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Die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung ist eine Theorie der allgemeinen Psychologie Sie wurde von Jerome Bruner in den Jahren 1951 Erstveroffentlichung 1951 mit L Postman bis 1957 aufgestellt und erklart Wahrnehmungen durch den Einfluss von Erwartungen Hypothesen englische Fachbegriffe perceptual set oder cognitive predisposition sind in diesem Zusammenhang Wahrnehmungserwartungen die sich durch vergangene Erfahrungen gebildet haben Inhaltsverzeichnis 1 Zusammenfassung der Brunerschen Erkenntnistheorie 2 Was bewirkt Hypothesenstarke 3 Wodurch wird Hypothesenstarke bewirkt 4 Literatur 5 EinzelnachweiseZusammenfassung der Brunerschen Erkenntnistheorie BearbeitenNach Bruner beginnt jeder Wahrnehmungsvorgang mit einer Hypothese die Vorhersagen daruber beinhaltet welche Ereignisse eintreffen werden In einem zweiten Schritt der Wahrnehmung kommen Informationen durch die Umwelt hinzu Die Erwartungen aus der Anfangshypothese werden mit den Informationen aus der Umwelt verglichen Wenn die Hypothese widerlegt wird beginnt der Prozess aufs Neue ansonsten ist der Vorgang abgeschlossen 1 2 Weil die Hypothese daruber entscheidet worauf sich die Aufmerksamkeit beziehen soll wird nicht nur das was gesehen wird sondern auch die Interpretation des Wahrgenommenen durch die Hypothese beeinflusst Deshalb bestimmen Hypothesen in massgeblicher Weise Selektions sowie Inferenzprozesse und sind sogar bis zu einem gewissen Grad handlungsleitend 3 Die Hypothesentheorie ist eine kognitive Theorie der sozialen Wahrnehmung weil sie Denken Erinnern und Wahrnehmen in Bezug setzt Die Hypothesen sind in kognitive Landkarten integriert und setzen sich aus Erfahrungen und fruheren Wahrnehmungen zusammen 4 Die Hypothesenstarke ist der zentrale Begriff der Theorie Was bewirkt Hypothesenstarke BearbeitenDie folgenden Annahmen beschreiben die Hypothesenstarke als unabhangige Variable Je starker eine Hypothese ist desto grosser ist die Wahrscheinlichkeit dass sie aktiviert wird priming und sich dispositiv auf die Verhaltensweisen auswirkt Je starker eine Hypothese ist desto geringer ist die zur Bestatigung notwendige Menge an unterstutzenden Reizinformationen Je starker eine Hypothese ist desto grosser muss die Anzahl widersprechender Stimulus Informationen sein damit die Hypothese verworfen wird Anderungsresistenz Daraus kann gefolgert werden dass die starkste Hypothese bei der jeweiligen Wahrnehmungssituation herangezogen wird und schwache Hypothesen verdrangt werden Weil der Zustand der Ubereinstimmung von Reizinformation und Erwartung als Gleichgewicht interpretiert werden kann werden durch die Hypothesentheorie Aspekte der Konsistenztheorien berucksichtigt Bis es zu diesem Zustand des Gleichgewichts kommt kann es aber sein dass Hypothesen geandert werden mussen oder eine Umbewertung der Informationen stattfindet 5 Im Allgemeinen wird an Hypothesen festgehalten nachdem sie gebildet worden sind Dann besteht eine Tendenz zur Hypothesenbestatigung weil Menschen sich besser an Informationen erinnern wenn diese mit den vorgefassten Hypothesen konsistent sind konfirmatorischer Zwang 6 7 Hypothesen die okologisch valide sind allgemein fur wahr gehalten oder zumindest akzeptiert werden konnen durch ihre Dominanz zu Fehlurteilen fuhren Dies zeigt auch ein Versuch von Bruner Postman und Rodrigues 1950 bei dem die Farben von Obst und Gemuse verandert wurden Die Versuchspersonen verschoben die Farben in Richtung ihrer Erfahrungen Wodurch wird Hypothesenstarke bewirkt Bearbeiten1951 hat Bruner funf Annahmen uber die Hypothesestarke als abhangige Variable aufgestellt Je haufiger eine Hypothese bestatigt wurde desto starker wird sie Je grosser die Anzahl verfugbarer Alternativhypothesen in der Wahrnehmungssituation ist desto schwacher ist die Anfangshypothese Je grosser die motivationale Unterstutzung fur eine Hypothese ist desto starker ist sie Je grosser die kognitive Unterstutzung der Hypothese ist desto starker ist sie Je starker die soziale Unterstutzung Affirmation fur eine Hypothese ausfallt desto gefestigter ist sie Daraus lassen sich folgende Schlusse ziehen Eine hohe Anzahl an konkurrierenden Hypothesen schwacht die Starke der jeweiligen Hypothese ab In diesem Fall sind mehr Reizinformationen notwendig um eine Hypothese zu festigen Jeder motivationale oder emotionale Einfluss kann sich auswirken Dabei ist die Bedeutung dieser Variablen kaum einzugrenzen Emotionen konnen die Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung lenken aber auch von anderen Dingen ablenken Innerhalb eines Hypothesensystems besteht ein Begrundungszusammenhang sodass bei der Anderung einer Hypothese das gesamte Hypothesensystem geandert werden musste Dies versucht das Individuum zu vermeiden indem es die Hypothesen bestatigt Es ist dem Individuum aber auch moglich Einflussen nachzugeben ohne seine Hypothesen zu verandern 8 Nach Festinger 9 10 entsteht nur dann Dissonanz also eine stresshaft erlebte Bedrohung des Selbstwertes wenn es der Person nicht gelingt das Verhalten aus ihrem Hypothesensystem zu begrunden Soziale Einflusse konnen gerade bei fehlenden Informationen bzw Bewertungsstandards eine Hypothese bestatigen Nach der Theorie sozialer Vergleichsprozesse von Festinger 11 haben Individuen das Bedurfnis ihre Meinung mit anderen zu vergleichen Wenn keine sozialen Vergleiche moglich sind kommt es zu labilen Meinungen Literatur BearbeitenW Lilli D Frey Die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung In Theorien der Sozialpsychologie Band 1 1993 S 49 78 L Postman J S Bruner Die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung In Kognitive Theorien der Sozialpsychologie 1982 S 19 48 W Lilli Die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung In D Frey Hrsg Kognitive Theorien der Sozialpsychologie Hans Huber Bern 1979 J S Bruner L Postman An approach to social perception In W Dennis R Lippitt Hrsg Current trends in social psychology University of Pittsburgh Press Pittsburgh 1951 S 71 118 J S Bruner On perceptual readiness In Psychological review 1957 J S Bruner Personality dynamics and the process of perceiving In R R Blake G V Ramsey Hrsg Perception an approach to personality The Ronald Press New York 1951 S 121 147 Einzelnachweise Bearbeiten W Lilli Hypothesentheorie der Wahrnehmung In D Frey S Greif Hrsg Sozialpsychologie Ein Handbuch in Schlusselbegriffen Urban amp Schwarzenberg Munchen 1994 C F Graumann Social perception Die Motivation der Wahrnehmung in neueren amerikanischen Untersuchungen In Zeitschrift fur experimentelle und angewandte Psychologie 1956 G Wiswede Sozialpsychologie Lexikon Oldenbourg Munchen 2004 E C Tolman Cognitive maps in rats and men In Psychological Review 1948 Lilli 1978 E Cohen The propaganda of saints in the middle ages In Journal of Communication 1981 J W Howard M Rothbart Social categorization and memory for in group and out group behavior In Journal of Personality and Social Psychology 1980 W Lilli D Frey Die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung In D Frey M Irle Hrsg Theorien der Sozialpsychologie 2 Auflage Hans Huber Bern 1993 S 49 78 L Festinger A theory of cognitive dissonance Stanford University Press Stanford CA 1957 L Festinger Conflict decision and dissonance Stanford University Press Stanford CA 1964 L Festinger A theory of social comparison processes In Human Relations 1954 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung amp oldid 234244290