Zyklischer Sprachwandel ist eine Theorie aus der Historischen Linguistik. Sie wurde 1891 von dem Sprachforscher Hans Georg Conon von der Gabelentz aufgestellt.
Das Modell geht davon aus, dass die einzelnen menschlichen Sprachen in ihrer Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der Grammatik und der Wortstruktur fortwährend einen Zyklus durchlaufen. Ob das Modell tatsächlich zutrifft, ist unklar, da die zugrundeliegenden Zeiträume länger sind, als die Aufzeichnungen über Sprachen zurückreichen. Insgesamt ist der Sprachwandel sicher komplizierter als das Modell, da andere Effekte wie Kontakte mit anderen Sprachen es überlagern.
Diese Entwicklung umschreibt grundsätzlich die Syntax einer Sprache. Nach der Theorie entwickeln sich agglutinierende Sprachen zu flektierenden/fusionalen Sprachen (Sprachtypologie), diese wiederum entwickeln sich in isolierende Sprachen, und diese letztlich wandeln sich in agglutinierende Sprachen; dadurch wird ein Kreislauf geschlossen. Anhand von Vergleichen der Entwicklung diverser Sprachen der Menschheit ist dieses Modell untermauerbar; jedoch konnte aufgrund der sehr langen Zeiträume der Entwicklung noch kein vollständiger Zyklus beobachtet werden.
Der Zyklus entsteht dadurch, dass jeder Mensch seine Muttersprache nur unvollständig aufnimmt und sie weiterentwickelt. Dabei bildet er eigene Regeln. Die Veränderungen können weitergegeben werden. Sie geschehen normalerweise in einer bestimmten Richtung. Es herrscht der Drang zur Verkürzung, zur Vereinfachung, der in Widerspruch steht zum Drang zur Verständlichmachung.
In knapper Form entwickelt von der Gabelentz (1901: 255ff.) diese Ideen unter der Überschrift „Der Spirallauf der Sprachgeschichte, die Agglutinationstheorie“.
Entwicklungsstufen Bearbeiten
Agglutinierende Sprachen in flektierende Sprachen Bearbeiten
Flektierende Sprachen in isolierende Sprachen Bearbeiten
Isolierende Sprachen in Agglutinierende Sprachen Bearbeiten
Beispiele Bearbeiten
Wandel von analytischer zur synthetischen Struktur Bearbeiten
Sekundäre Lokalkasus im Litauischen:
- Adessiv, entstanden aus dem Lokativ + Postposition *pie (tėviepi beim Vater)
- Allativ, entstanden aus dem Genitiv + Postposition *pie (tėvopi zum Vater)
Literatur Bearbeiten
- Georg von der Gabelentz: Die Sprachwissenschaft, ihre Aufgaben, Methoden und bisherigen Ergebnisse. Mit einer Studie von Eugenio Coseriu neu herausgegeben von Gunter Narr und Uwe Petersen. Tübinger Beiträge zur Linguistik, Tübingen 1972, DNB 579428931. (Nachdruck der 2. vermehrten und verbesserten Auflage, hrsg. v. Albrecht Graf von der Schulenburg. Tauchnitz, Leipzig 1901; 1. Auflage. Leipzig 1891)
- Sascha Bechmann: Sprachwandel – Bedeutungswandel: Eine Einführung. UTB, Narr Francke Attempto, Tübingen 2016, ISBN 978-3-8252-4536-8
Siehe auch Bearbeiten
Inkorporierende Sprachen (polysynthetische Sprache), Sprachtypologie