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Die Reise mit Charley Auf der Suche nach Amerika im englischen Original Travels with Charley In Search of America ist ein 1962 erschienener Reisebericht des amerikanischen Schriftstellers John Steinbeck in dem er von einer dreimonatigen Rundreise durch die Vereinigten Staaten erzahlt die er von New York aus im Herbst 1960 in einem eigens dazu angefertigten Pick up Camper allein mit seinem franzosischen Pudel Charley begann Wie der Untertitel Auf der Suche nach Amerika andeutet geht es darin nicht um eine touristische Reise zu den Sehenswurdigkeiten des Landes sondern v a um eine Begegnung mit den Menschen einzelner Regionen und um eine Reflexion des Autors uber sein Verhaltnis zu Amerika Steinbecks Reiseroute im Herbst 1960 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Stil 3 Anmerkungen 4 Ausgaben 5 Dokumentarfilm 6 WeblinksInhalt BearbeitenNachdem Steinbeck im Herbst 1959 nach einem langeren Aufenthalt in England wo er eine Neubearbeitung der Artussage schreiben wollte zum zweiten Mal einen leichten Schlaganfall erlitten hatte der jedoch schon etwas ernster war als der von 1954 verspurte er im Fruhjahr 1960 ein zunehmend dringendes Bedurfnis sein eigenes Land noch einmal neu zu erkunden Zu lange hatte ich die Sprache Amerikas nicht mehr gehort sein Gras seine Baume seine Abwassergraben nicht mehr gerochen seine Hugel und Gewasser nicht mehr gesehen seine Farben und die Eigenart seines Lichts schreibt er zu Beginn seines Buches Zugleich wollte er in jenem Prasidentschaftswahljahr es war das Jahr der Wahl zwischen Kennedy und Nixon seiner Nation gewissermassen den Puls fuhlen Naturlich stand dahinter auch der Wunsch sich selbst zu beweisen dass er zu einem solchen Unternehmen noch imstande war sowohl als Mensch wie als Autor 1 nbsp Steinbecks Rosinante ausgestellt im National Steinbeck Center SalinasSo liess er sich im Sommer 1960 einen robusten Pick up Truck mit einem Camper Aufsatz zu einer Art Wohnmobil einrichten das er mit feiner Selbstironie auf den Namen Rosinante taufte nach dem Pferd des ruhmvollen Ritters Don Quijote von La Mancha Wochenlang rustete er das Gefahrt auf seinem Anwesen in Sag Harbor an der inneren Bucht von Long Island 2 mit allem Notigen aus als ginge es um eine Expedition in die Wildnis Sein einziger Begleiter sollte sein zehn Jahre alter franzosischer Pudel Charley sein 3 Erster Teil Eigentlich wollte Steinbeck am Labour Day Anfang September aufbrechen aber das verhinderte der Hurrikan Donna der genau an diesem Tag uber die Ostspitze von Long Island herfiel und Rosinante leicht beschadigte Die Schilderung seines Kampfes gegen diesen Wirbelsturm die Steinbeck dem Reisebericht vorangestellt hat steht paradigmatisch fur die ganze Reise wie sein Biograph Jay Parini schreibt Der Held ist gleichzeitig Don Quijote und Sancho Pansa der furchtlose Ritter und der ironische Beobachter 4 Sein Plan war die Vereinigten Staaten einmal ganz zu umkreisen gleichsam ihre Grenzen abzufahren so als wollte er seine Suche nach Amerika dadurch betreiben dass er sich der ausseren Intaktheit seines Landes versicherte wohl ahnend dass es mit der inneren nicht so gut stand Am 23 September 1960 fuhr er los Anfangs gemachlich durch Neuengland bis an die Nordspitze von Maine immer soweit irgend moglich unter Vermeidung der Schnellstrassen mit den Uberlandtransporter Kolonnen und der grossen Stadte dann in grosseren Tagesetappen an der kanadischen Grenze entlang nach Westen bis ChicagoZweiter Teil Nach dem Treffen mit seiner Frau setzte er die Reise durch die Badlands in North Dakota und durch seine Lieblingslandschaft Montana an den Pazifik fort und dann von Seattle die Kuste nach Suden bis in seine alte Heimat Salinas und Monterey Dort war er jedoch so erschrocken uber den Touristenrummel im Hafengebiet und die Veranderungen seit seiner Kindheit dass er fast fluchtartig durch die Mojave Wuste und Arizona bis nach Texas weiterfuhr Dritter Teil Auf der Ranch eines Bekannten kam er fur ein paar Tage zur Ruhe er traf seine Frau zum zweiten Mal wahrend seiner Reise 5 und sie feierten gemeinsam Thanksgiving Vierter Teil Im letzten Abschnitt konzentriert sich Steinbeck auf ein ihn schockierendes Erlebnis in New Orleans und auf drei kontroverse Gesprache uber die Rassenproblematik in den Sudstaaten Er wurde Zeuge einer rassistischen Demonstration weisser Frauen den Vorschreierinnen gegen den gemeinsamen Schulunterricht weisser und schwarzer Kinder die ihn so tief erschutterte dass er auf schnellstem Wege nach New York zuruckfuhr Insgesamt hatte er fast 10 000 Meilen zuruckgelegt und war elf Wochen unterwegs gewesen Steinbeck wollte auf seiner Reise nicht als der beruhmte Schriftsteller erkannt werden 6 und trat uberall als ein Fremder auf der Durchreise auf um das Volk belauschen zu konnen Oft lud er Menschen in seinen Truck zu einem Umtrunk ein z B franzosisch kanadische Wanderarbeiter Canucken die in der Nahe seines Rastplatzes campierten und erfuhr dass sie jedes Jahr von ihren kleinen Farmen in der Provinz Quebec in Kanada aus mit ihren Familien zur Kartoffelernte nach Maine kamen um ihr Einkommen aufzubessern Nach dem behutsamen Aufbau eines Kontaktes gewahrten viele Menschen ihm auch Einblick in ihr Leben So lernte er auf einem Parkgelande mit fahrbaren Aluminium und Holzhausern Familien kennen die flexibel ihren Arbeitsplatzen durchs ganze Land hinterherreisten In Strassenrestaurants und hygienischen Plastik Raststatten mit Verkaufsmaschinen und Getranke und Suppenautomaten den Hohepunkten unserer Zivilisation unterhielt er sich mit anderen Gasten mit der Bedienung und mit Fernfahrern Gelegentlich erlebte er auch fur ihn kuriose Auftritte oder begegnete Aussenseitern z B horte er an einem Sonntagmorgen in einer Stadt in Vermont die Feuer und Schwefel Predigt uber die sundigen Menschen und das Hollenfeuer das sie erwartet Im Westen lernte er einen Wanderschauspieler kennen der vor kleinem Publikum Shakespeare Monologe in der Art von John Gielgud vortrug Unterwegs auf der Reise durch das weite Land achtete er auf die Idiome Akzente und Sprachrhythmen der Menschen und stellte fest dass die Lokaldialekte im Schwinden waren Ein Vergleich der Radiosendungen zeigte ihm den Verlust lokaler Farbungen auch der Lieder und der Sprache Die Standardisierung der Lebensformen der Speisen in den Raststatten und ihres Mobiliars erreichte auch die Sprachformen Stil BearbeitenStilistisch ist der Reisebericht eine Mischung aus locker aneinandergereihten Episoden Begegnungen und Gesprachen mit verschiedenen Menschen mal knapper mal ausfuhrlicher mit Dialogen dabei oft so lebendig geschildert dass sie regelrechte Kurzgeschichten ergeben mit zwischendurch ebenso locker eingestreuten Reflexionen uber Landschaft und Geschichte Literatur und Politik Erzahlerische Hohepunkte sind z B die Begegnung mit franko kanadischen Wanderarbeitern im Norden von Maine die zur Kartoffelernte uber die Grenze gekommen sind 7 oder die Geschichte vom vergeblichen Versuch mit dem ungeimpften Hund eine Abkurzung durch Kanada zu fahren 8 oder der abgebrochene Besuch bei den Baren im Yellowstone Nationalpark 9 oder auch die Geschichte von Lonesome Harry im Luxushotel von Chicago 10 Der anfangs noch uberwiegend heitere wohlgemute oder selbst ironische Ton wird mit der Zeit immer skeptischer kritischer und gegen Ende nach der ublen Erfahrung in New Orleans auch bitter Eine zunehmende Enttauschung ja Verzweiflung ist als Subtext des Buches nicht zu uberhoren Was Steinbecks Suche nach Amerika angeht so ist sie ohne konkretes Ergebnis geblieben Er hat zu keinem definitiven Urteil gefunden Dabei habe er sich schreibt sein Biograph Parini in seinen unterwegs geschriebenen Briefen viel amerikakritischer als im ganzen Reisebericht geaussert Er habe wohl nicht als Weltuntergangsprophet auftreten wollen sondern es vorgezogen eine leicht patriotische Note anklingen zu lassen womit er sich der Chance begeben habe ein wirklich grosses Buch uber Amerika zu schreiben 11 Immerhin zeugt aber ein Satz wie dieser Wenn ich etwas zu kritisieren und zu beklagen fand dann waren es Tendenzen die sich genauso in mir selber finden 12 fur eine tiefe Einsicht die jeder Kritiker sich zu Herzen nehmen sollte Mit Amerika und seiner Seele hatte sich Steinbeck drei Jahrzehnte lang beschaftigt Was er nach dieser Reise uber sie dachte kommt gut in einem Brief an seinen Lektor Pascal Covici zum Ausdruck den er im Juli 1961 schrieb mitten in der Arbeit an Travels with Charley Auf allen meinen Reisen habe ich wenig wirkliche Armut gesehen ich meine die niederdruckende schreckliche Armut der dreissiger Jahre Die war wenigstens real und greifbar Nein was ich gesehen habe war eine Krankheit eine Art verzehrender Schwache Es gab Wunsche aber keine Bedurftigkeit Und unterschwellig die drangende Energie wie Gase in einem Leichnam Wenn das einmal explodiert ich zittere bei dem Gedanken an das Ergebnis Immer wieder ist mir durch den Kopf gegangen Uns fehlt der Druck der die Menschen stark macht und das Leid das sie gross macht Was uns druckt sind unsere Schulden was wir uns wunschen sind noch mehr materielle Spielsachen und was uns qualt ist die Langeweile Im Laufe der Zeit ist diese Nation ein missvergnugtes discontented Land geworden 13 Basis und Motor solcher Kritik ist jedoch und damit hebt sich der Autor John Steinbeck weit uber die allermeisten seiner schreibenden Zeitgenossen hinaus ein feines Gespur und fundiertes Interesse fur okologische Zusammenhange und ihre politischen Konsequenzen lange vor dem Aufkommen einer grunen Bewegung Dies zeigt sich in Travels with Charley besonders deutlich in den Kapiteln uber Landschaften und Naturphanomene wie die Sequoia Walder in Kalifornien oder die Mojave Wuste die man als essayistische Hohepunkte dieses Buches betrachten kann So schreibt er z B uber die Funktion der Wuste als moglicherweise rettendes Ufer und Ort der Wiedergeburt des Lebens nach einer von Menschenhand gemachten finalen Katastrophe nbsp Die Mojave Wuste in Sudkalifornien Die Wuste eine unwirtliche Gegend konnte sehr wohl das letzte Widerstandsnest des Lebens gegen das Nichtleben sein Denn in den reichen und feuchten und wirtlichen Weltgegenden spekuliert das Leben mit standig hoherem Einsatz gegen sich selbst und hat sich in seiner Verwirrung schliesslich mit dem Feind Nichtleben verbundet Und was die verbrennenden versengenden vereisenden und vergiftenden Waffen des Nichtlebens noch nicht geschafft haben werden vielleicht die pervertierten Uberlebenstaktiken bis zur endgultigen Zerstorung und Vernichtung treiben Wenn die anpassungsfahigste Form des Lebens der Mensch weiter so um ihr Uberleben kampft wie sie es bisher getan hat kann sie nicht nur sich selbst sondern auch alles andere Leben ausloschen Und wenn sich das abzeichnen sollte konnten unwirtliche Gegenden wie die Wuste die strenge Mutter der Wiederbevolkerung werden Denn die Wustenbewohner sind gut trainiert und gut gerustet gegen Verodung Sogar unsere eigene irregeleitete Spezies konnte aus der Wuste neu erstehen Der einsame Mann und seine sonnengegerbte Frau die sich an einem unfruchtbaren unwirtlichen Ort in den Schatten drucken konnten zusammen mit ihren Waffenbrudern dem Kojoten dem Jackrabbit dem Leguan der Klapperschlange sowie einem Heer von armierten Insekten all diese trainierten und erprobten Fragmente des Lebens konnten sehr wohl die letzte Hoffnung des Lebens gegen das Nichtleben sein Die Wuste hat schon andere Wunder hervorgebracht 14 Anmerkungen Bearbeiten Sein Sohn Thom Steinbeck behauptete 2006 in einem Interview sein Vater habe gewusst dass er bald sterben werde und habe sich von seinem Land verabschieden wollen s u unter Weblinks Genauer an der Upper Sag Harbor Cove vor der Noyac Bay in der Gabelung der beiden Krebszangen oder Schwanzflossen von Long Island einem der bestversteckten Ruckzugsorte fur ruhesuchende Kunstler Ein Bild von Steinbeck und Charley in Sag Harbor findet sich hier Jay Parini John Steinbeck A Biography Henry Holt amp Co New York 1995 S 422 Daruber berichten seine beiden Biographen s Jay Parini 1995 S 426 und ausfuhrlicher Jackson J Benson John Steinbeck Writer A Biography Penguin New York 1990 S 886 ff Dies ist ihm mit Bart und sparsamer Kostumierung gelungen Er selbst erklart das so Ich glaube die Leute erkennen jemanden nur im Kontext Selbst diejenigen die mich vor einem Hintergrund wie sie ihn bei mir erwarteten vielleicht identifiziert hatten haben mich in keinem Fall am Steuer von Rosinante erkannt S 70 77 der neuen deutschen Ausgabe S 93 97 der neuen deutschen Ausgabe S 172 176 der neuen deutschen Ausgabe S 126 131 der neuen deutschen Ausgabe Jay Parini 1995 S 424 ff S 221 der neuen deutschen Ausgabe Steinbeck A Life in Letters edited by Elaine A Steinbeck and Robert Wallsten New York 1975 S 702 f S 230 f der neuen deutschen Ausgabe Ausgaben BearbeitenOriginal Travels with Charley In Search of America The Curtis Publishing Co New York 1961 Viking Press New York 1962 Penguin Books Harmondsworth 1980 ISBN 0 14 005320 4 Deutsche Ausgabe Meine Reise mit Charley Auf der Suche nach Amerika ubers v Iris und Rolf Hellmut Foerster Diana Zurich 1963 Zsolnay Wien 1992 vergriffen Neue deutsche Ausgabe Die Reise mit Charley Auf der Suche nach Amerika neu ubers und mit einem Nachwort v Burkhart Kroeber Zsolnay Wien 2002 ISBN 3 552 05190 2 dtv Munchen 2007 ISBN 978 3 423 13565 8Dokumentarfilm BearbeitenDie grosse Literatour John Steinbecks USA Dokumentarfilm Deutschland 2016 59 Min Buch Hartmut Kasper Regie Jascha Hannover Andre Schafer Produktion Florianfilm MDR RB rbb SWR WDR arte Reihe Die grosse Literatour Erstsendung 5 April 2017 bei arte Inhaltsangabe von arte mit Kurzvideos Weblinks BearbeitenThom Steinbeck uber den Grund der Reise Archiviert vom Original am 27 September 2007 abgerufen am 13 Juli 2013 Dokumentarfilm Travels with Judy in Search of John Steinbeck s America von Vicky Cain 2004 Charley in der Datenbank Find a Grave englisch Vorlage Findagrave Wartung Wikidatakennung nicht gesetzt Vorlage Findagrave 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