasler AG die Software Schule Schweiz in Bern gegrundet 43 Weblinks BearbeitenIntegriertes Fernmeldesystem Unterlagen der Arbeitsgemeinschaft Puls CodeModulation AG PCM und Unterlagen der schweizerischen Post Telefon und Telegrafenverwaltung PTT zum PCM Projekt 1965 1993 ETH Bibliothek Archive und Nachlasse Zurich 2007 Einzelnachweise Bearbeiten Beat Bachi BB Kommunikationstechnologischer und sozialer Wandel Der schweizerische Weg zur digitalen Kommunikation 1960 1985 Research Collection ETH Zurich Institut fur Technikgeschichte 2001 Rudolf Trachsel RT1 Vermittlungstechnik 1980 1992 IFS stibt In Ein halbes Jahrhundert Telekommunikation in der Schweiz Sauerlander 1993 ISBN 3 7941 3680 2 S 122 PTT bestellt System 12 bei STR Computerwoche 6 April 1984 David Gugerli DG1 Die Entwicklung der digitalen Telefonie 1960 1985 In Thomas Hengartner und Kurt Stadelmann Hrsg Telemagie 150 Jahre Telekommunikation in der Schweiz Chronos Verlag Zurich 2002 ISBN 3 0340 0563 6 S 167 David Gugerli DG2 Steiniger Weg ins digitale Zeitalter Internationale Integration Neue Zurcher Zeitung 5 Januar 2002 David Gugerli DG3 Nicht uberblickbare Moglichkeiten kommunikationstechnischer Wandel als kollektiver Lernprozess 1960 1985 Eidgenossische Technische Hochschule Institut fur Geschichte Technikgeschichte Preprints zur Kulturgeschichte der Technik Band 15 Zurich 2001 DG1 S 156 Rudolf Trachsel RT2 Ubertragungstechnik 1970 1979 In Ein halbes Jahrhundert Telekommunikation in der Schweiz Sauerlander 1993 ISBN 3 7941 3680 2 S 97 33 PTT Jahresbericht 1970 S 29 Walter Neu und Albert Kundig Project for a digital telephone network In IEEE Transaction on Communications Technology Nr 5 1968 S 633 648 RC1 S 120 Rudolf Trachsel RT3 Der Leidensweg des IFS In Ein halbes Jahrhundert Telekommunikation in der Schweiz Sauerlander 1993 ISBN 3 7941 3680 2 S 76 DG1 S 162 RC1 S 119 DG1 S 163 164 RT1 S 119 Beat Bachi Schweizerischer Weg zur digitalen Kommunikation ETH Zurich Seite 54 Richard Cop RC1 Im Netz gefangen Telekommunikation in der Schweiz Geschichte und Perspektiven einer Technik im Wandel Chronos Verlag Zurich 1993 S 119 120 Peter Bachofner PB Warum die Entwicklung des integrierten Fernmeldesystems IFS scheiterte In Ein halbes Jahrhundert Telekommunikation in der Schweiz Sauerlander 1993 ISBN 3 7941 3680 2 S 327 PB S 330 RC1 S 123 PB S 328 RC1 S 123 RC1 S 124 125 RT1 S 119 RT1 S 120 121 PB S 328 331 PB S 329 RC1 S 130 RT1 S 121 RC1 S 123 DG1 S 160 PB S 330 Mangel an qualifizierten Arbeitskraften ETHistory Amtliches Bulletin der Bundesversammlung Nationalrat 84 025 1984 Carl Wild IFS Verzicht kein nationales Ungluck In Der Bund 19 August 1983 S 17 DG2 Internationale Integration 125 Siemens in der Schweiz S 62 Siemens in der Schweiz seit 1894 Siemens 1980 Wegbereiter fur ISDN RT1 S 121 Entwicklung des Departements Informatik inf ethz ch abgerufen am 23 April 2021 Zu Emeritierung von Prof Hansjurg Mey Universitat Bern Institut fur Informatik 1999 Hansjurg Mey Technik Verstandnis als vernachlassigter Teil der Allgemeinbildung Werkspuren 2 2004 S 10 19 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Integriertes Fernmeldesystem amp oldid 237747689