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Die strategische Bombardierung des Deutschen Reichs wahrend des Zweiten Weltkrieges 1939 45 stellt eine in den letzten Jahrzehnten kontrovers diskutierte militarische Massnahme des Vereinigten Konigreiches und der USA dar Der militarische Angriff auf zahlreiche deutsche Standorte durch die Royal Air Force und die United States Army Air Forces aus der Luft mittels flachendeckender Bombardierungen hatte sowohl eine militarische als auch eine politische und okonomische Perspektive 1 Inhaltsverzeichnis 1 Militarische politische und okonomische Perspektive 2 Kosten Nutzen Analyse der Luftangriffe 3 Literatur 4 EinzelnachweiseMilitarische politische und okonomische Perspektive BearbeitenDas militarische Ziel der Luftangriffe lag vor allem in einer moglichst schnellen Zerstorung deutscher Verteidigungsanlagen wie auch der Schwerindustrie und Waffenproduktion So sollte eine zeit und kostenintensive Invasion der Alliierten mit einer vermutlich hohen Zahl an Kriegsopfern vermieden werden Vor allem nach der massiven Bombardierung des Vereinigten Konigreichs durch Flieger der Luftwaffe der Wehrmacht reagierte Premierminister Churchill aus politischer Perspektive mit einem Vergeltungsschlag in Form der Gegenbombardierung durch die Royal Air Force Churchill war der Ansicht nur durch dauerhafte Luftangriffe Nazi Deutschland besiegen zu konnen und den Krieg aus dem eigenen Land zu tragen 2 Aus okonomischer Perspektive war zudem die Reduzierung der Moglichkeiten der Kriegsfuhrung des Deutschen Reichs durch die Bombardierung vorrangig Die deutsche Wirtschaft sollte durch die Zerstorung nachhaltig geschadigt werden Der Angriff wirtschaftlich bedeutender Standorte wie Waffenfabriken und andere Kernindustrien bspw die Luftangriffe auf das Ruhrgebiet hatte eine Destabilisierung der deutschen Inlandsproduktion zum Ziel Produktionsmittel wie physisches Kapital Fabriken Gebaude u a aber auch Humankapital Arbeiter und die innerdeutsche Infrastruktur Strassen Brucken Schienen etc waren Primarziele 1 Kritiker der britischen Luftangriffe auf das Deutsche Reich argumentieren bis heute dass die strategische Bombardierung durch die hohe Anzahl an zivilen Opfern in der Bevolkerung moralisch nicht zu rechtfertigen sei Daruber hinaus seien die Militarschlage aus okonomischer Perspektive eine massive Verschwendung von Ressourcen 1 gewesen Tatsachlich bewertete selbst die US amerikanische Luftwaffe die eigenen Angriffe auf die deutsche Wirtschaft im Jahr 1945 als kostspielige Fehlschlage 3 Befurworter der Luftangriffe wiederum argumentieren dass mit der Schadigung der deutschen Kriegsindustrie der Ausgang des Krieges entscheidend beeinflusst wurde 1 Kosten Nutzen Analyse der Luftangriffe BearbeitenDie Luftangriffe auf Industrieanlagen brachten keinen grossen strategischen Vorteil fur die Alliierten Zwar kam es zu beeindruckenden Schaden an Gebauden diese konnten jedoch leicht repariert werden Die Maschinen waren jedoch gegen Bombeneinwirkungen so gut geschutzt dass nur ein direkter Treffer sie beschadigen konnte Rohstoffe und Komponenten wurden uberwiegend ausserhalb des Fabrikgelandes gelagert Beispielsweise wurde ein grosser Aufwand getrieben um die Kugellagerfabriken in Schweinfurt zu treffen die Produktion konnte jedoch nicht unterbunden werden weil hier wenig empfindliche Maschinen fur die Produktion eingesetzt wurden die zudem aus der Luft schwer zu treffen waren Anders war es bei den Fabriken die synthetisches Ol herstellten diese konnten durch Luftangriffe leichter schwer beschadigt werden Aber auch bei den Luftangriffen auf die Leunawerke stellte sich heraus dass das Werk trotz massiver Zerstorungen innerhalb von 6 8 Wochen wieder produktionsfahig gemacht werden konnte so dass nur standig wiederholte Luftangriffe eine nachhaltige Wirkung zeigten Die Alliierte Luftkriegstrategie ging eher hin zu Flachenbombardements mit denen insgesamt ein grosserer Schaden angerichtet werden konnte als bei Angriffen auf Einzelobjekte Die Flachenbombardements verursachten jedoch weit uberwiegend Schaden bei Wohngebauden weniger bei Industrieanlagen Insgesamt haben weder die Bombardements auf Grossbritannien noch die Bombardements auf das Deutsche Reich die Moral der Bevolkerung gebrochen Der Wirtschaftshistoriker Alan Milward kommt zu dem Schluss dass die Bombardements wesentlich dem Vergeltungsgedanken entsprangen aber in einer streng okonomisch betrachteten Kosten Nutzen Analyse eher ein Fehler waren 4 Der Okonom Keith Hartley schatzt die Kosten der britischen Luftangriffe auf das Deutsche Reich in Preisen von 2009 auf 167 bis 440 Milliarden Pfund den Nutzen in Form von geschatzten Verlusten des Deutschen Reichs in der Waffenproduktion auf mindestens 161 Milliarden Pfund und bei der Zivilproduktion auf 44 Milliarden Pfund Aus seiner Sicht waren die Luftangriffe der Royal Air Force wirtschaftlich sinnvoll 5 auch wenn einige Bombardements zu Kriegsende hin exzessiv und unwirtschaftlich waren 6 Ab Ende 1944 fuhrte die Lufthoheit der Alliierten zu grossen Schaden an der Transportinfrastruktur und den Stromleitungen sowie auch zu nicht unbetrachtlichem Schaden an einzelnen Industrieanlagen Laut dem United States Strategic Bombing Survey wurde die deutsche Wirtschaftsproduktion ab diesem Zeitpunkt von den strategischen Luftangriffen in grosserem Umfang beeintrachtigt insbesondere weil Kohle als der mit Abstand wichtigste Energietrager nicht mehr von den Bergwerken zu den Industrieanlagen transportiert werden konnte und es dadurch zu Produktionsstillstanden in der Industrie kam Allerdings war die militarische Situation des Deutschen Reiches zu diesem Zeitpunkt ohnehin bereits aussichtslos 7 8 Nach Schatzung des United States Strategic Bombing Survey wurde die deutsche Industrieproduktion durch die Luftangriffe 1942 um 2 5 1943 um 9 1944 um 17 und 1945 um 6 5 verringert Der Historiker Start Halsey Ross gibt dabei jedoch zu bedenken dass die deutsche Kriegsproduktion 1944 trotz der massiven Luftangriffe insgesamt viel hoher lag als in den Jahren davor Insgesamt kommt auch das United States Strategic Bombing Survey zu dem Ergebnis dass die Luftangriffe keinen entscheidenden Einfluss auf die Kriegsproduktion und den Kriegsausgang genommen haben Zwar habe die Bevolkerung den Glauben an den Sieg verloren sie habe jedoch effektiv weitergearbeitet John Kenneth Galbraith einer der Direktoren des Strategic Bombing Survey bezeichnete die strategischen Bombardements sogar als desastrosen Fehler weil die Kosten viel hoher waren als der Nutzen Das habe man sich nur leisten konnen weil die US Wirtschaft viel grosser war als die des Deutschen Reichs 9 Laut einer Statistik der US Air Force lag das produktive Anlagevermogen der deutschen Wirtschaft bei Kriegsende bei 120 Prozent des Niveaus von 1936 3 Literatur BearbeitenKeith Hartley The strategic bombing of Germany in the Second World War an economic perspective In Handbook on the economics of conflict 2011 ISBN 978 1 84844 649 6 S 453 478 englisch Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Keith Hartley The strategic bombing of Germany in the Second World War an economic perspective 2011 S 453 englisch Keith Hartley The strategic bombing of Germany in the Second World War an economic perspective 2011 S 453 454 englisch a b Michael Sauga Historiker Werner Abelshauser Es gab kein Wirtschaftswunder In DER SPIEGEL Abgerufen am 4 November 2020 Alan Milward War Economy and Society 1939 1945 University of California Press ISBN 0 520 03942 4 S 300 302 315 Keith Hartley The strategic bombing of Germany in the Second World War an economic perspective 2011 S 475 476 englisch Derek L Braddon Keith Hartley Handbook on the Economics of Conflict Edward Elgar Publishing 2011 ISBN 978 0 85793 034 7 S 475 Raymond G Stokes Technology and the West German Wirtschaftswunder In Technology and Culture Band 32 Nr 1 Januar 1991 S 1 22 JSTOR 3106006 Alan Milward Die deutsche Kriegswirtschaft 1939 1945 2010 ISBN 978 3 486 70370 2 S 91 92 Stewart Halsey Ross Strategic Bombing by the United States in World War II The Myths and the Facts McFarland 2002 ISBN 978 0 7864 1412 3 S 197 199 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Okonomische Aspekte der strategischen Bombardierung Deutschlands im Zweiten Weltkrieg amp oldid 239570187