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Als Bundner Kochbuch oder Ein schon Kochbuch wird eine fruhneuzeitliche Sammelhandschrift mit 515 erhaltenen Rezepten zur Zubereitung von Speisen Wein und Medizin bezeichnet Ihre Entstehung wird aufgrund von Jahresangaben und sprachlicher Gestalt in die Zeit von 1559 bis etwa ins erste Viertel des 17 Jahrhunderts datiert Ihr altester Teil entstand wie ein von den Stockalpers in Brig benutztes Kochbuch von 1581 im bayrischen Raum was sich aus sprachlichen Indizien und den Wasserzeichen des verwendeten Papiers ergibt und gelangte mit den Texten von Hand 1 und 2 erst irgendwann nach 1559 sicher jedoch noch vor 1608 nach Chur und ist damit keineswegs als altestes deutschsprachiges Kochbuch der Schweiz gesichert wie es der Untertitel der bis jetzt einzigen Edition von 2018 behauptet 1 Vorderseite Inhaltsverzeichnis 1 Entdeckung und Veroffentlichung 2 Beschreibung 3 Verfasser 4 Herkunft und Alter 5 Rezepte 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseEntdeckung und Veroffentlichung BearbeitenVermutlich in der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts kam das Buch als Geschenk in die Hande einer Churer Familie die immer wieder Vertreter des Klerus zu Besuch hatte Von dort gelangte es durch Erbgang in einen Vorort von Zurich Bei der Raumung eines Dachbodens wurde es im Winter 2014 2015 gefunden und es ist nur dem Zufall zu verdanken dass es aufbewahrt und nicht zusammen mit anderen alten Buchern entsorgt wurde Die Finderin schenkte es dem Zolliker Historiker Walter Letsch den sie von der Schule her kannte und von dem sie wusste dass er sich dafur interessieren wurde Walter Letsch transkribierte die 515 Rezepte und ubertrug sie in heutiges Deutsch wobei ihn Hans Peter Schifferle unterstutzte der Chefredaktor des Schweizerischen Idiotikons Aufbewahrt wird das Kochbuch im Staatsarchiv Graubunden unter der Signatur StAGR NH2 Zurzeit 2019 wird es restauriert Beschreibung Bearbeiten nbsp Angerissene TitelseiteDas Buch misst 21 15 Zentimeter und ist 3 Zentimeter dick Ursprunglich umfasste es 344 Seiten auf 172 Blattern heute sind es noch 155 Blatter Die Blatter 50 bis 66 fehlen Der untere Teil des Blattes 30 und Blatt 31 wurden herausgeschnitten Da die folgenden drei Seiten Medizinalrezepte enthalten ist denkbar dass auch die herausgetrennten Abschnitte medizinische Rezepte enthielten und zum Gebrauch herausgeschnitten worden sind Das Buch ist in mit Hirschlederriemen versehenes Pergament gebunden der Rucken fehlt Einstichstellen an den Deckeln weisen darauf hin dass diese mit dem Rucken vernaht waren Die Innenseiten der Deckel sind mit nicht mehr benotigtem beschriebenem Papier beklebt Das vordere Vorsatzblatt enthalt Teile eines Rezeptes und stammt von der gleichen Hand wie der Grossteil des Buches Das hintere Blatt stammt von einem anderen Schreiber und kann nicht mehr entziffert werden Mit den zwei rund 30 Zentimeter langen und 1 Zentimeter breiten Lederriemen konnte das Buch zugebunden werden Verfasser BearbeitenAufgrund des Schriftbildes und charakteristischer Formulierungen werden funf Schreiberhande unterschieden Hand 1 Rezepte 00 1 116 Hand 2 Rezepte 117 122 Hand 3 Rezepte 123 132 Medikamente Hand 4 Rezepte 133 146 Hand 5 Rezepte 147 515Bei den Autoren 1 und 3 bestehen die Titel meistens aus einem Gericht gefolgt von zu und einem Verb im Infinitiv Kelber wurst zu machen Rebhuener zu sieden Speis zu gilben Schreiber 1 beginnt seine Anweisungen meist mit Wildu Willst du Enten einmachen Schreiber 2 schreibt im Titel jeweils Wie man machen soll Seine Rezepte beginnen alle mit Nemmet Nehmt schone frische Orangenschalen Er ist auch der einzige Autor der sich bei den Titeln um kunstvolle Initialen Anfangsbuchstaben und geschwungene Unterlangen im Text bemuhte Die Schreiber 3 und 4 folgen keiner regelmassigen Formulierung oft ist einfach das Gericht angegeben Gebratne Hechtlebern Karpfen gefullt oder Enis Anis brotli Hand 5 schreibt haufig es dis ist ich habs brobiert gegenuber sonst ublichem bewert Beim Schreiber der ersten 116 Rezepte ist die neuhochdeutsche Diphthongierung vollstandig durchgefuhrt dabei unterscheidet er graphisch zwischen ei fur den aus i neuentstandenen Zwielaut z B schneidt schneidet weis weiss und ai fur den altern Diphthong mittelhochdeutsch ei althochdeutsch ai z B ain ein klain klein Air Eier Es finden sich zudem viele Falle von Entrundung zum Beispiel rier ruhre dinnen dunnen lechlin Lochlein sowie einige umgekehrte Schreibungen wie hochten Hechten oder Hurn Hirn Die neuhochdeutsche Monophthongierung wird dagegen nicht berucksichtigt Schreibungen wie khalt kalt dickh dick gehagkht gehackt konnten auf affrizierte Aussprache von altem k deuten Haufig auch p fur mittelhochdeutsch b so pindt bindet pradten braten oder pirckhen Birken Insgesamt lasst sich aus diesen und weiteren Merkmalen auf einen Schreiber aus dem bairischen Raum schliessen Es finden sich auch zahlreiche wohl nachtraglich und zum Teil von andern Schreibern eingefugte Randbemerkungen Herkunft und Alter BearbeitenIn Letschs Edition wird die Behauptung aufgestellt dass das Buch aus der Kuche des bischoflichen Schlosses stamme und zwar mit folgenden Argumenten Vereinzelt tauchen Masse auf wie sie nur in Chur verwendet wurden 80 Churer mas most Nim zu Kurer Viertel win folgende sache Einzelne Gerichte wie Salsiz oder Schublig lassen sich der Ostschweiz zuordnen andere wie Mortadella Biscottini oder Marroni stammen aus Norditalien Familiennamen wie Scandolera oder Puntisella weisen auf den sudbundnerischen Raum Die beschriebenen Gerichte und insbesondere die teuren Gewurze zeigen dass es sich nicht um ein Rezeptbuch fur burgerliche Kuche handeln kann Dass es auch nicht aus einem adligen Haushalt stammt zeigt die geringe Anzahl an Rezepten fur Wild Fischgerichte hingegen haben eine grosse Bedeutung da die Fastenregeln beachtet werden mussten Ein grosser Teil des Textes ist in Schweizer Dialekt verfasst Immer wieder tauchen Worter mit dem typisch bundnerischen Schluss a auf wie Bolla Zwiebeln Duba Taube Kela Kelle Kestana Kastanien Schussla Schussel fulla fullen gwurflata gewurfelter Speck oder iserna eiserner Deckel Diese Argumente relativiert Ursula Brunold Bigler und weist demgegenuber auf jene in der Sammlung enthaltenen Rezepte hin die einerseits die mannliche Potenz gunstig beeinflussen und andererseits der Kraftigung niedergekommener Frauen dienen sollten All dies weist auf eine Herkunft nicht aus einem Kleriker sondern dem Churer Oberschichtmilieu hin 2 Der Titel wohl von Hand 1 geschrieben nennt 1559 als Jahr der Entstehung Auf Blatt 32 ist zudem die Jahreszahl 1608 angegeben 3 Die Eintrage der Hande 4 und 5 durften noch etwas spater entstanden sein Rezepte BearbeitenDas Kochbuch enthalt Rezepte fur zahlreiche Speisen wie gefullte Karpfen Lammfleisch an Zwiebelsauce Leberwurst Sauerbraten Rehkopf eingemachte junge Vogel gerosteten Biberschwanz oder eine Pastete aus Neunaugen an einer Sauce aus Fischblut und Rotwein Dazu kommen verschiedene Sussigkeiten aber auch Rezepte zur Weinverbesserung sowie aus dem medizinischen Bereich gegen Gebrechen wie Fieber Verstopfung Gicht Epilepsie Pest oder Kopfschmerzen wie zum Beispiel Rezept 122 nbsp Rezept 122 Fur denn hautt wee unnd krannckheitt Nemmett Cleine weiſe Ruebenn Jſopp und Rauttenn alless zue Sammen Jnn eine Meſer geſtoſſenn unnd ſolliches durch Einenn ſauberenn thuechel der Safft aussgetruckh unnd dem kranckhenn zue drinkenn gebenn es hilfft gewiss probatum est Fur Kopfschmerzen und krankheit nehmt kleine weisse Ruben Ysop und Rauten alles zusammen in einem Morser zerstossen und davon durch ein sauberes Tuchlein den Saft ausgepresst dem Kranken zu trinken geben es hilft gewiss probatum est Rezepte mit Kartoffeln und Mais gibt es nicht sie wurden erst in der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts in der Schweiz bekannt Wichtig waren verschiedene Getreidearten Mus und Brot Rezepte zu Gemuse finden sich nur wenige Eine grosse Bedeutung hingegen hatten Beeren und Fruchte oft werden Rezepte mit Quitten beschrieben Eine Vielzahl an Gewurzen und uber achtzig verschiedene Zutaten werden erwahnt Meist sind es Gartenkrauter aber auch teure exotische Gewurze wie Muskat Ingwer oder Gewurznelken Mengenangaben werden je nach Rezept anders bezeichnet und lassen oft grossen Spielraum fur die Interpretation Nimm so viel wie du brauchst oder Nimm nicht zu viel Hin und wieder werden auch Kochkenntnisse vorausgesetzt Willst du Vogel in Pastete machen mach Pastete Die Rezepte sind weder nach Sachgebieten gegliedert noch nummeriert Nach Blatt 144 folgt ein zehnseitiges Inhaltsverzeichnis das allerdings nicht vollstandig ist Rezeptbeispiele nbsp Rezept 99Ein guet gebachens von kalbs lungen zu machenWiltu ain guet gepachens von kalbs lungenmachen haackh ſy klain machs ab mit ſaltz wurz Ymber pfeffer ſaffran iiij Air dotterauf ain lungen hackhs wol durchainannder mach kuglein daraus mach ein daig mit weissmel der nit zu dinn oder zu dickh ſey Welgerdie kuglein darinn wurffs in bủttern lassſye bachen wurff Zugger darauf ſodu ſieanrichteſt ſo hastu ain guet gebaches nbsp Rezept 137Gebratne HechtlebernNim etlich ſhone lebern von grossen hechten brat ſie fein gelind in Ol oder butter Spickh ſie dan mit zimet und Negeli mach eine brueh von kleinen Kaperngeuss ſie daruber es ist ein delicatessn ſo man konig und Furſten geben mag Literatur BearbeitenWalter Letsch Ein schon Kochbuch 1559 Das alteste deutschsprachige Kochbuch der Schweiz Hrsg Staatsarchiv Graubunden Quellen und Forschung zur Bundner Geschichte Nr 36 Desertina Chur 2018 ISBN 978 3 85637 502 7 Ursula Brunold Bigler Ein schon Kochbuch 1559 Kritische Bemerkungen zu einer Edition Eigenverlag Chur 2020 Simone Berchtold Ein schon Kochbuch 1559 Rezension In Bundner Monatsblatt 4 2020 Bundner Monatsblatt Chur 2020 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Ein schon Kochbuch 1559 Sammlung von Bildern Webseite Desertina Verlag Graubunden heute Staatsarchiv GraubundenEinzelnachweise Bearbeiten Ursula Brunold Bigler Ein schon Kochbuch 1559 Kritische Bemerkungen zu einer Edition Chur 2020 S 6f Ursula Brunold Bigler Ein schon Kochbuch 1559 Kritische Bemerkungen zu einer Edition Chur 2020 S 9 12 Ursula Brunold Bigler Ein schon Kochbuch 1559 Kritische Bemerkungen zu einer Edition Chur 2020 S 4 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ein schon Kochbuch 1559 amp oldid 233515723