www.wikidata.de-de.nina.az
Die Strukturationstheorie auch als Theorie der Strukturierung bezeichnet wurde durch den britischen Soziologen Anthony Giddens in seinem 1984 erschienenen Buch The Constitution of Society formuliert Diese Theorie stellt eine Grundlagentheorie dar und gehort der Gruppe der Sozialtheorien an Die Strukturationstheorie ist einer der neueren Versuche ein altes wissenschaftstheoretisches Problem der Sozialwissenschaften zu losen Wie soll man sich das Verhaltnis zwischen Individuum und Gesellschaft vorstellen anders formuliert Wie soll man sich das Verhaltnis zwischen den Teilen und dem Ganzen oder zwischen Handlung und Struktur vorstellen Giddens gehort zu den Autoren die sowohl die Betonung des Individuums siehe methodologischer Individualismus als auch die Betonung der Gesellschaft siehe methodologischer Kollektivismus fur einseitig halten und dem Modelle entgegensetzen die die Verbindung dieser Pole zu denken versuchen Ein Leitbegriff ist ihm dabei die Dualitat der Struktur womit er eine Wechselwirkung zwischen dem Handeln und der Struktur meint Inhaltsverzeichnis 1 Theoretische Ausgangslage und Erkenntnisinteresse 2 Theorie 3 Grundbegriffe 3 1 Der Akteur und das Handeln 3 2 Handeln und Macht 3 3 Kern der Idee der Strukturierung 4 Beispiele 5 Kritik 6 Fazit 7 LiteraturTheoretische Ausgangslage und Erkenntnisinteresse BearbeitenGiddens versucht zwei bisherige Zugange die aus seiner Sicht nur scheinbare Gegensatze darstellen in seiner Strukturationstheorie zu verbinden Objektivistische Konzeptionen Varianten sind u a der Strukturalismus und der Funktionalismus Beide haben gemeinsam dass sie einen naturalistischen und objektivistischen Standpunkt einnehmen und einen Vorrang des gesellschaftlichen Ganzen vor seinen individuellen Teilen annehmen Struktur beeinflusse Handeln sie ubt Zwang aus Anders formuliert gehen sie von einem Imperialismus des gesellschaftlichen Objekts aus Funktionalistisches Denken ist seit Comte an der Biologie orientiert die Biologie gilt als Leitfaden fur die Konzeptualisierung der Struktur und des Funktionierens sozialer Systeme Strukturalistisches Denken verwendet keine biologischen Analogien geht von einer Homologie zwischen Natur und Sozialwissenschaften durch kognitive Zuge aus Subjektivistische Konzeptionen Varianten sind u a die Hermeneutik und der symbolische Interaktionismus Sie haben gemeinsam dass Individuen hier nicht als von gesellschaftlichen Normen beeinflusst gesehen werden Hier steht der Akteur im Mittelpunkt eine Struktur ist hier nicht dominant Hermeneutik sieht Natur und Sozialwissenschaften getrennt Hier besteht eine Kluft zwischen Subjekt und gesellschaftlichem Objekt die nicht subjektive Erfahrungswelt ist eine fremde materielle unpersonliche Welt Interpretative Soziologien nehmen den gemeinsamen Vorrang von Handeln und Sinn an Struktur und Zwang werden hier als unwichtig gesehen Grunden auf Imperialismus des Subjekts Strittig ist wie die Konzepte spezifiziert werden sollen und wie sie mit Struktur und Zwang in Verbindung gebracht werden konnen Giddens Ziel der Strukturalisierung ist die Widerlegung imperialistischer Ansatze Theorie BearbeitenFormalisierte Regeln in Organisationen sind nur begrenzt verhaltenssteuernd da sie durch die Akteure in Unternehmen interpretiert werden mussen Sie erlauben damit verschiedene Handlungsweisen und werden von allen Beteiligten berucksichtigt Strukturen sind daher sowohl Medium als auch Ergebnis sozialen Handelns Die Akteure beziehen sich in ihren Handlungen auf diese gegebene Struktur und produzieren bzw reproduzieren sie dadurch Der Kreis schliesst sich Giddens bezeichnet dies als Dualitat der Struktur Als eine Konsequenz des Konzeptes gilt daher auch dass erst durch die Struktur die sozialen Systeme entstehen Grundbegriffe BearbeitenDer Akteur und das Handeln Bearbeiten Akteure steuern ihre Aktivitaten und kontrollieren dadurch ihren sozialen und physischen Kontext Soziale Strukturen sind rekursiv und werden nicht durch soziale Akteure hervorgebracht sondern in und durch ihr Handeln reproduziert Dies ist die Bedingung die Handeln ermoglicht Akteure verfugen uber Handlungsrationalitat haben ein theoretisches Verstandnis fur ihr Handeln konnen also sagen warum sie etwas tun Motive fur Handeln beziehen sich auf die Bedurfnisse die ein Handeln veranlassen Eine Handlungsmotivation bezieht sich auf Handlungspotenzial also auf eine dauerhafte Handlungsausfuhrung Motive treten meist erst in Situationen auf die von der Routine abweichen ein grosser Teil des Alltagsverhaltens ist also nicht direkt motiviert Eine Motivation zu handeln ist nicht wie die reflexive Steuerung des Handelns oder die Handlungsrationalitat direkt in das Weiterbestehen des Handelns eingelassen Motivation bezieht sich eher auf ein Handlungspotential als auf die Art und Weise in der das Handeln durch den Akteur ausgefuhrt wird Die Motive konnen also nicht als Grunde des Handelns betrachtet werden Handeln ist ein Verhaltensablauf im Alltagsleben Es wird auch als Fluss intentionalen Handelns bezeichnet Als Intentionales Handeln bezeichnet Giddens dass ein Handelnder weiss oder zu wissen glaubt dass sein Handeln eine bestimmte gewollte Wirkung hat Nicht intentionales Handeln ist im Gegensatz dazu ein Handeln bei dem sich der Handelnde seiner Handlung bewusst ist er aber die Spat Folgen nicht abschatzen nur beeinflussen kann Handeln kann auch unbeabsichtigte Folgen haben die dann wieder durch einen Ruckkoppelungsprozess als unerkannte unbewusste Bedingungen fur weiteres Handeln eingehen konnen Naturlich gibt es auch beabsichtigtes Handeln meistens sind Handlungen allerdings nicht bewusst beabsichtigt Handeln bezieht sich nicht auf die Absicht des Individuums etwas zu tun sondern auf das Vermogen uberhaupt etwas zu tun Es ist ein kontinuierlicher Prozess ein Strom in dem die Reflexivitat des Akteurs deutlich wird Handelnde beziehen sich auf Regeln und Ressourcen Handeln und Macht Bearbeiten Zwischen Handeln und Macht gibt es eine logische Verbindung Bewusst zu handeln bedeutet auch anders handeln zu konnen Handeln hangt also auch von der Fahigkeit Willenskraft des Handelnden ab Damit ist auch das Ausuben von Macht von den Fahigkeiten abhangig Es gibt zwei Gesichter von Macht zum einen die Fahigkeit des Handelnden sein Verhalten hinsichtlich seiner Vorstellung zu steuern zum anderen gibt es Macht zwischen sozialen Systemen z B Institutionen Gesellschaften die uber Raum und Zeit bestehend Autonomie und Abhangigkeit in Interaktionskontexten als Voraussetzung ihres Bestehens haben Kern der Idee der Strukturierung Bearbeiten Der Begriff Struktur betitelte den Strukturalismus und stand bei Funktionalisten die ihn als fraglos zu akzeptierenden Begriff nutzten an erster Stelle Er wurde als ein Muster fur die Strukturierung sozialer Beziehungen genannt quasi als Gerust fur soziale Beziehungen Diesen Gebrauch stellt Giddens als nicht ausreichend fur eine Sozialtheorie dar Strukturen sind sowohl Grundlage als auch Ergebnis sozialen Handelns Struktur sieht Giddens als organisierten Berg von Regeln und Ressourcen als raumzeitliches Phanomen Als Strukturierung bezeichnet Giddens solche Bedingungen die die Veranderung oder den Bestand von Strukturen und eine Reproduktion sozialer Systeme bestimmen Soziale Akteure produzieren und reproduzieren standig Strukturen sie handeln nach Regeln die in der Ausfuhrung sozialer Praktiken angewandt werden also nach verallgemeinerten Verfahren Regeln konnen festgelegte Gesetze sein formal kodifizierte Regeln die auch sanktioniert werden abstrakte Regeln Sie konnen aber auch solche Alltagsregeln Verfahrensregeln sein die der Akteur widerspruchslos hinnimmt Soziale Akteure handeln in ihrem Alltag routinemassig nach festgelegten Regeln haben solche also in ihr Wissen aufgenommen und sind dazu in der Lage nahezu jede Situation mit Hilfe der meist unterbewusst abgerufenen Regeln zu meistern Sie sind also in die Reproduktion sozialer Systeme impliziert Praktiken im gesellschaftlichen Leben werden von Regelkomplexen organisiert und dienen der Aufrechterhaltung eines strukturierten sozialen Systems Ressourcen bezeichnet Giddens als die Art und Weise in der Transformationsbeziehungen in die Produktion und Reproduktion sozialer Praktiken einbezogen sind Sie sind also die Moglichkeit auf die sich Akteure in ihrer Zielverwirklichung beziehen konnen Wichtig ist inwieweit der Akteur seine Ressourcen mobilisieren kann da Giddens davon ausgeht dass ein Akteur in Konfliktsituationen Regeln interpretieren kann Giddens unterscheidet zwischen allokativen und autoritativen Ressourcen Allokative Ressourcen beziehen sich auf Formen des Vermogens zur Umgestaltung die Herrschaft uber Objekten und materielle Phanomenen Sie leiten sich aus der Herrschaft des Menschen uber die Natur ab Autoritative Ressourcen beziehen sich auf das Vermogen welches eine Herrschaft uber Personen oder Akteure ermoglicht Regeln und Ressourcen sind in die Produktion und Reproduktion sozialen Handelns miteinbezogen Tatigkeiten mit einer moglichst maximalen Bestandigkeit uber Raum und Zeit betitelt Giddens als Institutionen Institutionalisierte Praktiken sind fur Forschungen der Sozialwissenschaften am relevantesten Sie sind fur die Strukturierung des Alltagshandelns zustandig beeinflussen dieses Giddens erlautert aber auch dass die einfachen Verfahrensregeln die den Akteuren sozialen Handelns alltaglich begegnen eine nachhaltige Auswirkung auf deren soziales Verhalten haben Beispiele BearbeitenGiddens fuhrt folgendes Beispiel an Beim Erlernen einer Fremdsprache ist es das Ziel diese moglichst korrekt zu sprechen Folglich verwendet man grammatikalische Regeln beim Sprechen Dies ist das beabsichtigte und eigentliche Ziel des Lernenden Unbeabsichtigte Folge ist jedoch dass man dadurch zur Dauerhaftigkeit und Verbreitung dieser Fremdsprache beitragt Die Struktur wurde produziert und reproduziert In unserer sozialen Struktur galten Altpapier und Plastikmull Jahre lang als Abfallstoffe und wurden entsorgt Heute sieht man darin Rohstoffe bzw weitere Produktionsressourcen was unsere nachfolgenden Handlungen verandert Kritik BearbeitenDie Definitionen der Begriffe sind unbestimmt ungenau und werden teilweise widerspruchlich festgelegt Giddens verwendet einerseits Begriffe aus der Hermeneutik bzw der interpretativen Soziologie andererseits aus strukturalistischen bzw funktionalistischen Theorieansatzen Deshalb wird ihm Eklektizismus vorgeworfen Es gibt kaum empirische Arbeiten bzw Befunde Fazit BearbeitenDie Gidden sche Theorie liefert den ersten Ansatzpunkt zur Vermittlung zwischen Strukturalismus und Handlungstheorien Sie ist weder ein fertiges noch benutzerfreundliches Konzept Die Strukturationstheorie bietet jedoch einen breiteren Zugang die Probleme der Sozialwissenschaften aufzuarbeiten und alte und neue Losungskonzepte zu verknupfen Sie kann daruber hinaus im Bereich der Organisationsgestaltung bzw Organisationsentwicklung eine geeignete Grundlage fur die Reflexion von Strukturen und Prozessen darstellen Literatur BearbeitenAnthony Giddens The Constitution of Society University of California Press 1984 ISBN 0 520 05728 7 Anthony Giddens Die Konstitution der Gesellschaft Grundzuge einer Theorie der Strukturierung Frankfurt am Main 1984 S 51 90 Peter Walgenbach Giddens Theorie der Strukturierung In Alfred Kieser Hrsg Organisationstheorien Kohlhammer Stuttgart 1999 S 355 376 ISBN 3 17 017917 9 Alfred Kieser Peter Walgenbach Organisation Schaffer Poeschel Stuttgart 2003 S 62 64 ISBN 3 7910 2242 3 Gunther Ortmann Jorg Sydow Hrsg Strategie und Strukturation Strategisches Management von Unternehmen Netzwerken und Konzernen Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr Th Gabler GmbH Wiesbaden 2001 S 31 37 ISBN 3 409 11815 2 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Strukturationstheorie amp oldid 217681444