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Die Herausforderungsformel ist ein Haftungsmassstab der durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes BGH im Rahmen der deliktsrechtlichen Verkehrspflichten entwickelt worden ist Angewendet wird er auf die sogenannten Herausforderungsfalle im Rahmen der erweiterten Haftung nach 823 Absatz 1 BGB Diese charakterisieren sich dadurch dass das Handeln eines Schadigers erst uber den Umweg eines vom Schadiger nicht gewollten Entschlusses des Geschadigten oder eines Dritten zum Schaden fuhrt 1 Danach kann jemand der durch vorwerfbares Tun einen anderen zu selbstgefahrdendem Verhalten herausfordert diesem anderen dann wenn dessen Willensentschluss aus einer mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation beruht aus unerlaubter Handlung zum Ersatz des Schadens verpflichtet sein der infolge des durch die Herausforderung gesteigerten Risikos entstanden ist BGH NJW 2012 1951 Ein Beispielfall soll das verdeutlichen Verkehrsteilnehmer S flieht in grob fahrlassiger Manier mit Hochstgeschwindigkeit vor einer Polizeikontrolle Bei der Fluchtfahrt verletzt er die Polizistin P woraufhin ihre Kollegen die Verfolgung aufnehmen Nach wilder Fahrt wird S von der Polizei gewaltsam gestoppt Anlasslich dieses Ereignisses werden durch die Polizeifahrzeuge mehrere andere Fahrzeuge beschadigt 2 Es stellt sich die Frage ob das Handeln des S kausal fur den angerichteten Schaden an den Fahrzeugen war sodass ihm dieser zugerechnet werden kann Nach den Grundsatzen der die Fragen der Kausalitat und Zurechnung eingrenzenden Adaquanztheorie des Zivilrechts konnte gefolgert werden dass dem Schadiger S ein Haftungsvorwurf nicht gemacht werden kann weil der entstandene Schaden aus dem Blickwinkel der normalen objektiven Lebensanschauung ausserhalb jeder Erfahrung und Erwartung liegt und S die Fahrzeuge nicht selbst beschadigt hat Eine Haftung aus 823 Absatz 1 BGB ware zu versagen Zur Losung eines derartigen Falles wird also uberpruft ob der eingetretene Verletzungserfolg noch im Bereich des Schutzzwecks der Norm des 823 BGB liegt und dem Schadiger haftungsbegrundend zugerechnet werden kann 1 Haftungsanspruche knupft der BGH an folgende Voraussetzungen Herausforderungstypisch ist es wenn durch die Verfolgung ein erhohtes Risiko fur die Rechtsguter des Verfolgers oder Dritter geschaffen worden ist was im Rahmen der zu berucksichtigenden Eilerfordernisse vernunftig und angemessen abgewagt werden muss 3 Die fur Verfolger oder Rettungsfalle typische Reaktion des Verfolgers entsteht durch das Verhalten des Verfolgten weil sie herausgefordert worden ist und zur Aufnahme der Verfolgung fuhrt Insoweit liegt dann eine billigenswerte Reaktion auf ein aussergewohnliches Handlungsmuster vor Der Verfolgte wiederum rechnet subjektiv damit dass er verfolgt wurde und weiss um ein eintretendes erhohtes Lebensrisiko Zur Abgrenzung Eine Haftung liegt selbst aus 7 StVG dann nicht vor wenn der Verfolgte die Verfolgung nicht bemerken konnte 4 Unter den genannten Voraussetzungen erkennt der BGH bei Herausforderungsfallen die sogenannte psychische Kausalitat an die entsprechend zur Zurechnung des Tatgeschehens fuhrt 5 Literatur BearbeitenHeinz Koriath Kausalitat Bedingungstheorie und psychische Kausalitat Universitat Gottingen Dissertation 1986 Schwartz 1988 ISBN 3 509 01452 9 Dirk Looschelders Die Mitverantwortlichkeit des Geschadigten im Privatrecht Jus Privatum 38 Mohr Siebeck Tubingen 1999 Habilitationsschrift ISBN 3 16 147168 7 S 432 ff Dieter Medicus Burgerliches Recht Eine nach Anspruchsgrundlagen geordnete Darstellung zur Examensvorbereitung Heymanns Koln 1968 23 neu bearbeitete Auflage mit Jens Petersen Vahlen Munchen 2011 ISBN 978 3 8006 3908 3 S 338 ff Fedor Strasser Die Zurechnung von Retter Flucht und Verfolgerverhalten im Strafrecht Zugleich Universitat Konstanz Dissertation 2007 Duncker amp Humblot Berlin 2008 ISBN 978 3 428 12785 6 Min Zhang Aktiv psychische Kausalitat im Deliktsrecht Dissertation Georg August Universitat zu Gottingen 2015 Duncker amp Humblot Berlin 2016 ISBN 978 3 428 54847 7 Anmerkungen Bearbeiten a b Dieter Medicus Burgerliches Recht 19 Aufl Carl Heymanns Verlag Koln 2002 ISBN 3 452 24982 4 25 II Nr 7 Fall verkurzt nach BGH NJW 2012 1951 BGHZ 57 25 ff 31 und BGHZ 132 164 BGH NJW 1993 2234 BGH NJW 1990 2285 weitere Falle mit unterschiedlichem Ausgang BGHZ 58 162 sogenannter Gehwegfall Beschadigung eines Gehwegs durch Kraftfahrzeuge die eine Unfallstelle umfahren der BGH verneint mangels Herausforderung die Haftung der Unfallverursacher und BGHZ 63 189 Jugendarrestfall Minderjahriger entzieht sich der polizeilichen Festnahme durch Sprung aus dem Toilettenfenster woraufhin ihn ein Polizist verfolgt und sich verletzt in der Literatur sehr umstritten blieb das Ergebnis des BGH dem Minderjahrigen das Verfolgungsrisiko aufzuburden zumal der BGH in ahnlichen Fallen umgekehrt entschieden hatte vgl BGH NJW 1971 1982 1976 568 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Herausforderungsformel amp oldid 211338139