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Das erste Sonntagsfahrverbot in der Schweiz galt an vier aufeinanderfolgenden Sonntagen 1956 und stutzte sich auf das Kriegsvorsorge Gesetz 1 vom 30 September 1955 Artikel 18 2 S 3 Weil keine grossen Erdolvorrate vorhanden waren sollte einem Versorgungsengpass vorgebeugt werden Das Verbot stand im Zusammenhang mit einem angespannten politischen Umfeld ausgelost durch den Ungarischen Volksaufstand und die Sueskrise Die Schweizer Regierung sah in dieser Doppelkrise die Bedrohung eines dritten Weltkriegs und einer neuerlichen Kraftprobe mit all ihren tragischen Konsequenzen 3 Die Schweiz verfugt nicht uber eigene fossile Brennstoffvorkommen sondern ist vollstandig von Importen abhangig Bereits am Freitag dem 16 November 1956 verkundete der Bundesrat das sofortige Inkrafttreten dieser Verordnung 2 S 1 Die vier betroffenen Sonntage waren am 18 und 25 November sowie am 2 und 9 Dezember Ende November 1973 wiederholte sich im Rahmen des Olschocks das Fahrverbot fur drei Sonntage Uraniastrasse in Zurich an einem der SonntageUngarische Fluchtlinge in Buchs SG Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Entwurf und Beschluss zum Sonntagsfahrverbot 3 Durchfuhrung und Bewertung 4 Siehe auch 5 Quellen und Literatur 6 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenIm Jahr 1955 anlasslich der Genfer Gipfelkonferenz trafen sich die vier Siegermachte des Zweiten Weltkriegs die USA die UdSSR Grossbritannien und Frankreich um auf eine Wiedervereinigung Deutschlands hinzuwirken Neben der Gastgeberrolle sah sich die Schweiz auch weiterhin verpflichtet im Rahmen ihrer Neutralitat auf Frieden einzuwirken und stellte ab Mitte November der UNO Transportflugzeuge der Swissair zur Verfugung Die UNO entsandte so Friedenstruppen nach Agypten Zu der Zeit der Anordnung fur das Sonntagsfahrverbot waren bereits aus humanitaren Grunden 4000 Ungarnfluchtlinge durch das Schweizerische Rote Kreuz ins Land gebracht worden weitere 6000 sollten folgen 3 4 In einer streng vertraulichen Mitteilung vom 29 August 1956 5 verwies die Schweizerische Nationalbank auf die wahrungspolitischen Ruckwirkungen des Sueskanalkonflikts Darin wurde eindrucklich beschrieben dass die politischen und damit auch die wirtschaftlichen Einflussmoglichkeiten der alliierten Grossmachte im Nahen Osten rucklaufig waren und der sowjetische Einfluss zunehmend grosser werde Damit einhergehend zogen es die dortigen Regierungen vor sich von Geldreserven in US Dollar und britischem Pfund zugunsten von Schweizer Franken zu trennen Kuwait beabsichtige beispielsweise seine Pfundreserven die sich angeblich auf den Gegenwert von uber drei Milliarden Schweizerfranken belaufen sollen umzulagern wobei man daran denkt einen wesentlichen Teil davon in Schweizerfranken uberzufuhren Die Nationalbank stellte anhin dass diese Umstellungen sowjetischen Planungen entsprangen Eine zu erwartende Schwachung des britischen Pfundes zoge Stutzungskaufe der britischen Wahrungsbehorden nach sich um den Pfundkurs zu stabilisieren Die Schweiz sei aber wirtschaftlich nicht stark genug um Geldtransfers in der zu erwartenden Grosse zu verkraften Zudem ware die Erhohung des Wertes des Frankens mit fatalen Folgen fur die inlandische Wirtschaft verbunden Diese Devisentransfers waren fur die Nationalbanker nur in dem Verkauf von Dollars aus der Liquidation von Pfund oder Dollarguthaben in Amerika oder endlich aus dem Verkauf von Gold in London zu realisieren Die Schweiz sah diese Vorgange mit grossem Misstrauen Zum ersten wegen wahrungspolitischer Bedenken weil dabei ein immenses Frankenvolumen aufgebaut wurde das mit der Wirtschaftskraft der Schweiz in keinem Zusammenhang stunde Die Nationalbank sah sich damals nicht in der Rolle eine Weltwahrung zu betreuen und befurchtete einen Uberhang an einheimischer Kaufkraft und damit verbunden die Gefahr einer Inflation An zweiter Stelle warnte der Bericht der Nationalbank vor politischen Gefahren Er machte auf die Neutralitat zwischen Ost und West aufmerksam und dass die Schweiz mit ihrer Wahrung nicht in den Konflikt eingreifen durfe um ihr zuwiderlaufende Interessen zu interminieren Zwar stellte sie infrage ob die politische Neutralitat auch fur den Zahlungs und Kapitalverkehr gelte doch sehe sie es als ihre Aufgabe auf die Erhaltung des monetaren Gleichgewichts einzuwirken Drittens wurde auf den Bankenstandpunkt hingewiesen Als Losung wurde vorgeschlagen Umtausch von Devisen also Kauf von Franken ohne einen Zusammenhang mit dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen aus der Schweiz zu verbieten Entwurf und Beschluss zum Sonntagsfahrverbot BearbeitenMitte September 1956 beschloss der Bundesrat auf Vorschlag des Eidgenossischen Volkswirtschaftsdepartements EVD grundsatzlich notigenfalls verschiedene Massnahmen Kontingentierung Sonntagsfahrverbot Rationierung 2 S 2 zu treffen In Absprache mit der Carbura Schweizerische Zentralstelle fur die Einfuhr flussiger Kraft und Brennstoffe zu der alle Importeure gehorten wurde vereinbart dass nur noch zehn Prozent ihrer Bevorratungsmengen abgegeben werden durften Ausserdem wurden die Verbraucher zu einem sparsamen Umgang mit Brennstoffen aufgefordert Die von der Presse angeregte Frage nach Benzin Rationierung wurde zu diesem Zeitpunkt verneint Staatliche Verfugungen anderer Lander wie Frankreich Italien Grossbritannien der Niederlande und Schweden veranlassten die Direktion des Wirtschaftsdepartements sechs Wochen spater selbst auch Einschrankungsmassnahmen zu verordnen Die Aufgabe der Carbura wurde als zunehmend schwerer werdend angesehen in gerechtem Masse Grossisten Garagisten und Verbraucher weiterhin reibungslos und gerecht zu beliefern Von den drei genannten Einschrankungen kam fur das Wirtschaftsdepartement lediglich das Sonntagsfahrverbot in Betracht Diese Zwangsmassnahme wurde auch von der Carbura und den Automobilorganisationen fur vertretbar angesehen Der Autogewerbe Verband der wiederum divergierende Interessen verfolgte sah hingegen dieses Vorhaben zwiespaltig wollte es aber auch nicht ablehnen Auch der Fremdenverkehr konnte diese Massnahme nicht gutheissen Trotzdem ausserten die Wirtschaftspolitiker dass die Interessen einzelner Wirtschaftszweige durch diese Massnahme beeintrachtigt werden verkennen wir nicht doch ist die Lage insofern gunstig als in den kommenden Wochen dem Fremdenverkehr keine so grosse Bedeutung zukommt Was die Handhabung des Verbotes oder eine allfallige Milderung bzw Aufhebung desselben fur die Weihnachts und Neujahrstage anbelangt so ist dies in einem spatern Zeitpunkt zu prufen 2 S 3In dem eingangs genannten Kriegsvorsorge Gesetz das gerade erst ein Jahr alt war wurde genau bestimmt wie das Sonntagsfahrverbot zu handhaben sei Es verbot an Sonn und Feiertagen grundsatzlich den Gebrauch von Motorkraftfahrzeugen festgelegt wurde aber eine Reihe von Ausnahmen Zur Kontrolle dieser Ausnahmen war ein besonderes Kontrollschild fur die Fahrzeuge vorgesehen wurde aber aus Zeitmangel nicht umgesetzt mit dem Hinweis dass die betroffenen Kreise ohne weiteres selber feststellen konnen ob die Ausnahmebestimmungen auf sie zutreffen oder nicht 2 S 4 Man stutzte sich dabei auf die Erfahrungen die wahrend des Zweiten Weltkriegs in einer ahnlichen Situation gemacht worden waren Die Kontrolle oblag den Kantonen Einschrankungen fur Heizol waren nicht vorgesehen und wurden auch spater nicht durchgefuhrt Genauso waren auch Motorboote und Sportflugzeuge nicht betroffen 6 Durchfuhrung und Bewertung Bearbeiten nbsp Autofreier Sonntag sudwestlich von ZurichSchon am Montag nach dem ersten Fahrverbotssonntag vermeldete das Bundesamt fur Industrie Gewerbe und Arbeit BIGA seinem Leiter Thomas Holenstein dass die Massnahme bis auf wenige Ausnahmen von der Bevolkerung gut akzeptiert und befolgt worden sei In grosser Zahl seien am Samstag Auskunftsanfragen und Ausnahmewunsche eingegangen und man habe auch uber Mittag bis abends um neun beziehungsweise zehn Uhr daran gearbeitet Danach noch gingen Privatanrufe zu der Sache bei den Mitarbeitern zuhause ein Spater wurden Auskunfte auf den Privatlinien einzelner Mitarbeiter erteilt Wir haben auf eine ruhige hofliche und sehr pflegliche Behandlung aller Anfragen grossten Wert gelegt und glauben feststellen zu konnen dass das Publikum im allgemeinen grosses Verstandnis gezeigt hat 6 Weiter heisst es in der Notiz die Kantone hatten wegen der knappen Frist zwischen Bekanntgabe und Verbotstermin eine gewisse Toleranz gezeigt aber doch fur eine gleichmassige und wirksame Kontrolle gesorgt Sehr beruhigt sei man gewesen dass die Offentlichkeit Verstandnis gezeigt habe und bereit sei gewisse Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen Kritik kam hingegen dafur dass fur die auslandischen Autofahrer das Sonntagsfahrverbot nicht gelte Diese seien vor allem im Jura und im Tessin in grosser Zahl uber die Grenze gekommen und seien lediglich zum Zwecke des Treibstoffbezuges eingefahren Leider haben die Tankstellenhalter in unbegreiflicher Weise recht grosse Quantitaten abgegeben und die Grossisten haben anscheinend fur den Nachbezug gesorgt was noch weniger verstandlich ist Die Kantone Genf und Graubunden hatten vorbildhaft selbst reagiert und den Benzinverkauf an Auslandsfahrzeuge verboten Ferner wurden Anregungen gemacht wie die jetzt schon bewilligungspflichtige Kraftstoff Mitnahme von Auslandern zukunftig unterbunden werden konne 6 Am Montag den 10 Dezember 1956 dem Tag nach dem letzten Sonntagsfahrverbot brachte das Bundesamt fur Industrie Gewerbe und Arbeit einen Antrag in den Bundesrat ein der das Sonntagsfahrverbot durch eine Grosshandelskontingentierung ablosen sollte Darin hiess es dass bei der weiterhin angespannten Versorgungslage eine durchschnittlich achtzigprozentige Einsparung erzielt werden musse um den Gesamtbedarf befriedigen zu konnen Diese Einsparungen konnten aber nicht allein von den Automobilisten und dies zu der Weihnachts und der sich anschliessenden Hauptferienzeit erbracht werden Es sei mit einer erhohten Reisetatigkeit zu rechnen die fur das Tourismus und Gaststattengewerbe von grosser Wichtigkeit sei 7 In diesem Antrag wurde ausgefuhrt dass sich die einen Monat zuvor gezeigten Befurchtungen bezuglich der Entwicklung von Erdolimporten nicht bestatigt hatten Auch habe sich die politische Lage im Nahen Osten einigermassen geklart Man darf davon ausgehen dass Europa im Ganzen ungefahr 70 bis 75 der Bedarfsmengen wahrend der Dauer der gegenwartigen Versorgungskrise aus den in Betracht kommenden Bezugslandern erhalten wird Diese Zahl ist aber fur unser Land nicht massgebend Die Importeure haben sich sofort bemuht insbesondere aus Amerika zusatzliche Importe ausserhalb der normalen Lieferprogramme zu beschaffen Bis jetzt konnten durch Gemeinschaftseinkaufe der Carbura ca 65 000 Tonnen Benzin und ca 70 000 Tonnen Gasol gekauft werden wofur sechs Tanker gesichert sind Diese Ware sollte nach den Mitteilungen der Carbura von Mitte oder spatestens Ende Dezember an laufend in der Schweiz eintreffen Fur die als hoch bezeichnete Anzahl von 6 500 Tankstellen und 750 000 Kraftfahrzeugen sei eine gleichmassige Versorgung ohne behordliche Massnahmen nicht sichergestellt 7 Diese Massnahmen sahen vor die Last der von der OECD empfohlenen 80 Kontingentierung die den auch fur die Verteilung zustandigen Importeuren oblag durch behordlich festgelegte Mengen zu bestimmen Anderenfalls sah man die Gefahr der vorzeitigen Entleerung der Tankstellen Die Tankstellen konnten durch hinreichende Informationen uber die Liefermengen rechtzeitig ihren Bedarf ermitteln und diese verkurzten Mengen auf ihre Kunden gleichmassig verteilen 7 Das scharfere Schwert der Rationierung behalte man sich vor sollte die mit einem Sparappell verbundene Kontingentierung nicht ausreichend greifen Siehe auch BearbeitenAutofreier TagQuellen und Literatur BearbeitenBundesratsbeschluss vom 16 November 1956 betreffend Sonntagsfahrverbot und andere Sparmassnahmen im Verbrauch flussiger Treibstoffe in Amtliche Sammlung des Bundesrechts AS 1956 1273 Quellennachweis Text liegt online noch nicht vor Akten im Schweizerischen Bundesarchiv zum Sonntagsfahrverbot 1956 Daniele Ganser Europa im Erdolrausch Die Folgen einer gefahrlichen Abhangigkeit Verlag Orell Fussli Zurich 2013 Relevante Stelle in Google BooksEinzelnachweise Bearbeiten Bundesgesetz uber die wirtschaftliche Kriegsvorsorge Vom 30 September 1955 PDF 720 kB In Bundesblatt 1955 S 596 ff abgerufen am 1 November 2016 a b c d e Protokollauszug des Volkswirtschaftsdepartements vom 16 November 1956 Beschluss Nr 1969 Versorgung mit flussigen Treib und Brennstoffen Sonntagsfahrverbot in der Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz a b e Dossier Doppelkrise Suez Ungarn 1956 in der Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz Oktober 2016 Bericht von A Natural vom 19 November 1956 Les reactions officielles et officieuses a l appel du conseil federal in der Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz Streng vertrauliche Notiz der Schweizerischen Nationalbank vom 29 August 1956 Wahrungspolitische Ruckwirkungen des Suezkanalkonflikts in der Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz a b c Notiz an T Holenstein vom 19 November 1956 Durchfuhrung des Sonntagsfahrverbotes in der Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz a b c Beschlussprotokoll des Bundesrates vom 10 Dezember 1956 Nr 2116 Versorgung mit flussigen Treib und Brennstoffen Ersetzung des Sonntagsfahrverbotes durch neue Massnahmen in der Datenbank Dodis der Diplomatischen Dokumente der Schweiz Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sonntagsfahrverbot in der Schweiz 1956 amp oldid 214319555