www.wikidata.de-de.nina.az
Als Tassilokelch bezeichnet man einen im Stift Kremsmunster aufbewahrten Kelch der um 780 moglicherweise von dem bayerischen Herzog Tassilo und seiner Gemahlin Luitpirga gestiftet wurde moglicherweise anlasslich der Grundung Kremsmunsters 777 Der Kelch selbst wird in der Schatzkammer des Stiftes aufbewahrt Der Kelch wahrend einer Ausstellung in Aachen 2014 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Neuuntersuchung des Kelchs 3 Einzelnachweise 4 Literatur 5 WeblinksGeschichte BearbeitenDie genaue Entstehungsgeschichte ist unklar Da die Inschrift am Fuss die Hochzeit Tassilos voraussetzt kommt nur eine Entstehung nach 768 69 in Frage Als Entstehungsort wird eine Salzburger Werkstatte vermutet es sind aber auch der ubrige bairische oder der oberitalienische Raum nicht vollig auszuschliessen Die im insularen Stil kontinentaler Pragung ausgearbeiteten Flechtband und Tierornamente fuhrten fruher zur Vermutung dass der Kelch vielleicht sogar in England hergestellt worden sein konnte Der Tassilokelch ist ca 25 5 cm hoch 3 05 kg schwer fasst ca 1 75 Liter und besteht aus Kupfer wobei Kuppa und Knauf je einzeln gefertigt sind Auf den teilweise vergoldeten Kelch sind Silbermedaillons aufgelotet wobei die funf grossen Brustbilder an der Kuppa Christus mit den Initialen IS Jesus Salvator umgeben von den vier Evangelisten die kleineren am Fuss die heilige Maria und Johannes den Taufer und nach einer unsicheren Interpretation die Langobardenkonigin Theodolinde eine Verwandte Tassilos und den heiligen Theoto zeigen Der Kelch ist daruber hinaus mit Ornamenten in verschiedenen Stilrichtungen und Techniken verziert so Tierornamenten in insularem Stil kontinentaler Pragung Pflanzenornamenten und geometrischen Motiven Aufgrund der Grosse und reichen Verzierung des Kelchs handelt es sich wohl um einen sogenannten Spendekelch calix ministerialis der den Gasten des Abtes beim Stifterfest gereicht wurde der jedoch erstmals seit Abt Albert Bruckmayr 1982 liturgisch verwendet wurde bei den Gottesdiensten am Stiftertag und Grundonnerstag wird seitdem die Kelchkommunion gereicht 1 2 Auch Papst Benedikt XVI hat den Kelch bei der Feier der Heiligen Messe in Mariazell am 8 September 2007 verwendet wie zuvor Papst Johannes Paul II 1983 und 1998 bei seinen Osterreichreisen 1 Die Inschrift am Fuss lautet TASSILO DVX FORTIS LIVTPIRC VIRGA REGALIS ubersetzt Tassilo tapferer Herzog Liutpirg koniglicher Spross Aufgrund dieser Inschrift wird auch angenommen dass es sich um den Hochzeitskelch des Tassilo handeln konnte Der Kelch wurde wegen einer Ausstellung im Aachener Centre Charlemagne 2014 erstmals seit 1946 aus Osterreich verbracht 1 3 Neuuntersuchung des Kelchs BearbeitenIn den Jahren 2014 bis 2019 wurde der Kelch im Rahmen eines interdisziplinaren Forschungsprojektes unter Federfuhrung des Archaologischen Museums Frankfurt in den Werkstatten des Romisch Germanischen Zentralmuseums in Mainz eingehend neu untersucht Die Ergebnisse wurden von Egon Wamers 2019 unter dem Titel Der Tassilo Liutpirc Kelch im Stift Kremsmunster ediert s Literatur Die Untersuchungen vertiefen nicht nur den bisherigen Kenntnisstand zur Goldschmiedetechnik und zur Ikonografie des Kelchs sowie zur Geschichte Tassilos und vergleichbarer Kunstwerke sondern fuhren auch zu Deutungen der Inschrift und der Ikonografie die im Widerspruch zu bisherigen Meinungen stehen Die wichtigsten davon Ausgehend von geometrischen Beobachtungen am Kelch und der Inschrift am Fuss des Kelches kommt P Altman Potsch zur Uberzeugung dass der Kelch von vornherein als liturgisches Gefass fur den Dom von Salzburg bestimmt und dem Heiligen Rupert gewidmet war Tassilo und Liutpirc erscheinen in dieser Deutung als Stifter des Kelches Virgil von Salzburg als Theologe des Kelchprogramms Das Hauptbild stellt demnach Christus als Konig und Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks dar 4 Die Inschrift ist fur P Altman Potsch ein Anagramm hinter dem sich letztlich die Worte SALUTARIS CALIX FIT S RODPERGTO VIRGILIUS verbergen 5 Ausserdem ergibt sich moglicherweise aus einem Chronogramm in derselben Inschrift die Jahreszahl 781 als Zeitpunkt der Entstehung des Kelches 6 Die Medaillons am Fuss des Kelches stellen nach dieser Deutung neben Maria und Johannes den Taufer nicht Theodolinde und Theoto s oben sondern die Apostel Thomas und Petrus dar 7 Egon Wamers interpretiert das Gitterwerk auf dem Kelch als schematische Architektur eins vermutlich zweigeschossigen Bauwerks bei dem Ober und Untergeschoss oder Altar und Gemeinderaum durch eine Schrankenanlage voneinander separiert sind Diese Architektur durfte das Paradies simulieren was zudem durch die Dachlandschaft des Himmlischen Jerusalems auf dem Mundsaum des Kelchs verstarkt wird Der Kelch ist demnach die Visualisierung der urbs caelestis der Himmelsstadt 8 Einzelnachweise Bearbeiten a b c pfranz2014 Tassilokelch auf Auslandsreise Nicht mehr online verfugbar Stift Kremsmunster 8 Juli 2014 archiviert vom Original am 13 September 2014 abgerufen am 28 November 2022 Sarvenaz Ayooghi Frank Pohle Peter van den Brink Hrsg Karl der Grosse Charlemagne Kurzfuhrer Sandstein Dresden 2014 ISBN 978 3 95498 116 8 S 118f https www hsozkult de exhibitionreview id rezausstellungen 190 Altman Potsch Rota in medio rotae Zur Theologie des Tassilo Liutpirc Kelches In Egon Wamer Hg Der Tassilo Liutpirc Kelch im Stift Kremsmunster Geschichte Archaologie Kunst Regensburg 2019 S 336 376 Zusammenfassung S 373 Altman Potsch Rota in medio rotae Zur Theologie des Tassilo Liutpirc Kelches In Egon Wamer Hg Der Tassilo Liutpirc Kelch im Stift Kremsmunster Geschichte Archaologie Kunst Regensburg 2019 S 346 D 500 C 100 L 50 3x X 10 V 5 3x I 1 6x Summe 781 Altman Potsch Rota in medio rotae Zur Theologie des Tassilo Liutpirc Kelches In Egon Wamer Hg Der Tassilo Liutpirc Kelch im Stift Kremsmunster Geschichte Archaologie Kunst Regensburg 2019 S 347 Altman Potsch Rota in medio rotae Zur Theologie des Tassilo Liutpirc Kelches In Egon Wamer Hg Der Tassilo Liutpirc Kelch im Stift Kremsmunster Geschichte Archaologie Kunst Regensburg 2019 S 350 351 Egon Wamers Urbs caelestis Die Bildstruktur des Tassilo Liutpirc Kelches In Egon Wamer Hg Der Tassilo Liutpirc Kelch im Stift Kremsmunster Geschichte Archaologie Kunst Regensburg 2019 S 451 487 dort S 484 485Literatur BearbeitenRomuald Bauerreiss Der Tassilokelch von Kremsmunster und seine Inschriften In Bayerische Benediktinerakademie Hrsg Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige Jg 50 1932 S 408 415 online verfugbar Gunther Haseloff Der Tassilokelch Munchner Beitrage zur Vor und Fruhgeschichte 1 Beck Munchen 1951 ein Standardwerk Gunther Haseloff Zum Stand der Forschung zum Tassilokelch In Gunter Dimt Hrsg Baiernzeit in Oberosterreich Von Severin zu Tassilo Oberosterreichisches Landesmuseum Linz 1977 Katalog zur gleichnamigen Ausstellung Volker Bierbrauer Liturgische Geratschaften aus Baiern und seinen Nachbarregionen in Spatantike und fruhem Mittelalter In Hermann Dannheimer Hrsg Die Bajuwaren Von Severin bis Tassilo 488 788 Prahistorische Staatssammlung Munchen 1988 Renate Prochno Der Tassilokelch Anmerkungen zur Forschungsgeschichte In Lothar Kolmer Christian Rohr Hrsg Tassilo III von Bayern Grossmacht und Ohnmacht im 8 Jahrhundert Regensburg 2005 P Klaudius Wintz Tassilokelch In Peter van den Brink Sarvenaz Ayooghi Hrsg Karl der Grosse Charlemagne Karls Kunst Katalog der Sonderausstellung Karls Kunst vom 20 Juni bis 21 September 2014 im Centre Charlemagne Aachen Sandstein Dresden 2014 ISBN 978 3 95498 093 2 S 196 197 m Lit Egon Wamers Hg Der Tassilo Liutpirc Kelch im Stift Kremsmunster Geschichte Archaologie Kunst Regensburg 2019 ISBN 978 3 7954 3187 7 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Tassilokelch Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Der Tassilokelch auf der Website des Stift Kremsmunster Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tassilokelch amp oldid 236820990