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Doing Gender englisch ist ein Analyseansatz in der Geschlechterforschung Gender Studies der das soziale Geschlecht englisch gender als ein Ergebnis performativer Zuschreibungen auffasst und sich damit von der herkommlichen Vorstellung der Zweiteilung des biologischen Geschlechts sex als einer feststehenden und eindeutig zuzuordnenden Eigenschaft absetzt Der Ansatz des Doing Gender betont den eigenen Anteil einer Person an der Herstellung von Geschlechtsidentitat und Geschlechtsidentifizierung Doing Gender entstand auf der Grundlage kulturvergleichender Studien die feststellten dass die gesellschaftlichen Kategorien Mann und Frau uneinheitlich sind und dass es wenige Eigenschaften gibt die interkulturell zwischen beiden geteilt werden Demnach gilt Gender grosstenteils nicht mehr als innere Eigenschaft einer Person wie das in Sozialisationstheorien der Fall ist Stattdessen wird der Blick auf Interaktionen gelenkt in denen Gender dargestellt und wahrgenommen wird Inhaltsverzeichnis 1 Ansatz nach West und Zimmerman 2 Doing Difference 3 Forschungsumfeld 4 Kritik 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAnsatz nach West und Zimmerman BearbeitenDas Konzept des Doing Gender geht insbesondere auf Candace West und Don H Zimmerman zuruck die von der Ethnomethodologie beeinflusst sind Mit dem Hervorheben des Tuns bzw Machens von Geschlecht wird das alltagliche und zumeist auch wissenschaftliche Verstandnis von Geschlecht als biologisch oder psychisch stets gegebener Tatsache kritisiert Solche unwissenschaftliche Vereinfachungen gehen von einem Verstandnis des Handelns aus bei dem wie in Maschinen einmal eingegebene Programme immer wieder ausgefuhrt werden Der tatsachlichen Komplexitat des Handelns wird das nicht gerecht In ihrem grundlegenden Aufsatz Doing Gender 1987 verstehen die Autoren daher das Geschlecht nicht als naturlich gegebenes oder erworbenes Personenmerkmal das sich lediglich in Denken Fuhlen und Handeln einer geschlechtsspezifischen Identitat niederschlagt sondern betonen die aktive Her und Darstellung des Geschlechts im Alltag Demnach hat man sein Geschlecht also nicht einfach von Natur aus oder nur durch die Erziehung und Sozialisation und muss sich daher immer geschlechtstypisch verhalten sondern dieses Verhalten ist vor allem orientiert am Wissen daruber wie man sich als Mann oder Frau zu verhalten habe Es ist eine aktive Leistung und Hervorbringung eines Verhaltens das ein Beobachter als mannliches oder weibliches Verhalten deuten kann Die Autorin und der Autor begreifen das Geschlecht also in Anlehnung an die Ethnomethodologie als soziale Konstruktion und ein Merkmal sozialer Situationen anstatt von Personen Um die soziale Konstruktion von Geschlecht analytisch zu erfassen unterscheiden die Autorin und der Autor zwischen der Geburtsklassifikation sex der sozialen Zuordnung Zuschreibung des Geschlechts sex category sowie der intersubjektiven Validierung der Geschlechtskategorie in Interaktionsprozessen gender 1 Besondere Bedeutung kommt der intersubjektiven Validierung zu Gemeint sind alltagliche Prozesse in denen wir unser Geschlecht sozial darstellen und uns des Geschlechts von anderen versichern z B in den vielen Ritualen die Mannlichkeit bzw Weiblichkeit inszenieren Geschlecht gender ist so gesehen ein stetiges Tun von der Geschlechtskategorie sex category adaquatem Verhalten virtually any activity can be assessed as to its womanly or manly nature to do gender is to engage in behavior at the risk of gender assessment 2 Hervorhebung im Original Hierbei ist zu beachten dass nicht nur die Herstellungspraxis von Geschlecht die eigene Geschlechtlichkeit inszeniert sondern mit der entsprechenden Inszenierung im Rahmen der Interaktion das Wissen uber Geschlecht d h was mannlich bzw weiblich ist auch gleichzeitig reproduziert wird Insofern ist Doing Gender nicht nur eine interaktive Produktion von Geschlecht sondern gleichzeitig auch immer eine Reproduktion von Geschlecht Die Autorin und der Autor kennen kein Jenseits dieser Geschlechtskonstruktion das heisst Mann oder Frau stellen ihr Verhalten immer als das in unserer Kultur adaquate Verhalten eines Mannes oder einer Frau dar doing gender is unavoidable 3 Abgesichert werden die Prozesse des Doing Gender durch eine Vielzahl institutioneller Arrangements die durch relativ vage Handlungserwartungen Vorstellungen uber typisches Mann Frau Sein bis konkrete Interaktionsskripte Alltagsrituale wie z B die Regeln der Hoflichkeit die soziale Kategorie Geschlecht im Alltag prasent halten 4 5 Es gibt also ein Hintergrundwissen zur Geschlechterdifferenz und zu bedeutenden Unterschieden das stets aktualisiert und reproduziert wird durch das Handeln Das Geschlecht begreifen wir aber in unserer Alltagslogik und zumeist auch in der wissenschaftlichen nicht als Produkt dieser Beziehung zwischen Handeln und Wissen sondern als stets naturlich gegeben oder einst in der Erziehung erworben Doing Difference BearbeitenIm Konzept des Doing Difference wurde der Doing Gender Ansatz 1995 von Candace West und Sarah Fenstermaker neben Geschlecht gender um zwei weitere soziale Differenzkategorien erweitert die soziale Klasse class und die ethnische Zugehorigkeit race Kerngedanke ist dass der Stellenwert von Geschlecht nicht isoliert betrachtet werden kann sondern in seinem Kontext mit Ethnie und Status erfasst werden muss Dabei gibt es keine grundsatzliche Hierarchie zwischen den verschiedenen Kategorien die Relevanz von gender class und race hangen von dem jeweiligen Kontext ab 6 Erst wenn man die Konstruktion von Geschlecht Klasse und Ethnie als simultane Prozesse begreift wird es moglich zu erkennen dass die Relevanz dieser Ordnungsmuster je nach Interaktionskontext variieren kann 7 Wie auch in der Doing Gender Theorie Geschlecht aktiv und interaktional hergestellt wird gehen die Autoren bei Doing Difference davon aus dass Differenz interaktional entsteht Das bedeutet dass Differenz variabel ist und stets nur zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer bestimmten Situation die gleiche ist und so betrachtet werden kann In der Differenzierungskategorie race gehen die Autoren davon aus dass dem Erscheinungsbild eines Menschen das eventuell auf die Herkunft einer Person schliessen lasst ebenso wie bei der geschlechtlichen Kategorisierung intuitiv Verhaltensweisen und Eigenschaften zugewiesen werden die von einem Beobachter in einer Interaktion erwartet werden In der Kategorie class gibt es keine wissenschaftliche Basis fur die Vorstellung davon wie die Mitglieder verschiedener Klassenkategorien aussehen daher sind die Vorstellungen von Eigenschaften und Verhalten in dieser Kategorie eher variabler als bei gender und race Trotzdem bleibt die Vorstellung bestehen dass der wirtschaftliche Status einer Person abhangig ist von ihren Eigenschaften wie Personlichkeit und Intelligenz 6 West und Fenstermaker legen fur die Analyse einer jeden Interaktion das Prinzip der Zurechenbarkeit accountability zugrunde Dieses Prinzip besagt dass das Handeln einer Person nur im Kontext von bestimmten Erwartungen verstanden werden kann die an jene Person als Mitglied eines Geschlechts einer sozialen Schicht und einer bestimmten Ethnie gerichtet werden Nur durch eine solche Betrachtung konne eine Handlung vollends interpretiert werden Die Erwartungen die an die jeweilige Person gerichtet werden seien dabei Bestandteil umfassender Vorstellungen sozialer Ordnung 6 Erst so wird es moglich eigene aber auch Handlungen anderer interpretieren und bewerten zu konnen 8 Forschungsumfeld BearbeitenDie Aspekte einer performativen Etablierung von Geschlecht sind schwer zu erkennen weil wir aufgrund der Alltaglichkeit unserer Erfahrungen dafur blind geworden sind Zusatzlich ist Geschlecht in unserer Alltagswahrnehmung eine stark essentialisierte Eigenschaft Einmal erstellte Differenzen werden also naturalisiert und institutionalisiert Beobachtet werden kann ein Prozess der Herstellung von Geschlecht deshalb insbesondere in Extremsituationen So stutzt sich die Erforschung des Doing Gender auf Studien uber Transmenschen also Personen die im Laufe ihres Lebens das Geschlecht wechseln und in diesem Wandel erlernen wie Gender in Interaktionen hergestellt und wahrgenommen wird Kritik BearbeitenDie Unvermeidbarkeit einer stetigen Geschlechtskonstruktion also die Annahme einer andauernden Her und Darstellung des Geschlechts in jeglichen Interaktionen wurde einerseits von der Autorin spater selbst relativiert siehe Doing Difference 6 Das Doing Gender kann demnach hinter das Tun anderer Zugehorigkeiten zurucktreten z B hinter ein Doing Race bzw Ethnicity Andererseits wurde das Konzept des Doing Gender grundsatzlicher kritisiert indem man auch von einem Vergessen und Neutralisieren der Geschlechterdifferenz ausgehen kann wie dies bspw von Stefan Hirschauer kritisiert wurde vgl auch dazu Undoing Gender 9 Der Ansatz der Doing Difference wurde unter anderem wegen des gemeinsamen theoretischen Modells fur Gender Klasse und Rasse Ethnie kritisiert Dafur waren die in diesen Kategorien ausgedruckten sozialen Beziehungen zu unterschiedlich Analytisch mussten diese Kategorien getrennt betrachtet werden 10 Literatur BearbeitenAufsatze Regine Gildemeister Angelika Wetterer Wie Geschlechter gemacht werden Die soziale Konstruktion der Zwei Geschlechtlichkeit und ihre Reifizierung in der Frauenforschung In Gudrun Axeli Knapp Hrsg Traditionen Bruche Entwicklungen feministischer Theorie Kore Verlag Freiburg im Breisgau 1992 ISBN 3 926023 82 1 S 201 254 Regine Gildemeister Doing Gender Soziale Praktiken der Geschlechterunterscheidung In Ruth Becker Beate Kortendiek Hrsg Handbuch Frauen und Geschlechterforschung Theorie Methoden Empirie Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2004 ISBN 3 8100 3926 8 S 132 141 Erving Goffman Das Arrangement der Geschlechter In Hubert Knoblauch Hrsg Interaktion und Geschlecht Campus Verlag Frankfurt M 2001 ISBN 3 593 36858 7 S 105 158 Stefan Hirschauer Die interaktive Konstruktion von Geschlechtszugehorigkeit In Zeitschrift fur Soziologie Jg 18 1989 ISSN 0340 1804 S 100 118 Stefan Hirschauer Die soziale Fortpflanzung der Zweigeschlechtlichkeit In Kolner Zeitschrift fur Soziologie und Sozialpsychologie Band 46 1994 ISSN 0023 2653 S 668 692 Stefan Hirschauer Das Vergessen des Geschlechts Zur Praxeologie einer Kategorie sozialer Ordnung In Bettina Heintz Hrsg Geschlechtersoziologie Westdeutscher Verlag Wiesbaden 2001 ISBN 3 531 13753 0 S 208 235 Candace West Sarah Fenstermaker Doing Difference In Gender and Society Band 9 Nr 1 1995 doi 10 1177 089124395009001002 S 8 37 Volltext PDF Datei 968 kB abgerufen am 7 Juni 2017 Candace West Don H Zimmerman Doing Gender In Gender and Society Band 1 Nr 2 1987 doi 10 1177 0891243287001002002 S 125 151 Volltext PDF Datei 818 kB abgerufen am 7 Juni 2017 Monographien und Sammelbande Kerstin Bronner Grenzenlos normal Aushandlungen von Gender aus handlungspraktischer und biografischer Perspektive Genderstudien Transcript Verlag Bielefeld 2011 ISBN 978 3 8376 1643 9 zugl Dissertation Universitat Tubingen 2011 Ute E Eisen Christine Gerber und Angela Standhartinger Hrsg Doing Gender Doing Religion Fallstudien zur Intersektionalitat im fruhen Judentum Christentum und Islam Mohr Siebeck Tubingen 2013 Stefan Hirschauer Die soziale Konstruktion der Transsexualitat Uber die Medizin und den Geschlechtswechsel 2 Auflage Suhrkamp Frankfurt am Main 1999 ISBN 3 518 28645 5 Erstausgabe 1993 Suzanne J Kessler Wendy McKenna Gender an ethnomethodological approach University of Chicago Press Chicago 1985 ISBN 0 226 43206 8 Nachdruck der Ausgabe New York 1978 Jurgen Raithel Die Stilisierung des Geschlechts Jugendliche Lebensstile Risikoverhalten und die Konstruktion von Geschlechtlichkeit Juventa Verlag Munchen 2005 ISBN 3 7799 1742 4 Weblinks BearbeitenAlexander Geimer Doing Gender In Gender Glossar 2013Einzelnachweise Bearbeiten Candace West Don H Zimmerman Doing Gender In Gender and Society Band 1 Nr 2 1987 doi 10 1177 0891243287001002002 S 125 151 hier 131 ff Volltext PDF Datei 818 kB abgerufen am 7 Juni 2017 Candace West Don H Zimmerman Doing Gender In Gender and Society Band 1 Nr 2 1987 doi 10 1177 0891243287001002002 S 125 151 hier 136 Volltext PDF Datei 818 kB abgerufen am 7 Juni 2017 Candace West Don H Zimmerman Doing Gender In Gender and Society Band 1 Nr 2 1987 doi 10 1177 0891243287001002002 S 125 151 hier 137 Volltext PDF Datei 818 kB abgerufen am 7 Juni 2017 Regine Gildemeister Doing Gender Soziale Praktiken der Geschlechterunterscheidung In Ruth Becker Beate Kortendiek Hrsg Handbuch Frauen und Geschlechterforschung Theorie Methoden Empirie Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2004 ISBN 3 8100 3926 8 S 132 141 Regine Gildemeister Angelika Wetterer Wie Geschlechter gemacht werden Die soziale Konstruktion der Zwei Geschlechtlichkeit und ihre Reifizierung in der Frauenforschung In Gudrun Axeli Knapp Hrsg Traditionen Bruche Entwicklungen feministischer Theorie Kore Verlag Freiburg im Breisgau 1992 ISBN 3 926023 82 1 S 201 254 a b c d Candace West Sarah Fenstermaker Doing Difference In Gender and Society Band 9 Nr 1 1995 doi 10 1177 089124395009001002 S 8 37 Volltext PDF Datei 968 kB abgerufen am 7 Juni 2017 Sarah Fenstermaker Candace West Doing Difference Revisited Probleme Aussichten und der Dialog in der Geschlechterforschung In Bettina Heintz Hrsg Geschlechtersoziologie Westdeutscher Verlag Wiesbaden 2001 ISBN 3 531 13753 0 S 236 249 hier 237 Hanna Meissner Die soziale Konstruktion von Geschlecht Erkenntnisperspektiven und gesellschaftstheoretische Fragen PDF 239 kB In Gender Politik Online Juni 2008 abgerufen am 30 Juni 2016 Stefan Hirschauer Das Vergessen des Geschlechts Zur Praxeologie einer Kategorie sozialer Ordnung In Bettina Heintz Hrsg Geschlechtersoziologie Westdeutscher Verlag Wiesbaden 2001 ISBN 3 531 13753 0 S 208 235 Dorothy E Smith Categories Are Not Enough In Gender amp Society Band 23 Nr 1 Februar 2009 S 76 80 doi 10 1177 0891243208327081 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Doing Gender amp oldid 236817610