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Robert Owen Paxton 15 Juni 1932 in Lexington Virginia ist ein amerikanischer Historiker Bis zu seiner Emeritierung war er Professor fur Geschichte an der Columbia University New York Paxton ist vor allem mit Arbeiten zur Geschichte der franzosischen Rechten in der Zwischenkriegszeit zum Vichy Regime und zum Faschismusbegriff hervorgetreten Inhaltsverzeichnis 1 Akademische Laufbahn 2 Werk 3 Veroffentlichungen Auswahl 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseAkademische Laufbahn BearbeitenPaxton schloss die Washington and Lee University 1954 mit einem B A ab studierte anschliessend mit einem Rhodes Stipendium an der Universitat Oxford und erwarb dort den M A 1963 promovierte er an der Universitat Harvard mit einer Arbeit uber das Verhaltnis des franzosischen Offizierskorps zum Vichy Regime Er lehrte an der University of California in Berkeley und an der State University of New York in Stony Brook bevor er 1969 zur Columbia University wechselte 1997 wurde er dort emeritiert Paxton trat 1997 neben einigen franzosischen Historikern darunter Jean Pierre Azema und Rene Remond als sachverstandiger Zeuge im Prozess gegen Maurice Papon auf 1981 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences aufgenommen 2009 wurde er fur seine Arbeiten zur franzosischen Geschichte mit der Legion d honneur ausgezeichnet Werk BearbeitenPaxtons Studie uber Vichy Vichy France Old Guard and New Order 1940 1944 New York 1972 erschien 1973 auch in Frankreich und sorgte dort fur eine erbitterte Auseinandersetzung deren Dimensionen mit der deutschen Fischer Kontroverse vergleichbar sind revolution paxtonienne Obwohl er sich wegen des seinerzeit noch sehr eingeschrankten Archivzugangs in Frankreich stark auf deutsche Dokumente in amerikanischen Archiven stutzen musste zerstorte Paxton uberzeugend den in der Nachkriegszeit unter anderem von Robert Aron etablierten Mythos das Kollaborationsregime habe vor allem versucht das franzosische Volk vor den Ubergriffen der Besatzungsmacht zu schutzen und sei allen deutschen Versuchen die angeblich ausschliesslich erzwungene Zusammenarbeit zu vertiefen ausgewichen Er betonte die Bedeutung der innerfranzosischen Konflikte der Vorkriegszeit fur Vichy und wies die Fixierung auf das Jahr 1940 zuruck Die Kriegsniederlage habe der franzosischen Rechten lediglich die lange ersehnte und selbstbewusst ergriffene Moglichkeit gegeben Staat und Gesellschaft nach ihren gegen die republikanische Linke und 1789 gerichteten Vorstellungen umzubauen Der von den Besatzern eingeraumte Spielraum sei erheblich gewesen Trotz der anfanglich von konservativen franzosischen Historikern Journalisten und Politikern gefuhrten wutenden Angriffe gegen das Buch und den Autor wird es heute in Frankreich weithin als bahnbrechender Klassiker anerkannt Auch die 1981 zusammen mit dem kanadischen Historiker Michael Marrus vorgelegte Arbeit Vichy et les juifs war eine Pionierstudie In ihr weisen Paxton und Marrus die Vorstellung zuruck die gegen die franzosischen Juden gerichteten mit dem Judenstatut vom 3 Oktober 1940 einsetzenden Massnahmen Vichys seien im Kern von der Besatzungsmacht erzwungen und von einer widerstrebenden Burokratie wo moglich behindert worden Stattdessen betonen sie die Rolle des politischen Antisemitismus in Frankreich und speziell die Eskalation des Antisemitismus der politischen Rechten in den 30er Jahren 2004 erschien eine systematisierende Arbeit Paxtons uber den Faschismus dt als Anatomie des Faschismus Munchen 2006 die er seither in einigen Aufsatzen prazisiert hat Paxton gehort zu den in der englischsprachigen Forschung keineswegs seltenen Historikern die die Kategorie Faschismus als bestimmenden Gattungsbegriff akzeptieren und in diesen auch das NS Regime mit einschliessen Die hartnackige Zuruckweisung des Faschismusbegriffs fur den Nationalsozialismus durch massgebliche Teile der Fachwissenschaft ist nach Paxton vor allem ein deutsches und in geringerem Masse und aus anderen Grunden auch italienisches Phanomen 1 In Anatomie des Faschismus stellt Paxton sich die Aufgabe den Begriff des Faschismus aus der Praxis der Regime und Bewegungen nicht aber aus deren Zeremonien Rhetorik und Ideenhaushalt abzuleiten Er grenzt sich damit deutlich von Autoren wie Stanley G Payne Roger Griffin und Emilio Gentile ab die ihre Typologien des Faschismus im Kern auf Ideologien und Programme gestutzt haben Programme und Lehrmeinungen hatten jedoch so Paxton bei den Faschisten immer eine instrumentelle und keineswegs mit den Programmdebatten etwa der Sozialisten vergleichbare Rolle gespielt 2 Die mit einer spezifisch faschistischen Gleichgultigkeit gegenuber Vernunft und Intellekt erfolgende Adaption der jeweiligen Doktrin an taktische Bedurfnisse des Augenblicks sei vielfach dokumentiert Den Totalitarismus Begriff den unter anderem Griffin und Gentile in ihre Modelle einbezogen haben lehnt Paxton ebenfalls ab Er sei wissenschaftlich problematisch und in sich widerspruchlich einige einflussreiche Totalitarismustheoretiker wurden ausgerechnet den italienischen Faschismus das einzige Regime das je beansprucht habe totalitar zu sein aus ihrer Typologie ausschliessen Argumentiere man dass in Italien keine wirklich totale Kontrolle der Gesellschaft verwirklicht worden sei dann musse auch das NS Regime fur nicht totalitar erklart werden denn auch den Nazis sei dies wie die gesamte neuere Forschung zeige nicht gelungen Um die Sowjetunion Stalins und Nazideutschland gleichsetzen zu konnen wurde die Totalitarismustheorie fundamentale Unterschiede in der historischen Genese und den politischen Zielen beider Diktaturen ignorieren und stattdessen die Ahnlichkeit der Zwangs und Repressionsapparate hervorheben Ein Lager ist ein Lager 3 So sei etwa die Kooperation mit konservativen Eliten immer und uberall die Grundlage der faschistischen Regime gewesen von denen kein einziges trotz der ausgepragten Revolutions Rhetorik durch einen revolutionaren Bruch zustande gekommen sei 4 Das liesse sich weder von der Sowjetunion noch von den anderen sozialistischen Staaten sagen und werde von der Totalitarismustheorie gezielt ausgeblendet oder zumindest ubersehen Paxton wirft der Totalitarismustheorie 5 ebenso wie anderen Stromungen der Forschung ausserdem eine problematische Konzentration auf den jeweiligen Mann an der Spitze vor Die Vorstellung von einem allmachtigen Diktator personalisiert den Faschismus und schafft den falschen Eindruck dass wir ihn schon vollstandig verstehen konnten wenn wir nur seine jeweiligen Fuhrer betrachten Dieses Bild dessen Macht bis heute nachwirkt ist der letzte Triumph der faschistischen Propaganda Es liefert den Nationen die faschistische Fuhrer guthiessen oder tolerierten ein Alibi und lenkt die Aufmerksamkeit weg von den Personen Gruppen und Institutionen die ihnen dabei halfen 6 Fur Paxton ist der Faschismus anders als Konservatismus Liberalismus und Sozialismus eine Innovation des 20 Jahrhunderts er blieb bis in die 1890er Jahre ungedacht Der Faschismus verkorpere eine politische Kombination die sich etwa Friedrich Engels noch nicht habe vorstellen konnen Eine Diktatur gegen die Linke unter der begeisterten Zustimmung der Bevolkerung 7 Erweitert definiert Paxton den Faschismus wie folgt Faschismus kann definiert werden als eine Form politischen Verhaltens das gekennzeichnet ist durch eine obsessive Beschaftigung mit Niedergang Demutigung oder Opferrolle einer Gemeinschaft und durch kompensatorische Kulte der Einheit Starke und Reinheit wobei eine massenbasierte Partei von entschlossenen nationalistischen Aktivisten in unbequemer aber effektiver Zusammenarbeit mit den traditionellen Eliten demokratische Freiheiten aufgibt und mittels einer als erlosend verklarten Gewalt und ohne ethische oder gesetzliche Beschrankungen Ziele der inneren Sauberung und der ausseren Expansion verfolgt 8 Paxton klassifiziert und untersucht die verschiedenen Faschismen auf der Grundlage eines historisch empirischen Stadienmodells Entstehung Verwurzelung im politischen System Griff nach der Macht Machtausubung schliesslich Entwicklung mit der Perspektive Radikalisierung oder Stagnation Ruckbildung und Niedergang Die meisten Faschismen kamen irgendwo zum Stillstand machten Ruckschritte und manchmal blieben auch Merkmale verschiedener Stadien gleichzeitig erhalten Wahrend zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in den meisten modernen Gesellschaften die Saat faschistischer Bewegungen keimte hatten nur wenige schliesslich auch faschistische Regime Und nur in Nazideutschland erreichte ein faschistisches Regime die aussersten Horizonte der Radikalisierung 9 Uber die Flugbahn einer faschistischen Bewegung hat nach Paxton letztlich der politische und soziale Kontext eines Landes entschieden Frankreich sei das erste Land mit einer spezifischen und lange bluhenden faschistischen intellektuellen Kreativitat gewesen die faschistischen Organisationen aber blieben kummerlich Oswald Mosley war nach Paxton der intelligenteste und fahigste faschistische Fuhrer scheiterte aber in einem ungunstigen politischen Umfeld Paxton weist die Auffassung dass es einen Faschismus wie in Europa zwischen den Weltkriegen nach 1945 nicht mehr geben konne 10 zuruck In der embryonalen fruhen Form existiere der Faschismus auch in der Gegenwart So sei ein authentischer popularer amerikanischer Faschismus 11 nicht undenkbar Wir haben nicht das letzte Mal vom Faschismus gehort vielleicht von dem Wort aber nicht von der Sache 12 Veroffentlichungen Auswahl BearbeitenThe Anatomy of Fascism New York Knopf 2004 Anatomie des Faschismus Munchen DVA 2006 ISBN 3 421 05913 6 Rezensionen Le Temps des Chemises Vertes revoltes paysannes et fascisme rural 1929 1939 Editions du Seuil Paris 1996 French Peasant Fascism Henri Dorgeres Greenshirts and the Crises of French Agriculture 1929 1939 Oxford University Press 1997 mit Michael Marrus Vichy France and the Jews Basic Books 1981 Vichy France Old Guard and New Order 1940 1944 London Barrie and Jenkins 1972 Parades and Politics at Vichy the french officer corps under Marshal Petain Princeton University Press 1966 Europe in the twentieth century Harcourt Brace Jovanovich 1975 5 Auflage mit Judith Hessler 2012 Robert O Paxton Faschismus als Erscheinungsform des Totalitarismus In Tagesspiegel 12 September 2005 archive org Vorabdruck aus Anatomie des Faschismus Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Robert Paxton im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Robert O Paxton Kurzbiografie bei BibliomondeEinzelnachweise Bearbeiten Siehe Paxton Robert O Comparisons and Definitions in Bosworth Richard J B Hrsg The Oxford Handbook of Fascism Oxford 2010 S 547 565 S 549 Siehe Paxton Robert O Anatomie des Faschismus Munchen 2006 S 30 Siehe zusammenfassend Paxton Comparisons and Definitions S 562 Siehe Paxton Anatomie S 40 143 The totalitarianism concept makes for bad history in other ways it reinforces the myth of the all powerful ruler ignores the rulers complicated relations with social groups and civil society and offers the elites a handy alibi Paxton Comparisons and Definitions S 562 Paxton Anatomie S 19f Paxton Anatomie S 11 Paxton Anatomie S 319 Paxton Anatomie S 41 Paxton Anatomie S 253 Paxton Anatomie S 255 Paxton Comparisons and Definitions S 565 Normdaten Person GND 124996035 lobid OGND AKS LCCN n50007757 NDL 00961195 VIAF 19682408 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Paxton RobertALTERNATIVNAMEN Paxton Robert Owen vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG US amerikanischer Historiker und HochschullehrerGEBURTSDATUM 15 Juni 1932GEBURTSORT Lexington Virginia USA Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Robert Paxton amp oldid 237190745