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Georg Rusche geboren 17 November 1900 in Hannover gestorben 19 Oktober 1950 in London war ein deutscher Soziologe Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Tatigkeit 1 1 Leben in der Emigration bis 1940 1 2 Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit 2 Literatur 3 Schriften 4 Literatur 5 EinzelnachweiseLeben und Tatigkeit BearbeitenRusche war der Sohn des gleichnamigen Arztes Georg Rusche Nach dem Schulbesuch in Hagen studierte er Philosophie Jura und Sozialwissenschaften in Munster Frankfurt Gottingen und Koln 1924 promovierte er mit einer von Erwin von Beckerat betreuten Arbeit an der Universitat Koln zum Dr phil Eine zweite Promotion zum Dr soz erfolgte 1926 ebenfalls in Koln Danach arbeitete er kurzzeitig als Gefangnisdirektor in Bautzen Ende der 1920er Jahre wurde Rusche Assistent von Karl Pribram am Volkswirtschaftlichen Seminar der Universitat Frankfurt Ab 1930 war er zudem Mitarbeiter am Frankfurter Institut fur Sozialforschung Leben in der Emigration bis 1940 Bearbeiten Kurz nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde Rusche der nach nationalsozialistischer Definition aufgrund der Abstammung seiner Mutter als Halbjude galt aus dem Dienst der Universitat Frankfurt entlassen Er ging daraufhin als Emigrant nach Paris von dort nach Grossbritannien Da er dort keine Anstellung finden konnte siedelte er 1935 zeitweise nach Palastina uber von wo er schliesslich wieder nach Grossbritannien zuruckkehrte In diesen Jahren lebte er in steter materieller Bedrangnis und war in zwielichtige Handel die dem Zweck dienten an Geld zu kommen verwickelt So berichtete eine Zeitungsnotiz uber einen von ihm begangenen Heiratsschwindel Er versprach obwohl homosexuell veranlagt einer Frau die Ehe um von ihrer Familie eine finanzielle Beihilfe zu erlangen und liess die geplante Eheschliessung danach unter Verweis auf seine psychosexuellen Probleme platzen Auch litt er spatestens seit diesem Zeitpunkt seines Lebens an Depressionen und galt als schwierige Personlichkeit 1939 erschien Rusches gemeinsam mit Otto Kirchheimer verfasstes wichtigstes Werk Punishment and Social Structure in englischer Ubersetzung in den Vereinigten Staaten als erste Publikation des International Institute of Social Research Das Werk eine systematische Untersuchung der Wechselbeziehung von Strafvollzug und Sozialwesen insbesondere des Arbeitsmarktes vom ausgehenden 16 Jahrhundert bis in die 1930er Jahre basierte auf einem Forschungsprojekt das er noch wahrend seiner Tatigkeit im Institut fur Sozialforschung in Deutschland im Jahr 1931 begonnen hatte Nachdem er inspiriert durch seine Tatigkeit im sachsischen Strafvollzug einen kurzen Aufsatz uber die Beziehung von Strafvollzug und Arbeitsmarkt geschrieben hatte wurde er 1931 vom Institut fur Sozialforschung damit beauftragt eine Studie zu diesem Thema im Buchumfang anzufertigen Eine Zusammenfassung dieses Projektes war 1933 noch in der Zeitschrift des Instituts der Zeitschrift fur Sozialforschung veroffentlicht worden In der Emigration hatte Rusche das dazugehorige mehr als 400seiten lange Manuskript des Werkes fertig gestellt Da die Gutachter dieses jedoch als uberarbeitungsbedurftig ansahen und Rusche hierzu bedingt durch seinen Aufenthalt in Palastina nicht in der Lage war wurde der Jurist Kirchheimer mit der Uberarbeitung beauftragt Das von diesem im Zeitraum Winter 1937 bis Sommer 1938 umgearbeitete Werk erschien daher 1939 unter den Namen beider Forscher in englischer Ubersetzung 1 Eine Ruckubersetzung ins Deutsche wurde erstmals 1974 veroffentlicht Punishment and Social Structure gilt als ein Schlusseltext der Kritischen Theorie wurde in der Kriminalsoziologie aber nur massig rezipiert 2 Inhaltlich versuchen Rusche und Kirchheimer zu zeigen dass das Strafvollzugwesen nicht als eine eigenstandige soziale Entitat anzusehen ist sondern eine enge Beziehung zwischen diesem und den soziookonomischen Verhaltnissen in das es eingebettet ist besteht in der Forschung als Rusche und Kirchheimer Theorie bekannt geworden Sie stellten sich mit ihrem Werk gegen die damals herrschende Theorie dass die soziale Reaktion auf Verbrechen schlicht eine Konsequenz auf die Verbrechen als solche sei und deuteten die Einkerkerung von Gefangenen als eine Ausserung der ubergeordneten Sozialstrukturen Der Arbeitsmarkt und seine Erfordernisse und Verhaltnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt seien es jeweils was Art Organisation und Umfang der Inhaftierung zu diesem Zeitpunkt bestimmte Als Erganzungshypothese fuhrten sie zudem die Uberlegung in die Forschung ein dass die Lebensverhaltnisse im Gefangnis einer Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit stets in einer direkten Relation zu den Lebensverhaltnissen ausserhalb desselben stunden Damit der Strafvollzug eine abschreckende Wirkung habe musste die Qualitat des Lebens im Gefangnis stets niedriger sein als die Qualitat des Lebens der Armsten der Armen aus deren Schicht ein Grossteil der Haftlinge ublicherweise kommen wurde ausserhalb des Gefangnisses So setzen beide das Aufkommen der Zucht und Armenhauser in der fruhen Neuzeit in Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik des Merkantilismus und dem daraus resultierenden Arbeitskraftebedarf Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit Bearbeiten 1940 wurde Rusche in Grossbritannien da er formal noch immer deutscher Staatsburger war infolge des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs als Enemy Alien verhaftet Zusammen mit mehreren hundert anderen deutschen und italienischen Kriegsgefangenen und Internierten wurde er auf dem Schiff Arandora Star nach Kanada deportiert Er uberlebte die Versenkung dieses Schiffes bei der die Halfte der etwas uber 1500 Personen an Bord ums Leben kamen wahrend der Uberfahrt uber den Atlantik durch ein deutsches U Boot am 2 Juli 1940 und wurde mit anderen Uberlebenden von einem anderen Schiff geborgen In der Folgezeit wurde er in verschiedenen Internierungslagern festgehalten bevor er Anfang 1941 wieder auf freien Fuss gelangte Nach dem Krieg lebte er erneut in Grossbritannien wo er seinen Lebensunterhalt an Emigrantenschulen verdiente Seine Beschaftigungen wechselte er dabei in rascher Folge u a wegen Vorwurfen dass er ungehorige Beziehungen zu einigen seiner Zoglinge unterhielt Im November 1950 nahm Rusche sich das Leben Literatur BearbeitenAlessandro DeGiorgi Prisons and Social Structures in Late Capitalist Societies in David Scott Hrsg Why Prison 2013 S 26 30 Barry Godfrey Graeme Dunstall Sociological Inquries The Legacy of Rusche and Kirchheimer in Ders Ders Crime and Empire 1840 1940 2013 S 28 30 Andrian Howe Punish and Critique Towards a Feminist Analysis of Penalty Routledge New York 1994 S 10 16 Dario Melossi Georg Rusche A Biographical Essay Crime and Social Justice 14 Jg 1980 S 51 63 Ders Georg Rusche and Otto Kirchheimer Punishment and Social Structure in Crime and Social Justice Spring Summer 1978 Heft 9 S 73 85 Helge Peters Sozialstruktur und Strafvollzug in Georg W Oesterdiekhoff Lexikon soziologischer Werke 2013 S 584 Franklin E Zimring Gordon J Hawkins The Scale of Imprisonment 1993 S 3 14 und 29 47 Schriften Bearbeiten Zuchthausrevolten oder Sozialpolitik Zu den Vorgangen in Amerika in Frankfurter Zeitung vom 1 Juni 1930 Nachdruck als Prison Revolts or Social Policy Lessons from America in Crime and Social Justice 13 1980 S 41 4 Arbeitsmarkt und Strafvollzug In Zeitschrift fur Sozialforschung 1933 S 63 78 Bemerkungen zum Rechtsbegriff und zu den Grundsatzen der philosophischen Rechtslehre 1924 Bemerkungen zur logischen Grundlage der theoretischen Okonomik 1929 Punishment and Social Structure mit Otto Kirchheimer New York 1939 Sozialstruktur und Strafvollzug mit Otto Kirchheimer ubersetzt von Helmut u Susan Kapczynski Europaische Verlagsanstalt Koln Frankfurt am Main 1974 ISBN 3 434 20054 1 erneut in Otto Kirchheimer Gesammelte Schriften Band 3 Kriminologische Schriften hrsg v Hubertus Buchstein und Lisa Klingsporn Baden Baden 2019 ISBN 978 3 8487 4733 7Literatur BearbeitenClaus Dieter Krohn Rusche Georg In Harald Hagemann Claus Dieter Krohn Hrsg Biographisches Handbuch der deutschsprachigen wirtschaftswissenschaftlichen Emigration nach 1933 Band 2 Leichter Zweig Saur Munchen 1999 ISBN 3 598 11284 X S 599f Einzelnachweise Bearbeiten Vgl Rolf Wiggershaus Die Frankfurter Schule Geschichte Theoretische Wirkung Politische Bedeutung Munchen 2008 S 262 Axel Honneth Hrsg Schlusseltexte der kritischen Theorie VS Wiesbaden 2006 S 282 ff Normdaten Person GND 1041782861 lobid OGND AKS LCCN n2002111920 VIAF 9944086 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Rusche GeorgKURZBESCHREIBUNG deutscher SoziologeGEBURTSDATUM 17 November 1900GEBURTSORT HannoverSTERBEDATUM 19 Oktober 1950STERBEORT London Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Georg Rusche amp oldid 225332655