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Ein Briefbund bisweilen auch als Briefzirkel bezeichnet ist ein Mittel zum Austausch von Informationen Gedanken und Kontakten innerhalb einer geschlossenen Gruppe Bund Geheimbund der mit Hilfe von ublicherweise gleichzeitig verschickten Briefen Rundbriefen mit meist identischem Inhalt vonstattengeht Dementsprechend reichte die grosse Zeit der Briefbunde ungefahr vom 18 bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts Genau wie spater bei Mailinglisten im Internet waren auch bei Briefbunden sowohl Modelle multidirektionaler Kommunikation zwischen eher gleichberechtigten Teilnehmern als auch Modelle mit meist unidirektionaler Kommunikation als Verteiler von Nachrichten einer einzelnen Quelle moglich Da die Kommunikation in Briefbunden nach aussen hin abgeschirmt war waren sie besonders geeignet zur geheimen Entwicklung Diskussion und Verbreitung sozialer politischer religioser oder kunstlerischer Ideen Etwa seit Anfang des 20 Jahrhunderts wurden jedoch immer mehr Briefbunde gegrundet die ausschliesslich der Partnersuche und oder Eheanbahnung dienten Auch wenn es in diesen Fallen keinen Bund mehr gab der die Gruppe einte und es nicht mehr um den Austausch von Gedanken innerhalb der gesamten Gruppe ging wurden diese Einrichtungen verschleiernd als Briefbund im Sinne einer Partnerborse bezeichnet Dies lag daran dass eine Partnersuche uber Kontaktanzeigen damals noch weitgehend tabuisiert war und der Begriff Briefbund von seinem Ursprung her traditionell das Element der Abschirmung und Geheimhaltung in sich trug Das Aufkommen des Internets mit seinen zahlreichen Moglichkeiten zu Diskussionen in geschlossenen Gruppen sowie seinen Online Singleborsen beendete die Zeit der Briefbunde Ankunft eines Postreiters an einer Poststation 1713 Inhaltsverzeichnis 1 Ursprunge 2 Entwicklung im 20 Jahrhundert 3 Siehe auch 4 Literatur 5 EinzelnachweiseUrsprunge Bearbeiten nbsp Samstagige Franckfurter Kayserl Reichs Ober Post Amts Zeitung Titelseite 1770 nbsp Brief mit typischen Schreibwerkzeugen um 1800 nbsp Carl Schurz als Beispiel fur zahlreiche revolutionar gesinnte junge Manner des fruhen 19 JahrhundertsZwar gab es in Mitteleuropa bereits seit dem 15 Jahrhundert ein schlichtes offentlich zugangliches Postsystem doch wurde dieses zunachst nur von kleinen Teilen der Gesellschaft genutzt die des Schreibens kundig waren und genugend Zeit und Geld zum Versenden schriftlicher Nachrichten hatten Hinsichtlich der Kommunikationsform Einer an Viele entstanden alsbald Einrichtungen wie z B Flugblatter Flugschriften und Postzeitungen Wahrend erstere in der Regel kostenlos verteilt wurden und meist entstanden um die Meinung ihrer Leser zu beeinflussen hatten die Postzeitungen den Anspruch mehr oder weniger objektiv zu informieren Hier waren professionelle Redakteure tatig und man war auf Einnahmen angewiesen Somit waren die Postzeitungen die durch Postillone zum Teil uberregional verteilt wurden vergleichbar mit der auch heute noch verbreiteten Form einer auf dem Versandweg gegen Geld zu beziehenden Zeitschrift Bei der Kommunikation an oder in Gruppen war allerdings zu beachten dass bis ins 19 Jahrhundert Bucher und sonstige Publikationen einer Zensur durch die Obrigkeit unterlagen Zur Entwicklung geheimer oder gar revolutionarer Ideen waren daher weder Flugschriften noch Zeitungen geeignet Ab dem Zeitalter der Aufklarung also etwa ab dem 18 Jahrhundert bildeten sich vermehrt Geheimbunde und Geheimgesellschaften die abgeschirmt von Kirche Staat und Offentlichkeit Ideen zu mehr oder weniger drastischen Veranderungen der Gesellschaft entwickelten Um sich vor staatlichen Eingriffen Repressalien und Verboten zu schutzen erfolgte der gruppeninterne Gedankenaustausch nur auf personlichen Treffen und oder uber den Versand von Briefen Zur Tarnung gegenuber der Postzensur nutzte man beim Versand der Massenbriefe zum Teil Sympathisanten die keine Mitglieder waren und der Zensur noch nicht aufgefallen waren den Ideen aber wohlwollend gegenuberstanden und z B durch ihre Berufe grossere Mengen Post unauffallig auf den Weg bringen konnten Ein Beispiel fur einen solchen revolutionar orientierten Briefbund geheime Korrespondenzgesellschaft ist die Deutsche Union die von Karl Friedrich Bahrdt 1740 1792 kurz vor der Franzosischen Revolution ins Leben gerufen und geleitet wurde Die Verteilerliste dieses Briefbundes die naturlich geheim bleiben musste umfasste mehrere Hundert Personen Aufgenommen wurde man in der Regel nur auf Empfehlung oder nach personlichem Kennenlernen durch den Leiter oder enge Vertraute von ihm zusatzlich oder alternativ auch auf ein Schreiben in dem man seine politische Gesinnung darlegen sollte Auf diese Weise trat beispielsweise 1788 der aufklarerisch und paneuropaisch orientierte Gelehrte Abraham Jakob Penzel 1749 1819 der Deutschen Union bei Das Erstarken des Burgertums nach der Franzosischen Revolution der langsam wachsende Bildungsstand und Wohlstand auch nicht adliger Schichten und das zunehmende Aufkommen sozialkritischer oder gar revolutionarer Ideen bildete einen idealen Nahrboden fur Briefbunde Entwicklung im 20 Jahrhundert BearbeitenMit der weitgehenden Aufhebung der Zensur zunehmender Pressefreiheit dem langsamen Entstehen einer pluralistischen Gesellschaft und einfacheren Reisemoglichkeiten sank im 20 Jahrhundert der Bedarf an Briefbunden Der Begriff wurde jedoch wie oben erwahnt von Partnervermittlungs Instituten weitergenutzt Dennoch gab es weiterhin Spezialgebiete in denen sich Menschen abgeschirmt von der Offentlichkeit in geschlossenen Gruppen schriftlich austauschen wollten und Briefbunde bildeten Nachfolgend drei Beispiele in zeitlicher Reihenfolge 1919 grundete Bruno Taut die Glaserne Kette trotz ihres nur gut einjahrigen Bestehens einer der heute beruhmtesten Briefzirkel fur Architekten und Kunstler 1 1934 bis 1945 bestand ein geheimer Briefbund zwischen etwa zwolf vor der NS Diktatur ins Exil gefluchteten fuhrenden Psychoanalytikern rund um Otto Fenichel die sich in ihrer neuen Umgebung nicht zu progressiv zeigen durften dabei aber im Untergrund radikalere wissenschaftliche Ideen und ihr gesellschaftskritisches Denken weiterfuhrten 2 3 In den 1980er Jahren betrieb der Bund der Schwerhorigen und Spatertaubten Nurnberg e V den Briefzirkel Lieselott zwecks Austausch und Kommunikation seiner Mitglieder denen das gesprochene Wort als Medium nicht zur Verfugung stand 4 Mit der Verbreitung des Internet in den 1990er Jahren ergaben sich zahlreiche neue uberaus preiswerte schnelle und einfache Moglichkeiten zur Kommunikation innerhalb von geschlossenen Gruppen so dass klassische Briefbunde weitestgehend obsolet wurden Siehe auch BearbeitenBriefwechsel RundschreibenLiteratur BearbeitenGunter Muhlpfordt Kulturbriefe Briefschriften Briefbund A J Penzel 50 Jahre internationale Kommunikation eines gelehrten Sansculotten In Alexandru Duțu Edgar Hosch Norbert Oellers Hrsg Brief und Briefwechsel im 18 und 19 Jahrhundert als Quellen der Kulturbeziehungsforschung Heinz Ischreyt fur den Studienkreis fur Kulturbeziehungen in Mittel und Osteuropa Hrsg Studien zur Geschichte der Kulturbeziehungen in Mittel und Osteuropa Band VII 1 Band 1 Brief und Briefwechsel in Mittel und Osteuropa im 18 und 19 Jahrhundert Reimar Hobbing GmbH Verlag Essen 1989 ISBN 3 920460 14 6 S 53 136 Einzelnachweise Bearbeiten Ausstellung in der Berlinischen Galerie Visionen am Rande des Wahnsinns Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA 24 August 2016 abgerufen am 28 Juni 2021 Paul Parin Die Beschadigung der Psychoanalyse in der Emigration In Wiener Tagebuch Band 6 1989 S 19 22 paul parin info PDF Rezensionen zu Otto Fenichel 119 Rundbriefe Bernd A Laska 31 Januar 2003 abgerufen am 28 Juni 2021 Alexej Schwed Das Netzwerk Betti und Leonhard Munster Tinnitus News Die Internetzeitung nicht nur fur Horgeschadigte 15 Februar 2014 abgerufen am 28 Juni 2021 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Briefbund Kommunikationsform amp oldid 235316350