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Entscheidungsstrategien dienen zur Einschatzung des Lawinenrisikos und sind fur viele Wintersportler uberlebenswichtig Sie erleichtern und vereinfachen den Umgang mit der komplexen und potentiellen Gefahr der Lawinenbildung im winterlichen alpinen Gebirge Allerdings lasst sich auch mit diesen Methoden die Gefahr eines Lawinenabgangs nicht absolut ausschliessen Skitour im ungesicherten alpinen GelandeInzwischen haben sich diese Methoden allgemein im alpinen Wintersport etabliert Sie liegen in fast allen Skigebieten zu Merkblattern zusammengefasst an den Liftstationen aus Viele alpine Vereine und Bergschulen lehren nach diesen Methoden Inhaltsverzeichnis 1 Theoretische Grundlagen 2 Formel 3 3 3 Reduktionsmethode 3 1 Elementare Reduktionsmethode 3 2 Professionelle Reduktionsmethode 4 SnowCard 5 Faktorencheck 6 Stop or Go Card 7 Literatur 8 Siehe auch 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseTheoretische Grundlagen BearbeitenFruher war die Beurteilung der Lawinengefahr eine Aufgabe von Experten die die Schneedecke auf den Hangen anhand von verschiedenen Faktoren bewerteten Diese klassische Analyse war aus mehreren Grunden fehlerbehaftet In der Schneedecke laufen sehr komplexe Vorgange ab die eine verlassliche Vorhersage zur Lawinengefahr kaum zulassen Zusatzlich standen der Mangel an fundiertem Wissen und die subjektive Wahrnehmung der Faktoren durch den Menschen einer sicheren Vorhersage der tatsachlichen Lawinengefahr entgegen Werner Munter erkannte dies und entwickelte ein auf Statistiken und Erfahrungswerten beruhendes ganzheitliches Risikomanagement System die Formel 3 3 und die elementare Reduktionsmethode 1 2 Damit wurde die erste strategische Methode zur Einschatzung des Lawinenrisikos geschaffen Das Risiko kann nie auch nicht mit wissenschaftlichen Methoden beseitigt werden Es bleibt immer ein Restrisiko Der Mensch muss lernen auf dieser Basis von unsicherem Wissen eine ja nein Entscheidung zu treffen Zusammenfassend bedeutet dies dass die Zusammenhange der Lawinenbildung sehr komplex sind und im Einzelnen nicht in der notwendigen Exaktheit erfassbar Probabilistische Methoden gehen nicht auf Detailfragen ein sondern nutzen die in Wahrscheinlichkeiten ausgedruckten Erfahrungen Es zeigt sich dass in der praktischen Anwendung bereits die Beurteilung von wenigen Risikofaktoren ausreicht Hingegen ist die Beurteilung eines isolierten Einzelfaktors nicht zielfuhrend Formel 3 3 BearbeitenDie Formel 3 3 entsteht durch die Beurteilung auf drei unterschiedlichen Ebenen regional lokal zonal anhand von drei Hauptfaktoren Verhaltnisse Gelande Mensch Die Ebenen wirken dabei wie eine Art Filter mit der Unterteilung in grob mittel und anschliessend fein Man geht dabei Schritt fur Schritt vor die Reihenfolge darf dabei nicht verandert werden Laut Munter filtert der regionale Filter ca 40 aller Moglichkeiten aus der lokale Filter weitere ca 25 und der letzte zonale Filter ca 10 Somit entsteht folgende Formel RegionalFilter 1 LokalFilter 2 ZonalFilter 3 Restrisiko displaystyle text RegionalFilter 1 cdot text LokalFilter 2 cdot text ZonalFilter 3 text Restrisiko nbsp Beispiel 40 25 10 1 displaystyle 40 cdot 25 cdot 10 1 nbsp oder0 4 0 25 0 1 0 01 displaystyle 0 4 cdot 0 25 cdot 0 1 0 01 nbsp Die dreistufigen Kriterien und Filter werden in einer 3 3 Matrix dargestellt Gewichtet mit den gefundenen Wahrscheinlichkeiten ergibt dies die Formel 3 3 Ebene Verhaltnisse Gelande MenschRegional Tourenplanung Lawinenlagebericht LLB Wetterprognose Experteninformationen Karte Fuhrerliteratur Fotos eigene Gelandekenntnisse Teilnehmer Ausrustung Kompetenz und Erfahrung FuhrungLokal Vor Ort Schneelage Uberprufung des LLB Wetter Sicht Wind Niederschlag Temperatur Beurteilung und Uberprufung mit meiner vorherigen Vorstellung Teilnehmer andere Gruppen Kontrolle der Ausrustung Zeitplan uberprufenZonal Unterwegs Einzelhangbeurteilung Neuschnee Triebschnee Sicht Einstrahlung Einzugsgebiet von Schneebrettern Orientierung Wer oder was ist uber unter mir Steilheit Exposition Kammnahe Hohenlage Hangform Fuhrungstaktik Vorsichtsmassnahmen Kondition TechnikMunter kommt zum Schluss dass die Lawinengefahr nie bloss auf Grund eines Hauptfaktors Kriteriums beurteilt werden darf sondern alle drei Hauptfaktoren in die ganzheitliche Risikoanalyse einzubeziehen sind 3 In der Anwendung werden dabei die jeweiligen Kriterien zoomartig von Ebene zu Ebene vergrossert daher stammt auch der Name Zoomsystem Die Formel 3 3 ist zunachst erst mal eine Istwert Analyse des Restrisikos Die Gewichtung der einzelnen Faktoren zeigt dem Anwender sofort auf wo das grosste Verbesserungspotenzial liegt und relativiert besondere Massnahmen entsprechend Trotzdem kann durch weitere Entscheidungsstrategien das durch die Formel 3 3 gegebene Gefahrenpotential weiter reduziert werden indem man spezifisch auf die zuvor in der Analyse festgestellten Risiken reagiert Entscheidungsstrategien sind integraler Bestandteil bei Planung und Durchfuhrung von alpinen Wintersportaktivitaten Alle weiteren veroffentlichten Entscheidungsstrategien basieren oder ahneln dem Risikomanagement System der Formel 3 3 Wesentliche Faktoren in den strategischen Entscheidungsverfahren sind die Gefahrenstufe des Lawinenlageberichts LLB und die Neigung des Hanges sowie die Hangexposition z B ein Nord Ost Hang Anhand von Skalen Grafiken oder einfachen Berechnungen wird das Lawinenrisiko bewertet Dies kann sowohl in der Tourenplanung erfolgen wie auch bei der Einzelhangbeurteilung Entscheidend ist die Einbettung dieser Risiko Analyse wie sie z B die Formel 3 3 bietet in ein Risikomanagement System Denn die Frage ist letztlich wie man mit dem Restrisiko umgeht Die einzelnen Methoden werden im Folgenden grundsatzlich dargestellt Es handelt sich um keine Anleitung zu ihrem Gebrauch der Umgang mit der jeweiligen Entscheidungsstrategie muss in der Praxis erlernt werden Reduktionsmethode BearbeitenDie Reduktionsmethode ist ein Planungs und Kontrollinstrument 4 welches die Formel 3 3 wesentlich erganzt Entwickelt wurde sie ebenfalls von Munter mit dem Ziel das Restrisiko von 1 welches bei Anwendung der Formel 3 3 bestehen bleibt weiter zu reduzieren Munter unterscheidet zwischen der Elementaren und der Professionellen Reduktionsmethode 5 Die elementare Reduktionsmethode wird in modifizierter Form als grafische Reduktionsmethode GRM vom WSL Institut fur Schnee und Lawinenforschung SLF angeboten 6 Elementare Reduktionsmethode Bearbeiten Die Elementare Reduktionsmethode legt fur jede Gefahrenstufe des Lawinenbulletins einen Hangneigungs Grenzwert fest der nicht uberschritten werden darf Je nach Gefahrenstufe ist die maximale Neigung im naheren Umfeld der geplanten Route oder aber des gesamten Hangs massgebend 7 Fur Hange ausserhalb des kritischen Bereichs des Lageberichts darf eine niedrigere Gefahrenstufe und damit auch ein hoherer Neigungs Grenzwert angenommen werden Professionelle Reduktionsmethode Bearbeiten Die Professionelle Reduktionsmethode ist flexibler aber die korrekte Anwendung ist wesentlich anspruchsvoller Die Einschatzung des Risikos erfolgt bei der Professionellen Reduktionsmethode anhand einer Berechnung Als erstes wird eine Einschatzung des Gefahrenpotentials durch den Lawinenlagebericht und oder durch eine eigene Einschatzung vor Ort vorgenommen Anhand von Reduktionsfaktoren wird versucht das Restrisiko gleich oder unter 1 zu minimieren Die Formel lautet folgendermassen Akzeptiertes Restrisiko Gefahrenpotential Reduktionsfaktor Reduktionsfaktor 1 displaystyle text Akzeptiertes Restrisiko frac text Gefahrenpotential text Reduktionsfaktor cdot text Reduktionsfaktor leq 1 nbsp Das Gefahrenpotential ist die Summe der Gefahren im jeweiligen Gebiet und steigt exponentiell Es ist moglich Zwischenabstufungen vorzunehmen wie zum Beispiel Gefahrenpotential 3 zwischen Gering und Massig Folgendermassen ist die Unterteilung Gering Potential 2 Massig Potential 4 Erheblich Potential 8Reduktionsfaktoren werden in erst zweit und drittklassig unterteilt Erstklassige Reduktionsfaktoren betreffen die Hangneigung Je geringer die Hangneigung desto hoher ist der Reduktionsfaktor und umgekehrt Zweitklassige Reduktionsfaktoren betreffen die Hangexposition Hangausrichtung und beruhen auf statistischen Grundlagen Je nach Exposition wird ein hoherer oder niedrigerer Reduktionsfaktor gewahlt Drittklassige Reduktionsfaktoren sind weitere Mittel wie z B eine kleine Gruppe oder das Begehen in grossen Abstanden SnowCard Bearbeiten nbsp Vorderseite SnowCard nbsp Ruckseite SnowCardDie SnowCard wurde von Martin Engler 8 und Jan Mersch entwickelt Beide sind Berg und Skifuhrer und Ausbilder im Bundeslehrteam des Deutschen Alpenvereins DAV Diese Entscheidungsstrategie hat ihren Ursprung im Faktorencheck und verwendet als Strategie den sogenannten Lawinen Risiko Check Mittlerweile hat der DAV die Rechte an der SnowCard erworben und wurde in DAV SnowCard umbenannt 9 Die SnowCard ist auf einer Seite mit einem Wackelbild versehen welches beim Kippen zwei verschiedene Grafiken anzeigt die das durchschnittliche Lawinenrisiko in gunstiger und ungunstiger Hangexposition Hangausrichtung aufteilt Weiterhin wird anhand von fliessenden Farbubergangen von Grun uber Gelb bis Rot das Risiko angezeigt Grun steht dabei fur ein geringes Risiko und Rot fur ein hohes Risiko Dazu hat die Karte ein Kartesisches Koordinatensystem Auf der y displaystyle y nbsp Achse Langsachse wird die Hangsteilheit dargestellt auf der x displaystyle x nbsp Achse Querachse der aktuelle Gefahrengrad des Lawinenlageberichts Anhand der Einschatzung der Hangsteilheit der Hangexposition und des Gefahrengrads kann nun innerhalb der Grafik das Risiko abgelesen werden Auf der Ruckseite wird eine schrittweise Anleitung zum Gebrauch der SnowCard angezeigt Sie verfugt ausserdem uber einen Hangneigungsmesser fur topographische Karten und ein Pendel zur Hangneigungsmessung im Gelande Faktorencheck BearbeitenDer von Engler entwickelte Faktorencheck ist praktisches Risikomanagement fur Fortgeschrittene und Profis Er setzt im Bereich der lawinenbildenden Schnee und Wetterfaktoren an und wurde bereits vor der Veroffentlichung der Formel 3 3 und der elementaren Reduktionsmethode angewandt Nach einem festgelegten Ablauf werden diese Faktoren einzeln uberpruft und nach einem ampelahnlichen Farbsystem bewertet Ahnlich wie bei der Snowcard wird von Grun uber Gelb bis Rot der Faktor negativ oder positiv eingeschatzt Anschliessend werden die Faktoren in einer Gesamtubersicht bewertet und ein Fazit uber das Lawinenrisiko gezogen Spezielle Alarmkombinationen von Faktoren fuhren zu einer weitaus gefahrlicheren Einschatzung der Lawinenlage Faktor EinzelbewertungLetzte Schneefallperiode Neuschneehohe Verfestigung Setzung tragende Schichten Wind Windstarke Verfrachtung in Kombination mit Neuschnee Zeitfaktor Lee oder Luv Temperatur Aktuelle Temperatur Strahlung Veranderung Tendenz der letzten Tage Altschneeoberflache Umwandlungsart grad der alten Oberflache Schichtverbindung in Kombination mit Temperatur und Zeit Altschneetiefe Alte labile Zwischenschichten Schwimmschnee am Boden Durchfeuchtungsgrad der Schneedecke Der Faktorencheck kann die anderen simpleren Entscheidungsstrategien erganzen Durch ihn ist es moglich den Lawinenlagebericht detailliert zu uberprufen und eine profunde eigene Bewertung der lokalen Lawinengefahr vorzunehmen Durch das vorgegebene Ablaufschema soll sichergestellt werden dass keine Faktoren vergessen oder ubersehen werden Jedoch bleibt der Faktorencheck ambitionierten Winterbergsteigern und Profis vorbehalten die durch Wissen Erfahrung und Kompetenz die einzelnen Faktoren tatsachlich bewerten konnen Fur Laien ist der Faktorencheck daher ungeeignet 10 Stop or Go Card BearbeitenDie Stop or Go Card wurde 1999 von Michael Larcher und dem Bergfuhrer Robert Purtscheller vorgestellt 11 und ist eine Entscheidungshilfe die vom Osterreichischen Alpenverein OAV bevorzugt wird Der erste Check Vorderseite der Karte basiert auf den Hangneigungsgrenzen von Munter und unterteilt je nach Gefahrenstufe die begehbaren Hange nach deren Steilheit Im zweiten Check Ruckseite werden lawinenbildende Faktoren auf ihre Gefahrlichkeit hin uberpruft Anschliessend erfolgt die Entscheidung zu gehen oder nicht zu gehen Stop or Go Auf der zweiten Seite der Karte werden Standardmassnahmen fur die Tourenplanung und unterwegs angeboten Die Unterteilung erfolgt nach dem zeitlichen Ablauf in Planung Aufstieg Abfahrt und berucksichtigt die wesentlichen Faktoren der Formel 3 3 Weiterhin verfugt die Karte uber einen Hangneigungsmesser fur Karten Literatur BearbeitenWerner Munter Drei mal drei 3 3 Lawinen Risikomanagement im Wintersport Bergverlag Rother 2003 ISBN 3 7633 2060 1 Martin Engler Jan Mersch SnowCard Lawinen Risiko Check Bergverlag Rother 2001 ISBN 3 7633 6030 1 Kurt Winkler Frank Techel Lawinenrisiko auf Skitouren Deutscher Alpenverein 2017 PDF 846 kB Siehe auch BearbeitenLawinenkommission Lawinenbulletin Europaische Gefahrenskala fur LawinenWeblinks BearbeitenEidgenossisches Institut fur Schnee und Lawinenforschung in Davos Lehrmanuskript zur systematischen Schneedeckendiagnose Lawinenwarndienst Bayern PDF 424 kB 3 Fragen zum Risikocheck mit der SnowCard Deutscher Alpenverein 20 Jahre Stop or Go im Gesprach mit Michael Larche der Zeitschrift bergundsteigen 15 Januar 2020 Lawinen drohen auch an flachen Hangen Spiegel Online 11 Juli 2008Einzelnachweise Bearbeiten Lawinenkunde fur Skifahrer und Bergsteiger Werner Munter 2 verb und erw Aufl Bern Hallwag 1984 ISBN 3 444 50158 7 Neue Lawinenkunde ein Leitfaden fur die Praxis Werner Munter hrsg vom Schweizer Alpen Club 2 uberarb und erw Aufl Bern SAC 1992 ISBN 3859021168 3 3 Lawinen Entscheiden in kritischen Situationen Werner Munter Garmisch Partenkirchen Pohl und Schellhammer 1997 ISBN 3 00 002060 8 S 117 3 3 Lawinen Risikomanagement im Wintersport Werner Munter 3 Aufl Garmisch Partenkirchen Verlag Pohl und Schellhammer 2003 ISBN 3 00 010520 4 3 3 Lawinen Risikomanagement im Wintersport Werner Munter 3 Aufl Garmisch Partenkirchen Verlag Pohl und Schellhammer 2003 ISBN 3 00 010520 4 S 122 SLF Merkblatt Achtung Lawinen Memento vom 6 Marz 2015 im Internet Archive 3 3 Lawinen Risikomanagement im Wintersport Werner Munter 3 Aufl Garmisch Partenkirchen Verlag Pohl und Schellhammer 2003 ISBN 3 00 010520 4 S 113 Die weisse Gefahr Schnee und Lawinen Erfahrungen Mechanismen Risikomanagement Martin Engler Sulzberg Martin Engler 2001 ISBN 3 9807591 1 3 Was ist die DAV SnowCard Deutscher Alpenverein Martin Engler Jan Mersch SnowCard Lawinen Risiko Check 2001 S 246 251 Michael Larcher 20 Jahre stop or go Website von Berg und Steigen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Entscheidungsstrategie Lawine amp oldid 223148445