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Das Konzept der Sozialen Verteidigung wurde in den 1960er und 1970er Jahren als Alternative zu Krieg und militarischen Versuchen der Konfliktlosung entwickelt Nach einer viel zitierten Definition ist der Schwerpunkt nicht die Verteidigung eines Territoriums sondern der Strukturen der Zivilgesellschaft gegen militarische Ubergriffe eines anderen Landes oder gegen die Handlungen von Putschisten Inhaltsverzeichnis 1 Historische Entwicklung 2 Grundannahmen 3 Empfohlene Verhaltensweisen 4 Beispiele Moglichkeiten und Grenzen 5 Die Idee tragende Personen und Organisationen 6 Siehe auch 7 Literatur 8 WeblinksHistorische Entwicklung BearbeitenAufgebaut wurde dabei unter anderem auf den Grundlagen des von Henry David Thoreau entwickelten zivilen Ungehorsams und dem gewaltfreien Widerstand Mahatma Gandhis und Martin Luther Kings Angeknupft wurde auch an den Ruhrkampf den Widerstand in Danemark und Norwegen gegen die deutschen Besatzer wahrend des Zweiten Weltkriegs und den Widerstand nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in der CSSR am 21 August 1968 vgl Prager Fruhling Dies bedeutet jedoch nicht dass es sich bei den genannten oder weiteren Beispielen bereits um Soziale Verteidigung im Sinne des theoretisch ausgearbeiteten Konzepts handelte In den 1980er Jahren wurden Methoden der Gewaltfreien Aktion von der bundesdeutschen Friedensbewegung und Okologiebewegung eingesetzt oft verbunden mit Uberlegungen wie eine Gesellschaft eigentlich aussehen muss um sich mit Mitteln der Sozialen Verteidigung gegen eventuelle Angriffe behaupten zu konnen Grundannahmen BearbeitenSoziale Verteidigung geht von dem Wertegrundsatz aus dass Menschenleben und Strukturen einer Gemeinschaft wichtiger sind als politisch historische Einflussspharen Es lohnt sich weniger historisch gewachsene hegemoniale Grenzen zu erhalten als die soziale Struktur einer Gesellschaft und ihre Einrichtungen Die Nachteile die bei der Machtausubung von Besatzern entstehen sind eher zu ertragen als die Opfer an Menschenleben und Gebauden den eine militarische Verteidigung mit sich bringt Fremdherrschaft ist besser als gegenseitige Zerstorung erst recht in Zeiten des atomaren Patts Soziale Verteidigung geht von der Voraussetzung aus dass ein Aggressor grosstmoglichen Nutzen aus seinem Angriff ziehen mochte und zwar im Sinne einer Nutzung von Ressourcen und Arbeitskraft des besetzten Landes rationale Ziele somit ist ihm an der effektiven Beherrschung des Landes gelegen und nicht an dessen Zerstorung Soziale Verteidigung geht von dem Ziel aus dass auf jeden Fall die immensen Zerstorungen und Verwustungen verhindert werden mussen die typischerweise bei einem militarischen Konflikt entstehen Daher ist eine militarische Verteidigung nicht angebracht Wichtiges Ziel bleibt selbstverstandlich die Verhinderung bzw Vermeidung von Besatzungswillkur durch die abschreckende Wirkung einer entschlossenen Burgergesellschaft Ziel ist also eine bewusst gehandhabte gesellschaftliche Selbstbehauptung indem die betroffenen Menschen in den politischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einrichtungen demjenigen mit gewaltlosen Aktionsformen die Kontrolle der Strukturen und Institutionen des Landes erschweren und im Idealfall unmoglich machen der militarisch intervenieren oder die Macht ubernehmen mochte Michael Schmid Es wird nicht der Angriff bestraft sondern die Besatzung Soziale Verteidigung basiert auf folgenden Grundhaltungen nach Michael Schmid jeder Mensch wird als Mensch geachtet also auch der Gegner bekampft wird das Unrecht und nicht die Person die es ausubt oder stutzt der Glaube dass jeder Mensch veranderungsfahig ist die Bereitschaft Leiden auf sich zu nehmen um so aus der Spirale von Gewalt und Gegengewalt auszusteigen auch um die Glaubwurdigkeit des eigenen Anliegens zu unterstreichen bei gewaltfreiem Handeln mussen Ziel und Mittel ubereinstimmen Empfohlene Verhaltensweisen BearbeitenWahrend militarische Verteidigung in der Regel den Eintrittspreis fur einen Aggressor moglichst hoch gestalten will beschert die sich gewaltlos verteidigende Bevolkerung einen hohen Aufenthaltspreis Von der Sozialen Verteidigung soll also von vornherein eine Warnungswirkung ausgehen die den Gegner von einem Angriff abhalt Mogliche Aktionen reichen von Freundlichkeit zu den Soldaten des Aggressors uber Diskussion Streiks symbolische Aktionen zivilen Ungehorsam bis hin zu aktiver Sabotage Darunter fallen humorvolle Aktionen und Aktionen der Kommunikationsguerilla oder der Clownarmee Soziale Verteidigung strebt friedliche Mittel an keine Anwendung von Gewalt Begleitende und praventive Massnahmen sind sehr wichtig z B eine Aufklarung der Weltoffentlichkeit Krisenpravention Programme fur soziale und okologische Gerechtigkeit Beispiele Moglichkeiten und Grenzen Bearbeiten1968 in Prag zeigte sich z B welche Wirkung es auf Soldaten haben kann wenn sie keinem bewaffneten also fur sie selbst bedrohlichen Gegner gegenuberstehen sondern diskussionsbereiten unbewaffneten Menschen Weitere Beispiele sind die friedliche orange Revolution in der Ukraine und der zivile Ungehorsam der Burger des Irak gegenuber amerikanisch britischen Besatzern Eine Grenze der SV liegt da wo ein Angreifer ausschliesslich am Territorium mit seinen Bodenschatzen interessiert ist und keinerlei Rucksichten auf die ethischen Uberzeugungen der eigenen Bevolkerung oder der Weltoffentlichkeit nehmen muss So war die Quit India Bewegung im kolonialen Indien nicht zuletzt an die britische Bevolkerung gerichtet Voraussetzung fur eine erfolgreiche SV ist dass die Bevolkerung und die Entscheidungstrager die Wertordnung der SV Theorie teilen denn sie gelingt umso eher je mehr Betroffene hinter ihr stehen Die Bereitschaft der Bevolkerung unter einer willkurlichen Besatzung friedlich zu bleiben hat ihre Grenzen Durch charismatische Redner und aufgrund individual und massenpsychologischer Prozesse kann es dazu kommen dass Gewalt gegen Aggressoren auch unorganisiert ausbricht Schon die Bereitschaft weniger mit Gewalt auf die Besatzer zu reagieren reicht aus dass die Situation eskaliert Die Lage in Palastina seit 2002 und im Irak seit 2004 sind hierfur Beispiele Uberall da wo ein Territorium mitsamt den darauf lebenden Menschen insbesondere ihrer Arbeitskraft erobert werden soll konnen mit gewaltfreien Methoden die Kosten einer Besatzung genauso hochgetrieben werden wie mit Gewaltakten gegen die Besatzer Damit sind nicht nur Kosten fur die Besatzer sondern auch Risiken fur die Besetzten verbunden da Angreifer auch auf Methoden der SV mit Gewalt und Zerstorung reagieren konnen Die SV geht jedoch davon aus dass die Wahrscheinlichkeit und Wucht der Zerstorung sinkt je weniger Gewalt ihr entgegengesetzt wird Die Idee tragende Personen und Organisationen BearbeitenUm das Konzept weiterzuentwickeln und zu verbreiten grundeten Organisationen und Personen aus der Friedensbewegung 1989 den Bund fur Soziale Verteidigung Aus diesem ging 2022 die Kampagne Wehrhaft ohne Waffen hervor die zum Ziel hat das Konzept der Sozialen Verteidigung in Modellregionen zu erproben Vordenker des Konzepts der Sozialen Verteidigung waren in Deutschland unter anderen Theodor Ebert Dieter Senghaas Eva Senghaas Knobloch Dieter S Lutz und die Mitarbeiter der im Suhrkamp Verlag erschienen Buchreihe Friedensanalysen An der Weiterentwicklung beteiligten sich unter anderem Wolfgang Sternstein Christine Schweitzer und Barbara Muller In den USA waren unter anderem Gene Sharp und Adam Roberts an der Entwicklung dieses Konzepts massgeblich beteiligt in Skandinavien Johan Galtung Andrew Mack und Anders Boserup Hinzu kommen die Beitrage des Australiers Brian Martin Politische Relevanz erreichte das Konzept durch seine Rezeption in der Partei Die Grunen in deren Partei und Wahlprogramme es zeitweilig aufgenommen wurde Siehe auch BearbeitenZiviler Ungehorsam Gewaltfreiheit Gewaltfreie Aktion Konfliktforschung Konfliktmanagement Mediation Zivile Konfliktbearbeitung Friedenserhaltung Friedensforschung Bund fur Soziale Verteidigung PazifismusLiteratur BearbeitenMaja Bisig u a Soziale Verteidigung Eine gewaltfreie Alternative zur militarischen Verteidigung der Schweiz Schriftenreihe des Schweizerischen Friedensrates Nr 5 Zurich 1976 Theodor Ebert Soziale Verteidigung Formen und Bedingungen des zivilen Widerstands Waldkircher Verlag Waldkirch 1981 Wolfram Beyer Pazifismus In Hans Jurgen Degen Hrsg Lexikon der Anarchie Encyclopaedia of Anarchy Lexique de l anarchie Verlag Schwarzer Nachtschatten Bosdorf 1993 1996 online im ALex Barbara Muller u a Zur Aktualitat von Sozialer Verteidigung Sozio Publishing Osnabruck 2006 Weblinks BearbeitenBund fur Soziale Verteidigung BSV Barbara Muller Zur Theorie und Praxis Sozialer Verteidigung PDF 139 kB Schnee von gestern oder Vision fur morgen Neue Wege Sozialer Verteidigung Bund fur Soziale Verteidigung HuD Nr 58 2018 Barbara Muller Christine Schweitzer Zur Aktualitat von Sozialer Verteidigung PDF 4 04 MB 2006 Renate Wanie Bericht uber den Studientag von BSV und IFGK zur Aktualitat Sozialer Verteidigung Michael Schmid Soziale Verteidigung als Alternative zu Bundeswehr und militarischer Gewalt Theodor Ebert Sicherheitspolitische Herausforderungen fur eine basisdemokratische okologische und soziale Politik mit gewaltfreien Mitteln Wolfgang Sternstein Durch gewaltfreie Aktion in innenpolitischen Konflikten zur Sozialen Verteidigung Albert Einstein Institution umfassende Quelle in den USA zu nonviolent action nonviolent struggle mit vielen Volltext Downloads in zahlreichen Sprachen Brian Martin Publications on peace war and nonviolence Soziale Verteidigung Ohne Waffen aber nicht wehrlos Bildungswerk der DFG VK Bayern Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Soziale Verteidigung amp oldid 231776437