Vulcain [vyl.kɛ̃] ist ein Raketentriebwerk der ESA, das in der ersten Stufe der Ariane 5 eingesetzt wird. Es gibt zwei Hauptversionen dieses Triebwerkes, Vulcain 1 und Vulcain 2, sowie eine Variante des Vulcain 1, das Vulcain 1B. Der Name des Triebwerks entspricht der französischen Bezeichnung für den römischen Gott Vulcanus.
Entwicklung Bearbeiten
Bereits 1957 entschied das französische Verteidigungsministerium, ein Kalttemperaturtriebwerk für Raketen zu entwickeln. Der erste Prototyp wurde 1964 in Betrieb genommen. Seither wurden mehrere Generationen des Triebwerks entwickelt. Auf der ESA-Ministerkonferenz in Den Haag im Jahre 1987 wurde die Entwicklung einer stärkeren Trägerrakete, der Ariane 5, beschlossen. Dafür musste auch ein neues Triebwerk, eben das Vulcain-Triebwerk (ehemals HM-60), gebaut werden. Schon nach einer relativ kurzen Entwicklungszeit durch die Firmen Snecma und EADS Astrium (früher MBB) wurde im April 1990 das erste Vulcain-Triebwerk gezündet. Am 4. Juni 1996 kam erstmals ein Vulcain in einer Trägerrakete zum Einsatz. Für die Ariane 5 GS wurde eine leicht modifizierte Version des Triebwerks mit der Bezeichnung Vulcain 1B eingesetzt. Eine Erhöhung des Brennkammerdrucks um 10 bar lieferte dabei 20 kN mehr Schub.
Für die größere Ariane 5 ECA wurde wegen der erhöhten Masse der Oberstufe ein leistungsstärkeres Triebwerk gewünscht, und so wurde bereits Ende der neunziger Jahre der Nachfolger, das Vulcain 2, entwickelt. Beim Erstflug am 11. Dezember 2002 kam es zum strukturellen Versagen der Düse infolge zu hoher thermischer Belastung der Röhrchenstruktur, mit der die Düse gekühlt wird, damit zur Rissbildung in der Schubdüse, Kühlmittelverlust und Durchbrennen der Röhrchenstruktur. Darüber hinaus wurde die Düse durch axiales Beulen unter Vakuumbedingungen beschädigt. Daraufhin musste das Triebwerk nachgebessert werden. Der Erfolg war Vulcain 2 erst beim zweiten Einsatz am 12. Februar 2005 beschieden.
Technische Daten Bearbeiten
Durch die Weiterentwicklung zur Vulcain 2 wurden die Leistungsdaten in fast allen Bereichen gesteigert. Das Ziel war, bei gleichem Gesamttankvolumen der Ariane 5 mehr Treibstoff mitführen zu können. Aufgrund des großen Dichteunterschiedes von flüssigem Sauerstoff zu flüssigem Wasserstoff wurde der Zwischenboden, der die beiden Treibstoffe trennt, zu Gunsten des Sauerstoffvolumens verschoben. Damit ist es möglich, 16 t zusätzlichen Sauerstoff bei Verlust von 1 t Wasserstoff mitzuführen. Um diese zusätzliche Treibstoffmenge fördern zu können, wurde die Leistung der Sauerstoff-Turbopumpe gesteigert und die Anzahl der Einspritzdüsen erhöht. Durch diese Maßnahme würde der spezifische Impuls leicht sinken. Dies wurde durch Erhöhung des Brennkammerdrucks und Verlängerung der Schubdüse kompensiert. Als weitere leistungssteigernde Maßnahme werden die Abgase des Gasgenerators nach Durchströmen der Turbinen in den unteren Teil der Düse eingeblasen, was Schub und spezifischen Impuls leicht erhöht und zudem die Düse zusätzlich kühlt. Dadurch arbeitet Vulcain 2 nicht mehr nach dem klassischen Nebenstromverfahren, sondern nach dem Nebenstromverfahren mit Abgaswiedereinblasung.
Version | Vulcain 1 (Vulcain 1B) | Vulcain 2 |
---|---|---|
Höhe | 3 m | 3,45 m |
Durchmesser | 1,76 m | 2,10 m |
Masse | 1686 kg | 2100 kg |
Treibstoffe | Flüssiger Sauerstoff (LOX) und Wasserstoff (LH2) im Verhältnis 5,9:1 | Flüssiger Sauerstoff (LOX) und Wasserstoff (LH2) im Verhältnis 6,1:1 |
Drehzahl der Turbopumpen | 11.000 – 14.800 min−1 (LOX) bzw. 28.500 – 36.000 min−1 (LH2) | 11.300 – 13.700 min−1 (LOX) bzw. 31.800 – 39.800 min−1 (LH2) |
Leistung der Turbopumpen | 2,0 – 4,8 MW (LOX) bzw. 7,4 – 15,5 MW (LH2) | 3,7 – 6,6 MW (LOX) bzw. 9,9 – 20,4 MW (LH2) |
Brennkammerdruck | 100 bar (110 bar) | 117,3 bar |
Vakuumschub | 1120 kN (1140 kN) | 1359 kN |
Bodenschub | 815 kN | 960 kN |
Spezifischer Impuls im Vakuum (SI) | 4228 m/s | 4207 m/s |
Weiterentwicklung Bearbeiten
Wegen einer erwarteten Zunahme der Nutzlastmassen sollte im Rahmen der Weiterentwicklung der Ariane 5 die Leistung des Vulcain-Triebwerkes gesteigert werden. Zudem sollten die Produktionskosten gesenkt werden, um so auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Zum Erreichen dieser Ziele führten der Hersteller Snecma und das CNES verschiedene Studien durch. Der spezifische Impuls des Triebwerks wäre je nach Variante um bis zu 3,7 % gesteigert worden. Bei dem Einsatz mit einer Ariane 5 hätte sich die Nutzlastkapazität in einen niedrigen Erdorbit den Studien zufolge um bis zu 3,4 t erhöht.
In der Hauptstufe der Ariane 6 wird eine „Vulcain 2.1“ genannte Weiterentwicklung des Triebwerks verwendet. Am 23. November 2023 absolvierte eine voll betankte Ariane 6 auf dem Startplatz ELA-4 einen Testlauf des Vulcain 2.1, den die ESA mit einer Dauer von acht Minuten angekündigt hatte, was der Brenndauer bei einem künftigen Start entspräche. Nach gut sieben Minuten wurde das Triebwerk abgeschaltet, nachdem sich die Triebwerksabgase verfärbt hatten. Trotzdem bezeichnete die ESA den Test als Erfolg, sieben Minuten entspräche der Brenndauer bei einem künftigen Start. Es seien nahezu 150 Tonnen Treibstoff verbrannt worden. Tatsächlich würde das Triebwerk bei einem Start 7 Minuten und 50 Sekunden lang laufen und 25 t Wasserstoff mit 125 t Sauerstoff verbrennen. Eine abschließende Beurteilung des Tests wird zwei Wochen nach dem Testlauf erwartet. Hierzu werden die Daten von mehr als 800 Sensoren der Rakete ausgewertet.
Weblinks Bearbeiten
- Offizielle ESA-Seite zum Triebwerk (englisch)
- EADS Astrium: Vulcain Rocket Engine – Thrust Chamber (englisch)
- EADS Astrium: Vulcain 2 Rocket Engine – Thrust Chamber (englisch)
- CAPCOM ESPACE: Le Moteur Vulcain (französisch)
- Capcom Espace: Le Moteur Vulcain 2 (französisch)
Quellenangaben Bearbeiten
- Zulieferer für ArianeGroup. (PDF; 5,1 MB) In: inForm, Ausgabe 2017. Otto Fuchs KG, S. 18, abgerufen am 12. Januar 2020.
- Zach Rosenberg: What’s in a Name? In: Air & Space/Smithsonian. 14. April 2015, abgerufen am 12. Januar 2020 (englisch).
- Vulcain engine Artikel auf esa.int vom 29. November 2005.
- Prof. Wolfgang Koschel im Magazin des Zentrums für Luft- und Raumfahrt, Juli 2005, S.19 (PDF; 9,7 MB)
- Ausbau der Ariane 5 Artikel von bernd-leitenberger.de
- Die Ariane 5 Artikel von bernd-leitenberger.de
- Watch live: Ariane 6 eight-minute hot-fire test. ESA, 20. November 2023.
- Twitter-Nachricht von Spaceflight Now, 23. November 2023.
- ESA: Ariane 6 full stage engine hot-fire test auf YouTube, 23. November 2023.
- Hot fire: Ariane 6 ready to rumble. Abgerufen am 24. November 2023 (englisch).
- Andrew Parsonson: ESA Completes Full-Duration Ariane 6 Hot Fire Test. In: European Spaceflight. 24. November 2023, abgerufen am 24. November 2023 (amerikanisches Englisch).