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Fryderyk Winnykamien 14 Februar 1922 in Biala Podlaska ist als Uberlebender des Warschauer Ghettos ein Zeitzeuge Nach seiner Emigration in die Vereinigten Staaten anglisierte er seinen Namen zu Frederick Weinstein Inhaltsverzeichnis 1 Familie 2 Deutsche Besetzung Polens 3 Im Warschauer Ghetto 4 Im Kellerversteck 5 Nach Kriegsende 6 Weblinks 7 Literatur 8 EinzelnachweiseFamilie BearbeitenLeopold Winnykamien und Isabella geb Gerszange die Eltern stammten aus Warschau Der Vater hatte Zahnmedizin studiert die Mutter hatte am Warschauer Russischen Gymnasium das Abitur gemacht Beide heirateten am 7 Marz 1919 in Warschau und zogen nach Biala Podlaska wo Leopold Winnykamien als junger Zahnarzt praktizierte Weitere Wohnorte waren Miedzyrzecz und Lodz Das Ehepaar hatte drei Kinder Apolonia genannt Pola 21 Februar 1920 in Warschau Fryderyk 14 Februar 1923 1 in Biala Podlaska Ryszarda genannt Rysia 27 Oktober 1927 in Miedzyrzecz Die Winnykamiens waren an die polnische Mehrheitsgesellschaft weitgehend assimiliert was sich an der Wahl der Vornamen ihrer Kinder zeigt 2 In Lodz konnte Leopold Winnykamien 1934 seine erste eigene Praxis eroffnen und hier wohnte die Familie bis zum deutschen Uberfall auf Polen und der folgenden Besetzung im Herbst 1939 Fryderyk 17 Jahre alt besuchte die Fachoberschule fur Mechanik in Lodz ulica Pomorska 46 48 3 Deutsche Besetzung Polens BearbeitenWie viele Einwohner von Lodz flohen die Winnykamiens bei Kriegsausbruch in Panik aus der Stadt und kehrten kurz darauf wieder zuruck Aber im Spatherbst 1939 zogen sie zu Verwandten nach Warschau Nach einem Aufenthalt in Otwock nahe Warschau fand die Familie im Herbst 1940 in Gniewoszow Distrikt Radom einen vergleichsweise sicheren Wohnort Apolonia Winnykamien verliess 1941 die Kleinstadt um in Warschau eine Ausbildung als Krankenschwester zu machen und musste ins Warschauer Ghetto ziehen 4 Auf der Flucht vor Razzien liess sich Fryderyk Winnykamien im Juni 1942 mangels Alternativen ebenfalls ins Warschauer Ghetto einschmuggeln Auch die anderen Familienmitglieder verliessen Gniewoszow und tarnten sich als Nichtjuden Die funfzehnjahrige Ryszarda Winnykamien meldete sich unter falschem Namen als freiwillige Arbeiterin ins Reich und arbeitete in einer Fabrik in Botzow bei Berlin Im Warschauer Ghetto BearbeitenFryderyk Winnykamien war wahrend er im sogenannten judischen Wohnbezirk Milastr 52 5 lebte ab dem 1 Juli 1942 5 als Maschinenschlosser 5 zur Zwangsarbeit im Rustungsbetrieb Ursus eingeteilt so dass er taglich zwischen dem Ghetto und der Aussenwelt pendelte Bei der Arbeit ergaben sich haufig Kontakte zu polnischen Kollegen unter diesen fand die Familie auch die Unterstutzer mit deren Hilfe sie spater im Versteck uberleben konnte 6 Wahrend alle deutschen Besatzer in Winnykamiens Aufzeichnungen selbstverstandlich als Feinde erscheinen vor denen man sich zu huten hatte ist die Darstellung der nichtjudischen Polen ambivalent Angesichts einer nachwirkenden antijudischen Tradition konnten Juden nie gewiss sein ob sie es mit hilfreichen ignoranten oder denunzierenden Polen zu tun hatten 7 Der Verfasser nimmt die verweigerte Solidaritat der Mehrheitsgesellschaft als tiefe Krankung wahr was in den Aufzeichnungen immer wieder thematisiert wird 8 Auch uber die von den Besatzern installierten Judenrate ausserte sich Winnykamien negativ sie erscheinen in seinen Aufzeichnungen als korrupte und auf ihren Vorteil bedachte Burokraten das Kalkul der Besatzer den Unmut der judischen Bevolkerung auf die eigenen Interessenvertreter zu lenken war aus seiner Perspektive wohl nicht durchschaubar 9 Seit Januar 1943 furchtete Winnykamien dass das Ghetto bald liquidiert wurde Er plante gemeinsam mit seiner Schwester das Ghetto zu verlassen Am 7 Februar war er zur Nachtschicht bei Ursus eingeteilt und entfernte sich mit einem Freund Adek Rozenberg aus der Kolonne Von Kriminellen verfolgt und ausgeraubt irrten sie durch die Stadt Schliesslich fand Winnykamien seine Mutter die schon im Dezember 1942 eine Wohnung im arischen Teil von Warschau Ulica Wolska 54 unter falschem Namen gemietet hatte Sie lebte dort als Marianna Giczinska eine angeblich alleinstehende katholische Polin Im Kellerversteck BearbeitenIn der Ulica Wolska 54 waren Vater und Sohn nun auf engstem Raum in der Einzimmer Kellerwohnung der Mutter untergebracht 10 Hier begann Fryderyk Winnykamien ruckblickend seine Erfahrungen im Warschauer Ghetto aufzuzeichnen Tinte und Altpapier aus einem Buro besorgte ein polnischer Helfer der Familie aus unbekannter Quelle Es handelt sich also nicht um Tagebuchaufzeichnungen aus dem Ghetto sondern um ruckblickend aber relativ zeitnah im Kellerversteck niedergeschriebene Texte Fryderyk Winnykamien plante offenbar mit Hilfe dieser Notizen spater einen zusammenhangenden Bericht zu erstellen Von ihrem Versteck aus erfuhren die Winnykamiens vom Aufstand im Warschauer Ghetto Die Nachricht dass die Tochter bzw Schwester Apolonia bei der Niederschlagung des Aufstandes ermordet wurde fuhrte zu Verzweiflung und Lethargie so dass Fryderyk Winnykamien wahrscheinlich erst im Herbst 1943 die Kraft fand quasi als Chronist des zerstorten Ghettos Aufzeichnungen daruber anzufertigen 11 Mehr oder weniger gleichzeitig fuhrte er auch Tagebuch diese datierten Aufzeichnungen beginnen mit dem 16 Dezember 1943 und brechen am 2 August 1944 in den Kampfen des Warschauer Aufstands ab Die Nachricht von der Landung der Alliierten in der Normandie 6 Juni 1944 bewirkte eine Art Schreibrausch den Weinstein ruckblickend als outburst bezeichnete 11 Ein Uberleben der Familie und ein Ende der NS Diktatur erschienen nun als Moglichkeit Das Schreiben hatte eine therapeutische Funktion angesichts von Hunger und erzwungener Untatigkeit was zu einer Selbstzensur fuhrte der Verfasser stilisierte sein fruheres Ich draussen als aktiv handelnd und optimistisch um sich an dieser Selbstbeschreibung aufzurichten 12 Religiose Thematik oder die Frage eines Anschlusses an irgendwelche Widerstandsgruppen kommen in diesen Aufzeichnungen nicht zu Wort Alle Energie war auf das Uberleben der Familie konzentriert 13 Anfang August 1944 gab die Familie das Kellerversteck auf und mischte sich als polnische Zivilisten getarnt unter die Stadtbevolkerung Da seine Aufzeichnungen die judische Identitat der Familie enthullt hatten war es zu gefahrlich diese mitzunehmen Mit falschen Papieren wurde Fryderyk Winnykamien von den deutschen Besatzern verhaftet und als vermeintlicher Pole Mieczyslaw Ambryszewski zur Zwangsarbeit in den Schutzengraben des Frontabschnitts Nowy Dwor Festung Modlin verschickt 14 Hier wurde er am 16 Januar 1945 von der Roten Armee befreit Ein halbes Jahr spater kehrte Fryderyk Winnykamien noch einmal in das zerstorte Haus zuruck und fand seine Aufzeichnungen dort wo er sie beim Verlassen des Kellerverstecks deponiert hatte 15 Nach Kriegsende BearbeitenFriedrich Winnykamien verliess Polen im November 1945 wegen der antisemitischen Stromungen im Nachkriegspolen 16 und wurde im Januar 1946 vom Magistrat der Stadt Berlin als Opfer des Faschismus anerkannt 17 Anfang 1946 arbeitete er in der Verwaltung des Camps fur Displaced Persons in Berlin Duppel Potsdamer Chaussee 87 18 Im Mai 1946 kam Weinstein via Bremerhaven in New York an und begann damit sich ein neues Leben aufzubauen Seine Warschauer Aufzeichnungen hatte er zunachst bei einer Freundin in Lodz zuruckgelassen 1946 oder 1947 schickte sie ihm dieses Bundel Unterlagen Er fand Arbeit als Feinmechaniker heiratete grundete eine Familie Erst als seine Kinder erwachsen waren holte er die Manuskripte wieder hervor und liess sie ins Englische ubersetzen damit die Familie des Polnischen nicht machtig sie lesen konnte 19 Uber Weinsteins Ehefrau Ruth kam der Kontakt mit der Historikerin Barbara Schieb zustande Frederick Weinstein stimmte zu eine deutsche Edition der Ubersetzung zu erstellen auch wenn das fur ihn bedeutete sich in Gesprachen mit den Herausgeberinnen immer wieder den traumatisierenden Erinnerungen aus seiner Jugend zu stellen 20 Weblinks BearbeitenUnited States Holocaus Memorial Museum Frederick Weinstein papers Digitalisate Literatur BearbeitenFrederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck Erlebnisse eines polnischen Juden 1939 1946 Aus dem Polnischen ubersetzt von Jolantas Wozniak Kreutzer herausgegeben und kommentiert von Barbara Schieb und Martina Voigt Lukas Verlag Berlin 2006 ISBN 978 3 936872 70 5 Markus Roth Andrea Low Das Warschauer Getto Alltag und Widerstand im Angesicht der Vernichtung C H Beck Munchen 2013 Einzelnachweise Bearbeiten Biuletyn Informacji Publicznej In Dane osoby z katalogu funkcjonariuszy aparatu bezpieczenstwa Instytut Pamieci Narodowej Komisja Scigania Zbrodni przeciwko Narodowi Polskiemu abgerufen am 24 Februar 2020 polnisch Barbara Schieb Martina Voigt Einleitung In Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck S 12 Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck Berlin 2006 S 45 Barbara Schieb Martina Voigt Einleitung In Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck S 13 a b c Frederick Weinstein papers Identification papers Winnykamien Fryderyk 1942 1946 Darin Ausweis Staatliche Ingenieurwerke Ursus b Warschau Barbara Schieb Martina Voigt Einleitung In Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck S 26 Barbara Schieb Martina Voigt Einleitung In Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck S 27 Barbara Schieb Martina Voigt Einleitung In Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck S 27 f Barbara Schieb Martina Voigt Einleitung In Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck S 28 Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck Berlin 2006 S 315 a b Barbara Schieb Martina Voigt Einleitung In Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck S 16 Barbara Schieb Martina Voigt Einleitung In Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck S 20 Barbara Schieb Martina Voigt Einleitung In Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck S 23 Frederick Weinstein papers Restitution Winnykamien Fryderyk 1945 1999 Barbara Schieb Martina Voigt Einleitung In Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck S 17 Frankfurter Allgemeine Zeitung 25 01 2007 Nr 21 Seite 7 Dreifach bedroht In FAZ net 25 Januar 2007 abgerufen am 28 Januar 2024 Frederick Weinstein papers Certification of Nazi persecution and Soviet forced labor 1945 1946 Frederick Weinstein papers Duppel displaced persons camp documents 1946 1947 Barbara Schieb Martina Voigt Einleitung In Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck S 9 Barbara Schieb Martina Voigt Einleitung In Frederick Weinstein Aufzeichnungen aus dem Versteck S 9 f Normdaten Person GND 132001381 lobid OGND LCCN no2006120162 VIAF 47910719 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Winnykamien FryderykALTERNATIVNAMEN Weinstein FrederickKURZBESCHREIBUNG Uberlebender des Warschauer GhettosGEBURTSDATUM 14 Februar 1922GEBURTSORT Biala Podlaska Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fryderyk 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