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Die Raketengrundgleichung gibt in der Raumfahrtphysik die Geschwindigkeit einer Rakete an die beschleunigt wird indem Stutzmasse mit konstanter Geschwindigkeit kontinuierlich ausgestossen wird und sonst keiner weiteren Kraft unterliegt Das Grundprinzip des Raketenantriebs besteht darin Stutzmasse nach hinten auszustossen und durch den Ruckstoss die Geschwindigkeit der Rakete samt Nutzlast und restlichem Treibstoff zu erhohen Die Annahme konstanter Austrittsgeschwindigkeit ist charakteristisch fur Raketentriebwerke deren Stutzmasse aus Treibstoff besteht dessen Verbrennung die Energie fur den Ausstoss liefert Die Austrittsgeschwindigkeit v g displaystyle v mathrm g wird auch als spezifischer Impuls des Triebwerks angegeben Mit der Anfangsmasse m 0 displaystyle m 0 gilt fur den Geschwindigkeitszuwachs D v displaystyle Delta v der Rakete wenn ihre Masse durch Treibstoffverbrauch auf den Wert m displaystyle m gefallen ist D v m v g ln m 0 m displaystyle Delta v m v mathrm g cdot ln frac m 0 m Dies gilt unabhangig vom zeitlichen Verlauf des Ausstosses Bei konstantem Treibstoffverbrauch m t b displaystyle dot m t b also konstanter Schubkraft F v g b displaystyle F v mathrm g cdot b ergibt sich uber m t m 0 b t displaystyle m t m 0 bt der zeitliche Geschwindigkeitszuwachs zu D v t v g ln m 0 m 0 b t v g ln 1 b t m 0 displaystyle Delta v t v mathrm g cdot ln frac m 0 m 0 b cdot t v mathrm g cdot ln left 1 frac b cdot t m 0 right Die Raketengrundgleichung kann auch fur die einzelnen Stufen einer Mehrstufenrakete verwendet werden wobei sie den Geschwindigkeitszuwachs wahrend des Betriebs der jeweiligen Stufe angibt Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Herleitung 3 Mehrstufige Raketen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie erste belegte Herleitung dieser Gleichung stammt von dem britischen Mathematiker William Moore und wurde zunachst 1810 in einem Journal 1 und dann 1813 in dem Buch A Treatise on the Motion of Rockets 2 Eine Abhandlung uber die Bewegung von Raketen veroffentlicht 1862 veroffentlichte William Leitch God s glory in the Heavens 3 Gottes Herrlichkeit im Himmel wo er argumentiert dass Raketen die effektivste Methode fur das Reisen im Weltall darstellen 1903 veroffentlichte Konstantin Ziolkowski unabhangig seine Herleitung und machte sich zusatzlich Gedanken ob Raketen die erforderlichen Geschwindigkeiten fur die Raumfahrt erreichen konnen weshalb ihm oftmals die erstmalige Herleitung zugeschrieben wird Unabhangige Herleitungen gelangen spater auch Hermann Oberth und Robert Goddard welche oft als Pioniere der modernen Raumfahrt bezeichnet werden Herleitung BearbeitenIn diesem Abschnitt ist die physikalische Herleitung der Raketengrundgleichung aus dem Impulserhaltungssatz mittels Differential und Integralrechnung angegeben Man zerlegt den gesamten kontinuierlich ablaufenden Beschleunigungsvorgang in so kleine Schritte dass in jedem Schritt die momentane Geschwindigkeit der Rakete mit einem bestimmten Wert v displaystyle v nbsp angesetzt werden kann und ihre Masse ebenso mit einem Wert m displaystyle m nbsp Im momentanen Schwerpunktssystem der Rakete wird die Masse D m displaystyle Delta m nbsp mit der Geschwindigkeit v g displaystyle v mathrm g nbsp ausgestossen hat also den Impuls v g D m displaystyle v mathrm g Delta m nbsp Wegen der Impulserhaltung erhalt die Rakete einen gleich grossen Ruckstossimpuls m D v displaystyle m Delta v nbsp der ihre Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung um D v displaystyle Delta v nbsp erhoht Dass statt der Masse m displaystyle m nbsp hier genauer m D m displaystyle m Delta m nbsp anzusetzen ware spielt nach dem folgenden Grenzubergang zu immer mehr und kleineren Schritten keine Rolle mehr Die Anderungen D m displaystyle Delta m nbsp und D v displaystyle Delta v nbsp werden dabei zu den Differentialen d m displaystyle mathrm d m nbsp bzw d v displaystyle mathrm d v nbsp Fur diese gilt also mit dem Minuszeichen weil v displaystyle v nbsp zunimmt wahrend m displaystyle m nbsp abnimmt v g d m m d v displaystyle v mathrm g mathrm d m m mathrm d v nbsp umgestellt zur Trennung der Variablen d v v g d m m displaystyle mathrm d v v mathrm g frac mathrm d m m nbsp Fur die Stammfunktionen beider Seiten gilt dann dass sie sich hochstens durch eine Integrationskonstante C displaystyle C nbsp unterscheiden v v g ln m C displaystyle v v mathrm g ln m C nbsp C displaystyle C nbsp wird aus den Bedingungen am Anfang bestimmt Einsetzen von v 0 m m 0 displaystyle v 0 m m 0 nbsp ergibt C v g ln m 0 displaystyle C v mathrm g ln m 0 nbsp und damit schliesslich die Raketengrundgleichung v v g ln m 0 m displaystyle v v mathrm g ln frac m 0 m nbsp Diese Gleichung gilt an jeder Stelle des Fluges Die am Ende erreichte Geschwindigkeit ergibt sich mit der Masse m T displaystyle m mathrm T nbsp des ausgestossenen Treibstoffs und der Masse m L displaystyle m mathrm L nbsp der leeren Rakete also m 0 m L m T displaystyle m 0 m mathrm L m mathrm T nbsp zu v E n d v g ln 1 m T m L displaystyle v mathrm End v mathrm g ln left 1 frac m mathrm T m mathrm L right nbsp AnmerkungenDiese theoretische Endgeschwindigkeit v E n d displaystyle v mathrm End nbsp hangt nur vom Massenverhaltnis m 0 m L displaystyle m 0 m mathrm L nbsp ab nicht vom zeitlichen Verlauf des Betriebs der Triebwerke In einem Schwerefeld der mittleren Starke g displaystyle g nbsp ist die vertikale Endgeschwindigkeit nach einer Zeit t displaystyle t nbsp um den Betrag g t displaystyle gt nbsp geringer Auch der Luftwiderstand der von der Hohe und der Geschwindigkeit abhangt verringert die erreichbare Endgeschwindigkeit v E n d displaystyle v mathrm End nbsp kann grosser sein als die Austrittsgeschwindigkeit v g displaystyle v mathrm g nbsp Dazu muss nur das Massenverhaltnis m 0 m L displaystyle m 0 m mathrm L nbsp grosser als e 2 7 displaystyle e approx 2 7 nbsp sein Bei sehr grossen Massenverhaltnissen lohnt sich eine Mehrstufenrakete da sonst der ganze Treibstofftank zulasten der Nutzlast auf die Endgeschwindigkeit beschleunigt werden musste Mehrstufige Raketen BearbeitenUm Geschwindigkeiten weit jenseits v g displaystyle v mathrm g nbsp zu erreichen werden unterwegs Teile der Struktur leere Tanks oder auch des Triebwerks Booster zuruckgelassen siehe Mehrstufenrakete Ubersichtlich ist der Fall aufeinandergesetzter Stufen wobei die oberen Stufen die Nutzlast der unteren Stufen darstellen Es sei eine zweistufige Rakete angenommen deren Stufen eine Masse von 100 kg bzw 20 kg haben und zu jeweils 90 aus Treibstoff bestehen also Strukturmassen von 10 kg bzw 2 kg haben Die Nutzlast betrage 1 kg Die Raketengrundgleichung wird zweimal angewendet wobei sich die Beitrage beider Stufen addieren das sieht man wenn man beim Brennschluss der ersten Stufe in das Bezugssystem wechselt in dem die zweite Stufe in diesem Moment ruht v E n d ln 100 20 1 10 20 1 ln 20 1 2 1 v g 1 36 1 95 v g 3 31 v g displaystyle v mathrm End left ln frac 100 20 1 10 20 1 ln frac 20 1 2 1 right v mathrm g approx 1 36 1 95 v mathrm g 3 31 v mathrm g nbsp Zum Vergleich die einstufige Rakete mit gleicher Treibstoff und Strukturmasse v E n d ln 100 20 1 10 2 1 v g 2 23 v g displaystyle v mathrm End left ln frac 100 20 1 10 2 1 right v mathrm g approx 2 23 v mathrm g nbsp Literatur BearbeitenErnst Messerschmid Stefanos Fasoulas Raumfahrtsysteme Eine Einfuhrung mit Ubungen und Losungen Springer Verlag Berlin Heidelberg 2000 ISBN 978 3 662 09674 1 Wolfgang Steiner Martin Schagerl Raumflugmechanik Dynamik und Steuerung von Raumfahrzeugen Springer Verlag Berlin Heidelberg 2004 ISBN 3 540 20761 9 Armin Dadieu Ralf Damm Eckart W Schmidt Raketentreibstoffe Springer Verlag Wien New York 1968 Friedrich U Mathiak Technische Mechanik 3 Kinematik und Kinetik mit Maple und MapleSim Anwendungen De Gruyter Verlag Berlin 2015 ISBN 978 3 11 043804 8 H G Munzberg Flugantriebe Grundlagen Systematik und Technik der Luft und Raumfahrtantriebe Springer Verlag Berlin Heidelberg 1972 ISBN 978 3 662 11758 3 Weblinks BearbeitenBernd Leitenberger Die Raketengrundgleichung Daniel Ruhstorfer Schulerarbeit zur Raketengrundgleichung archivierte Version vom 12 Juni 2018 Kristian Pauly Skriptum zur Vorlesung Raumfahrtsysteme TU Munchen Fachgebiet Raumfahrttechnik Wintersemester 2002 2003 abgerufen am 9 Juni 2018 Einzelnachweise Bearbeiten William Moore A Journal of Natural Philosophy Chemistry and the Arts Vol XXVII December 1810 Article IV Theory on the motion of Rockets W Nichelson London 1810 William Moore A Treatise on the Motion of Rockets To which is added An Essay on Naval Gunnery G and S Robinson London 1813 William Leitch God s Glory in the Heaves Hrsg Alexander Strahan 1862 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Raketengrundgleichung amp oldid 229671155