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Der Beschluss Steuerungseinrichtung fur Untersuchungsmodalitaten des Bundesgerichtshofs BGH vom 20 Januar 2009 Az X ZB 22 07 behandelt die Patentierbarkeit eines Verfahren zur Verarbeitung medizinisch relevanter Daten mit Hilfe eines Expertensystems Es bespricht die Nichtanwendbarkeit des in 1 Abs 3 Nr 3 und Abs 4 PatG geregelten Patentierungsausschlusses wenn das beanspruchte Verfahren Anweisungen enthalt welche die Losung einer konkreten technischen Problemstellung mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben Es bekraftigt die Abkehr von der sogenannten Kerntheorie des Patentrechts Ist die konkrete technische Problemlosung bei dieser Anmeldung die Steuerung der jeweiligen Untersuchungsmodalitat beispielsweise die Einstellung der Bildauflosung bei Computertomografien gegenuber der manuellen Einstellung durch das Bedienungspersonal so ist nur diese technische Problemlosung bei der Prufung auf erfinderische Tatigkeit in den Blick zu nehmen Ist diese neu und erfinderisch so darf der Patentinhaber jedem Arzt die Anwendung des beanspruchten Verfahrens zur Diagnose seines Patienten gemass 9 Satz 2 Nr 2 PatG verbieten Hinsichtlich der Verfahrensanwender fragt der Senat in dem Beschluss nach der ausreichenden Offenbarung der Verfahrensumsetzung Logo auf den Entscheidungen des BundesgerichtshofsBundesgerichtshofAktenzeichen X ZB 22 07 1 Paragraphen 1 Abs 3 Nr 3 Abs 4 PatG 1 Abs 1 PatG 4 PatG 34 Abs 4 PatG 2a Abs 1 Nr 2 PatG 2007 5 Abs 2 Satz 1 PatG 1981 Stichworte Technizitat Kerntheorie Offenbarungzitierte Entscheidungen BGH Logikverifikation BGH Flugkostenminimierung BGH Tauchcomputer BGH Suche fehlerhafter Zeichenketten BGH elektronischer Zahlungsverkehr BGH Antiblockiersystem EPA T 26 86 Koch amp SterzelBundespatentgerichtAktenzeichen 17 W pat 6 04 PDF 61 kB Paragraphen 1 Abs 3 Nr 3 Abs 4 PatGDPMAAktenzeichen DE 101 56 215 2 53Paragraphen 4 PatG Inhaltsverzeichnis 1 Sachverhalt 2 Zusammenfassung des Urteils 3 Bedeutung 3 1 Anspruchsanalyse 3 2 Kerntheoretische Beurteilung 4 Siehe auch 5 EinzelnachweiseSachverhalt BearbeitenDie deutsche Patentanmeldung DE 101 56 215 2 53 mit Anmeldetag 15 November 2001 betrifft ein Verfahren zur Verarbeitung medizinisch relevanter Daten im Rahmen einer durchzufuhrenden Untersuchung eines Patienten wobei ein in einer Datenverarbeitungseinrichtung abgelegtes Programmmittel anhand von eingegebenen symptomspezifischen und oder diagnosespezifischen Informationen unter Verwendung einer symptom und oder diagnosebasierten Datenbank eine oder mehrere zur Untersuchung des Patienten durchzufuhrende Untersuchungsmodalitaten auswahlt die an einer Wiedergabeeinrichtung ausgegeben werden Der Prufer des DPMA wies die Anmeldung am 14 Oktober 2003 mangels erfinderischer Tatigkeit gegenuber dem Stand der Technik DE 198 09 952 A1 Verfahren zur Konfiguration von medizintechnischen Geraten zugeordneten Monitoren US 5 517 405 A Expert system for providing interactive assistance in solving problems such as health care management EP 0 741 361 B1 Reproduction or display of medical images with configurable text box zuruck Das Bundespatentgericht fuhrte in der Entscheidung 17 W pat 6 04 Expertensystem vom 17 April 2007 den neuen Zuruckweisungsgrund des Patentierungsausschlusses nach 1 Abs 3 Nr 3 Abs 4 PatG ein weil der Anspruch den Datenverarbeitungsfachmann an weist Programmmittel zu schaffen die aus eingegebenen Informationen nach logischen Regeln unter Benutzung von in Datenbanken gespeichertem Expertenwissen Schlusse zu ziehen System mit kunstlicher Intelligenz oder Expertensystem und liess die Rechtsbeschwerde nach 100 Abs 2 Nr 2 PatG zu weil zur rechtlichen Bewertung von Expertensystemen welche fur ein automatisiertes Treffen von abwagenden gedanklichen Entscheidungen aufgrund von gespeichertem Expertenwissen ausgelegt sind keine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegt Der BGH bestatigte den Zuruckweisungsgrund des Patentierungsausschlusses zu Haupt und Hilfsantrag 1 gegen den die Anmelderin keine Rechtsbeschwerde eingelegt hatte implizit gab der Beschwerde jedoch hinsichtlich der Hilfsantrage 2 und 3 statt wenn wie es das Bundespatentgericht bestatigt hatte die Anspruche verfahrensbestimmende Anweisungen enthalten welche die Losung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben Am 29 April 2010 hat der 17 Senat des Bundespatentgerichts die Anmeldung erneut zuruckgewiesen Zusammenfassung des Urteils BearbeitenDer BGH sprach sich neuerlich gegen die sog Kerntheorie aus 2 Massgebend fur die Patentierung ist die Gesamtbetrachtung der Losung eines uber die Datenverarbeitung hinausgehenden konkreten technischen Problems Es darf bei der Bewertung dieser Losung keine Gewichtung einzelner technischer und nichttechnischer Losungsmerkmale vorgenommen werden Sammlung Speicherung Auswertung und Verwendung von Daten werden als aussertechnische Vorgange eingestuft Fur die Gesamtbetrachtung der in der Anmeldung vorgeschlagenen Losung muss neben der Frage ob die Auffindung der Losung die Entfaltung erfinderischer Tatigkeit erfordert auch die Frage behandelt werden ob diese Umsetzung dem Fachwissen des Anwenders uberlassen bleibt Offenbarungsmangel 3 Bedeutung BearbeitenMit der Heraushebung des Erfordernisses der Losung eines konkreten technischen Problems und der Frage nach der ausreichenden Offenbarung 4 unterstreicht der BGH das Losungsschutzprinzip vgl Leistungsschutz gegenuber dem Schutz ganzer Problemfelder Anspruchsanalyse Bearbeiten Der Anwender des beanspruchten Verfahrens zur Verarbeitung medizinisch relevanter Daten im Rahmen einer durchzufuhrenden Untersuchung eines Patienten ist gemass den Absatzen 2 4 der Offenlegungsschrift der Arzt Zweifel an der gewerblichen Nutzung des Verfahrens durch den Arzt gemass 5 PatG bestanden weder durch die Senate noch die Prufungsstelle Der in 2a Abs 1 Nr 2 PatG zum Anmeldezeitpunkt 5 Abs 2 Satz 1 PatG bestimmte Patentierungsausschluss von Diagnostizierverfahren die am menschlichen Korper vorgenommen werden wurde nicht besprochen Die explizit beanspruchte Verfahrensanwendung des Arztes nach 9 Satz 2 Nr 2 PatG ist die Eingabe symptomspezifischer und oder diagnosespezifischer Informationen in das auf seiner Datenverarbeitungseinrichtung ablaufende Programmmittel Implizit wird er aber auch sicherlich die Informationen der Wiedergabeeinrichtung zur Kenntnis nehmen dd Wesentliche Elemente zur Durchfuhrung des Verfahrens nach 10 PatG sind die Untersuchungsmodalitaten und die Datenverarbeitungseinrichtung mit darin abgelegtem Programmmittel und einer symptom und oder diagnosebasierten Datenbank 5 Untersuchungsmodalitaten und Datenverarbeitungseinrichtung sind nach 10 Abs 2 PatG handelsublich Die in der Datenverarbeitungseinrichtung abgelegten Programmmittel und die symptom und oder diagnosebasierten Datenbank sind entsprechend 10 Abs 1 PatG bestimmt fur die Benutzung verwendet zu werden Als Zubehor zu den Untersuchungsmodalitaten und der Datenverarbeitungseinrichtung gemass 97 Abs 1 Satz 1 BGB sind die in der Datenverarbeitungseinrichtung abgelegte Bestandteile Programmmittel und symptom und oder diagnosebasierten Datenbank nach 93 BGB sonderrechtsfahig Die symptom und oder diagnosebasierten Datenbank wird vom Verkehr nicht als Zubehor zum Programmmittel angesehen 97 Abs 1 Satz 2 BGB sondern als integraler Bestandteil Das Programmmittel geniesst Schutz nach 69a bis 69g UrhG Die mit dem Programmmittel durchzufuhrende Auswahl der zur Untersuchung des Patienten durchzufuhrende Untersuchungsmodalitaten Modality Worklist in DICOM betrifft das bereits bekannte und noch zu findende arztliche Fachwissen Expertensystem fur ein gemass 2a Abs 1 Nr 2 PatG zum Anmeldezeitpunkt 5 Abs 2 Satz 1 PatG ausgeschlossenes Diagnostizierverfahren Die Datenbankabfrage und die Ubertragung der abgefragten Informationen an eine Datenverarbeitungs und oder Steuerungseinrichtung einer ausgewahlten Untersuchungsmodalitat durch das Programmmittel betrifft die Datenverarbeitung welche laut Beschluss aussertechnische Vorgange sind Die symptom und oder diagnosebasierte Datenbank geniesst Schutz nach 87a bis 87e UrhG In ihr abgelegt sind Untersuchungs oder Messprotokolle DICOM Modality Worklist fur die Datenverarbeitungs und oder Steuerungseinrichtungen der Untersuchungsmodalitaten Diese standardisierte Steuerung durch die Untersuchungs oder Messprotokolle der Modality Worklist stellt nach der Senatsentscheidung die Losung eines konkreten technischen Problems dar welches in Kombination mit allen weiteren Losungsmerkmalen auf erfinderische Tatigkeit und ausreichende Offenbarung gepruft werden muss 6 Kerntheoretische Beurteilung Bearbeiten Die patentrechtliche Beurteilung stellt das Verstandnis des Fachmanns der die Patentanmeldung zum Anmeldezeitpunkt liest in das Zentrum der Beurteilung Was sich ihm auf Grund seines Fachwissens ohne weiteres als Problemlosung der Anmeldung entsprechend 34 Abs 4 PatG offenbart wird als Gegenstand der Anmeldung nach Internationaler Patentklassifikation eingeordnet und nach 43 Abs 1 PatG recherchiert Fur Klassifikation und Recherche wird die in 34 Abs 6 PatG bestimmte eine einzige allgemeine erfinderische Idee der Anmeldung zu Grunde gelegt die sich dem Verstandnis des Fachmanns zum Anmeldezeitpunkt allein aus den ursprunglichen Anmeldeunterlagen erschliesst Alles andere ware eine ruckschauende Betrachtung die ausserhalb des ursprunglichen Offenbarungsgehalts liegt 7 Bei der Patentprufung werden solche hypothetischen Schutzbereiche welche nach 22 Abs 1 PatG zur Nichtigerklarung des Patents fuhren wurden gar nicht erst untersucht Fur die Prufungsstelle des DPMA war die eine einzige allgemeine Idee das Expertensystem mit diagnosebasierter Datenbank das den Arzt im Rahmen der Verarbeitung medizinisch relevanter Daten unterstutzt und diese offenbarte Losung gegenuber dem Stand der Technik gemass 4 PatG naheliegend Das Bundespatentgericht sah diese Losung hingegen nicht als Erfindung im Sinne des 1 Abs 3 Nr 3 PatG an Die im Hilfsantrag 2 hinzugefugte technisch vollig unspezifizierte Ubertragung der Untersuchungs und Messprotokolle an die Datenverarbeitungs und oder Steuerungseinrichtung der ausgewahlten Untersuchungsmodalitaten bezeichnete der 17 Senat als Losung einer konkreten technischen Problemstellung obwohl die Anmeldung hinsichtlich dieses Gesichtspunktes zum Anmeldezeitpunkt gar nicht klassifiziert wurde und stellte weder Problemoffenbarung noch Losungsoffenbarung in Frage stellte diese Problemlosung allerdings nicht in den Vordergrund der beanspruchten Lehre An dieser Stelle hakte der BGH hinsichtlich dieses zweiten Hilfsantrags ein bezeichnete diese Aufteilung der Bewertung der Losung in zwei separate Bewertungen als Kerntheorie und forderte wenn diese Ubertragung der Untersuchungs und Messprotokolle an die Datenverarbeitungs und oder Steuerungseinrichtung der ausgewahlten Untersuchungsmodalitaten zum Anmeldezeitpunkt fur den Fachmann tatsachlich eine Losung eines konkreten technischen Problems darstellen sollte und aus der Sicht des Anwenders nicht nur ein gangiges technisches Mittel wie Stift Papier 8 oder der Computer so ist diese Losung in den Blick zu nehmen und die Kombination von technischen und nichttechnischen bzw vom Patentschutz nach 1 Abs 3 PatG ausgeschlossenen Merkmalen auf ausreichende Offenbarung Neuheit und erfinderische Tatigkeit zu untersuchen Siehe auch BearbeitenBGH Seitenpuffer Beschluss BGH Logikverifikation Beschluss BGH Dynamische Dokumentengenerierung US CAFC State Street Bank v Signature Financial Group SoftwarepatentEinzelnachweise Bearbeiten JurPC Web Dok 91 2009 Jurgen Ensthaler Der patentrechtliche Schutz von Computerprogrammen nach der BGH Entscheidung Steuerungseinrichtung fur Untersuchungsmodalitaten In GRUR Band 1 2010 S 1 88 kritisiert Eine Kerntheorie dass durch ihre Anwendung Kriterien fur eine Gewichtung zwischen technischen und nichttechnischen Inhalten erkennbar wurden hat es nie gegeben Zur Frage der ausreichenden Offenbarung en enablement siehe Disclosure of the invention under the European Patent Convention vgl BGH Doppelachsaggregat GRUR 1980 166 wo die Grenze zum Offenbarungsmangel schon dann erreicht ist wenn der nacharbeitende Fachmann die Lehre nur mit grossen Schwierigkeiten und nicht ohne vorherige Misserfolge praktisch verwirklichen kann vgl BGH BGH Rohrschweissverfahren wo eine handelsubliche Vorrichtung die zur Ausfuhrung des Verfahrens verwendet wird als wesentliches Element der Erfindung bezeichnet wird Peter Meier Beck Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Patent und Gebrauchsmusterrecht im Jahr 2007 In GRUR 2008 S 1033 1038 2 Mittelbare Patentverletzung mwN Uwe Scharen Die Behandlung der so genannten mittelbaren Patentverletzung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs In GRUR 2008 S 944 948 Zur eigenschopferischen Tatigkeit bei Hardwarekonfigurationsdateien vgl das Urteil OLG Hamburg 3 U 120 00 Faxkarte bei welchem der Hardwarekonfigurationsdatei EQUILIZE IN eigenschopferischer Gehalt abgesprochen wurde weil die Einstellparameter durch die Hardware vorgegeben sind zum ursprunglichen Offenbarungsgehalt einer Anmeldung ausfuhrlich BGH Einkaufswagen II anders EPA T 0258 03 3 5 1 Memento des Originals vom 2 Oktober 2008 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot legal european patent office org PDF 46 kB Hitachi S 16 mit der vergleichsweise breiten Auslegung des Begriffs Erfindung dass der Gebrauch von Stift und Papier schon den notwendigen technischen Charakter erfulltBitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Steuerungseinrichtung fur Untersuchungsmodalitaten amp oldid 240693795