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Deregulierter Krieg ist ein Begriff fur Kriege im 21 Jahrhundert die ohne Anerkennung von kriegsvolkerrechtlichen Regeln humanitaren Rucksichten und Vereinbarungen zum Schutz von Zivilisten Verwundeten und Gefangenen gefuhrt werden 1 2 Oft handelt es sich dabei um Aufstande Burgerkriege oder internationale Kriege ohne volkerrechtliche Legitimation Die Kriegfuhrenden befinden sich zumindest zum Teil ausserhalb staatlicher Kontrolle handeln aber teils mit staatlicher Billigung oder Unterstutzung Akteure sind dabei Soldaten zerfallender Armeen in failed states paramilitarische Verbande in Ressourcenkriegen international agierende Militarunternehmen Soldnertruppen und marodierende Banden oder gar Kindersoldaten ohne Bindung ausser der an ihre Anfuhrer Wahrend die Zahl klassischer Kriege seit dem Ende des Kalten Krieges zuruckgeht steigt die Zahl der deregulierten Kriege vor allem im globalen Suden Nach 2000 spielten private Sicherheits und Militarunternehmen eine immer grossere Rolle in den wichtigsten militarischen Konflikten Inhaltsverzeichnis 1 Merkmale 2 Verwandte Begriffe 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseMerkmale BearbeitenWichtigstes Merkmal deregulierter Konflikte ist der Verlust des staatlichen Gewaltmonopols das normalerweise in Form der organisierten legitimierten staatlichen Gewalt auf dem eigenen Territorium ausgeubt wird Diese drei Prinzipien in vielen Regionen der Welt in Frage gestellt Infolgedessen ist auch die Unterscheidung zwischen Soldat und Zivilist nicht mehr eindeutig und dadurch handelt es sich bei einem Grossteil der Opfer um Zivilisten 3 Zu unterscheiden ist eine Deregulierung der Gewalt von unten und von oben Die erste Form findet sich beim Kampf um lokale Rohstoffe beim Waffen Drogen und Menschenhandel des organisierten Verbrechens Die Deregulierung von unten wird moglich durch die systematische Selbstfinanzierung von Kriegsparteien die in der Beteiligung an den Konflikten ein profitables Geschaft sehen 4 Wirtschaftliche Grunde wie die Versuche der Monopolisierung der Ressourcen in Gewaltokonomien bzw die Unzufriedenheit mit der Verteilung der Erlose werden als Konfliktmotiv immer wichtiger 5 Aber auch der Einsatz von privaten Sicherheitsfirmen durch private Investoren angesichts unzureichenden staatlichen Schutzes ist eine solche Form der Deregulierung der Gewalt von unten Die Privatisierung der Gewalt von oben vollzieht sich durch die Beauftragung privater Militarfirmen das Outsourcing oder die Privatisierung der Kriegsfuhrungen wie es zurzeit vor allem in den USA Grossbritannien Russland und anderen Landern praktiziert wird 6 Der Einsatz von Militarunternehmen bietet fur Staaten den Vorteil geringere diplomatische Verwicklungen zu provozieren und die eigenen Verluste zu verschleiern Ausserdem konnen so Beschrankungen der Truppenzahlen umgangen werden Auch im Rahmen von Entwicklungsstrategien spielen Sicherheitsaspekte einer immer grossere Rolle private Akteure der Entwicklungszusammenarbeit oder auch Trager humanitarer Hilfe im globalen Suden mussen immer ofter von privaten Sicherheitsdiensten geschutzt werden 7 Insbesondere fur die USA war es angesichts einer schrumpfenden Armee nicht mehr moglich bei allen Konflikteinsatzen regulare Soldaten einzusetzen So verliess man sich bei der Ausbildung Transport und Versorgung der Soldaten oder beim Verhor von Kriegsgefangenen aber auch bei Kampfeinsatzen immer starker auf private Sicherheitsdienste vor allem im Irakkrieg und in Afghanistan Zunehmend fuhlt sich Armeen durch die vielfaltigen Einsatze im Kampf gegen den Terrorismus uberfordert Im Golfkrieg 1991 hatte das US Heer noch 711 000 aktive Soldaten zur Verfugung wahrend des Irakkriegs 2003 waren es nur noch 487 000 Ermoglicht wurde die Privatisierung durch die nach Ende des Kalten Krieges zahlreichen militarischen Experten die nach einer neuen Beschaftigung suchten sowie durch die erhohte Nachfrage nach militarisch gestutzten UN Friedensmissionen die immer grosser war als das Angebot an Truppen 8 Einen weiteren Schritt der Deregulierung des Krieges von oben der auch Konzepte des Partisanenkriegs und des zivilen Widerstand beinhaltet stellen Strategien wie das Resistance Operating Concept oder die sogenannte totale Verteidigung dar wobei die gesamte Zivilgesellschaft und Wirtschaft unterlegener Staaten als Teil eines konzertierten Widerstands gegen die Armee eines Aggressors einbezogen und mobilisiert werden 9 Diese Strategie wirft schwierige rechtliche Fragen hinsichtlich des Kombattantenstatus der zivilen Kampfer gemass der Haager Landkriegsordnung 10 auf Erforderlich fur die Anerkennung von Soldnern oder Zivilisten als Kombattanten sind demnach die Eingliederung in regulare Truppen die Existenz verantwortlicher Vorgesetzte weithin sichtbare Abzeichen und das offene Tragen von Waffen 11 Verwandte Begriffe BearbeitenViele dieser Kriege sind zugleich asymmetrische Kriege d h einer regularen Armee steht eine waffentechnisch unterlegene aber auf eigenem Gebiet kampfende irregulare Truppe gegenuber 12 die oft von lokalen Warlords gefuhrt wird Diese rekrutieren oft zwangsweise Kampfer welche von Nichtkombattanten kaum zu unterscheiden sind 13 Ob der Begriff Neue Kriege New Wars 14 fur diesen Gestaltwandel des Krieges angemessen ist wird kontrovers diskutiert 15 Charakterisiert werden die Neuen Kriege wie folgt Das Ziel der meisten aktuellen Gewaltkonflikte sei nicht langer die Zerschlagung oder Vernichtung der gegnerischen Streitkrafte Diese sei haufig unmoglich da die unterlegene Partei sich selten in grosseren Formationen zur Schlacht stelle sondern Uberraschungsangriffe aus dem Hinterhalt starte oder versuche lokale Ressourcen fur sich zu sichern und auf globalen Schattenmarkten zu vermarkten Diese Charakteristika der neuen Kriege und auch deren Brutalisierung mit dem Anstieg der zivilen Opfer sind nach Ansicht der Kritiker des Begriffs jedoch nicht neu sondern fur viele Kriege typisch die schon vor dem Ende des Ost West Konflikts ausgetragen wurden z B fur Guerillakriege oder den Partisanenkampf 16 Auch schon in der franzosischen Levee en masse der spanischen Guerilla gegen Napoleon dem Vaterlandischen Krieg Russlands und im Befreiungskrieg Deutschlands 1813 wurde die Bevolkerung der beteiligten Staaten in einem grosseren Ausmass in das militarische Geschehen einbezogen Wahrend der Partisanenkrieg jedoch die defensive Variante einer Asymmetrierung des Krieges aus der Position des Schwacheren heraus ist agiert der moderne Terrorismus auch offensiv im Ausland 17 Die Kehrseite der Deregulierung der Kriegsfuhrung ist die Verpolizeilichung des Krieges in Form der Legitimierung militarischer Gewalt durch Entsendung multinationaler Streitkrafte mit dem Auftrag der Friedenserzwingung oder sicherung 18 Siehe auch BearbeitenPrivates Sicherheits und MilitarunternehmenLiteratur BearbeitenPeter W Singer Corporate Warriors The Rise of the Privatized Military Industry Cornell University Press Ithaka 2003 Weblinks BearbeitenLandeszentrale fur politische Bildung Baden Wurttemberg Die neuen Kriege Einzelnachweise Bearbeiten Herfried Munkler Die neuen Kriege In Der Burger im Staat 54 Jahrgang 2004 H 4 S 180 Herbert Wulf Triebkrafte der Privatisierung Der deregulierte Krieg In Westfalisches Dampfboot 8 Februar 2006 Herfried Munkler Die neuen Kriege In Der Burger im Staat 54 Jahrgang 2004 H 4 S 179 184 Karen Ballentine Jake Sherman Hrsg The Political Economy of Armed Conflict Boulder London 2003 Mats Berdal David M Malone Hrsg Greed and Grievances Economic Agendas in Civil Wars Boulder London 2000 Deborah D Avant The Market for Force The Consequences of Privatizing Security Cambridge University Press 2005 Mark Duffield Global Governance and New Wars The Merging of Development and Security London 2001 Singer 2003 Otto Fiala Resistance Operating Concept ROC In Homeland Security Digital Library Joint Special Operations University U S 1 April 2020 hsdl org abgerufen am 1 September 2022 Herfried Munkler 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