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Als Afrokubaner bezeichnet man den aus Afrika stammenden Teil der kubanischen Bevolkerung Die Afrokubaner stellen mindestens 10 der Bevolkerung zusammen mit den Mulatten gemass offiziellem Zensus uber ein Drittel Diese Zahl beruht auf Eigenangaben Manche Schatzungen zufolge haben sogar 60 70 der Kubaner afrikanische Vorfahren 1 Afrokubanische Kinder beim Spielen in Trinidad Die afrokubanische Kultur ist heute wichtiger Bestandteil der kubanischen Kultur beispielsweise mit der Religion der Santeria einem ursprunglich westafrikanischen Ritus der unter dem System der Sklaverei verschiedene Symbole aus dem katholischen Heiligenkult ubernahm Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte der Afrokubaner 1 1 Kolonisation Kubas 1 2 Von den Unabhangigkeitskampfen bis zur Revolution 1959 1 3 Rolle nach der Revolution 2 Gegenwartige Situation 2 1 Offentliche Thematisierung des Rassismus 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte der Afrokubaner BearbeitenDie Geschichte der Afrokubaner ist eng mit der Kolonisation Kubas und den sozialen Bewegungen in der kubanischen Geschichte verbunden Kolonisation Kubas Bearbeiten Die ersten Einwanderer Kubas waren Indios aus den Nachbarinseln und Lateinamerika erst die Unterwerfung durch Spanien im 16 Jahrhundert und der Zuckerrohr und Tabakanbau fuhrte zur Verschleppung afrikanischer Sklaven nach Kuba Die Arbeitsbedingungen waren ausserst schlecht So berichtet Alexander von Humboldt im Jahr 1826 dass auf manchen Plantagen 15 bis 18 von 100 Sklaven pro Jahr starben 2 1817 kam es zu einem ersten Vertrag uber die Beendigung des Sklavenhandels und es entwickelte sich in Kuba eine Schicht freier Farbiger die rund 20 der Bevolkerung ausmachte und damit grosser war als auf den karibischen Nachbarinseln 3 Dies fuhrte zu einer relativ fruhen Durchmischung der Hautfarben Vollstandig zum Erliegen kam der Menschenhandel allerdings erst nach dem Amerikanischen Burgerkrieg 1865 Von den Unabhangigkeitskampfen bis zur Revolution 1959 Bearbeiten nbsp Partido Independiente de ColorWahrend der Unabhangigkeitskampfe 1868 und wahrend des Unabhangigkeitskrieges 1895 1902 spielten die Afrokubaner eine entscheidende Rolle da sie die am starksten benachteiligte Gruppe jener sozialen Ordnung waren Die afrokubanischen Generale Antonio Maceo und Guillermo Moncada werden bis heute als Nationalhelden verehrt 1908 grundeten afrokubanische Veteranen des Unabhangigkeitskriegs die Partido Independiente de Color PIC die erste nationale Partei von Schwarzen in der gesamten westlichen Hemisphare um die gesellschaftlichen Interessen der dunkelhautigen Bevolkerung gegen die Benachteiligung durch die von Weissen gefuhrten Regierungen zu verteidigen Die Partei forderte volle Burgerrechte und kostenlosen Hochschulzugang setzte sich aber auch fur afrokubanische Bauern ein die im Zuge der beginnenden Landkonzentration durch US amerikanische Grossinvestoren von ihren angestammten Feldern vertrieben wurden Die politische Protestbewegung kulminierte 1912 in einem Aufstand in der Provinz Oriente Ostkuba der von der kubanischen Regierung blutig niedergeschlagen wurde Dabei wurden nach unterschiedlichen Angaben zwischen 2000 und 5000 Anhanger der PIC getotet und die Partei wurde zerschlagen 4 Die im internationalen Vergleich besonders fortschrittliche kubanische Verfassung von 1940 die allerdings nur mangelhaft umgesetzt wurde verbot jegliche Art von rassistischer Diskriminierung Innerhalb der verschiedenen vor allem von der burgerlichen Mittelschicht getragenen politischen und paramilitarischen Widerstandsgruppen die den Sturz Fulgencio Batistas erreichten waren Afrokubaner deutlich unterreprasentiert Der prominenteste afrokubanische Comandante der von Fidel Castro gefuhrten Bewegung des 26 Juli war Juan Almeida Rolle nach der Revolution Bearbeiten Nach dem Sturz Batistas zum Jahresanfang 1959 leitete Fidel Castro als Anfuhrer der Revolutionsregierung soziale Umwalzungen ein die die Afrokubaner wie alle anderen Teile der kubanischen Gesellschaft betrafen Als zentrale Instrumente der Umsetzung der politischen Ziele von oben nach unten wurden im zweiten Jahr der Revolution die verschiedenen unter direkter Kontrolle der Regierung stehenden einheitlichen Massenorganisationen errichtet z B Gewerkschafts Frauen Studentenbund und Komitees zur Verteidigung der Revolution Diese traten an die Stelle bisheriger unabhangiger Interessensvertretungen die schrittweise aufgelost oder verboten wurden Eine speziell den Anliegen der Afrokubaner gewidmete Massenorganisation wurde jedoch nicht gegrundet die die Funktion der seit mehreren Jahrzehnten fur die Selbstorganisation der Afrokubaner zentralen sociedades de negros hatte ubernehmen konnen 5 Nach Auffassung der Regierung war eine solche Interessensvertretung mit dem Triumph der Revolution uberflussig geworden da nun jede Form von Diskriminierung uberwunden sei 6 Afrokubanische Aktivisten oder Intellektuelle die auf fortbestehende Elemente von Rassismus und damit verbundener Diskriminierung auch unter der neuen Gesellschaftsordnung hinwiesen verletzten damit ein Tabuthema und mussten in den ersten drei Jahrzehnten der Revolution mit Verfolgung rechnen 6 Prominentestes Beispiel war der in Frankreich ausgebildete Ethnologe und Historiker Walterio Carbonell ein langjahriger Aktivist der kommunistischen Partei PSP der einer wohlhabenden afrokubanischen Familie entstammte seit 1953 Fidel Castro unterstutzt hatte und ab 1959 als von Castro entsandter Botschafter Kubas in Tunesien diente Er veroffentlichte 1961 die kritische Gesellschaftsanalyse Como surgio la cultura nacional die kurz darauf verboten wurde und ihn seine Anstellung im Aussenministerium kostete 7 Nachdem er wenige Jahre spater eine informelle Organisation gegen Rassismus aufgebaut hatte wurde er fur zwei Jahre zur Umerziehung in einem Arbeitslager UMAP und anschliessend zeitweise in einer Psychiatrischen Anstalt untergebracht 8 Carbonell wurde erst 2005 rehabilitiert als in Havanna sein ursprunglich kontroverses Werk in einer redigierten Neuauflage erscheinen durfte Der Afrokubaner wurde 2011 posthum auch von der regierungsoffiziellen Tageszeitung Granma fur sein Juwel der Geschichtsschreibung gewurdigt 9 In den 1960er und 1970er Jahren waren auch zahlreiche Angehorige der Abakua Bruderschaft einer traditionsreichen afrokubanischen Geheimsekte der Verfolgung durch staatliche Institutionen ausgesetzt 10 Erst 2005 wurde sie vom kubanischen Justizministerium als legale Vereinigung zugelassen 11 Gegenwartige Situation BearbeitenSeit dem Zusammenbruch der kubanischen Wirtschaft infolge der eingestellten Hilfsleistungen durch die Sowjetunion ab 1990 treten auf Kuba soziale Ungleichheiten wieder offener zu Tage wobei die afrokubanische Bevolkerung von der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich uberproportional betroffen ist 12 Gleichzeitig haufen sich Berichte uber rassistisch motivierte Benachteiligung beispielsweise beim Zugang zu lukrativen Arbeitsstellen im seit den 1990er Jahren entwickelten Tourismussektor Auch begehrte Medienberufe wie der des Fernsehmoderators werden meist an Kubaner mit buena presencia y cultura gutem Aussehen und Kultur darunter werden im kubanischen Sprachgebrauch meist weisse Kubaner erfasst vergeben Auch in den Zentren der politischen Macht sind Schwarze unterreprasentiert 13 Offentliche Thematisierung des Rassismus Bearbeiten Nach jahrelangen Bemuhungen verschiedener Akteure der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft um eine offentliche Diskussion der lange politisch tabuisierten Frage des Rassismus haben unter der Prasidentschaft von Raul Castro erstmals auch prominente Vertreter der Kommunistischen Partei Kubas anerkannt dass Benachteiligung aufgrund von Hautfarbe nach wie vor existiert und als gesellschaftliches Problem ernst zu nehmen ist 14 2006 und 2010 hatte die Cofradia de la Negritud Negritude Bruderschaft ein 1998 gegrundeter Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Antirassismus Aktivisten sich in Offenen Briefen an das Parlament gewandt und sich darin sowohl auf die Lehren Jose Martis als auch auf die geltende Verfassung und die offiziellen Prinzipien des kubanischen sozialistischen Projekts bezogen 15 Im Dezember 2009 bezeichnete es Prasident Raul Castro in seiner halbjahrlichen Rede vor dem kubanischen Parlament als Schande dass die Revolution in 50 Jahren den Aufstieg von Afrokubanern und Frauen in gesellschaftliche Fuhrungspositionen nur in unzureichendem Masse erreicht habe 16 Seit 2011 finden vermehrt Veranstaltungen staatlicher Institutionen statt die sich mit Aspekten des Rassismus befassen und uber die auch in den von der Regierung kontrollierten Medien berichtet wird Im Dezember 2011 widmete sich erstmals ein Parlamentsausschuss dem Thema 17 18 Neben der Cofradia de la Negritud ist das 2008 in Havanna gegrundete Komitee Ciudadanos por la Integracion Racial CIR Burger fur ethnische Gleichstellung ein weiterer prominenter Zusammenschluss afrokubanischer Aktivisten an dem auch Mitglieder der politischen Opposition sowie im Exil lebende Kubaner beteiligt sind und dessen Veranstaltungen infolgedessen von den Behorden haufig verboten oder behindert werden 19 20 Im Mai 2012 beispielsweise wurden in Havanna mehrere CIR Aktivisten von der Polizei verhaftet um sie an der Teilnahme an einer von der Cofradia de la Negritud und dem regierungskritischen marxistischen Netzwerk Observatorio Critico abgehaltenen Gedenkfeier zum 100 Jahrestag des Massakers an der Partido Independiente de Color zu hindern 21 Literatur BearbeitenMichael Zeuske Schwarze Karibik Sklaven Sklavereikultur und Emanzipation Rotpunkt Zurich 2004 ISBN 3 85869 272 7 Alejandro de la Fuente Adios a Marti Der Partido Independiente de Color und die Diskussion uber Rasse und Nationalitat in Kuba In Cristina Esser u a Hrsg Kuba 50 Jahre zwischen Revolution Reform und Stillstand PDF 83 kB Wissenschaftlicher Verlag Berlin Berlin 2011 ISBN 978 3 86573 595 9 Aline Helg Our Rightful Share The Afro Cuban Struggle for Equality 1886 1912 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blinde Fleck der Revolution Kubas neuer Rassismus in DW World de vom 7 Januar 2010 abgerufen am 2 Januar 2012 Matthias Knecht Obamania erreicht Castros Reich PDF 209 kB in Financial Times Deutschland vom 3 Februar 2009 abgerufen am 2 Januar 2012 Liza Gross Race based clubs see revival in Cuba Memento vom 19 April 2014 im Internet Archive in Miami Herald vom 31 Dezember 2008 abgerufen am 18 Mai 2012 englisch Einzelnachweise Bearbeiten Michael Zeuske Insel der Extreme Kuba im 20 Jahrhundert Rotpunkt Verlag Zurich 2 aktualisierte Aufl 2004 ISBN 3 85869 208 5 S 224 Bert Hoffmann Kuba Verlag C H Beck Munchen 3 Auflage 2009 S 29 Bert Hoffmann Kuba Verlag C H Beck Munchen 3 Auflage 2009 S 30 Silvio Castro Fernandez La Masacre de los Independientes de Color Nicht mehr online verfugbar In La Jiribilla Februar 2002 archiviert vom Original am 22 April 2002 abgerufen am 18 April 2014 spanisch Eugene Godfried Sociedades de Negros Societies of Blacks The African Cuban Diaspora s Cultural Shelters 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