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Die Islandglocke islandisch Islandsklukkan geschrieben und in drei Einzelbanden veroffentlicht von 1943 bis 1946 ist das bekannteste Werk des islandischen Schriftstellers Halldor Laxness 1902 1998 Der historische Roman uber eine bedruckende Epoche der danischen Kolonisierung Islands besteht aus drei Teilen Islandsklukkan dt Die Glocke Islands 1943 Hid ljosa man dt Die lichte Maid 1944 Eldur i Kaupinhafn dt Feuer in Kopenhagen 1946 Die drei Bande erschienen unter dem gemeinsamen Titel gesammelt 1957 Eine danische Ausgabe erschien 1946 47 die deutschsprachige Erstausgabe stammt aus dem Jahr 1951 1 eine Neuubersetzung erschien 1993 2 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Interpretatorische Einordnung und Hintergrund 3 Stil 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDie Handlung erstreckt sich uber mehr als zwei Jahrzehnte und spielt im unter danischer Herrschaft stehenden Island des spaten 17 und fruhen 18 Jahrhunderts die zeitliche Verdichtung in Wirklichkeit weiter auseinander liegender Ereignisse der lokalen Geschichte macht eine genauere Datierung unmoglich Einige kurzere Episoden spielen auch in den Niederlanden Deutschland und vor allem Danemark Die soziale und politische Situation Islands spielt dabei die entscheidende Rolle gezeigt werden die durch Pest und Hungersnote verelendeten Bauern die stolze aber gleichfalls recht einfach lebende Oberschicht und die reichen danischen Profiteure die den Seehandel und Fischfang der Islander unterbunden haben und alle Verstosse drakonisch bestrafen um ihr von 1602 bis 1787 gesetzlich verankertes Handels und Preissetzungsmonopol zu sichern Schon der Diebstahl einer Angelschnur gilt als Verbrechen Die aus Danemark importierte Reformation und die korrupte danische Gerichtsbarkeit sind Bestandteile des Unterdruckungsmechanismus die Handlungen der Amtstrager sind durch Willkur gekennzeichnet Deutlich wird aber auch der Stolz der Islander aller Schichten auf ihr Land und seine alten Uberlieferungen die von ihnen obwohl sie meist nicht lesen konnen immer wieder rezitiert werden oder die ihnen zumindest noch vom Horensagen bekannt sind Eng verknupft fast zu eng um als getrennte Handlungsstrange betrachtet zu werden stehen zwei Geschichten im Mittelpunkt Da ist einmal die nur kurzfristig gluckliche Liebesgeschichte zwischen der schonen selbstbewussten und vornehmen blonden Richterstocher Snaefridur Islandssol einer elfenartigen aber ebenso leidenschaftlichen wie rucksichtslosen Figur die zum Teil Laxness Phantasie entsprungen ist und dem Gelehrten Arnas Arnaeus der auf dem Lande nach kostbaren alten Handschriften sucht die teilweise zweckentfremdet und der Zerstorung ausgesetzt sind fur ihn das wichtigste Erbe aus den glanzvollen Zeiten des nun erniedrigten Landes Auch die Schweden die mit den Danen im Krieg liegen stellen diesen Handschriften nach da sie sie fur gotisch halten nbsp Das Modruvallabok eine Sammlung islandischer Sagas auf ca 200 Folioblattern entstand um 1350 wurde 1690 von Arni Magnusson gekauft und 1974 an Island zuruckgegebenSnaefridur heiratet nach Arnas Ruckreise nach Danemark einen heruntergekommenen Junker einen Saufer dessen Eskapaden sie klaglos ertragt sie akzeptiert nicht den zweitbesten Heiratskandidaten den man ihr vorschlagt sondern wahlt den schlechtesten Spater versucht Arnaeus als koniglicher Beauftragter vergebens die Situation auf der Insel zu verbessern seine Ideale der Gerechtigkeit trifft auf den Starrsinn der auf ihre althergebrachte Gesellschaftsordnung stolzen Islander und auf den Widerstand der danischen Kaufleute Immer wieder entscheidet sich Arnaeus gegen Snaefridur und fur andere Vorhaben die wie er glaubt wichtiger sind fur das Land Der zweite Handlungsstrang stellt den nur scheinbar naiven mit allen Wassern gewaschenen Zinsbauern Jon Hreggvidsson in den Mittelpunkt Er hat eine Angelschnur gestohlen wird gezwungen die Gerichtsglocke die die Danen beschlagnahmen wollen zu zerschlagen beleidigt den Konig durch einen Spottvers uber dessen Matressen und wird vom Henker ausgepeitscht unternimmt dann mit dem Henker ein Saufgelage wird anschliessend wieder verhaftet da dieser verschwunden ist und wird des Mordes am verschwundenen Henker angeklagt Mit unerschutterlichem Gleichmut lasst er alle Strafen und Misshandlungen uber sich ergehen verspottet jedoch seine Peiniger Er kann sich der Hinrichtung gerade noch entziehen flieht auf einem hollandischen Fischerboot und irrt anschliessend jahrelang durch Europa Deutschland wird in diesem Zusammenhang negativ dargestellt erscheint es doch als eine Karikatur der militaristischen Preussens und zugleich des nationalsozialistischen Polizeistaats wo Fritz von Blitz mit Pickelhaube sein Unwesen treibt und Menschen massenhaft hingerichtet werden ein Reflex auf die Entstehungszeit des Romans wahrend des Dritten Reichs Nach Jons Ruckkehr nach Island wird der Prozess immer wieder aufgerollt Snaefridurs Vater hat ihn das erste Mal aufgrund vager Indizien und Zeugenaussagen verurteilt das Madchen selbst hat ihm die Flucht ermoglicht ihr Vater lasst ihn dann unbehelligt zum Hof zuruckkehren Arnaeus veranlasst im Namen der Gerechtigkeit die erste in einem harten Urteil gegen den Richter Snaefridurs Vater endende Wiederaufnahme des Prozesses Snaefridur veranlasst Jahre danach eine zweite um durch eine Verurteilung Jons und Arnaeus die Ehre ihres Vaters als eines Mitglieds der traditionsreichen islandischen Oberschicht wiederherzustellen Die Vater Tochter Beziehung wird nun wieder wichtiger als die Liebesbeziehung Snaefridur wendet sich endgultig von dem Modernisierer Arnaeus und seiner aufklarerischen Idee von Gerechtigkeit ab und bekennt sich zur vorreformatorischen nationalen Tradition die durch die Danen zerstort wurde Ein Besuch von Arnaeus bringt ihre Absage wieder ins Wanken Arnaeus der beim danischen Konig in Ungnade gefallen ist lehnt nach seiner Ruckkehr nach Danemark jedoch das schon langer bestehende Angebot eines Hamburger Kaufmanns ab Island zu kaufen und ihn pro forma zum Herzog des deutschen Kaisers zu machen Das hatte Island zu einem deutschen Vasallenstaat gemacht obwohl es den Wohlstand der Menschen sicherlich gefordert hatte Damit ist auch die letzte Moglichkeit seiner Ruckkehr und einer gemeinsamen Zukunft mit Snaefridur verstellt Ihm erscheinen die Hanseaten zwar als liberale Kaufleute die im Gegensatz zu den Danen Masse und Gewichte einhalten aber das Land bald mit eigenen Siedlern kolonisieren wurden woran die Danen die allein aus der Ubervorteilung der Islander beim Handel Gewinn zogen keinerlei Interesse hatten Ein Brand Kopenhagens Laxness hat die Katastrophe von 1728 im Blick vernichtet Arnaeus Bibliothek bis auf wenige Werke seine Resignation verhindert die Rettung Snaefridur heiratet ihren von ihr zuvor immer wieder demutigend zuruckgewiesenen ewigen Freier den gelehrten zeitweise fanatisch asketischen und dem Katholizismus zugeneigten neuen Bischof von Skalholt Jon mittlerweile stark gealtert und zermurbt wird schliesslich freigesprochen Interpretatorische Einordnung und Hintergrund BearbeitenLaxness schrieb das Buch wahrend des Zweiten Weltkriegs als es Island mit Hilfe der Alliierten gelang sich von der jahrhundertelangen Dominanz des seit 1940 von Deutschland kontrollierten Danemark zu befreien Auf die Anzeichen der massiven Verarmung der Insel und die koloniale Unterdruckungssituation macht der Autor mit eher knappen Hinweisen aufmerksam Wenn z B ein vermeintlicher Zauberer verbrannt werden soll scheitert das daran dass die Einwohner kein Reisig herausgeben wollen das sie in dem waldarmen Land als Brennstoff gesammelt haben Die Menschen wohnten in Erdhutten Kinder werden als Arbeitskrafte an die hollandischen Fischer verkauft arme Leute kauen auf Fischschwanzen und Lederresten Hutejungen essen verfaulte Seehasen aus denen die Wurmer kriechen Huhner sind weithin unbekannt und die einzigen Schweine auf der Insel Wundertiere gehoren der danisch islandischen Handelsmonopolgesellschaft nbsp Zeitgenossische Zeichnung von Jon Vidalin Bischof von Skalholt 1666 1720 nbsp Fruhere Kirche von Skalholt 1851 1961 Im 17 Jahrhundert gab es auf der Insel jedoch nur Treibholz Der auf den Bauern Jon bezogene Handlungsstrang der mit dem ersten um Arnas Arnaeus eng verknupft ist erinnert nicht nur durch seine episodische Struktur und die scheinbare Naivitat des Helden an beruhmte Schelmenromane wie etwa Grimmelshausens Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Viele wichtige Personen und Ereignisse beruhen auf Fakten die sich aus dem intensiven Quellenstudium des Autors ergaben Tatsachlich ereignet haben sich etwa der Prozess gegen Jon Hreggvidson und der Brand Kopenhagens Die Figur des Arnas Arnaeus ist an die historische Gestalt des Arni Magnusson 1663 1730 lat Arnas Magnaeus angelehnt der zu Beginn des 18 Jahrhunderts in Island herumreiste und alte Schriften aufkaufte Auf diese Weise wurden kostbare Manuskripte u a von Sagas vor dem Verfall und Verschwinden gerettet Die sogenannte Arnamagnaanische Sammlung von 66 Manuskripten wurde zunachst in Kopenhagen aufbewahrt aber in den 1970er Jahren zum Teil an Island zuruckgegeben Snaefridur kann man am ehesten mit THordis Jonsdottir der Schwester der Frau des Bischofs von Skalholt Jon Vidalin assoziieren doch tragt sie Zuge der schonen viermal verheirateten Gudrun osvifrsdottir aus der im 13 Jahrhundert entstandenen Laxdaela saga 3 Von Gudrun die an der Planung der Ermordung ihres Geliebten beteiligt war wird der Ausspruch uberliefert Zu dem den ich am meisten liebte war ich am schlechtesten 4 wahrend Snaefridur den Schlechtesten heiratet da sie den Besten nicht bekommen kann und spater ihren Geliebten vor Gericht zerrt um den Ruf ihres Vaters wiederherzustellen Die Personen ihre Eigentumlichkeiten und die komplexen Beziehungen in denen vor allem Snaefridur befangen ist hat Laxness teils nach eigenen Erfahrungen gestaltet Auch er glaubte in den 1920er Jahren zeitweise an die zerstorerische Wirkung des Lutheranismus und die heilende Kraft des Katholizismus zu dem er konvertierte Skeptisch blieb er gegenuber idealistischen Eiferern Stil BearbeitenDer Stil variiert souveran zwischen dem sachlich lakonischen Berichtsstil der islandischen Sagas der burokratischen danischen Kanzleisprache und religioser Rhetorik mit lateinischen Einsprengseln je nachdem welche Personen charakterisiert werden So verleihen die Kolonialherren den Islandern bezeichnenderweise danische Namen Charakteristisch fur die Erzahlweise ist dass die Motive der Personen und der wirkliche Handlungsverlauf oft unklar bleiben und nur im Nachhinein erschlossen werden konnen Die Figuren behalten meist ihre Geheimnisse fur sich Der Text enthalt zahlreiche Hinweise auf die islandisch danische Geschichte und lokale Historien und Mythen die ohne einen nicht in der islandischen oder danischen sondern nur in der alteren deutschen Ausgabe vorhandenen jedoch zweifelhaften Anmerkungsapparat nicht leicht zu verstehen sind Nicht dem Original entstammende altertumliche Wendungen in der deutschen Erstausgabe wurden in der Neuubersetzung angepasst die im Original nicht vorhandenen Anfuhrungszeichen der wortlichen Rede wurden wieder entfernt Literatur Bearbeiten B D Islandsklukkan in Kindlers Neues Literatur Lexikon Bd 10 Munchen 1996 S 96 f Weblinks BearbeitenIslandische Laxness Seiten der Zeitung MorgunbladidEinzelnachweise Bearbeiten Ubersetzung Ernst Harthern Frankfurt 1951 Weitere Ausgaben Aufbauverlag Berlin und Weimar 1954 1956 1967 1970 1973 1977 Suhrkamp Frankfurt 1955 1975 Droemer Munchen und Zurich 1964 Neuubersetzung nach der 3 islandischen Ausgabe Reykjavik 1969 von Hubert Seelow im Steidl Verlag Gottingen Lizenzausgabe fur Buchergilde Gutenberg 1993 Bertelsmann Club 1994 Neuauflagen im Steidl Verlag Gottingen 2002 2012 Zu dieser Familiensaga die im 10 11 Jahrhundert handelt und an deren Motiven und Stil sich Laxness orientiert vgl Dorothee Frolich Ehre und Liebe Schichten des Erzahlens in der Laxdœla saga Europaische Hochschulschriften Reihe 1 Deutsche Sprache und Literatur Bd 1447 zugl Bochum Dissertation 1999 Verlag P Lang Frankfurt am Main 2000 Laxdaela saga LXXVII Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die Islandglocke amp oldid 229107237