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Die Euler Lotka Gleichung manchmal auch nur mit einem der beiden Namen benannt ist eine wichtige Gleichung der Populationsdynamik Sie verknupft die Verteilung der Lebensdauern und die Abhangigkeit der Geburtenrate vom Alter der Mutter mit der zeitlichen Entwicklung der Populationsgrosse Unter anderem dient sie zur Bestimmung einer exponentiellen Wachstumsrate Die Gleichung findet Anwendung zum Beispiel in Okologie und Epidemiologie und ist nach Leonhard Euler 1760 und Alfred J Lotka 1911 benannt Inhaltsverzeichnis 1 Herleitung der Euler Lotka Gleichung 2 Losungen der Euler Lotka Gleichung 3 Epidemiologie 4 Literatur 5 EinzelnachweiseHerleitung der Euler Lotka Gleichung BearbeitenModelliert wird ausschliesslich die Rate der Geburten von weiblichen Individuen in der Population Fur Anwendungen der Ergebnisse auf die Gesamtpopulation wird z B angenommen dass diese zu der modellierten Geburtenrate proportional ist Es wird angenommen dass die folgenden beiden altersabhangigen Grossen sich wahrend der zeitlichen Entwicklung der Population nicht andern w a displaystyle w a nbsp der Anteil weiblicher Individuen die ein Alter von a displaystyle a nbsp Jahren erreicht Erlebenswahrscheinlichkeit m a displaystyle m a nbsp die durchschnittliche Anzahl weiblicher Nachkommen eines weiblichen Individuums im a displaystyle a nbsp ten Lebensjahr In der Integralgleichung wird a displaystyle a nbsp zu einer kontinuierlichen Variable und m a displaystyle m a nbsp zur Geburtenrate Dann lautet die Euler Lotka Gleichung 1 a 0 w a m a e r a d a 1 displaystyle int a 0 infty w a cdot m a cdot e r a da 1 nbsp Diese Gleichung ist eine Bestimmungsgleichung fur den Parameter r displaystyle r nbsp wobei B t B 0 e r t displaystyle B t B 0 cdot e r t nbsp der Ansatz ist der fur die zeitliche Entwicklung der Geburtenrate weiblicher Individuen gewahlt wurde Die Euler Lotka Gleichung ergibt sich aus folgender Uberlegung 2 3 Zu einem gegebenen Zeitpunkt t displaystyle t nbsp tragen Mutter verschiedenen Alters zur Geburtenrate B t displaystyle B t nbsp bei Der Beitrag von Muttern im Alter a displaystyle a nbsp ist B t a w a m a d a displaystyle B t a cdot w a cdot m a da nbsp Denn fur einen Zeitraum d a displaystyle da nbsp ist B t a d a displaystyle B t a da nbsp die Anzahl der weiblichen Individuen die a displaystyle a nbsp Jahre zuvor geboren wurden w a displaystyle w a nbsp der Anteil von ihnen der das Alter a displaystyle a nbsp erreicht und m a displaystyle m a nbsp die Geburtenrate pro Individuum ihrer weiblichen Nachkommen Aufsummiert bzw integriert uber alle Alter a displaystyle a nbsp der Mutter ergibt sich die Erneuerungsgleichung fur den Geburtsprozess eine lineare homogene Integralgleichung vom Volterra Typ 2 Art B t 0 B t a w a m a d a displaystyle B t int 0 infty B t a cdot w a cdot m a da nbsp Zur Bestimmung der noch unbekannten Funktion B t displaystyle B t nbsp macht man einen exponentiellen Ansatz B t B 0 e r t displaystyle B t B 0 cdot e r t nbsp und setzt dies ein Es ergibt sich B t 0 B t e r a w a m a d a displaystyle B t int 0 infty B t cdot e r a cdot w a m a da nbsp und weiter durch Kurzen von B t displaystyle B t nbsp die oben angegebene Euler Lotka Gleichung Meist wird die diskrete Version benutzt Alter a displaystyle a nbsp z B in Jahren a 0 w a m a e r a 1 displaystyle sum a 0 infty w a cdot m a cdot e ra 1 nbsp Das kann auch geschrieben werden a a b w a m a e r a 1 displaystyle sum a alpha beta w a cdot m a cdot e ra 1 nbsp wobei a displaystyle alpha nbsp und b displaystyle beta nbsp die Altersgrenzen der Fruchtbarkeit eines weiblichen Individuums angeben Losungen der Euler Lotka Gleichung BearbeitenWenn z B aus demographischen Daten die Funktionen w a m a displaystyle w a m a nbsp bekannt sind und als kunftig unveranderlich angenommen werden konnen aus der Euler Lotka Gleichung die moglichen Werte fur den Parameter r displaystyle r nbsp gewonnen werden Jeder Wert entspricht einer speziellen Losung B j t displaystyle B j t nbsp Genau ein Wert r 0 displaystyle r 0 nbsp ist reell beschreibt also eine exponentiell anwachsende bei r 0 lt 0 displaystyle r 0 lt 0 nbsp abfallende Geburtenrate B 0 t displaystyle B 0 t nbsp Die ubrigen moglichen Losungen r j displaystyle r j nbsp sind komplexe Zahlen beschreiben also oszillierende Verlaufe wobei der Imaginarteil von r j displaystyle r j nbsp deren Oszillationsfrequenz bestimmt und der Realteil deren exponentiell anwachsende oder abfallende Amplitude Die allgemeine Losung B t displaystyle B t nbsp ist eine Linearkombination aller speziellen Losungen wobei die einzelnen Koeffizienten durch die jeweiligen Anfangsbedingungen festgelegt sind Da r 0 displaystyle r 0 nbsp grosser ist als der Realteil eines jeden komplexen r j displaystyle r j nbsp nehmen die Amplituden der Oszillationen relativ zu B 0 t displaystyle B 0 t nbsp ab Auf lange Sicht uberwiegt somit immer die einfache Exponentialfunktion B 0 t displaystyle B 0 t nbsp mit der Wachstumsrate r 0 displaystyle r 0 nbsp die dann auch einfach mit r displaystyle r nbsp bezeichnet wird Die durchschnittliche Gesamtanzahl weiblicher Nachkommen eines weiblichen Individuums im Lauf ihres Lebens die Nettoreproduktionsrate R displaystyle R nbsp ist R a a b w a m a displaystyle R sum a alpha beta w a cdot m a nbsp bzw in der kontinuierlichen Version R 0 w a m a d a displaystyle R int 0 infty w a m a d a nbsp Ersichtlich ist r 0 displaystyle r 0 nbsp wenn R 1 displaystyle R 1 nbsp ist Wachstum r gt 0 displaystyle r gt 0 nbsp tritt ein wenn R gt 1 displaystyle R gt 1 nbsp Schrumpfung bei R lt 1 displaystyle R lt 1 nbsp Haufig wird zur Abkurzung das Produkt aus Erlebenswahrscheinlichkeit und Fruchtbarkeitsrate betrachtet n a w a m a displaystyle n a w a m a nbsp fur das die Euler Lotka Gleichung lautet 1 0 n a e r a d a displaystyle 1 int 0 infty n a e ra d a nbsp Normalisiert man n a displaystyle n a nbsp mittels Division durch die Nettoreproduktionsrate R displaystyle R nbsp erhalt man die Dichte der Altersverteilung der Mutter bei Geburt ihrer Nachkommen Generationszeit g a n a R displaystyle g a frac n a R nbsp Die Euler Lotka Gleichung lasst sich dann schreiben 1 R 0 g a e r a d a M g r displaystyle frac 1 R int 0 infty g a e ra d a Mg r nbsp wobei die Funktion M g displaystyle Mg nbsp die Laplacetransformierte der Verteilungsdichte der Generationszeit g displaystyle g nbsp ist In der Statistik wird sie auch als Momenterzeugende Funktion bezeichnet Die Gleichung lasst sich so interpretieren dass durch diese Gleichung zwischen Reproduktionsrate R displaystyle R nbsp und Wachstumsrate r displaystyle r nbsp eindeutig die Form der Verteilung der Generationszeit gegeben ist und umgekehrt 2 Die Methode der Laplacetransformation ermoglicht insbesondere fur die oszillierenden Anteile eine elegantere Behandlung des Problems als die ursprungliche Methode von Lotka 4 Ist uber die Gesamtgrosse der Population hinaus auch die Altersstruktur zu untersuchen kann eine entsprechende Analyse mittels der Leslie Matrix behandelt werden die aus den einzelnen Fruchtbarkeitsdaten n a displaystyle n a nbsp und Erlebensraten w a displaystyle w a nbsp fur jede Altersgruppe aufgebaut ist 5 Epidemiologie BearbeitenGesucht wird nach einer Gleichung die die Basisreproduktionszahl R 0 displaystyle R 0 nbsp mit dem anfanglichen exponentiellen Wachstum der Epidemie Wachstumsexponent r displaystyle r nbsp verbindet 6 2 Dazu wird zunachst R 0 displaystyle R 0 nbsp durch die Rate der von einem Individuum zum Zeitpunkt a displaystyle a nbsp nachdem es selbst angesteckt wurde Alter der Infektion verursachten Infektionen n a displaystyle n a nbsp ausgedruckt R 0 0 n a d a displaystyle R 0 int 0 infty n a cdot d a nbsp n a displaystyle n a nbsp ist zeitabhangig und hat zum Beispiel bei Influenza ein Maximum bei etwa a 3 displaystyle a 3 nbsp Tage und ist nach 10 Tagen schon stark abgefallen Normiert man n a displaystyle n a nbsp gemass g a n a R 0 displaystyle g a frac n a R 0 nbsp so erhalt man die Verteilung g a displaystyle g a nbsp der Generationszeiten mit 0 g a d a 1 displaystyle int 0 infty g a cdot d a 1 nbsp Sei B t displaystyle B t nbsp die Anzahl neuer Infektionen zur Zeit t displaystyle t nbsp fur die am Anfang der Epidemie ein exponentieller Ansatz gewahlt sei B t B 0 e r t displaystyle B t B 0 cdot e r t nbsp Dann kann man die Integralgleichung schreiben B t 0 B t a n a d a 0 B t e r a n a d a displaystyle B t int 0 infty B t a cdot n a d a int 0 infty B t e r a cdot n a d a nbsp und damit die Euler Lotka Gleichung fur die Epidemiologie 1 0 e r a n a d a displaystyle 1 int 0 infty e r a cdot n a d a nbsp Setzt man n a g a R 0 displaystyle n a g a cdot R 0 nbsp ein erhalt man fur die Basisreproduktionszahl R 0 1 0 e r a g a d a displaystyle R 0 frac 1 int 0 infty e r a cdot g a d a nbsp Der Ausdruck im Nenner hat die Form einer Laplacetransformation M g r displaystyle Mg r nbsp von g a displaystyle g a nbsp so dass man schreiben kann R 0 1 M g r displaystyle R 0 frac 1 Mg r nbsp Wenn man die Verteilung der Generationszeiten naherungsweise durch einen einzigen typischen Wert T G displaystyle T G nbsp ersetzt Serielles Intervall so erhalt man R 0 e r T G displaystyle R 0 e r T G nbsp Haufig wird das als R 0 1 r T G displaystyle R 0 1 rT G nbsp genahert was dem Wert aus dem SIR Modell entspricht siehe den Artikel Basisreproduktionszahl Im SIR Modell kann in diese Formel sowohl die mittlere infektiose Periode als auch die mittlere Generationszeit eingesetzt werden 2 Je nach Wahl der Verteilung des seriellen Intervalls erhalt man unterschiedliche Formeln fur den Zusammenhang der Reproduktionszahl R displaystyle R nbsp und der Wachstumsrate r displaystyle r nbsp 2 In der Literatur finden sich aber auch andere Euler Lotka Gleichungen fur den Zusammenhang zwischen Reproduktionszahl R displaystyle R nbsp und Wachstumsrate r displaystyle r nbsp die aber immer durch die Vorgabe der Verteilungsdichte g a displaystyle g a nbsp der Generationszeit uber deren Laplacetransformation vorgegeben sind Zum Beispiel ergibt sich bei Annahme einer Normalverteilung mit Mittelwert T g displaystyle T g nbsp und Standardabweichung s displaystyle sigma nbsp Dublin Lotka 1925 7 2 R e r T g 1 2 r 2 s 2 displaystyle R e rT g frac 1 2 r 2 sigma 2 nbsp Man kann auch empirische Verteilungen der Generationszeit in einem Histogramm bestimmen Seien die relativen Haufigkeiten fur die Generationszeit zwischen den Grenzen fur das Alter a i a a i 1 displaystyle a i a a i 1 nbsp im Histogramm y i displaystyle y i nbsp dann hat man R r i 1 n y i e r a i 1 e r a i 1 a i a i 1 displaystyle R frac r sum i 1 n y i e ra i 1 e ra i cdot frac 1 a i a i 1 nbsp Literatur BearbeitenJ C Frauenthal Analysis of age structure models in T G Hallam S A Levin Mathematical Ecology An Introduction Springer 1986 S 117 147 N Keyfitz Introduction to the mathematics of population Addison Wesley 1968 Mark Kot Elements of mathematical ecology Cambridge UP 2001Einzelnachweise Bearbeiten Euler Gleichung Euler Lotka Gleichung Spektrum Lexikon der Biologie a b c d e f Marc Lipsitch J Wallinga How generation intervals shape the relationship between growth rates and reproductive numbers In Proceedings Biological sciences Band 274 Nummer 1609 Februar 2007 S 599 604 doi 10 1098 rspb 2006 3754 PMID 17476782 PMC 1766383 freier Volltext Mark Kot Elements of mathematical ecology Cambridge UP 2001 Kapitel 20 Willy Feller On the integral equation of renewal theory Annals of Mathematical Statistics Band 12 1941 S 243 267 Mark Kot Elements of mathematical ecology Cambridge UP 2001 Kapitel 22 Die folgende Darstellung folgt einer Vorlesung von Marc Lipsitch Euler Lotka for Epidemiologists youtube 2014 Dublin Lotka On the true rate of natural increase as exemplified by the population of the United States J Am Stat Assoc Band 150 1925 S 305 339 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Euler Lotka Gleichung amp oldid 225475417