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Die Detektivgeschichte ist als literarisches Genre eine im 19 Jahrhundert entstandene Untergattung des Kriminalromans bei der die Rekonstruktion und die Aufklarung eines Verbrechens durch den Detektiv im Mittelpunkt steht Wie kaum ein anderer Typus der Kurzgeschichte ist die Detektivgeschichte durch exakt beschreibbare Elemente und Gattungskonventionen bestimmt und hat so im Bewusstsein der Leser ein scharfes Profil gewonnen das deren Erwartungshaltung im Hinblick auf ein vorhersehbares Schema frame pragt 1 In der klassischen Detektivgeschichte wird die Aufklarung eines fiktiven zu Beginn meist unerklarlichen und fur den Leser bis zuletzt geheimnisumwitterten Tatbestands geschildert der die Ermittlungsarbeit eines hochbegabten oftmals exzentrischen Detektivs auslost Illustration zu Poes Der Doppelmord in der Rue Morgue von Byam Shaw um 1909Als fruhe Prototypen die die Entstehung der Detektivgeschichte als spezifischer literarischer Form massgeblich beeinflusst haben gelten dabei vor allem Edgar Allan Poes Kurzgeschichten Der Doppelmord in der Rue Morgue 1841 und Der entwendete Brief 1844 2 Inhaltsverzeichnis 1 Charakteristische Elemente der klassischen Detektivgeschichte 2 Spannung und Uberraschung als grundlegende Funktionsmechanismen der Gattung 3 Charakteristika des Handlungsaufbaus der Figuren und Schauplatze 4 Entstehungsgeschichte des Genres 4 1 Prototypisches Modell der Gattung Die Detektivgeschichten von Edgar Allan Poe 4 2 Schematisierung und Ausbau zum Erfolgsmodell der Gattung Die Sherlock Holmes Geschichten von Arthur Conan Doyle 4 3 Variation des Gattungsschemas Die Father Brown Geschichten von G K Chesterton 4 4 Komplizierung der Ratselstruktur Die Detektivgeschichten von Agatha Christie 5 Literatur 6 Quellen 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseCharakteristische Elemente der klassischen Detektivgeschichte BearbeitenDer Detektiv bedient sich bei der Aufklarung des Falles der Indizien Psychologie Kombinatorik Intuition und logischer Schlussfolgerung und steht als Loser von erstaunlicher Intuition messerscharfer Logik untruglicher Schlauheit und Gewandtheit im Mittelpunkt des Interesses Weitere charakteristische Elemente der klassischen Detektivgeschichte des 19 und fruhen 20 Jahrhunderts sind neben falschen Spuren red herrings oder mehrdeutigen und versteckten Indizien auch unschuldige Verdachtige eine mit der Auflosung des mysteriosen Verbrechens uberforderte Polizei sowie ein Assistent des Detektivs der als dessen Freund oder Vertrauter die Aufklarung des Falles schildert ohne den Tathergang und den Ermittlungsprozess selbst in allen Einzelheiten zu durchschauen Dieser auf dem Hintergrund der Sherlock Holmes Geschichten von Arthur Conan Doyle zumeist als Watson Figur bezeichnete Assistent agiert dabei als vermittelnde Instanz zwischen dem uberaus scharfsinnigen wohlinformierten Detektiv und dem im Dunkeln tappenden Leser 3 Die Detektivgeschichte bietet dadurch ein hohes Identifikationsangebot fur den Zuschauer oder Leser Dieser projiziert wahrend des Lesens oder des Kinobesuchs seine Wunsche bezuglich der Wiederherstellung der normalen Ordnung und Sicherheit auf den Detektiv da diese Ordnung zu Beginn des Krimis durch das Verbrechen ins Wanken geraten ist Wenn der Fall gelost ist wiegt sich der Leser oder Zuschauer in Sicherheit und ist beruhigt so kann er die Auflosung des Falls sogar als Bestatigung seiner eigenen Person erfahren da er am Ende die Losungsschritte aus Sicht des Detektivs im Einzelnen nachvollziehen kann auch wenn er sie zuvor in dieser Form nicht vorwegnehmen konnte Daruber hinaus fungiert der Detektiv als Reprasentant der jeweiligen gesellschaftlichen Wertevorstellung Durch das methodische Vorgehen und die durch und durch geplanten Handlungen wahnt sich der Rezipient in der Annahme mit Wissenschaft Logik und Technik lasse sich die Natur und der Mensch bandigen Das bekannteste Beispiel ist die bereits erwahnte Figur des Sherlock Holmes in den Geschichten Sir Arthur Conan Doyles Spannung und Uberraschung als grundlegende Funktionsmechanismen der Gattung BearbeitenIhren besonderen Reiz bezieht die klassische Detektivgeschichte insbesondere aus ihrem ganz spezifischen Ratselcharakter dabei gehoren neben der Spannung suspense vor allem das Moment der Uberraschung surprise zu den grundlegenden Funktionsmechanismen dieser Gattung In dem Ratespiel das dem Leser prasentiert wird wird die vollstandige Losbarkeit durch eine eigene Analyse in der Regel nur suggeriert Die clues oder Fakten und Informationen die am Ende zum entscheidenden Bestandteil der Auflosung des Falles werden werden zunachst falsch kontextualisiert und dem Leser so dargeboten dass dieser nichts mit ihnen anfangen kann Ihre tatsachliche Relevanz wird erst mit der uberraschenden Losung am Ende der Geschichte nachtraglich erkennbar in der eigentlichen Klarungsphase am Schluss die oftmals in verschiedene Teillosungen aufgegliedert werden kann wird dabei vor allem ein ruckwartsgewandtes analytisches Spannungsmoment erzeugt In diesem neuen uberraschenden Sinnzusammenhang der schliesslichen Auflosung spielen wiederum moglichst alle in der Exposition eingefuhrten Elemente Personen Motive oder Handlungen eine genau bestimmte Rolle 4 Charakteristika des Handlungsaufbaus der Figuren und Schauplatze BearbeitenAus den gattungsspezifischen Prinzipien von suspense und surprise ergeben sich besondere strukturelle Notwendigkeiten fur den gesamten Handlungsverlauf der Detektivgeschichte der wesentlich schematischer als in anderen Kurzgeschichten ist Auf die einleitende Schilderung des Verbrechens folgt die Suche nach einer Antwort auf die Fragen nach dem Tater wer dem Tathergang wie und dem Motiv warum die Geschichte endet mit der vollstandigen Aufklarung des Falles und der Uberfuhrung des Schuldigen Die Handlung plot der klassischen Detektivgeschichte wirkt in vielen Fallen eher unwahrscheinlich oder wirklichkeitsfern und hat nur selten mit realen Kriminalfallen etwas gemein da jedes Element der Handlung Baustein eines Ganzen in der Auflosung des Falles sein muss 5 Die charakteristische Ratselstruktur der Gattung wirkt sich auch auf die Ausgestaltung der ermittelnden Figuren aus Die zentrale Figur des Detektivs muss als analytisches Medium uber herausragende Fahigkeiten verfugen Um die Losung des Falles nicht vorzeitig preiszugeben muss der Detektiv als Erzahlfigur Distanz zum Leser wahren dementsprechend ist es naheliegend als ermittelnde Figur einen exzentrischen Einzelganger zu wahlen der mehr oder weniger ausserhalb der Gesellschaft steht Als Ich Erzahler findet sich demgegenuber vor allem in der fruhen Detektivgeschichte vor der zunehmenden Nutzung anderer Konstruktionen die Watson Figur die als miterlebender und bewundernder Freund des Detektivs den Verlauf der Ermittlung schildert Die nur eingeschrankte Sicht dieses Erzahlers auf die Ereignisse und deren Bedeutung entspricht der dem Leser zugewiesenen Position in dem Ratselspiel Auch die Angehorigen der Polizei sind als schematische Funktionsfiguren angelegt durch das beharrliche Tappen der Polizei im Dunkeln erfahrt der Status des Detektivs als Einzelkampfer eine Aufwertung zugleich kann der Autor mit Hilfe dieser Figuren dem Leser falsche Schlussfolgerungen suggerieren 6 Auch die Gruppe der nicht ermittelnden Person ist funktional bestimmt der Kreis dieser Personen muss begrenzt und uberschaubar sein dem Leser fruhzeitig bekanntgemacht werden und konstant bleiben um die oben dargestellte Entsprechung von Exposition und Losung formal zu ermoglichen Da der Leser vor der Auflosung keinen Einblick in das Bewusstsein des Taters und der ubrigen Tatverdachtigen erhalten darf konnen die Eigenschaften dieser Figuren nur von aussen gezeigt nicht jedoch psychologisch ausgeleuchtet werden Die tendenziell eher flache Charakterzeichnung dieser Figurengruppe in den klassischen Detektivgeschichten ist daher ebenso eine Folge der Funktionsmechanismen der Gattung Aus der Notwendigkeit das Figurenensemble uberschaubar zu machen ergeben sich des Weiteren strukturelle Notwendigkeiten im Hinblick auf die Wahl des Schauplatzes sowie des Milieus Ein beschrankter Handlungsraum und ein klar umrissenes sowie sozial abgegrenztes Milieu erweisen sich dabei als zweckdienlich auch die beliebte Eingrenzung des Tatortes auf die Form eines geschlossenen fest versperrten Zimmers locked room ist auf diesem Hintergrund verstandlich 7 Entstehungsgeschichte des Genres BearbeitenPrototypisches Modell der Gattung Die Detektivgeschichten von Edgar Allan Poe Bearbeiten nbsp Illustration zu E A Poes The Purloined Letter um 1864Aus Sicht der literaturgeschichtlichen Forschung und Kritik werden allgemein die drei von Edgar Allan Poe verfassten Kurzgeschichten The Murders in the Rue Morgue 1841 The Mystery of Marie Roget und The Purloined Letter 1844 als erste prototypische Auspragungen der Detektivgeschichte gesehen denen eine besondere modellgebende Funktion bei der Entstehung des Genres zukam In diesen Erzahlungen Poes sind bereits fast alle konstitutiven Bau oder Systemteile der Gattung vorhanden beispielsweise ein geheimnisvolles scheinbar unaufklarbares Verbrechen eine hilflose Polizei ein exzentrischer hochbegabter Privat Detektiv dessen Freund und Gehilfe als bewundernder Erzahler der verschlossene Raum die typische Ratselstruktur mit dem Ausbreiten aller Indizien und dem spektakularen analytischen Denouement Allerdings ist die Gesamtstruktur dieser Erzahlungen Poes in mehreren Aspekten noch deutlich von der spateren klassischen Detektivgeschichte zu unterscheiden So erweist sich beispielsweise der vermeintliche Mord in The Murders in the Rue Morgue als Unglucksfall und nicht als planvolle Tat mit einem Motiv ebenso gibt es nur einen einzigen Verdachtigen der die Tat aber wahrscheinlich nicht begangen hat In The Purloined Letter ist der Tater von Anfang an bekannt es geht ausschliesslich darum das Versteck des gestohlenen Briefes zu entdecken um diesen wieder in die Hande seiner Verfasserin zuruckzugeben Zwar enthalten Poes Geschichten die drei gattungstypischen Bestandteile der Schilderung des Falls der Ermittlung und der Auflosung gewinnen ihre Spannung in dem relativ langen Auflosungsteil aber weniger aus dem Mitraten als aus dem Nachvollzug der genialen Gedankengange des Detektivs Im Mittelpunkt steht damit bei Poe weniger das Denkergebnis als das Denkverfahren dementsprechend beginnt in The Murders in the Rue Morgue die ursprungliche Fassung in der Einleitung nicht mit der Darstellung des Falles sondern mit einer sieben Seiten langen theoretischen Abhandlung uber die analytische Begabung an sich wie sie in spateren Detektivgeschichten kaum mehr moglich gewesen ware 8 Schematisierung und Ausbau zum Erfolgsmodell der Gattung Die Sherlock Holmes Geschichten von Arthur Conan Doyle Bearbeiten nbsp Sherlock Holmes und Watson Illustration von Sidney Paget 1892In der Weiterentwicklung des Poeschen Prototyps gelang es Arthur Conan Doyle der sich offen dazu bekannte stark von Poe beeinflusst worden zu sein die Detektivgeschichte in eine echte Spannungs und Uberraschungsgeschichte zu verwandeln und damit das Genre zu einem literarischen Erfolgsmodell zu machen Dabei erreicht Doyle sowohl durch einen Ausbau als auch durch eine Vereinfachung des Poeschen Musters eine Effektivierung der von Poe gepragten Strukturen Anders als bei Poe in dessen Geschichten die Losung des Falls primar ein geistiger Prozess ist setzt Doyle die Auflosung konsequent in sichtbare Ergebnisse um So wird in Doyles zahlreichen Sherlock Holmes Geschichten die zwischen 1887 und 1927 erschienen die Handlung wesentlich spannender gestaltet es gibt haufigere Schauplatzwechsel und mehr Zeitdruck als bei Poe In Doyles Einleitungen wird in der Regel die Besturzung uber das Verbrechen breit ausgestaltet im Mittelteil wird die ruckwartsgerichtete Auflosungsspannung des ratselhaften Verbrechens mit einer nach vorne gerichteten Konflikt und Bedrohungsspannung verwoben Auch im Schlussteil geht es Doyle vor allem um die Darbietung einer spannenden Gegenwartshandlung die Vorrang vor der systematischen Beantwortung der Ratselfragen hat 9 Doyle verzichtet ebenso auf eine ubermassig komplexe Ratselkonstruktion und theoretische Fundierung der Losungsstrategien an die Stelle einer eher sprode wirkenden traktathaften Darstellung tritt uberwiegend ein szenischer Erzahlmodus mit Hilfe von Dialogen Die von Poe ubernommene gattungstypische Figurenwelt wird in den Sherlock Holmes Geschichten ebenfalls ausgebaut und zugleich vereinfacht Holmes ist wie Dupin ein Aussenseiter der sowohl eine wissenschaftlich rationale als auch eine kunstlerisch irrationale Seite hat So wechseln Zeiten seiner detektivischen Betatigung mit Phasen ab in denen er Geige spielt und Drogen konsumiert Anders als Dupin hat Holmes sein Hobby zum Beruf gemacht und steht wohlhabenden Klienten fur ein Beratungshonorar zur Verfugung nur mittellose Opfer konnen seine Dienste unentgeltlich in Anspruch nehmen Dupin entsprach demgegenuber als verarmter franzosischer Adliger vor allem dem Wunschbild der damaligen amerikanischen Leser nach franzosischem Aufklarungsgeist seine detektivische Tatigkeit betreibt er als reiner Amateur dem es nicht zuletzt um eine Perfektionierung der menschlichen Geisteskrafte geht 10 Im Vergleich zu seiner Poeschen Entsprechung ist Doyles Detektiv mit seiner hageren Gestalt seinem markanten Profil sowie seiner Pfeife und seinem Cape eine wesentlich plastischere oder konkreter vorstellbare Figur auch sein Begleiter Watson wird weiter ausgestaltet und bietet sich mit seiner Biederkeit oder Verlasslichkeit eher als Identifikationsfigur fur die zeitgenossischen Leser an als der namen und konturlose Vertraute Dupins Mit der Konkretisierung der Figuren geht bei Doyles aber auch eine Vereinfachung oder Trivialisierung einher Holmes lost seine Falle nur noch durch genaues Beobachten oder Messen nicht jedoch durch einfuhlsames Sich Hineinversetzen in seinen Gegenspieler Bezeichnenderweise beschrankt sich sein Wissen auf die angewandten Natur Wissenschaften er versteht nichts von Philosophie oder Literatur und ist noch weniger ein Dichter oder Kunstler dies andert sich auch nicht durch sein gelegentliches Geigenspiel oder seinen Drogenkonsum Doyle verwendet in seinen Sherlock Holmes Geschichten nicht nur die Charakteristika von Holmes und Watson in immer wiederkehrender Form sondern ebenso bestimmte Handlungsmuster nicht ermittelnde Figuren oder Schauplatze Damit gestaltet er die Detektivgeschichte zu einem festen Schema aus das zwar aus den stets gleichen Bauteilen zusammengesetzt ist durch die Variation und immer wieder andersartige Zusammensetzung der Teile jedoch niemals gleich und damit langweilig wird Der Variationsgrad wird dabei von Doyle auf den verschiedenen Ebenen der Figurendarstellung Schauplatze Handlungselemente oder verlaufe in jeweils unterschiedlichem Masse angepasst finden sich auf der einen Ebene nur geringfugige Veranderungen so wird mindestens eine andere Ebene entsprechend starker variiert Der hohe Grad der Schematisierung zeigt sich in den Sherlock Holmes Geschichten nicht nur in dem begrenzten Repertoire schablonenhaft angelegter Figuren sondern ebenso bei den Handlungselementen und Schauplatzen variiert werden in starkerem Masse eher die Tatwaffen clues oder red herrings Erst in spaten Geschichten in denen auch die bevorzugte Erzahlperspektive aus der Sicht Watsons verandert wird weicht Doyle mitunter von dem vorgefertigten schematischen Rahmen in einer Weise ab die die genrespezifischen Grenzen aufzubrechen scheint 11 Variation des Gattungsschemas Die Father Brown Geschichten von G K Chesterton Bearbeiten nbsp Chesterton The Innocence of Father Brown Ausgabe von 1911Der von Doyle angelegte Variationscharakter der Sherlock Holmes Geschichten sorgte dafur dass wahrend des Goldenen Zeitalters der Detektivgeschichte in Jahren zwischen 1890 und 1920 in seiner Nachfolge zunachst wenig Neues entstand Bereits eine Veranderung des Milieus oder eine scharfere Zeichnung der aussergewohnlichen Eigenschaften der Figur Holmes reichten aus um in den vielen zunehmend popularen Geschichten die in den literarischen Zeitschriften veroffentlicht wurden das Erfolgsschema der Gattung zu perpetuieren 12 Erst Gilbert Keith Chesterton der sich zuvor als Literat in seinen Romanen Kurzgeschichten und Essays auch ausserhalb der Detektivgeschichte einen Namen gemacht hatte gelang es ab 1911 mit seinen funfzig Father Brown Geschichten neue Akzente in der Weiterentwicklung des Genres zu setzen ohne dabei jedoch den von Doyle gesetzten Rahmen grundlegend zu verlassen In erster Linie unterscheiden sich Chestertons Geschichten durch ihren Detektiv den katholischen Priester Father Brown Dieser ist im Hinblick auf sein Erscheinungsbild seine Ermittlungsmethoden und seine weltanschaulichen Grundsatze in nahezu jeglicher Form als unmittelbares Gegenbild zu Sherlock Holmes konzipiert Wahrend Holmes als eine grosse hagere Gestalt mit einem markanten Profil auftritt wird Father Brown als klein und dicklich beschrieben sein Gesicht bleibt ausdruckslos Im Gegensatz zu Holmes der seine Falle als rationaler Analytiker in der Regel durch eine genaue Rekonstruktion des Tathergangs lost setzt Father Brown auf dem Hintergrund seiner Erfahrungen als Beichtvater bei den Ermittlungen auf seine Menschenkenntnis und die Fahigkeit sich selber auch in die Gedanken und Gefuhlswelt des Kriminellen hineinversetzen zu konnen Dabei kehrt Chesterton interessanterweise im Kern wieder zu einem Ermittlungsprinzip zuruck das in ahnlicher Form schon von Dupin in den Poeschen Detektivgeschichten eingesetzt wurde 13 Die Andersartigkeit der Father Brown Geschichten zeigt sich ferner in ihrem gehobenen Stil der durch eine haufige Verwendung von Paradoxa und pointierten Formulierungen gekennzeichnet ist Ebenso finden sich neue anspruchsvollere Themen beispielsweise die Frage der Religiositat theologische Streitfragen oder ethische Probleme Das Verbrechen wird vor allem unter dem Gesichtspunkt der Sunde und nicht vorrangig als Skandal oder Konventionsverletzung betrachtet gelegentlich wird sogar die Problematik der Ungleichheit der gesellschaftlichen Klassen und der Verteilung des Vermogens thematisiert Im Unterschied zu Poe und Doyle wahlt Chesterton in seinen Detektivgeschichten des Weiteren eine auktoriale Erzahlperspektive die es ihm erlaubt den Blickwinkel uber langere Zeit auch auf andere Figuren als den Detektiv zu richten damit nimmt er zugleich eine spatere Tendenz der Gattung vorweg 14 Komplizierung der Ratselstruktur Die Detektivgeschichten von Agatha Christie Bearbeiten Eine tiefer greifende Umgestaltung als durch die Veranderungen Chestertons erfahrt das Schema der klassischen Detektivgeschichte durch die Erzahlungen Agatha Christies mit ihren bekannten Hauptfiguren Hercule Poirot und Miss Marple Dabei liegt die Innovationskraft Christies jedoch weniger in den Modifizierungen dieser beiden Detektivgestalten begrundet Der exzentrische Ordnungsfanatiker Poirot ermittelt mit strenger Logik und steht als Detektivfigur eindeutig in der Tradition von Dupin und Holmes wahrend Miss Marple als Ermittlerfigur die ihre Falle mit Menschenkenntnis lost die Tradition von Father Brown fortfuhrt 15 Christies grosses Verdienst im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Gattung besteht vielmehr darin die Spannung und Uberraschung als wesentliche Funktionsmechanismen der Detektivgeschichte zu steigern indem sie das Kernelement der Gattung die Ratselstruktur ausweitet und erheblich kompliziert Diese Komplizierung der Ratselstruktur in ihren Detektiverzahlungen erreicht Agathie Christie vor allem durch die Aufgabe der zuvor geltenden Limitierungsregeln und eine deutliche Vergrosserung der Anzahl der Verdachtigten sowie der Verdachtigungen Mit dem Verbrechen wird bei Christie zugleich ein weitaus grosseres Figurenensemble als zuvor eingefuhrt um so die Zahl der Verdachtigten zu erhohen Gleichzeitig werden den verschiedenen Figuren weitere Sekundargeheimnisse zugeschrieben beispielsweise verbotene Liebesbeziehungen oder Betrugereien Solche oder andere Delikte werden ebenso verheimlicht und vertuscht wie die Motive und Hintergrunde des eigentlichen Verbrechens nun fast ausnahmslos ein Mord Durch diese neuartige Erzahlstrategie gelingt es Agatha Christie die Zahl der plausiblen Verdachtigungen auszubauen und so die Auflosung der Falle spannender zu gestalten Das Ratselspiel wird von Agatha Christie in den meisten ihrer Erzahlungen in den gesellschaftlichen Kreisen der gentry angesiedelt Dabei geht es allerdings weniger um die Darstellung einer heilen Welt wie von vielen fruhen Kritikern der Detektivliteratur angenommen wurde Die Gesellschaftsschicht der gentry liefert Suerbaum zufolge in erster Linie einen idealen Hintergrund fur Christies Ausweitung und Komplizierung der Ratselstruktur Die sozialen Kontakte zwischen den Angehorigen dieser Schicht bleiben in der Regel formell und oberflachlich sie verbergen ihr wahres Gesicht oftmals hinter einer Maske und haben mit Identitatsproblemen zu kampfen so dass trotz eines gehauften Auftretens von Schein und Verstellung pretense disguise play acting and outward show die Plausibilitat der Erzahlungen in diesem Milieu erhalten bleibt 16 Im Hinblick auf die Figurenzeichnung und Schauplatze sowie die Handlungsverlaufe und Erzahlperspektiven zeigt Agathie Christie eine vergleichsweise grosse Variation und Experimentierfreudigkeit teilweise verstosst sie vor allem im Bereich der Handlungsverlaufe eklatant gegen die Limitierungsregeln der Gattung die von Doyle und Chesterton stets beachtet wurden Da dies ihren Lesern jedoch bekannt ist und von vornherein in den Erwartungshorizont einbezogen wird ist Agatha Christie in der Lage die Spannung weiter zu steigern und den ansonsten schwer zu fullenden Mittelteil einer Detektivgeschichte unterhaltsam zu gestalten In den Erzahlungen Agatha Christies wird durch diese Erweiterungen des Gattungsschemas damit zugleich der Weg gezeigt fur die nachfolgende Langung und den Ausbau der Detektivgeschichte zum klassischen Detektivroman detective novel der auf der Struktur der Short Story aufbaut 17 Literatur BearbeitenDaniel Grunwald Methoden der Losungsverschleierung in Detektivgeschichte und roman Bod Norderstedt 2003 ISBN 3 8334 0321 7 Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert In Arno Loffler Eberhard Spath Hrsg Geschichte der englischen Kurzgeschichte Francke Verlag Tubingen und Basel 2005 ISBN 3 7720 3370 9 S 84 105 Quellen BearbeitenGunter Lange Krimi Analyse eines Genres In Petra Josting Gudrun Stenzel Hrsg Auf heisser Spur in allen Medien Kinder und Jugendkrimis zum Lesen Horen Sehen und Klicken Weinheim Munchen 2002 S 7 Jochen Vogt Hrsg Der Kriminalroman Poetik Theorie Geschichte UTB 8147 Fink Munchen 1998 ISBN 3 8252 8147 7 S 52 57 Gero von Wilpert Sachworterbuch der Literatur Kroners Taschenausgabe Band 231 7 verbesserte und erweiterte Auflage Kroner Stuttgart 1989 ISBN 3 520 23107 7 S 175 177 Weblinks BearbeitenBritish Detective Fiction in the 19th and Early 20th Centuries Artikel von Anne Humpherys in den Oxford Research Encyclopedias Literature vom Juni 2017 englisch Einzelnachweise Bearbeiten Vgl Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 84 und 86 Vgl Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 85 Siehe auch Anne Humpherys British Detective Fiction in the 19th and Early 20th Centuries In Oxford Research Encyclopedias Literature online veroffentlicht im Juni 2017 unter 1 Abgerufen am 4 August 2019 Vgl auch eingehender den Abschnitt Poe the Detective Story and Science Fiction bei Thomas Wright Poe Edgar Allan In Oxford Research Encyclopedias Literature online veroffentlicht im Juli 2017 unter 2 Abgerufen am 10 Marz 2018 Vgl Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 84 Vgl Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 87 89 Vgl Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 87 Vgl Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 89f Vgl Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 90 Vgl Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 91 94 Siehe auch Paul Gerhard Buchloh Edgar Allan Poe The Murders in the Rue Morgue In Karl Heinz Goller u a Hrsg Die amerikanische Kurzgeschichte August Bagel Verlag Dusseldorf 1972 ISBN 3 513 02212 3 S 94 102 hier S 95f sowie 98 101 Ulrich Suerbaum Krimi Eine Analyse der Gattung Reclam Verlag Stuttgart 1984 ISBN 3 15 010331 2 S 64 Siehe auch Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 95f Vgl Paul Gerhard Buchloh Edgar Allan Poe The Murders in the Rue Morgue In Karl Heinz Goller u a Hrsg Die amerikanische Kurzgeschichte August Bagel Verlag Dusseldorf 1972 ISBN 3 513 02212 3 S 94 102 hier S 96 und 99f Siehe auch Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 96 Siehe zu dem entstehungsgeschichtlichen Einfluss der Detektivgeschichten Poes und seiner Ermittlerfigur des Dupin auf Doyles Konzeption des Sherlock Holmes auch detailliert Jeffrey Meyers Edgar Allan Poe His Life and Legacy Cooper Square Press New York 2000 S 294 297 Vgl Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 96f Vgl Ulrich Suerbaum Krimi Eine Analyse der Gattung Reclam Verlag Stuttgart 1984 ISBN 3 15 010331 2 S 70f Siehe auch Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 98 Vgl Ulrich Suerbaum Krimi Eine Analyse der Gattung Reclam Verlag Stuttgart 1984 ISBN 3 15 010331 2 S 71 und 73 Suerbaum zufolge ging es Chesterton der spater zum katholischen Glauben konvertierte bei der Anlage der Figur des Father Brown allerdings auch darum im protestantischen bzw antikatholischen England mit dem nuchternen und humanen common sense von Father Brown Sympathien fur die katholische Kirche zu wecken Siehe auch Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 98 Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 98 Strasen und Wenzel beziehen sich hier auf Martin Priestman Detective Fiction and Literature The Figure on the Carpet Macmillan Verlag London und Basingstoke 1990 S 123 und 125 Vgl Ulrich Suerbaum Krimi Eine Analyse der Gattung Reclam Verlag Stuttgart 1984 ISBN 3 15 010331 2 S 793f Siehe auch Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 99 Vgl Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 99f Strasen und Wenzel beziehen sich hier auf die Analysen von Nicholas Birns und Margaret Boe Birns Agatha Christie Modern and Modernist In Ronald G Walker June M Frazer Hrsg The Cunning Craft Original Essays on Detective Fiction and Contemporary Literary Theory Western Illinois University Press Macomb 1990 S 122ff Vgl Sven Strasen Peter Wenzel Die Detektivgeschichte im 19 und im fruhen 20 Jahrhundert S 100 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Detektivgeschichte amp oldid 230147591