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Der Grossbrand von Herborn wurde am 7 Juli 1987 gegen 21 Uhr durch den Unfall eines Tankwagen Sattelzuges ausgelost Dabei kamen in der hessischen Stadt Herborn Lahn Dill Kreis sechs Menschen ums Leben und 38 wurden verletzt Zwolf Hauser brannten ab und 44 Menschen verloren dadurch ihre Wohnungen Reste der Sattelzugmaschine des in Herborn verunfallten Tankwagens von vorneInhaltsverzeichnis 1 Unfallhergang 2 Rettungs und Bergungsmassnahmen 3 Strafrechtliche Aufarbeitung 4 Ursachen 5 Folgen 5 1 Strassenbau 5 2 Lkw Entwicklung 6 Literatur 7 Siehe auch 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseUnfallhergang BearbeitenAm Abend des 7 Juli 1987 befuhr ein funfachsiger Sattelzug aus Koblenz die Bundesstrasse 255 in Richtung Osten Der Sattelauflieger war mit 28 000 Litern Benzin und 6 000 Litern Dieselkraftstoff beladen Etwa drei Kilometer vor Herborn beginnt ein achtprozentiges Gefalle das der Fahrer des Sattelzuges kannte Er plante deshalb Herborn uber die BAB 45 zu umfahren Da die Bremsen des Lkw versagten gelang es ihm jedoch nicht mit verringerter Geschwindigkeit in die Autobahnauffahrt einzubiegen Er rollte mit dem Lkw weiter bergab in die Stadt hinein In der Innenstadt an der Kreuzung Westerwaldstrasse Hauptstrasse kippte der Sattelzug in einer Kurve aufgrund zu hoher Geschwindigkeit um 20 43 Uhr vor einer Eisdiele um und rutschte noch ca 20 m auf der Strasse weiter 1 Das Eiscafe war an dem warmen Sommerabend gut besucht Die im oberen Stockwerk des Gebaudes liegende Pizzeria war geschlossen Wahrend Passanten den Fahrer des Lkw aus dem Fuhrerhaus befreiten liefen mehrere tausend Liter Benzin aus und uber die Strasse in das Lokal und die Kanalisation Etwa drei Minuten nach dem Unfall kam es zur Zundung des Treibstoff Gemisches 2 Nachdem der Fahrer des Lkw aus dem Fuhrerhaus befreit war warnte er die Passanten vor einer Explosion und forderte die Menschen auf den Unglucksort zu verlassen Einige nahmen die Warnungen des Fahrers jedoch nicht ernst und blieben Kurz darauf erschutterten Explosionen die gesamte Altstadt Kraftstoffdampfe explodierten in der Kanalisation mehrere Hausfassaden sturzten ein und Kanaldeckel flogen noch in 700 m Entfernung hoch Autos wurden umgerissen und die Oberflache des nahe gelegene Fluss Dill stand teilweise in Flammen Zwolf Hauser brannten vollstandig aus Rettungs und Bergungsmassnahmen BearbeitenUm 20 59 Uhr wurde Katastrophenalarm ausgelost Ernst Achilles Direktor der Branddirektion Frankfurt am Main war zum Ungluckszeitpunkt zufallig in der Nahe und kam durch die Radiomeldungen informiert sofort zum Unglucksort Die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Herborn hatte an jenem Dienstag ihren Ubungs und Kameradschaftsabend Daher konnten die ersten Feuerwehrleute schon etwa vier Minuten nach dem Ungluck an der Einsatzstelle eintreffen Zur Unterstutzung der ortlichen und umliegenden Feuerwehr und Katastrophenschutzkrafte u a die THW Ortsverbande von Dillenburg und Solms waren vor Ort alarmierte Achilles auch die Berufsfeuerwehr der 100 km entfernten Stadt Frankfurt die unter seiner Leitung mit Spezialgerat Unterstutzung leistete Insgesamt waren uber 500 Feuerwehrleute eingesetzt 3 Gegen 01 30 Uhr waren die akuten Brandherde so weit geloscht dass mit den Bergungsarbeiten begonnen werden konnte Funf Menschen starben unmittelbar durch die Flammeneinwirkung oder unter den Trummern Eine Frau erlag in der Aufregung einem Herzinfarkt Sieben Brandopfer konnten sofort gerettet und in Kliniken transportiert werden Insgesamt gab es 38 Verletzte Die Versorgungsbetriebe stellten die Gasversorgung und teilweise die Stromversorgung sowie Teile des Telefonnetzes ab um die Explosionsgefahr zu reduzieren In Radiohinweisen und Fernseheinblendungen der offentlich rechtlichen Sendeanstalten wurden die Einwohner der Stadt auf die Explosionsgefahren hingewiesen und aufgefordert Fenster und Turen geschlossen zu halten Der Einsatz der Rettungs und Bergungskrafte dauerte bis zum Morgen des 9 Juli 4 Zur Berichterstattung kamen bis zu 800 Journalisten in den Ort Am zweiten Tag wurde der ausgebrannte Tanklastzug mit zwei Autokranen auf einen Sattelauflieger gehoben und auf das Gelande der Daimler Benz Niederlassung in Dillenburg gebracht 5 Dort konnten Mitarbeiter den Lkw unkontrolliert demontieren weil nicht wegen der EPS siehe unten ermittelt wurde 6 Die defekten Bremsen des Aufliegers wurden von Daimler Benz Mitarbeitern ausgebaut und untersucht 7 Strafrechtliche Aufarbeitung Bearbeiten nbsp Reste des Zugmaschinen Fahrgestells des in Herborn verunfallten TankzugesIn dem auf das Ungluck folgenden Strafverfahren sprach das Landgericht Limburg nach einem elfmonatigen Prozess am 17 Januar 1990 das Urteil Der Spediteur wurde zu einer zweieinhalbjahrigen Haftstrafe und der Fahrer zu einer eineinhalbjahrigen Haftstrafe auf Bewahrung verurteilt Als Ausloser des Unglucks wurden uberhitzte verschlissene Bremsen sowie die wissentliche Inbetriebnahme des nicht mehr verkehrssicheren Fahrzeugs festgestellt Der Spediteur habe sich sogar uber die Bedenken seines Werkstattleiters hinweggesetzt und die Fahrt angeordnet so das Gericht Auch habe der Fahrer kurz vor dem Ungluck eine Pause gemacht ratlos die qualmenden Bremsen begutachtet und sich fur die Weiterfahrt entschieden Das Urteil wurde durch den Bundesgerichtshof bestatigt Die in Zusammenhang mit der Gefallestrecke fehlende Notfallspur und das fehlende Gefahrstoffverbot fur die Ortsdurchfahrt fuhrte zu keiner Anklage von Vertretern der Strassenbaubehorde wegen falscher Risikoeinschatzungen Mangels Bau und Zulassungsvorschriften fur Schaltgetriebe konnten auch keine Mercedes Ingenieure zur Verantwortung gezogen werden 8 Ursachen BearbeitenErste Brems und Schaltprobleme traten schon wahrend der Fahrt auf worauf der Fahrer anhielt das Fahrzeug begutachtete und sich danach fur die Weiterfahrt entschied 9 Er gab in den Ermittlungen weiterhin an auf der Gefallestrecke geblieben zu sein da er nach dem Gefalle wieder auf eine Steigung hoffte Mangelnde Streckenkenntnis ein fehlender Bremsnachsteller die topografischen Verhaltnisse damals noch fehlende Notfallspuren Gefahrstoffverbote und Gewichtsbeschrankungen fur die Ortsdurchfahrt fuhrten zu einer Verkettung der Umstande und zu dem Ungluck Weil der Fahrer angab dass er in der Gefallestrecke nicht mehr herunterschalten und den Motorbremseffekt nutzen konnte wurde im Rahmen der Ermittlungen anfangs auch die damals neue und noch storungsbehaftete elektropneumatische Schaltung mit der die Zugmaschine vom Typ Mercedes Benz 1635 S ausgerustet war als mogliche Ursache untersucht Die Getriebesteuerung war so programmiert dass das Einlegen eines Ganges der eine zu hohe Drehzahl des Motors zur Folge gehabt hatte von der Elektronik verhindert wurde Das Getriebe befand sich danach im Leerlauf und nahm keinen anderen Gang mehr an somit entfiel bauartbedingt die Bremswirkung des Motors Im Falle eines Elektronikausfalls kann nur durch den Stillstand des Lkw ggf auch durch Abstellen der Zundung das Funktionieren der Schaltung wiederhergestellt werden da die Elektronik wie ein PC neu gebootet werden muss Damit fehlte also die Moglichkeit im Falle eines Bremsversagens wahrend der Fahrt die Motorbremse zu verwenden und damit ein Sicherheitssystem Diese Aussage wurde zunachst von dem an der Unfallaufklarung beteiligten Sachverstandigen Breuer Professor fur Fahrzeugtechnik an der Technischen Hochschule Darmstadt gestutzt der angab dass der Fahrer mit einem handgeschalteten Getriebe den Ausfall der Radbremsen hatte kompensieren konnen indem er die wahrend der Vollbremsung erreichte Minimalgeschwindigkeit mindestens gehalten hatte 10 Daher konnte der Sattelzug zwar anfangs noch mit der Druckluftbremsanlage abgebremst werden wegen des hohen Gesamtgewichtes der inzwischen zu hohen Geschwindigkeit und des erheblichen Gefalles kam es jedoch zu einer Uberhitzung Bremsfading 11 Die herkommlichen Lkw Schaltungen bei unsynchronisierten Getrieben lassen beim dementsprechenden hohen Uberdrehen des Motors eine Schaltung in einen niedrigen Gang auch nicht mehr zu da die Vorgelegewelle des Getriebes nicht uber die Abregeldrehzahl des Motors beschleunigt werden kann wobei aber eine etwas hohere Gangstufe noch moglich bleibt Nach anfanglichen Ermittlungen gegen Daimler Benz als Fahrzeughersteller konnte kein hinreichender Beweis fur eine Fehlfunktion der EPS erbracht werden Auch wenn Storungen an diesen Schaltungen anfangs recht haufig auftraten und Fahrer vielfach mit der neuen Bedienungsweise uberfordert waren 12 sind die diversen Schalthilfen von Daimler Benz Sprintshift Telligent MPS auch heute noch dahingehend programmiert den Antrieb schadigende Schaltwunsche wie das Uberspringen mehrerer Gange oder das Schalten in den Uberdrehzahlbereich nicht zuzulassen Obwohl die erhebliche Fehleranfalligkeit des EPS Systems durch eine hohe Reklamationszahl schon vor dem Unfall dem Hersteller bekannt war wurde keine Anklage gegen ihn erhoben Die Aussage des Daimler Benz Direktors Ernst Gohring dass es eine mangelhafte elektromagnetische Vertraglichkeit der elektropneumatischen Schaltung gegeben hatte verfolgte das Gericht nicht weiter 13 Ein Unternehmen ist strafrechtlich in Deutschland nicht deliktfahig fur eine strafrechtliche Ahndung hatte einzelnen Mitarbeitern von Daimler Benz ein grob fahrlassiges oder vorsatzliches Verhalten nachgewiesen werden mussen beispielsweise gegen Bauartvorschriften verstossen zu haben indem Parameter wie Gefallestrecke und Ausfall der Betriebsbremsen bei Programmierung der Schaltung nicht ausreichend berucksichtigt wurden Da es im Gegensatz zu Teilen wie Beleuchtung fur Fahrzeuggetriebe keine Bauartvorschriften gibt 14 fehlt es an einer Rechtsgrundlage fur eine mogliche Strafbarkeit Folgen Bearbeiten nbsp Reste des Aufliegers des in Herborn verunfallten LKW im DASA Museum DortmundDer Unfall loste in der Bundesrepublik eine Debatte uber Gefahrguttransporte aus Der damalige Bundesverkehrsminister Jurgen Warnke kundigte verscharfte Sicherheitsbestimmungen und Kontrollen an Strassenbau Bearbeiten Bald danach wurde in Herborn auf der Westerwaldstrasse Stadtkern und Haupteinfallstrasse von der A 45 die auch der verungluckte Tanksattelzug genommen hatte in Hohe des Sportplatzes eine Notfallspur 50 6767179 8 2916794 15 eingerichtet und ein Verbot fur Lkw uber 7 5 Tonnen verhangt woran sich jedoch nicht alle Lkw Fahrer hielten Nach einem erneuten Lastkraftwagenungluck im Jahr 1993 wurde der Notfallspur eine enge Linkskurve vorangesetzt die nur mit geringer Geschwindigkeit Geschwindigkeitsbegrenzung 30 km h durchfahren werden kann schnellere Fahrzeuge gelangen zwangsweise in ein Kiesbett Nach dem Umbau der Anschlussstelle Herborn West der A 45 wurde die B 255 durch eine Verschwenkung so verandert dass der von Westen Richtung Stadtgebiet kommende Kfz Verkehr zunachst gemeinsam mit dem Richtungsfahrstreifen zur A 45 in einer Rechtskurve auf die Autobahnauffahrt gefuhrt und dann als Linksabbiegespur wieder auf die Westerwaldstrasse verschwenkt wird Fahrzeuge mit uberhohter Geschwindigkeit werden so auf den Standstreifen der Autobahn umgeleitet wo sie gefahrlos ausrollen konnen Dieser Verschwenkung folgt die oben erwahnte Notfallspur Lkw Entwicklung Bearbeiten Viele Hersteller von Lkw und Tankaufliegern arbeiteten daran ihre Fahrzeuge sicherer zu gestalten Neben ABS und ASR wurden beruhrungs und verschleissfrei arbeitende Bremssysteme wie Retarder und Intarder entwickelt Unter der Bezeichnung TOPAS Abkurzung fur Tankfahrzeug mit optimierten passiven und aktiven Sicherheitseinrichtungen war schon zuvor ein Tankauflieger mit zahlreichen technischen Neuerungen wie einem doppelwandigen Tankaufbau und einem tiefergelegten Schwerpunkt vorgestellt worden Als Basisfahrzeug diente eine Sattelzugmaschine des Typs Mercedes Benz 1635 S mit EPS die baugleich mit dem verungluckten Sattelzug war Viele der technische Neuerungen des TOPAS wie eine Matrixanzeige die dem ruckwartigen Verkehr das Ausscheren des Sattelzuges in Kurven anzeigt eine automatische Feuerloschanlage oder seitliche Kameras die dem Fahrer einen Rundumblick ermoglichen wurden in spateren Serienfahrzeugen nicht realisiert da der TOPAS Auflieger etwa 150 000 DM ca 75 000 Euro teurer war als gleichartige Tankfahrzeuge ohne diese Sicherheitseinrichtungen Merkmale wie der tiefliegende Schwerpunkt des Tankaufbaus der Doppelwandtank oder Reflektorstreifen sind heute jedoch Standard Einige Sicherheits Elemente wie seitliche Schutzvorrichtungen Reflektorstreifen und ABS sind mittlerweile fur alle Lkw gesetzlich vorgeschrieben Das Wrack steht in der DASA Arbeitswelt Ausstellung in Dortmund Literatur BearbeitenMichael Schomers Giftig atzend explosiv Rowohlt Taschenbuch Verlag 1988 ISBN 3 499 12349 5Siehe auch BearbeitenGefahrgut Feuerwehr in Hessen Portal Feuerwehr ThemenlisteWeblinks BearbeitenEinsatzbericht der Feuerwehr Herborn Gerhard Mauz nicht die Technik als solche Der Spiegel 04 1990 Onlineausgabe PhonixFeuerschutz Tanklastzugungluck Herborn 07 Juli 1987 vom 26 Februar 2013 Special Herborn 1987 Archiviert vom Original am 30 August 2007 abgerufen am 3 Juli 2021 Einzelnachweise Bearbeiten Stefan Hohle Als 35 000 Liter Benzin Herborn in Flammen setzten In Die Welt 7 Juli 2012 abgerufen am 25 Januar 2020 Brand und Explosionskatastrophe 1987 In feuerwehr herborn de Abgerufen am 8 Juli 2022 Einsatzablauf der Feuerwehr am 8 Juli 1987 H G Hartmann Die Katastrophe von Herborn In THW Journal Heft 3 87 S 9 11 H G Hartmann Sieben Monate danach noch aktuell In THW Journal Heft 1 88 S 28 29 Einsatzablauf der Feuerwehr am 8 Juli 1987 Michael Schomers Giftig atzend explosiv Seite 107 Michael Schomers Giftig atzend explosiv Seite 109 sowie Fernsehbericht Monitor WDR Ende Juli 1987 Suche nach dem Sundenbock In Die Zeit 12 Januar 1990 Aus Herborn wurden die Lehren gezogen In welt de 2 Juli 1997 abgerufen am 7 Oktober 2018 Gerhard Mauz Auf Wunsch von Daimler Benz In Der Spiegel Nr 42 1989 online Giftig atzend explosiv von Michael Schomers Seite 105 Aussage von Wolfgang Baars OTV Seite 107 KATASTROPHEN Zierlicher Hebel In Der Spiegel Nr 30 1987 online Michael Schomers Giftig atzend explosiv S 109 110 und Fernseh Sendung Monitor im Juli 1987 Technische Zulassung elektronischer Hilfssysteme in Kraftfahrzeugen PDF Deutscher Bundestag Kleine Anfrage der Fraktion Die Grunen Drucksache 11 5265 vom 28 November 1989 Online auf dip21 bundestag de Knooppunt 5610063701 OpenStreetMap In openstreetmap org Abgerufen am 11 Dezember 2022 50 68027 8 304328 Koordinaten 50 40 49 N 8 18 15 6 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Grossbrand von Herborn amp oldid 237778521