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Blick von Williamsburg Brooklyn auf Manhattan 11 September 2001 ist eine Farbfotografie des deutschen Fotografen Thomas Hopker Sie zeigt funf Personen die am Ufer des East Rivers im Stadtteil Williamsburg des New Yorker Stadtbezirks Brooklyn sitzen wahrend im Hintergrund aufsteigende Rauchschwaden uber Manhattan zu sehen sind Sie gehen von den eingesturzten Turmen des World Trade Centers aus die an diesem Tag Ziel zweier Terroranschlage geworden waren Blick von Williamsburg Brooklyn auf Manhattan 11 September 2001Thomas Hopker 2001Link zum Bild Bitte Urheberrechte beachten Hopker verzichtete zunachst auf eine Veroffentlichung der Fotografie da ihm die Personen darauf zu ungeruhrt von den Ereignissen erschienen Erstmals offentlich prasentiert wurde sie 2005 im Munchner Stadtmuseum in einer Ausstellung zum Werk Hopkers Im September 2006 loste ein Artikel der New York Times eine Kontroverse uber die Interpretation der Fotografie in den Vereinigten Staaten aus bei der sich auch zwei der abgebildeten Personen zu Wort meldeten und erklarten dass sie wahrend der Aufnahme uber die Anschlage gesprochen hatten In der Folge beschaftigten sich auch Kunst und Medienwissenschaftler mit der Fotografie Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Beschreibung 3 Veroffentlichung und Reaktionen 4 Analyse 5 Literatur 6 EinzelnachweiseEntstehung Bearbeiten nbsp Die Zwillingsturme des World Trade Centers nach dem Einschlag der beiden FlugzeugeAm Morgen des 11 September 2001 starteten die Fluge AA11 und UA175 vom Logan International Airport in Boston mit dem Ziel Los Angeles International Airport Beide Flugzeuge wurden von Mitgliedern des islamistischen Terrornetzwerks al Qaida entfuhrt und um 8 46 Uhr bzw 9 03 Uhr in die Zwillingsturme des World Trade Centers in New York gelenkt Der in New York lebende deutsche Fotograf Thomas Hopker wurde telefonisch von einer Kollegin uber den ersten Anschlag informiert und verliess kurz darauf seine Wohnung in der Upper East Side um zum Unglucksort zu gelangen Da die U Bahn nicht mehr fuhr versuchte er es mit seinem Wagen Wegen des dichten Verkehrs und bereits erfolgter Sperrungen nutzte er einen Umweg uber Queens und Brooklyn Auf dem Weg gelangte er zu einem italienischen Restaurant am East River nahe der Williamsburg Bridge auf dessen Gartenterrasse der Blick von Williamsburg sowie zwei weitere Aufnahmen desselben Motivs entstanden Die Fotos nahm er mit seiner Canon EOS Analogkamera und Fujichrome Diafilm auf Zu diesem Zeitpunkt waren beide Turme des World Trade Centers schon eingesturzt 1 Danach setzte er seinen Weg Richtung Manhattan Bridge fort um zur Unglucksstelle zu gelangen Infolge der Sperrung konnte er nur zu Fuss auf die Brucke Hier nahm er weitere Fotos auf 2 Beschreibung BearbeitenIm Vordergrund des Fotos sieht man eine Gruppe von funf Personen die am Ufer des East Rivers sitzt und in helles Sonnenlicht getaucht ist Vorn links sind zwei Frauen zu sehen Eine sitzt auf einem Stuhl die andere hockt auf dem Boden In der Mitte sitzt ein Mann auf einer Bank vor der ein rotes Fahrrad steht Auf einer holzernen Brustung sitzen eine Frau und ein Mann Der Mann auf der Brustung hat offenbar das Wort ergriffen die anderen wenden sich ihm aufmerksam zu Die Posen der funf Menschen wirken entspannt Vor allem die Haltung der Frau auf der Brustung wirkt lassig und erweckt den Eindruck sie nehme ein Sonnenbad 3 Gerahmt wird die Gruppe von zwei dunkelgrunen Koniferen oder Zypressen Im Hintergrund sind links die uberschneidenden Silhouetten der Manhattan Bridge und der Brooklyn Bridge zu sehen Von der Sudspitze Manhattans geht eine grosse Rauchwolke aus Zusammen mit einer Reihe von Pfahlen und Planken im Wasser bildet sie ein Dreieck das auf die Quelle des Rauchs zu zeigen scheint 4 Keine der Personen blickt auf die Rauchwolke Veroffentlichung und Reaktionen BearbeitenIn den Tagen nach den Anschlagen traf sich Hopker mit Kollegen seiner Agentur Magnum Photos um die entstandenen Aufnahmen der Ereignisse zu sichten und uber den Umgang damit zu beraten Sie beschlossen einen Bildband zu erstellen zu dessen verantwortlichem Herausgeber Hopker ernannt wurde Der Band erschien noch im selben Jahr Hopker trug drei Aufnahmen bei die er von der Manhattan Bridge aus gemacht hatte 5 Der Blick von Williamsburg fehlte im Buch Als Grund fur diese Selbstzensur nannte Hopker in einem spateren Interview dass das Foto dem Drama der anderen Fotografien nicht gerecht wurde zu hubsch wirkte und damit die Realitat wie er und andere sie an diesem Tag gefuhlt hatten verdreht hatte 5 6 Erstmals offentlich gezeigt wurde die Fotografie 2005 Sie war Teil einer im Munchener Stadtmuseum zwischen dem 25 November 2005 und dem 28 Mai 2006 prasentierten Ausstellung zum 50 jahrigen Schaffen Thomas Hopkers Die Retrospektive wurde 2006 und 2007 auch im Museum fur Kunst und Gewerbe Hamburg und im C O Berlin gezeigt Im zugehorigen Ausstellungskatalog nimmt der Blick von Williamsburg eine besondere Stellung ein Er ist zum einen auf dem Umschlag zu sehen zum anderen ist er das erste Foto im Buch 7 Auch in der umfangreichen deutschen Presseberichterstattung zur Ausstellung ragte das Foto deutlich aus den insgesamt etwa 200 gezeigten Bildern heraus Insbesondere die scheinbare Unbekummertheit der funf abgebildeten Personen wurde Ziel von Medienkommentaren So warf fur Freddy Langer von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Hopker mit seinem Foto die Frage auf wie dramatisch ein Foto heute konstruiert sein muss wenn manchen Betrachter selbst die grausige Wirklichkeit ungeruhrt lasst 8 Ahnlich ausserte sich Matthias Reichelt in der taz fur den das Bild Anlass bietet uber Distanz und Nahe Abstumpfung und Empathie fur Gewalt und Katastrophen im 21 Jahrhundert zu reflektieren 9 2006 beschaftigten sich auch US Medien mit dem Foto In jenem Jahr war es in dem Buch Watching the World Change von David Friend erschienen das die Geschichten hinter den Bildern des 11 September beleuchtet Darin ausserte Hopker die Ansicht dass die Personen auf dem Foto von den Ereignissen nicht geruhrt gewesen seien Dies griff Frank Rich in einem Gastbeitrag fur die New York Times anlasslich des funften Jahrestags der Anschlage auf Darin warf er seinen Landsleuten und der US Regierung vor nicht aus den Anschlagen gelernt zu haben Ausserdem sei man wie in den USA ublich zu schnell zur Tagesordnung ubergegangen In diesem Zusammenhang verweist er auf Hopkers Foto das er als Vorhersehung dieser Entwicklung ansieht Die Personen scheinen aus seiner Sicht zu plaudern und die Sonne zu geniessen Dabei seien sie nicht unbedingt herzlos englisch callous sondern schlicht amerikanisch 10 Kurz darauf erschien ein Artikel im Online Magazin Slate in dem David Plotz Richs Ansichten zu dem Foto widersprach Fur ihn wirkten die Personen so als ob sie uber die Anschlage diskutierten Am Ende des Artikels forderte er die abgebildeten Personen auf sich bei der Redaktion zu melden um ihre Sicht zu aussern 11 Daraufhin meldeten sich Walter Sipser und Chris Schiavo die mit aktuellen Bildern nachweisen konnten dass sie die rechts auf der Brustung sitzenden Personen sind Die beiden die zur Zeit der Aufnahme ein Paar gewesen waren stellten klar dass sie von den Anschlagen schockiert gewesen seien und mit den ihnen unbekannten Personen uber das Ereignis gesprochen hatten Dies hatte Hopker auch feststellen konnen wenn er an dem Tag zu ihnen gekommen ware und um Erlaubnis fur ein Foto gefragt hatte 1 Hopker sagte dazu spater dass er die Beteiligten bewusst nicht angesprochen habe Als Fotojournalist setze ich alles daran die Ereignisse deren Zeuge ich bin nicht zu beeinflussen Wurde man ein Gesprach beginnen oder um Erlaubnis bitten dann wurde man jede authentische Situation im Nu verandern 12 Analyse Bearbeiten nbsp Die Terrasse von Sainte Adresse nbsp Landschaft mit dem Sturz des Ikarus Der Kunsthistoriker Michael Diers ordnet den Blick von Williamsburg der Gattung der Konversationsstucke zu die vor allem im England des 18 Jahrhunderts als Sonderform des Familien und Gesellschaftsportrats beliebt war und spater von der Fotografie verdrangt wurde Im Mittelpunkt stand dabei oft eine sich im Gesprach befindende Gruppe von Menschen in einer Landschaft so wie es auch bei Hopkers Foto der Fall ist 13 Daneben ahnele das Foto im Sujet und im Aufbau Standardmotiven der impressionistischen Freilichtmalerei Als Beispiel fuhrt Diers das Gemalde Die Terrasse von Sainte Adresse des franzosischen Malers Claude Monet an Darauf sieht man im Vordergrund zwei Paare auf einer sonnenbeschienenen Terrasse die durch einen Zaun vom Meer getrennt wird Im Hintergrund sind die Rauchfahnen vorbeifahrender Dampfschiffe zu sehen Anders als in Monets Gemalde das durch seine Konstruktion Balance und Ruhe ausstrahle gehe von Hopkers Fotografie durch die leichte Schragstellung der Brustung eine gewisse Unruhe aus Die dadurch entstehende Irritation werde durch die grosse Rauchsaule unterstutzt 14 Auch Hopker selbst verglich seine Fotografie mit einem Werk der Malerei In einem Interview das in dem Buch Watching the World Change vor der Debatte in den US Medien erschienen ist sieht er Ahnlichkeiten mit dem Gemalde Landschaft mit dem Sturz des Ikarus das dem flamischen Maler Pieter Bruegel dem Alteren zugeschrieben wird Es zeige wie der Blick von Williamsburg eine idyllische Landschaft in deren Hintergrund etwas Schreckliches passiert sei Auf dem Gemalde sieht man eine Landschaft mit einem Bauern einem Hirten und einem Angler und im Hintergrund eine Meeresbucht Die drei beachten den Sturz des Ikarus ins Meer der rechts unten zu sehen ist nicht so wie die Personen auf dem Foto auf Hopker den Eindruck machten sich nicht fur die Katastrophe im Hintergrund zu interessieren 15 Literatur BearbeitenMichael Diers Vor aller Augen Studien zu Kunst Bild und Politik Wilhelm Fink Paderborn 2016 ISBN 978 3 7705 6059 2 S 123 139 Dan Fleming The Talk of the Town 9 11 the Lost Image and the Machiavellian Moment In Global Media Journal Canadian Edition Band 4 Nr 2 2011 S 63 77 englisch semanticscholar org PDF 90 kB Wim Peeters 9 11 und das Insistieren des Alltags Pressefotografie und deutsche Gegenwartsliteratur In Sandra Poppe Thorsten Schuller Sascha Seiler Hrsg 9 11 als kulturelle Zasur Reprasentationen des 11 Septembers 2001 in kulturellen Diskursen Literatur und visuellen Medien Transcript Bielefeld 2009 ISBN 978 3 8376 1016 1 S 157 165 mediarep org PDF 605 kB Einzelnachweise Bearbeiten a b It s Me in That 9 11 Photo In Slate 13 September 2006 abgerufen am 28 Dezember 2019 englisch Michael Diers Vor aller Augen 2016 S 129 130 335 Fussnote 22 Michael Diers Vor aller Augen 2016 S 133 Michael Diers Vor aller Augen 2016 S 132 a b Thomas Hoepker I Took That 9 11 Photo In Slate 14 September 2006 abgerufen am 28 Dezember 2019 englisch David Friend Watching the World Change The Stories Behind the Images of 9 11 Farrar Straus and Giroux New York 2006 ISBN 978 0 374 29933 0 S 142 143 englisch Zitiert in Michael Diers Vor aller Augen 2016 S 130 131 Michael Diers Vor aller Augen 2016 S 123 334 Fussnote 2 Freddy Langer Das Ungluck anderer ist das Ungluck aller In Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr 12 14 Januar 2006 S 33 faz net Matthias Reichelt Der grosse Bilderfabrikant In Die Tageszeitung 3 Marz 2006 S 16 taz de Frank Rich Whatever Happened to the America of 9 12 In The New York Times 10 September 2006 abgerufen am 28 Dezember 2019 englisch David Plotz Frank Rich Is Wrong About That 9 11 Photograph In Slate 12 September 2006 abgerufen am 28 Dezember 2019 englisch Thomas Denker Raserei und Stillstand Thomas Hoepkers 9 11 Foto und seine Geschichte Tagesspiegel de vom 9 September 2011 Michael Diers Vor aller Augen 2016 S 135 Michael Diers Vor aller Augen 2016 S 136 137 David Friend Watching the World Change The Stories Behind the Images of 9 11 Farrar Straus and Giroux New York 2006 ISBN 978 0 374 29933 0 S 143 englisch Zitiert in Wim Peeters 9 11 und das Insistieren des Alltags 2009 S 209 210 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Blick von Williamsburg Brooklyn auf Manhattan 11 September 2001 amp oldid 227911567