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Das Unternehmen Joh Friedrich Behrens aus Ahrensburg bei Hamburg war eines der ersten Unternehmen in Deutschland in dem die Mitarbeiter weitgehende Rechte auf Partizipation hatten Das dort praktizierte Mitbestimmungsmodell wurde unter dem Begriff Ahrensburger Modell bekannt und ist das bis heute wohl interessanteste Beispiel eines Partnerschaftsmodells Inhaltsverzeichnis 1 Das Unternehmen 2 Entstehung und Verlauf des Ahrensburger Modells 2 1 1945 1952 2 2 1953 1966 2 3 1967 1976 2 4 1977 Modellende 3 Zusammenfassung 4 Weblinks 5 LiteraturDas Unternehmen BearbeitenJoh Friedrich Behrens hat das Unternehmen unter seinem Namen 1910 in Hamburg gegrundet Nach der Zerstorung der Geschaftsraume im Zweiten Weltkrieg verkaufte er es 1946 an seine Schachfreunde Carl Backhaus und Hans Rodmann fur 20 000 Reichsmark 1 2 Ubrig waren zu diesem Zeitpunkt die Kundenkartei einige Rollen Draht und eine Heftklammermaschine die erst nach der Zerstorung geliefert worden war In Hamburg Am Strohaus 2 wurde 1947 die Fertigung wieder aufgenommen 1951 zog man nach Ahrensburg in eine Bauruine um Das Unternehmen wuchs sehr schnell Mitte der 70er Jahre beschaftigte es etwa 550 Mitarbeiter die im Wesentlichen mit der Produktion von Heftklammern Druckluftnaglern und Maschinen zur Herstellung von Heftklammern befasst waren Heute firmiert das Unternehmen unter dem Namen Johann Friedrich Behrens AG ist an der Borse notiert und verfugt uber modernste Fertigungsanlagen zur Herstellung von Klammern und Nageln Entstehung und Verlauf des Ahrensburger Modells Bearbeiten1945 1952 Bearbeiten Backhaus und Rodmann ging es nach dem Kriege nicht nur um eine Geldanlage sondern um die Verwirklichung ihrer gesellschaftspolitischen Vorstellungen Deutschland befand sich am Nullpunkt und man strebte eine Zukunft an die am besten mit der Formulierung demokratischer Sozialismus umschrieben werden kann Backhaus und Rodmann kauften das Unternehmen um in ihm mit betriebsdemokratischen Modellen zu experimentieren Ausgangspunkt fur das Mitarbeiterbeteiligungsmodell war die schon 1943 gegrundete Kampfgemeinschaft fur totale Demokratie die in einer nach dem Krieg gedruckten Broschure die Auffassung vertrat dass jede politische Demokratie gefahrdet ist wenn in den anderen gesellschaftlichen Bereichen nicht ebenfalls demokratische Strukturen vorhanden sind zum Beispiel in Unternehmen 1947 legten Backhaus und Rodmann ihren Mitarbeitern zum ersten Mal ihre Vorstellungen schriftlich vor Das Schreiben unterbreitete den Mitarbeitern einen Vorschlag fur die Neuordnung der arbeitsrechtlichen Beziehungen Gemeint war eine demokratische Betriebsgemeinschaft in der primar die Gleichberechtigung zwischen den Inhabern und Beschaftigten verwirklicht werden soll Die Kernpunkte waren Verbriefte Gleichberechtigung zwischen Inhabern und Beschaftigten Verschmelzung der Interessen von Arbeitnehmern und gebern Gleiche Rechte fur alle Betriebsbeteiligten nach Konnen und Leistung bei der Beteiligung am Unternehmen Alle Beteiligte erhalten einen gerechten Anteil am effektiven Arbeitsertrag und an der realen Wertveranderung des Betriebes Bis zur ersten Betriebsvereinbarung wurde bei Joh Friedrich Behrens eine plebiszitare Mitbestimmung praktiziert die keinen kodifizierten Regeln unterlag Einmal im Monat wurde ein Treffen zwischen Unternehmensleitung und den damals 35 Mitarbeitern veranstaltet auf dem uber alles Mogliche diskutiert und entschieden wurde 1953 1966 Bearbeiten Auf einer Betriebsversammlung 1953 wurde den Mitarbeitern dann eine Betriebsvereinbarung vorgelegt in der deren Rechte wie folgt konkretisiert wurden Jeder Mitarbeiter der mindestens drei Jahre im Unternehmen angehort mindestens 25 Jahre alt ist und das 65 Lebensjahr nicht uberschritten hat konnte mit Zustimmung der Betriebsbeteiligtenversammlung den Status eines Betriebsbeteiligten erhalten Er hatte damit das Recht auf Antrag an die Geschaftsfuhrung eine Berechtigung auf Gewinnbeteiligung zu erwerben Ferner konnte er einen Geschaftsfuhrer in die Unternehmensleitung wahlen Einmal im Monat mussten die Betriebsbeteiligten von der Geschaftsfuhrung uber den Verlauf der Geschaftsentwicklung informiert werden Die auf jeden Betriebsbeteiligten entfallenden Betrage aus der Unternehmensgewinnbeteiligung wurden dem Unternehmen als Darlehen zur Verfugung gestellt zur Deckung des Kapitalbedarfs der Gesellschaft wie es in der Betriebsvereinbarung hiess Die Darlehensbetrage wurden mit 6 verzinst und konnten mit einer Kundigungsfrist von 6 Monaten zum Jahresende gekundigt werden Mitte der funfziger Jahre beschaftigte sich ein von Backhaus und Rodmann einberufenes Team aus Hamburger Richtern und Anwalten mit der Ausarbeitung eines Gesellschaftsvertrages dessen Kernstuck der politische Wille der Demokratischen Betriebsgemeinschaft sein sollte Diese gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen traten 1958 in Kraft und beinhalteten Regelungen nach denen die Mitarbeiter ihre bis dahin als Darlehensforderungen erworbenen Gewinnbeteiligungen in Kommanditeinlagen einer neu gegrundeten KG Kommanditgesellschaft umwandelten Die Rolle der Kommanditisten Mitarbeiter wurde durch die Schaffung eines mehrheitlich von Mitarbeitern bestimmten Beirates wesentlich erweitert Inhaltlich ging sie weit uber den im Betriebsverfassungsgesetz gesteckten Rahmen hinaus 1967 1976 Bearbeiten 1967 erfuhr der Gesellschaftsvertrag aus gewerbeertragsteuerlichen Grunden eine grundlegende Veranderung die Gesellschaft wurde eine oHG offene Handelsgesellschaft und die Kommanditisten waren atypische stille Gesellschafter Der Vertrag basierte auf folgenden Grundlagen Jeder Gesellschafter ordnet sein Interesse dem aller unter Jeder bringt ein Hochstmass an Fleiss und Einsatzwillen in die Gemeinschaft ein Jeder soll neben seinem fachlichen Konnen auch ein Verstandnis fur das Unternehmen und seiner Ziele entwickeln Alle bei Behrens Arbeitenden also Unternehmer personlich haftende Gesellschafter und Mitarbeiter stille Gesellschafter sind als gleichberechtigt und gleichwertig zu betrachten Die Geschaftsfuhrung musste fur wesentliche Handlungen und unternehmerische Entscheidungen die Zustimmung des Beirates einholen Der bestand aus funf Mitgliedern von denen zwei von den personlich haftenden Gesellschaftern entsandt und drei von den stillen Gesellschaftern gewahlt wurden Zustimmungspflichtig waren unter anderem Erwerb Verausserung oder Belastung von Grundstucken Errichtung von Neu oder grosseren Umbauten Anschaffung von Gegenstanden des Anlagevermogens mit einem Einzelwert uber 20 000 DM Errichtung oder Aufhebung von Zweigniederlassungen Aufnahme neuer Produktionszweige Bestellung von Prokuristen Abschluss von Anstellungs und Arbeitsvertragen mit einer Monatsvergutung von uber 1 500 DM bruttoDie Gesellschafterversammlung bestand 1972 beispielsweise aus ca 200 stillen Gesellschaftern und vier personlich haftenden Gesellschaftern Geschaftsleitung Die Beteiligung eines Mitarbeiters als Gesellschafter war vollkommen freiwillig er musste aber von der Gesellschafterversammlung mehrheitlich gewahlt werden 1976 waren 265 der 465 Mitarbeiter also 57 Gesellschafter des Unternehmens Im Zuge der weiteren Ausweitung des Kreises der Entscheider und des zunehmenden Alters diskussionserfahrener Meinungsfuhrer traten auch die Nachteile der bei Behrens praktizierten Mitarbeiterbeteiligung immer deutlicher zutage Es gab einen Geschlechterkampf Weibliche Antragsteller auf den Status eines Stillen Gesellschafters bekamen haufig nur mit sehr knappem Abstimmungsergebnis eine erforderliche Mehrheit oder auch nicht Die Ursache ist darin zu suchen dass Frauen Anfang der 70er Jahre mehrheitlich eher einfache Arbeiten in der Verpackungsabteilung oder Kantine verrichteten und nach Meinung ihrer alteren mannlichen Kollegen nicht die erforderlichen Qualifikationen zur Mitgestaltung besassen Gesellschafterversammlungen wurden aufgrund der zunehmenden Zahl der Gesellschafter zu Massenveranstaltungen auf denen echte Mitspracherechte nicht mehr ausgeubt werden konnten Die meisten Teilnehmer trauten sich nicht zu sprechen und uberliessen das Reden den routinierten Meinungsfuhrern In der Praxis erschopfte sich die Mitentscheidung in drei Dingen Wahl der Beiratsmitglieder Zustimmung zu Antragen auf Zulassung neuer Gesellschafter und Zustimmungen zu Vertragsanderungen Neun von zehn Mitarbeitern schatzten bei einer 1985 durchgefuhrten Befragung den Einfluss der Gesellschafterversammlung als am Ende eher gering oder praktisch null ein Formalien nahmen einen immer grosseren Raum ein Durch den zunehmenden Konformitatsdruck und die immer komplexer werdenden unternehmerischen Einzelfragen konnte sich die ursprunglich angestrebte basisorientierte Mitbestimmung nie richtig entfalten Ab 1973 nachdem einer der personlich haftenden Gesellschafter gekundigt hatte gab es dann zunehmend auch Kundigungen von stillen Gesellschaftern Bis dahin war die Kundigung des Gesellschafterverhaltnisses tabuisiert das heisst man durfte zwar kundigen tat es aber nicht Lediglich mit der Beendigung des Arbeitsverhaltnisses endete auch die Gesellschaftereigenschaft Unter den ersten die 1973 kundigten war auch der Mitarbeiter mit der zweitlangsten Betriebszugehorigkeit Das hatte eine gewisse Signalwirkung Die Zahl der Kundigungen stieg Die Kapitaleinlagen der Kundigenden wurden zwar erst nach einem mehrjahrigen Tilgungsplan ausgezahlt aber in der Bilanz des Unternehmens waren sie sofort Verbindlichkeiten Wie alle Unternehmen unterlag naturlich auch Joh Friedrich Behrens den Gesetzen der freien Marktwirtschaft 1975 waren es die Hausbanken die darauf bestanden dass das Unternehmen den Abfluss von Eigenkapital stoppte Dies umso mehr als Joh Friedrich Behrens in diesem Jahr zum ersten Mal in seiner Geschichte einen nennenswerten Verlust machte Nach mehrmonatigen Diskussionen im Kreise aller Gesellschafter wurde beschlossen dem Unternehmen die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft und zwar einer Aktiengesellschaft zu geben Zu diesem Zweck wurde am 5 November 1975 die BeA Befestigungstechnik AG gegrundet die zum 1 Januar 1977 die Firma Joh Friedrich Behrens mit deren Namen ubernahm Den Beschluss daruber fassten alle Gesellschafter drei personlich haftende und 257 stille Gesellschafter einstimmig 1977 Modellende Bearbeiten Alle Gesellschafter waren nun Aktionare Auch Grunder Carl Backhaus schied dreiundsiebzigjahrig Ende 1975 aus Die zwei verbliebenen personlich haftenden wurden Vorstande Dem Beirat entsprach nun der Aufsichtsrat Insoweit war die Mitbestimmung zunachst gewahrt Wesentliche Anderung der Unternehmensgewinn kann nach dem AktG nur an Aktionare ausgekehrt werden d h das Hinzukommen von neuen Gesellschaftern die ihren Anteil nur aus Gewinnbeteiligungen ansparten war nun nicht mehr moglich Die Gesellschaft war nun eine anonyme Gesellschaft geworden Der Verkauf der Inhaber Aktien an der Gesellschaft konnte von ihr nicht mehr kontrolliert werden und es begann ein regelrechter Ausverkauf Lange bevor die Aktien an der Borse gehandelt wurden kauften Banken Mitarbeiteraktien in grossem Umfang So war es fur den Mitarbeiter Aktionar einfach geworden an sein Geld heranzukommen Seinen Arbeitsplatz bei BeA behielt man gern Das Unternehmen florierte auch wieder aber die Beteiligung am Kapital musste nicht sein Im Juli 1980 wurde die Joh Friedrich Behrens AG zum Handel an der Hamburger Borse zugelassen Auf Hauptversammlungen waren nur noch wenige Mitarbeiter anzutreffen Zusammenfassung BearbeitenDie wohl grosste Errungenschaft des Ahrensburger Modells war dass sich im Verlaufe der Modellpraxis bei Joh Friedrich Behrens ein offenes von Willkurakten und Rucksichtslosigkeiten befreites Verhaltnis zwischen Belegschaft und Unternehmensleitung entwickelt hat das durch jahrzehntelange gute Umgangsformen gepragt wurde und noch lange Zeit nach Modellende im Unternehmen nachwirkte Das fand auch seinen Ausdruck in den Haustarifvertragen die das Unternehmen mit der IG Metall jahrzehntelang ausgehandelt hatten In ihnen waren die Rechte des Betriebsrates uber das Betriebsverfassungsgesetz hinaus erweitert worden Dieser Teil war naturgemass von der Umwandlung in eine AG nicht betroffen und bestand fort Weblinks Bearbeiten Sabine Rueckert Kallis grosser Coup online auf DIE ZEIT 13 1998 Abgerufen am 3 Februar 2013 Stormarnlexikon Carl BackhausLiteratur BearbeitenKampfgemeinschaft fur totale Demokratie Programm vom 15 November 1945 Das Dreiersystem ein Vorschlag zur Verwirklichung der Totalen Demokratie in Staat Wirtschaft und Kultur Schriftenreihe der Kampfgemeinschaft fur Totale Demokratie Heft 3 deutsch englische Ausgabe Hamburg Juni 1947 Burkhard Voges Erfahrungen mit der betrieblichen Partnerschaft dargestellt am Beispiel der Fa Joh Friedrich Behrens Ahrensburg im Vergleich mit anderen Planen und Praktiken der Mitbestimmung und Erfolgsbeteiligung Diplomarbeit bei Jens Lubbert Universitat Hamburg 1969 Eike Ballerstedt Soziologische Aspekte der innerbetrieblichen Partnerschaft Munchen 1971 Piper Verlag ISBN 3 492 01881 5 Edward E Lawler Motivierung in Organisationen Stuttgart 1977 ISBN 3 258 02442 1 Dokumentationen der Carl Backhaus Stiftung Ahrensburg Joh Friedrich Behrens Gesellschaftsvertrag vom 21 Marz 1960 nach dem Stand vom 30 April 1965 Joh Friedrich Behrens Gesellschaftsvertrag vom 16 September 1967 nach dem Stand vom 27 November 1971 Geschaftsordnung des Beirats von Joh Friedrich Behrens vom 15 Mai 1975 Satzung der Joh Friedrich Behrens AG vom 17 August 1982 Pool Vertrag der Aktionare von Joh Friedrich Behrens vom 20 April 1977 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ahrensburger Modell amp oldid 222093993